Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

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heide, f.

heide, f.
ager, campus. goth. haiþi, gen. haiþjos; ahd. heida, nur in der bedeutung 4 unten; mhd. heide; ags. hæđ, engl. heath; altn. heiđr und heiđi, schwed. hed, dän. hede. der begriff der dem worte zu grunde liegt, ist der der weiten landstrecke, des ausgedehnten feldes, es stimmt (abgesehen von den suffixalen elementen) zu sanskr. kshêtra grund und boden, feld, gegend, platz, land (von kshi weilen, wohnen Böhtl.-Roth 2, 571); griech. κοίτη lager hat eine verengte bedeutung entwickelt. im deutschen verläuft der begriff von heide folgendermaszen.
1)
heide bildet den gegensatz zu dem für haushaltung und wirtschaft urbar gemachten, der wohnung zunächst liegenden stück garten oder feld, bezeichnet also etwa unser gefilde, feld und flur im weitesten sinne: goth. gakunnaiþ blômans haiþjôs (τὰ κρίνα τοῦ ἀγροῦ). Matth. 6, 28; insandida ina haiþjôs seinaizôs (εἰς τοὺς ἀγροὺς αὐτοῦ) haldan sveina. Luc. 15, 15. mhd. schlieszt heide den walt aus, wise, anger, ouwe sind ihr nicht entgegengesetzt, werden aber als besondere sich abhebende theile der flur oft neben der heide ausdrücklich hervorgehoben:
seht, wie heid und anger lît,
und wie der walt in tüften stât.
minnes. 1, 65ᵃ Hagen;
welh ein kleit   treit
heide und anger, dâ bî schouwet sumerouwen.
1, 108ᵃ;
velt und anger stêt bekleit,
bluomen breit
siht man ûf den heiden.
1, 109ᵃ;
wîngarten, boume, gesæteʒ velt,
al die wisen unt die heide.
Wolfram Willehalm 256, 25.
der walt wird der heide in manchen wendungen ausdrücklich entgegengesetzt (vgl. unter den vorhergehenden beispielen das erste):
ich sach vil liehte varwe hân
die heide und al den grüenen walt.
diu sint nu beide worden val.
minnes. frühl. 99, 30;
heide unde walt sint beide nû val.
Walther 39, 2;
eʒ gruonet wol diu heide,
mit niuwem loube stât der walt.
Neidhart 11, 8 Haupt;
in dem walde süeʒe dœne
singent cleiniu vogelîn.
an der heide bluomen schœne
blüejent gegen des maien schîn.
frauendienst 97, 11;
was aber baum- und buschbestand der heide nicht ausschlieszt:
under der linden
an der heide.
Walther 39, 12.
namentlich ist charakteristischer schmuck der heide der wilde rosenstrauch:
komen ist uns ein liehtiu ougenweide:
man siht der rôsen wunder ûf der heide.
Neidhart 24, 19 Haupt; vgl. 18, 7; 25, 26;
und diu heide wol gestalt
schône lît gerœset.
K. v. Würzburg lieder 11, 31 (s. 363 Bartsch).
hervorgehoben wird besonders der blumen- und grasschmuck der heide durch die stehenden beiwörter liehtiu, rôtiu, grüeniu heide;
diu heide rôt, der grüene walt.
Walther 122, 33;
diu heide in liehter varwe lît
von des meien blüete.
K. v. Würzburg lieder 7, 5 (s. 358 Bartsch);
nu siht man die heide   geblüemet wol.
9, 15 (s. 361),
heide hât ir lieht gewant.
Neidhart 6, 12 Haupt;
ich wânde daʒ ich iemer bluomen rôt
gesæhe an grüener heide.
Walther 114, 33;
Alphart der junge   gap Witegen einen slac,
daʒ er ûf der heide grüene   vor im gestrecket lac.
Alpharts tod 301, 2;
von der heide grüene   soltestu geriten hân.
23, 4;
sumervar
ist nu gar
heide, velt,
anger, walt,
hie unt dâ,
wîʒ, rôt, blâ,
gel, brûn, grüen,
wol gestalt.
frauendienst 431, 21.
ebenso heiszt sie wegen ihrer ausdehnung diu breite heide, wie wir ähnlich vom breiten felde, von weiter flur reden:
ûf eine grüene heide
kwâmen si ze abentzît,
diu was breit unde wît.
gesamtabenteuer 1, 396, 74 (nachher anger wît genannt 80);
sagt, hêrre, wer ir sît
daʒ ir alterseine rîtent   ûf der heide wît.
Alpharts tod 147, 2;
so haltent uʒ den vanden   durch iuwer degenheit,
ûʒ dem gesinde   uf die heide breit!
150, 2.
diese verhältnisse dauern auch für das nhd.: die heid, grosz weyt fäld, campus Maaler 215ᵈ; die heid facht an ze grünen, redeunt campis gramina. das.; (schwämme die) auf den heiden oder druschen gern wachsen. Bock kreuterbuch (1565) s. 347ᵃ, s. auch driesch 2, 1408;
ihr gärten, weinberg, först, ihr äcker, halden, hayden.
Weckherlin 306 (nach ps. 148, 9);
alle vögel in den lüften
hört man singen weit und breit,
alle nymphen in der heid
sicht man newe heirath stiften.
Opitz v. Zinkgref s. 84 (in der Fellgibelschen ausg. 2, 200 ist der vers verändert);
wie sie so lieblich blickt
uber die breite heiden,
die in dem Reinthal ligt.
Zinkgref das. s. 172;
grosz ist das schloszgebäude
in Ehrenburg; auf einer schönen heide
liegts auszerhalb der stadt.
Alxinger Doolin 4, 26;
namentlich im volksmäszigen liede:
liebstu mich,   so lieb ich dich,
röslein auf der heiden!
Uhland volksl. 112,
als er da kam auf grüne heid.
244;
dein beicht solt du hie aufgeben
auf diser haide grün.
334;
ich han uf diser heide breit
guͦt ritter und ouch knecht.
406;
komt mir ewr bruder auf breiter heid.
434;
das plümle auf der haide,
das ain ist weisz, das ander plaw,
der farb ist mancherlaie.
489;
die haiden die ich doch maine ...
sie ist im himelreich;
darin da plüt ain plümlein,
das gibt ain liechten schein.
865;
die heid ist worden grüene.
Liliencron volksl. 2, 60, 2;
der kaiser wirt dich selbst noch suͦchen (feindlich angreifen)
auf mancher griener hayde.
Soltau 357 (von 1546);
wann ich zeüch uber grüne heid.
Gengenbach Nollh. 1225;
so lang bisz ich (im kampfe) aufreibe
dich auf der grünen heid.
Hildebrand volksl. 380 (v. 1631);
im wald und auf der heide
da such ich meine freude,
ich bin ein jägersmann.
volksl. aus dem 19. jahrh. nach Bornemann (vgl. Hoffmann gesellsch. lieder s. 88);
neuere dichter, die sich dem volkstone anschlieszen, brauchen heide noch ganz in diesem sinne:
sah ein knab ein röslein stehn,
röslein auf der heiden.
Göthe 1, 17;
pfingsten war, das fest der freude,
das da feiern wald und heide.
Uhland ged. 218;
es gieng wohl über die heide
zur alten kapell empor
ein greis in waffengeschmeide.
198.
Feste formeln haben sich an heide seit der mhd. zeit angeschlossen, namentlich über die heide gehen, ziehen, reiten, in dem sinne wie über feld gehen (3, 1475. 1476), über land ziehen:
mir troumte hînt leide,   wie iuch zwei wildiu swîn
jageten über heide.
Nib. 864, 3;
ach gott, wie we tut scheiden!
hat mir mein herz verwundt;
so trab ich über die heiden,
und traur zu aller stund.
Uhland volksl. 129;
und als sie über die heide kamen,
hörten sie ein glöcklein läuten.
222;
dann reitens frölich uberd heyd.
narrensch. s. 51ᵇ Zarncke;
nd. we is, de varen dor over de heide,
nu Reinke alsus de strate belecht?
Reineke Fuchs 3348.
über heid und über wies eilen. Frisch 1, 434ᵇ; flohen und stoben sie uber die heid hinüber. Garg. 238ᵇ. um die verbannung aus einer stadt auszudrücken, heiszt es:
mancher zuͦ meisterschaft sich kert,
der nye das hantwerk hat gelert (gelernt),
einer dem andern werkt zu leid,
und tribt sich selbs dick uber die heid.
Brant narrensch. 48, 12.
ferner: was macht dein herr, dasz er sich so verschanzet? wil er nicht einmal ins feld ziehen? ich möchte ihn gern einmal auf einer grünen heide sehen. Schuppius 809; denn auf der heide wird die feldschlacht geschlagen, hier sammeln sich die heere:
die hielten ûf der heide,     die ritter unverzaget.
Alpharts tod 114, 3;
der schönste tod auf dieser welt
ist, wer auf grüner heide fällt.
R. Reinick lieder 23;
vgl. auch einen theil der belege oben unter grüner, breiter heide. sprichwörtlich: wanns den dieben kompt zum eid, und dem wolf zur heid, so kommen sie beide darvon. Henisch 695, 24; ähnlich bei Pistorius: wann es dem wolf zur heide und dem dieb zum eide kommt, so haben sie gewonnen spiel. thes. par. 8, 27; auf grüner heide fischen. Schottel 1116ᵃ. Die bedeutung 1 tritt ferner noch in mancher der unten folgenden zusammensetzungen hervor; s. heidehopfen, heidelerche, heidenflachs, heidenlilie, heidenmeise, heidenelke, heidenelster, heidenrose.
2)
aus dem gegensatze, den heide zu den einem wohnhause zunächst liegenden fruchttragenden grundstücken bildet, flieszt die vorstellung eines nicht urbar zu machenden, unfruchtbaren landes; diese vorstellung musz zwar frühe entwickelt sein, worauf der alte name heide für heidekraut (unten 4) so wie die bedeutung des ags. hæđ campus incultus, locus desertus, tesqua, ericetum (Grein 2, 18) hinweist, kommt aber erst später zu gröszerer geltung; in Ober- wie in Niederdeutschland werden mit dem namen heide flache trockene landstrecken belegt, deren untergrund sandboden ist, worauf eine dünne erdschicht liegt;
meilenlang einöde, nur heid und aschiger flugsand;
kaum ein gezirp, kaum fern dürftiger schnucken geblöck.
freundlich ergosz ihr ürnchen die kleine najad'; und am bächlein
hub sich, freundlich und klein, dieses bewirtende haus.
Voss 6, 311 (mit der überschrift das haus in der heide);
laut klifft und klafft es, frei vom koppel,
durch korn und dorn, durch heid und stoppel.
Bürger 69ᵇ.
niederdeutsch wird in der reimenden formel heide unde weide das fette grasland der trocknen heide gegenüber gestellt (die formel erlangt auch den allgemeinen sinn alles zusammen, alles miteinander, hamburg. hey un wey Richey 92); die heide macht ihre bewohner fleiszig, und diente vordem mehr zur schaaf- und bienenzucht, als jetzt. Möser osn. gesch. 1, 95. am bekanntesten und ausgedehntesten ist unter solchen landstrecken die Lüneburger heide: also das es forthin da weder holz noch roszmucken hat, sonder die ganze gegene ist seither zu einer feinen ebene worden, wie die Lunenburger heid. Garg. 147ᵇ;
in zwei und dreiszik stunden
reit er auf Cassel zu
wol über die lünneburgischen heiden.
Uhland volksl. 550;
sie dient manigfach als bild für dürres, ödes: in der Lüneburger heide des geschäftlebens. J. Paul kl. bücherschau 1, 19; das gesicht (einer frau) nur ein mund zwischen zwei ohren, die brust trostlos öde, wie die Lüneburger heide. H. Heine 1, 13. Luther braucht so heide für ödes land: David war in der wüsten Siph, in der heide. 1 Sam. 23, 15; gieng hin zu David in die heide. v. 16; ist nicht David bei uns verborgen in der burg in der heide auf dem hügel Hachila, der zur rechten ligt an der wüsten? v. 19; wie der lew das wild friszt in der heide. Sir. 13, 23; nl. heyde, ericetum, locus copiosus erica Kilian; dichter nennen sie dürre, wilde, wüste heide:
auf dürrer haid   suͦch ich mein waid.
Uhland volksl. 395;
auf wilder heid   suͦch in mein weid.
396;
in wüstung und auf wilder hayd.
allhier in dieser wüsten heid
ist gar kein mensch nicht weit und breit.
Opitz 2, 201;
wo du (teufel) was künftig oft erklärt,
in einer jungfraun eingeweide,
die durch des eignen vaters schwerdt
geopfert in der wüsten heide.
A. Gryphius 1698 1, 60;
wenn der ermattete jäger, vom mittagsstrale getroffen,
durch die brennenden haiden und weiten hauungen wandert;
wie erquickt dann sein durstiges herz nicht die schattichte wiese.
Zachariä tageszeiten (1757) s. 49;
warum
verweilet ihr auf dieser dürren heide
durch solch prophetisch grüszen unsern zug?
Schiller Macbeth 1, 5, nach:
why
upon this blasted heath you stop our way
with such prophetic greeting?;
ich sag es dir: ein kerl, der speculirt,
ist wie ein thier, auf dürrer heide
von einem bösen geist im kreis herum geführt,
und rings umher liegt schöne grüne weide.
Göthe 12, 91;
bedenk ich dann, wie manches jahr
sich schon mein sinn erschlieszet,
wie er, wo dürre heide war,
nur freudenquell genieszet.
2, 191.
der landschaftliche reiz der heide wird erst seit dem bekanntwerden der gesänge Ossians geschildert: Ossian hat in meinem herzen den Homer verdrängt. welch eine welt, in die der herrliche mich führt! zu wandern über die heide, umsaust vom sturmwinde, der in dampfenden nebeln die geister der väter, im dämmernden lichte des mondes hinführt. Göthe 16, 126.
3)
heide für wald in den norddeutschen bezirken, fuszt auf der bedeutung 2, es ist gewöhnlich der mit nadelholz bestandene heideboden: heide heiszet eigentlich ein groszer wilder mit tangel- oder schwarzem holze bewachsener wald. öcon. lex. (1731) 987; heide, lucus, sylva, saltus Steinbach 1, 722; heide waldigtes land zur wildbahn und zum holzfällen Schütze 2, 126; so heiszen in der Mark alle wälder heiden, bei Halle a. S. ein ausgedehnter nadelwald, der auch laubholz enthält, die Dölauer heide, bei Düben in der preusz. provinz Sachsen liegt die Dübener, oder dübische heide; doch sint drî heide binnen Sachsen, dâ den wilden tieren vrede geworcht ist bî kunges banne, sunder beren unde wolfen und vuchsen; daʒ heiʒen banvorste. daʒ eine ist die heide zu Koyne; daʒ andere der Harcz; daʒ dirte die Magetheide. Sachsensp. 2, 61, § 2. Schiller nimmt heide für bergwald:
so stürzt der wetterbach
sich rauschend nieder von des berges heide.
zerstörung von Troja 54;
so, wenn der pflüger schaar auf hoher bergesheide
der äxte mörderische schneide
auf den bejahrten stamm der wilden esche zückt.
107;
zerreiszt der erde brüllend eingeweide
und zieht den eichbaum von des berges heide.
Dido 89;
jetzt liebt sie noch, zu wohnen auf den bergen,
und von der freien heide fürchtet sie
herabzusteigen in das niedre dach
der menschen.
jungfrau, prolog, 8. auftr.;
oft vernahm sie (die stimme des hifthorns) mein ohr mit freuden
auf des hochlands bergigten heiden,
wenn die tobende jagd erscholl.
M. Stuart 3, 1.
4)
heide als name mehrerer pflanzen, die auf heideboden wachsen.
a)
die erica, schon ahd. heida thymus, myrice Graff 4, 809; mhd. heide Lexer mhd. wb. 1, 1207; heid, ein kraut, erice, sisara, tamarix Maaler 215ᵈ; in Baiern die haid und der haiden Schmeller 2, 150; nl. heyde, l. heydkruyd erica, brya silvestris Kilian; nd. heie erica Schambach 77ᵇ; auch niederrhein. hey merica Dief. 358ᵃ (15. jahrh.); der wird sein, wie die heide in der wüsten (ἔσται ὡς ἡ ἀγριομυρίκη ἐν τῇ ἐρήμω septuag.) Jer. 17, 6, vergl. 48, 6; wer hayd im wald mehet oder mit eisern rechen oder kreuln rechet, der ist verfallen zwei pfund neuer heller. marggr. nürnb. waldordnung D iijᵇ.
b)
heide oder heiden als masc. spartium scoparium, pfriemenkraut. Schm. 2, 151.
c)
empetrum nigrum, die heide mit schwarzen beeren. Nemnich 2, 1486.
d)
ledum palustre, weisze heide, hartheide. Nemnich 3, 357.
e)
heide, buchweizen: buchweitzen, oder, wie man ihn im südlichen Deutschland allgemein nennt, die heide. Sartori neueste reise durch Österreich (1812) 2, 389. heide ist erst jüngere form für das masc. heiden und heidenkorn, dessen name vielmehr mit heide, heiden paganus zusammenhängt.
5)
heide, seeheide, benennung einer corallenart, gorgonia placomus.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 4 (1871), Bd. IV,II (1877), Sp. 795, Z. 39.

heide, m.

heide, m.
paganus. Das wort (in der ältern form heiden) ist ursprünglich ein adjectiv zu heide (in der bedeutung 1), nach der einführung des christenthums dem lat. paganus, bewohner des platten landes und gegenüber der christlichen lehre altgläubiger, nachgebildet, wie bereits Adelung ausgeführt hat; die nachbildung musz bei denjenigen deutschen stämmen erfolgt sein, die nähere berührung mit Rom, und kenntnis der römischen kirchenväter, welche das wort paganus in der zuletzt angeführten bedeutung seit dem 4. jahrh. brauchen, hatten. die Gothen richten sich beim ausdruck des begriffs heide, heidnisch nach dem griechischen sprachgebrauche und geben ἐθνικοί durch þai þiudô (Matth. 5, 46. 6, 7), das adv. ἐθνικῶς durch þiudiskô (Gal. 2, 14) wieder; und nur einmal begegnet das adj. haiþns in der schwachen femininform haiþnô: vasuþ-þan sô qinô haiþnô (ἦν δὲ ἡ γυνὴ Ἑλληνίς). Marc. 7, 26, wo aber gefragt werden darf, ob das wort hier schon von Ulfilas gebraucht ist oder nicht vielmehr erst aus der späteren aufenthaltszeit der Gothen in Italien stammt, wo es von einem abschreiber in den text gesetzt ward. allen deutschen stämmen auszer den Gothen ist das wort gemeinsam: ahd. heidan, mhd. heiden, alts. hêđin, ags. hæđen, fries. hêthin, hêthen, altn. heiđinn; und zwar zunächst immer in adjectivischer verbindung: ahd. eno ni tuont thaʒ heidanî man (nonne et ethnici hoc faciunt)? Tatian 32, 7; alts.
hwand he gehalôda mit thiu   hêđina liudî,
werôs an is willeon.
Heliand 4169;
ags. genam þâ þone hæđenan mannan
fäste be feaxe sînum.
Judith 98;
mhd. dô der hêdine man
sô verre warth gehôrsam.
Haupts zeitschr. 3, 522, 129 (12. jahrh.);
doch gehen die spuren substantivischen gebrauchs bis ins 8. jahrh. hinauf: ahd. heidano, heidheno heide Graff 4, 811; altnfr. thia heretikere endi thia hêthinun (haereticos et paganos). Werdener psalmencomm. 68; ags.
svylc väs þeáv hyra,
hæđenra hyht.
Beóvulf 179;
im mhd. ist der substantivische gebrauch des wortes bereits der durchaus gewöhnliche geworden; im nhd. läszt sich dennoch eine spur adjectivischer fügung nachweisen:
wiwol er (Hiob) was ain haiden man.
die form heiden, mit schlieszendem n im nominativ, die im mhd. waltet, hält sich zum theil noch bis ins 17. jahrhundert: heiden paganus, gentilis, ethnicus. voc. inc. theut. i 2ᵇ; gentilis heuden Dief. 260ᵇ; paganus heyden 405ᵇ;
wern (wärt) ir von art ein heiden,
ir mustent mich erbarmen.
Altswert 134, 1;
darinn (in Britannien) sas ain künig, hiesz Lucius, ain haiden. deutsche städtechron. 4, 289, 22; dieser (Nereus) wird auch für das meer bey den heydenen genommen. Opitz 1, 39 (sie klingt noch jetzt im adjectiv heidenisch, heidnisch nach); seit dem 15. jahrh. aber dringt das bestreben mehr und mehr durch, das schlieszende n des wortes abzuwerfen und die declinationsverhältnisse nach analogie von jude, mit dem es häufig verbunden erscheint, zu regeln (vergl. auch die verkehrung von christen in christ theil 2, 620; jenes bestreben geht in seinen anfängen in frühe zeiten zurück, schon ahd. ist dafür die verkürzung des adj. heidanisc zu heidisc zeuge, im 14. jahrh. begegnet der ortsname heidacker für heidenacker Mone urgesch. des bad. landes 1, 221): gentilis heid Dief. 260ᵇ; ein heid, ein ungloubiger. Keisersberg bilg. 76ᵇ; da ward er wider ein heydt, wolt kein christ mehr sein. Frank chron. (1538) 46ᵇ; so aber jemand die seinen, sonderlich seine hausgenossen, nicht versorget, der hat den glauben verleugnet, und ist erger denn ein heide. 1 Tim. 5, 8; die form heide kann im 16. jahrh. als die allgemein übliche angesehen werden.
Bedeutung.
1)
in der bibelsprache des alten testaments bildet heide den gegensatz zu dem allein auserwählten volke, den juden; da sich in dieser beziehung die christen als die nachfolger der juden betrachten, so prägt sich nach dem neuen testamente der gegensatz der christen und juden gegen die heiden aus: denn wo ist ein volk auf erden, wie dein volk Israel? .. welchs du dir erlöset hast von Egypten, von den heiden und iren göttern. 2 Sam. 7, 23; heissche von mir, so wil ich dir die heiden zum erbe geben, und der welt ende zum eigenthum. ps. 2, 8; er thut grosze zeichen und wunder unter den heiden, denn er hat allezeit unterscheid gehalten, zwisschen seinem volk und den heiden. stücke in Esther 9, 6; wenn ir betet, solt ir nicht viel plappern, wie die heiden, denn sie meinen, sie werden erhöret, wenn sie viel wort machen. darumb solt ir euch inen nicht gleichen, ewer vater weis, was ir bedürfet, ehe denn ir in bittet. Matth. 6, 7; wurden mit uns eins, das wir unter die heiden, sie aber unter die beschneitung predigeten. Gal. 2, 9; auf das der segen Abrahe unter die heiden keme, in Christo Jhesu, und wir also den verheiszen geist empfiengen, durch den glauben. 3, 14. auf grund dieser biblischen anschauungen werden rücksichtlich des glaubens juden, christen, heiden unterschieden:
kristen, juden und die heiden
jehent daʒ diz ir erbe sî.
Walther 16, 29;
im dienent kristen, juden unde heiden,
der elliu lebenden wunder nert.
22, 16.
Mohamedaner sind den heiden ausdrücklich beigezählt, und oft wird sogar unter heiden geradezu nur der sarazene gemeint: sarracenus heydan, heyden Dief. 513ᵃ; verpot inen bei verlierung der ritterschaft, das kainer under inen gesellschaft, frid, pact oder ainigung mit den turken, saracenen oder haiden machen oder aufrichten solt. Zimm. chron. 1, 478, 2; aufs ander jar kommen die heiden. Garg. 26ᵇ;
einen wartman er halden sach,
ûʒ der heiden her aldar geritn.
dane wart tjostieren niht vermitn ...
dô muost ein sölich tjost geschehen,
des der Franzoys und der Sarazîn
beide geprîset müeʒen sîn.
Wolfram Willeh. 333, 17;
das sag wir euch, wir türkischer heiden (spricht der türkische kaiser).
fastn. sp. 303, 4;
denn schon sind alle heiden auf dem zuge,
des sultans mächtge flotte ist gelandet.
Tieck kaiser Octavian s. 244;
doch werden auch, und im neuern sprachgebrauch gewöhnlich, die bekenner des islams als monotheisten von den heiden abgehoben: in solcher weis wurden (würden) alle mentschen letstlich, es weren gleich juden, haiden, turken oder christen seelig, niemands uszgenommen. Zimm. chron. 3, 302, 28;
allerhöchster rex, allermächtigster imperator,
und aller türken, seraphei, heiden gubernator.
fastn. sp. 301, 13;
kein türk, tyrann noch heide
es ärger machen künnt.
Opel u. Cohn 218, 6.
2)
abgesehen von diesem unterschied zwischen den drei religionen heiszt heide im mhd. jeder, der noch nicht oder nicht mehr den orthodoxen glauben an Christum hegt:
ein heiden was der êrste man
den got machen began.
nu geloubt daʒ Eljas unde Enoch
für heiden sint behalten noch.
Nôê ouch ein heiden was,
der in der arken genas.
Jop für wâr ein heiden hieʒ,
den got dar umbe niht verstieʒ.
nu nemt ouch drîer künege war,
der heiʒet einer Kaspar,
Melchior und Balthasân:
die müeʒe wir für heiden hân.
Wolfram Willehalm 307, 1 ff.;
daher heiszen heiden auch die völker des classischen alterthums: die alten haiden (die Griechen). Megenberg 312, 1; es ist auch meins erachtens die recht, grundtlich warhait, wie sollichs auch vor vil jaren die gelerten und erfarnen heiden gehalten und der poet Martialis ein sollichs guet leben auch beschreibt. Zimm. chron. 3, 479, 32;
sarkophagen und urnen verzierte der heide mit leben,
faunen tanzen umher, mit der bacchantinnen chor
machen sie bunte reihe.
Göthe 1, 347;
ferner die noch ungetauften kinder; so sagt der bairische bauer zum pfarrer: mach mer aus n hâden en christen, wenn er ihm ein kind zum taufen bringt. Schm. 2, 151;
getouft wîb den heiden treit,
swie deʒ kint der touf hab umbeleit.
Wolfram Willehalm 307, 21;
endlich auch die heterodoxen angehörigen der christlichen gemeine:
swelch kristen kristentuomes giht
an worten und an werken niht,
der ist wol halp ein heiden.
Walther 7, 13;
nicht diesen heiden (den Schweden) überliefre dich,
die krieg mit unsrer heilgen kirche führen.
Schiller Wallensteins tod 5, 5;
so spitzt sich der gegensatz zu zwischen christen (gläubigen) und heiden (ungläubigen): er lebt wie ein heide, expers est omnis religionis, atheus est. Stieler 817; heyde, ungläubiger, a sacris christianis alienus (neben ethnicus, gentilis) Hederich 1282; wie gott recht zu ehren sei, ist den heiden unbewust, uns christen aber geoffenbaret. Löhneys regierkunst (1679) 4ᵃ; nein! aus diesem wirrwarr helfe sich ein christ, dem heiden ist das räthsel zu spitzig. Schiller Fiesko 3, 7;
du bist noch ein heiden
mit zouberlîchen listen,
und er ein reiner kristen.
Barlaam 278, 12;
er war ein heid, ihr schien des glaubens licht.
Alxinger Doolin 4, 1;
und gegenüber den glaubenserleuchteten christen heiszen die heiden blind:
Homerus selbst, obwohl ein blinder heide.
7, 49.
leute die sich von christlicher anschauung entfernt und der anschauung des classischen alterthums genähert haben, erfahren die hier gelind tadelnde bezeichnung heiden: der grosze heide ist nämlich der name, den man in Deutschland dem Göthe beilegt. H. Heine 5, 228.
3)
nach dem ersten erscheinen der zigeuner im 15. jahrhundert wurden dieselben heiden genannt:
beschlüsz den spicher und duo die hüener in, ...
dan die heiden sind in dem land.
fastn. sp. 821, 26;
diser zeginer oder heit,
er kan mir geben rechten bscheit.
823, 9.
noch heute haben sie mundartlich den namen behalten: in der Schweiz heid zigeuner Stalder 2, 30; ebenso heide im Elsasz Fromm. 3, 483; und in Tirol Fromm. 6, 373; nl. heyd-lieden, zeugitani, nubiani, ringari, assyrii, cilices, aegyptii, et id genus hominum vilissimum, utriusque sexus, incertis sedibus vagabundum, in omnes orbis partes diffusum, mendicatione, chiromantia et furtis clandestinis se exercens. Kilian; daher im heutigen holländisch heiden, fem. heidin und heidinne gleichbedeutend mit landstreicher; vergl. auch heidenvolk.
4)
auch herumziehende kaufleute maurischer und sicilischer heimat hieszen in Deutschland heiden: also sagt man auch und findt geschriben, das ainest ain inwoner zu Marle, unfer von Straszburg, ain holen, groszen stein in seinem weingarten gefunden (gefüllt mit einer materie die kupfer in gold verwandelt) ... wie er nun das nit gekennt oder geachtet, auch weiter zu Straszburg bei den goldschmiden, die gleichfals seinen geprauch nit gewisst oder verstanden, erkundiget, was es doch seie, do hab ers doch zu letst gegen aim haiden umb sechzig mark silbers verkauft. Zimm. chron. 4, 235, 24.
5)
sprichwörtlich: er schwöret und fluchet wie ein hayd. Düez 38; da fuhr ihn der amtsschreiber wie ein betrunkener heide an. Hebel 2 (1853) s. 240; denn mit dem heiden verbindet sich die vorstellung des wilden, schrecklichen und bösen (vgl. auch heidenbeest, heidenbrust und vorzüglich heidnisch 3):
dann wer ich ain wilder haid,
ir sollt euch mein erbarmen.
Zimmer. chron. 4, 315, 33;
der wilde heide flog voraus, erbittert.
Gries Tasso 3, 34;
und mehr, mehr als den tod, dräut mir ein böser heide.
Alxinger Doolin 3, 7;
er riefs mit einer miene
und einem blick, der heiden zur gebühr
genöthigt hätt.
Wieland 22, 29 (Oberon 1, 45);
und auch die wilden riesen der sagen werden als heiden bezeichnet:
wie ihn der heide siehet,
schreit er ihn grimmig an.
s. 114 (Ob. 3, 31, vorher riese).
6)
heide als erstes glied von compositen dient in der sprache des gemeinen lebens als verstärkung, vergl. heidenangst, heidengeld, heidenmäszig u. a. die vorstellung des schrecklichen, ungeheuern, die sich an heide knüpft (vergl. unter 5) wendet sich zu der in hohem grade, überaus, ähnlich wie z. b. bei fürchterlich theil 4, 1 sp. 706.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 4 (1871), Bd. IV,II (1877), Sp. 799, Z. 24.

heide, f.

heide, f.
hochdeutsche form für hede, stuppa, s. sp. 750.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 4 (1871), Bd. IV,II (1877), Sp. 802, Z. 15.

heiden, m.

heiden, m.
paganus, s. heide.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 4 (1871), Bd. IV,II (1877), Sp. 803, Z. 76.

heiden, m.

heiden, m.
1)
polygonum fagopyrum, buchweizen, heidenkorn. die form heiden ist wol nächste kürzung aus heidenkorn, s. d.; sie verändert sich zu heidel (sp. 802) und mit anlehnung an heide ericetum, tesqua zu heide (sp. 799). das wort ist dem bair. sprachgebiete eigen: haiden und haidel Schm. 2, 151; in Kärnten hâden Lexer 137; sa. (summa) des heidens und der kuchenspeis 261⁄2 sumer. städtechron. 2, 319, 27.
2)
genista pilosa, der harige ginster, klein heiden. Nemnich 3, 31.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 4 (1871), Bd. IV,II (1877), Sp. 803, Z. 77.

heiden, m.

heiden, m.
schmale lange axt der zimmerleute, in Baiern Schm. 2, 151; Kärnten Lexer 131 und Tirol Fromm. 5, 445; man unterscheidet die haiden nach ihrer form in schwäbische, halbschwäbische und deutsche. Schm. a. a. o.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 4 (1871), Bd. IV,II (1877), Sp. 804, Z. 7.

heiden, verb.

heiden, verb.
für heien, schützen, hegen: die hölzer werden, so viel möglich, verfriedet, und vor dem geisz-viehe verwahret, die jungen holzungen ebenmäszig wol geheidet. Hohberg 1, 79ᵇ.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 4 (1871), Bd. IV,II (1877), Sp. 804, Z. 11.

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Zitationshilfe
„heiden“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/heiden>.

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