Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

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hang, m.

hang, m.
in mehrfachem sinne.
1)
absolut gebraucht, das hangen, angehängt sein bezeichnend, im späten mhd. durch Wolkensteins sein (Christi) kreutzlich hangk wb. 1, 611ᵃ, gewährt, ist selten und wird von Stieler auf eng verbundene personen bezogen: es ist alles ein hang, omnes in unum conspirant, mirifice uniti sunt. 760; daher noch bei Gotter: ich weisz nicht, ob ihr mehr gehört habt, wie vetter Adrian zu seiner frau gekommen ist. es war so ein alter hang. schausp. (1795) s. 222. — Bei schriftstellern des 17. jahrh. geht hang in der redensart es hat einen hang in die bedeutung des hindernisses über, eine redensart die gleich mit es hat einen haken (sp. 179), oder es haftet (sp. 135) gebraucht wird: daran hat es einen hang, das der schönheit (deines leibes) deine sitten gar nicht gleichen. Butschky kanzl. 477;
zwar viel vergaffen sich in die galanterie ...
jedoch wofern dabei das beste stücke fehlt,
wenn sich galanterie mit tugend nicht vermählt,
da hat es einen hang, und wer sich so vergeht,
den macht die jungefrau in kurzer zeit labet.
Philander v. d. Linde verm. ged. (1710) s. 63.
2)
häufiger wird hang mit bestimmendem zusatze verwendet.
a)
auch hier kann, nach der wahl des zusatzes, die bedeutung des ruhigen hangens gewahrt bleiben: doch dieser senkrechte hang der arme, dieser geschlossene stand der beine, war nicht den aegyptischen gottheiten besonders, sondern ihren menschlichen figuren überhaupt gemein. Lessing 11, 149;
da kam
der gute vater selbst gegangen und
o welche freuden, welch ein wettelauf
der mutter und der töchter, welch ein hang
an seinem hals, an seinem herzen!
Gleim 6, 175.
b)
ein zusatz der richtung gibt dem worte die mehr thätige bedeutung des hinwendens, der neigung, die in der folgenden stelle Wielands zwar noch weniger hervortritt:
und die erinnerung, dasz weder lust noch schmerz
euch je vom treuen hang an eure pflicht geschieden.
Oberon 9, 31;
dann aber prägnant erscheint, wenn nach, hin, gegen verbunden wird: der pfahl ist nicht gerade eingerammt, er hat einen hang gegen die linke seite; die sache hat den hang dahin, res eo inclinat. Steinbach 1, 695; die anziehung der sonne zieht sowohl den östlichen als den westlichen theil der erdkugel und verursacht dadurch keinen hang weder nach der einen, noch der andern seite. Kant 8, 211.
3)
an diese letztere bedeutung knüpft sich, aber erst seit dem vorigen jahrhundert nachweisbar, die verwendung von hang für eine dauernde seelische neigung, trieb, an: unter einem hang (propensio) verstehe ich den subjectiven grund der möglichkeit einer neigung (habituellen begierde), sofern sie für die menschheit überhaupt zufällig ist. Kant 6, 188; einer neigung (eheliche liebe) die so viel einflusz in die bürgerliche tugend hat, und ohne welche das menschliche herz leicht einen hang zur traurigkeit und zum eigenwillen annimmt. Gellert 7, 204; er .. hatte geschmack und einen natürlichen hang zum überflüssigen. Möser patr. phant. 1 (1798) 47; dieser allgemeine hang (reich zu werden). s. 169; der hang zum leben. Gotter 2, 7; ihr auszeichnender hang ist, sich zum weiberadvocaten aufzuwerfen. 3, 23; dein hang nach wollust. Klinger 3, 274; du hast doch immer einen kleinen hang zur schwermuth. Tieck 2, 277; ein sonderbares ereignis vor seiner geburt mochte ihm die bei so wenigen erfolgen sonst unbegreifliche neigung (zur jagd) wie ein maal aufgedrückt haben. wenigstens hielt er selbst dafür, dasz aus dieser signatur der hang abzuleiten sei. Immermann Münchh. 1, 156; eigenthümlich sagt Göthe: mir den hang und gang dieses auszerordentlichen geistes (Hamanns) begreiflich zu machen. 25, 307;
schlaf immerhin die erste zeit des lebens!
dir gab die gütige natur
den süszen hang zur ruhe nicht vergebens.
Gotter 1, 172;
drum rühm ich künstler, fürsten, fraun und weise,
dem zuge folgend eines groszen hanges.
Platen 102.
Die anwendung von hang geschieht von hier aus auch freier: ein andrer fehler ist, dasz ich .. mir erst jede sache nach ihrer möglichkeit vorgestellet, und solche hernach zu hause vielleicht nicht mit genugsamer unpartheilichkeit gegen die beweise geprüfet habe. daher kann einiges einen scheinbaren hang nach der hypothese behalten haben. Möser osn. gesch. 1 (1798) vorr. s. 8; würde manchen jungen künstler anweisen können, seine aufmerksamkeit dahin zu wenden, wohin der hang der moden, des geschmacks, des eigensinns und der staatsbedürfnisse mit einem nur scharfen augen einleuchtenden blicke winket. patr. phant. 1, 66; Moses hatte vorhergesehen .. dasz alle bürgerlichen verfassungen zuletzt dahinauslaufen, dasz die menge ein opfer weniger mächtigen wird. diesem fehlerhaften aber unwiderstehlichen hange setzte er sein groszes erlaszjahr entgegen. s. 144; ein natürlicher hang der materie. Kant 8, 225; nimmt man den selbständigen stoff an, so ist ersichtlich, dasz seine existenzform entweder die ruhe oder die bewegung sein musz. aber keiner von beiden zuständen stammt aus seiner natur, denn in solchem falle würde er zu dem einen oder andern mehr hang haben. ev. kirchenzeitg. 1866 s. 671.
4)
hang für einen hangenden gegenstand, wie er in den zusammensetzungen anhang, behang, umhang, vorhang seit älteren zeiten erscheint, kann gleichwol als einzelwort nicht belegt werden. denn in den verbindungen hang eines berges, eines felsen, die (neben abhang) seit dem vorigen jahrh. häufig erscheinen, verstand man zufrühest nicht den hangenden theil eines berges, sondern, an die bedeutung 1 angeschlossen, die eigenschaft des überhangens, abhängende lage: devexitas, hangung, abschusz, ein hang unterwärts Kirsch cornuc.; der hang eines ortes loci devexitas Steinbach 1, 695. erst von hier aus wird hang auf die stelle gewendet, die eine solche eigenschaft zeigt, das bis jetzt früheste beispiel hat Frisch 1, 415ᵃ aus Hackmann de jure aggerum (erschien 1690): der hang oder hank am teich oder deich, das abhängige theil am auszenteich, oder an der seite gegen die see, declive aggeris versus mare, vel fluvium. seit der mitte des vor. jahrh. ist hang in diesem sinne ein lieblingswort namentlich der norddeutschen dichter geworden, denen das alte aber mehr in Süddeutschland lebende halde (sp. 221) niemals ganz gerecht ward:
einen wanderer der an Golgathas hange
furchtsam hinabstieg.
Klopstock 4, 110;
er sasz an dem hange des feisen.
4, 167;
des weges gewendete krümmungen zeigten
seitwärts jetzo den schattenden hang.
5, 265;
wie ein quell von dem hange sich hingieszt.
6, 121;
an dem schwindelnden hang, den verderben umringt,
an des abgrunds nacht, staunten, schauerten wir nicht.
257;
als unvermerkt ein sanft absteigender hang
sie aus dem wald in eine gegend brachte,
wo Antiseladon auf einmal halte machte.
Wieland 5, 68;
des baches silber, welches vom sanften hang
des hügels murmelnd zwischen violen rinnt.
Stolberg 1, 4;
an dem hange des felsen lag
der völkerdränger Karl mit starrendem arm.
1, 88;
am bebuschten hang, wie sonnig
lagen wir auf moos.
Voss 5, 220;
von der klippe grünbewachsenem hange
lauscht ich dem gesang.
Fr. Müller 2, 310;
wie er tritt an des felsen hang.
die quelle springt, vereinigt stürzen bäche,
und schon sind schluchten, hänge, matten grün.
Göthe 4, 281 (41, 225);
an jenes felsens andrer seite liegt,
am grünen hang, ein artig haus versteckt.
9, 249;
hier erheben sich klippen mit zackigem hang.
Odyssee 12, 59;
er spielt mit hirten an des hügels hang.
Arndt ged. (1840) 192;
wo auf sonnenfrohen hängen
die tokayertraube lacht.
Lenau neue ged. 24;
ritt so eilig als der boden erlaubte, den wüsten steinigen hang hinunter. Göthe 15, 313; am fusze des steilen hanges empfingen uns zwei führer. 28, 30; am hang des Ettersberges. an frau v. Stein 1, 10; die Donau, hier noch als ein verheerender bergstrom über die hochfläche brausend, benagt die felsenlosen sandhügel, dass sie zu steilen hängen abstürzen. Riehl culturgesch. nov. 418.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 2 (1869), Bd. IV,II (1877), Sp. 436, Z. 1.

hänge, f.

hänge, f.
1)
ein hangendes gerüst zum aufbewahren von speisen und wirtschaftsgerät, z. b. in kellerhänge (5, 518), ein derartiges gerüst, was an den seitenwänden des kellers hängt; schweiz. hänki, henki, gerüst von seilen, latten, woran man z. b. wäsche hängt. Stalder 2, 20. auch in zimmern ist eine ähnliche zierliche hänge zum dranhängen von kleidern, schlüsseln, angebracht, s. kleiderhänge 5, 1080; schlüsselhänge.
2)
in Niederdeutschland ist hänge der haken, worin die thür hängt, thürangel. brem. wb. 2, 590; hierher gehört wol als formelhafte redensart: da hat sich eine solche freude und solches jauchzen in der statt erhoben, als were sie gleichsam ausz ihren schranken und hengen auszgehoben. Rein. fuchs (Rostock 1650) s. 421. — hänge auch die schliesze eines buches. Schütze 2, 100.
3)
hänge in Baiern, die schiefe, abhängige fläche des bodens, abhang, berghang: die heng Schm. 2, 213; der beste platz zur anluderung (der füchse) ist eine kesselartige vertiefung in einem vorholze, die einen freien grund und niedrig bewachsene hängen hat. v. Thüngen waidmanns practica 126. die folgende stelle läszt ungewis, ob hänge oder hang (4 sp. 437) vorliegt, für ersteres spricht der umstand, dasz hänge, wie eben gezeigt, jägerwort ist: es füget sich sehr oftmals, dasz ein weidemann wegen hängen oder dickungen ein thier .. nicht ansichtig werden kan. Göchhausen not. ven. (1741) s. 263.
4)
hange, ohne umlaut, heiszt auch der dürre getrocknete, am schwanz noch zusammenhängende stock- oder klippfisch. Schütze 2, 100.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 2 (1869), Bd. IV,II (1877), Sp. 437, Z. 78.

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Zitationshilfe
„hänge“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/h%C3%A4nge>.

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