Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

jauchzen, verb.

jauchzen, verb.
jubilare: mhd. jûchezen, auf die interjection jûch, später jauch zurückgehend, wie juchzen, mhd. juchezen auf die nebenform juch mit kurzem u (s. d.). in den mhd. quellen sind beide verben schwer zu scheiden; im nhd., nach dem übergang des alten û in au, hebt sich jauchzen nicht nur im vocal, sondern auch im gebrauche als edleres wort gewöhnlich scharf von juchzen (s. d.) ab: das gemäszigte freudengeschrei von dem bäurischen, und vom geschrei der besoffenen zu unterscheiden, hat man an vielen orten im gebrauch dieses letzte mit juchzen auszudrücken, für jauchzen. Frisch 1, 485ᵃ; obschon jauchzen auch vom bäurischen freudengeschrei gilt: das jauchzen wie die bauren, jubilum, acclamatio, exclamatio Maaler 235ᵃ. bei Spee werden dagegen noch jauchzen und juchzen gleichbedeutend in edler sprache gebraucht:
ach was hüpfen! jauchzen! juchzen!
trutznacht. 240.
Das kärntn. jauzen (Lexer 151), schweiz. jûzen (Stalder 2, 77), schwäb. juzen (Fromm. 4, 113, 70) jauchzen, das auch sonst erscheint:
denn schrei gar laut und jautz darbei.
grob. (Frankfurt 1568) G 3ᵃ (b. 2, cap. 3);
von tantzen, freudenspiel, und springen,
jautzen, hofiern oder singen.
G 5ᵇ (ebenda);
ist nicht das gleiche wort, sondern geht auf die mhd. interjectionzurück, und entspricht mhd. jûwezen, jûwezunge das jauchzen, was übrigens die bedeutung nicht beschlägt. jauchzen bedeutet
1)
freudenlaute ausstoszen; jauchzen, sich erfröwen und von fröuden singen, ovare Maaler 235ᵃ; jauchzen, jubilare, ovare, acclamare Schottel 1340; jubilum, juchzer, das jauchzen Dief. nov. gloss. 223ᵃ.
a)
der mensch, die menge, die masse, das volk jauchzt: da nu Josua höret des volkes geschrei, das sie jauchzeten. 2 Mos. 32, 17; jauchzet alle, die ir sein volk seid. 5 Mos. 32, 14; wie ein starker jauchzet, der vom wein kompt. ps. 78, 65; das man jauchzet und singet. 65, 14; die erlöseten des herrn werden wider komen, und gen Zion komen mit jauchzen. Jes. 35, 10; ein solch frolocken, jauchzen und rhümen unter allen pfaffen. Luther 5, 305ᵃ; all nächtlich geschrei, jauchzen .. soll gänzlich sein verbotten. Kirchhof disc. mil. 18; vom lallen und jauchzen des kindes bis zur trefflichen äuszerung des redners und sängers. Göthe 20, 217;
also rant des ersten
Bertschi in dem ringe umb.
'heya he, wie gsunt, wie jung
bin ich an dem herczen mein!'
daʒ was do das jauchczen sein.
ring 8ᵇ, 13;
er war mit der trommeten schall
und der heerpauken uberall
mit jauchzen ausgekündet.
Weller lieder des 30 jähr. kriegs 266;
ein freudiges jauchzen
füllt triumfierend die himmel umher.
Wieland 16, 87 (Cyrus 3, 35);
himmelhoch jauchzend,
zum tode betrübt.
Göthe 8, 232;
freue sich und jauchze heut,
wer das lebensloos gewonnen.
Schiller das siegesfest;
aus dörfern und aus städten wimmelnd strömt
ein jauchzend volk, mit liebend emsiger
zudringlichkeit des heeres fortzug hindernd.
Piccolomini 1, 4;
ihr haltet euer spiel schon für gewonnen —
jauchzt nicht zu frühe!
3, 8;
frohlocke nicht!
denn eifersüchtig sind des schicksals mächte.
voreilig jauchzen greift in ihre rechte.
Wallensteins tod 1, 7.
b)
auch die lippen, das herz des menschen, seine stimmung, seine zeit wird jauchzend gedacht: bis dein mund vol lachens werde, und deine lippen vol jauchzens. Hiob 8, 21;
soll ich das innre jauchzen meines herzens
dir auch als zeugen der versichrung nennen.
Göthe 9, 95;
welche allgemeine landfreude konnte jetzt von éinem gränzwappen zum andern acht tage lang jauchzen! J. Paul Tit. 3, 91;
dir schallen zur ehre,
du spielende fluth!
die singenden chöre,
der jauchzende muth.
Hagedorn 3, 115;
fern vom jauchzen, wie von der trauer,
ist der seligen stille lust.
Rückert ges. ged. 1, 322;
er setzte sich ans instrument und donnerte mit einem aufgeschlagnen prestissimo von Haydn — diesem rechten stundenrufer jauchzender stunden — in die laute gegenwart. J. Paul Tit. 3, 34;
Eloa, vom werth der heiligen stunden
hingerissen, sie waren ihm mehr, als die jauchzenden stunden
seiner frühen geburt!
Klopstock 4, 4;
der freudige ruf selbst:
das hurrah jauchzt, und die büchse knallt.
Körner 1, 57.
c)
jauchzen mit etwas: sie jauchzen mit pauken und harfen, und sind frölich mit pfeifen. Hiob 21, 12; jauchzet gott mit frölichem schall. ps. 47, 2; und da die lade des bunds des herrn in das lager kam, jauchzete das ganze Israel mit einem groszen jauchzen. 1 Sam. 4, 5.
d)
über einen oder etwas jauchzen: da bei merke ich, das du gefallen an mir hast, das mein feind uber mich nicht jauchzen wird. ps. 41, 12; uber die Philister wil ich jauchzen. 108, 10; ruft uber Jacob mit freuden, und jauchzet uber das heubt unter den heiden. Jer. 31, 7; jauchzet uber sie (Babel) umb und umb. 50, 15; wie sie uber deinem falle gejauchzet und uber deinem verderben sich gefrewet hat. Baruch 4, 33.
e)
dafür ein ursächlicher genitiv: mich ergreift ein gedanken, und meine sinne jauchzen des herrlichen gedankens. Klinger theater 3, 368; oder ein abhängiger satz: die völker frewen sich und jauchzen, das du die leute recht richtest. ps. 67, 5.
f)
zu einem jauchzen, vgl. zujauchzen: Philistea jauchzet zu mir. ps. 60, 10; und da er kam bis gen Lehi, jauchzeten die Philister zu im zu. richt. 15, 14.
g)
häufiger einem jauchzen: jauchzet gott alle lande. ps. 66, 2; jauchzet dem gott Jacob. 81, 2; kompt her zu, laszt uns dem herrn frolocken, und jauchzen dem hort unsers heils. lasset uns mit danken fur sein angesichte komen, und mit psalmen ihm jauchzen. 95, 1. 2; jauchzet dem herrn alle welt. 98, 4;
er ist der angebetete, ihm jauchzt das volk.
Schiller jungfrau 4, 2.
h)
transitiv etwas jauchzen, jauchzend ausrufen: schon glaubte der rasende sein ziel getroffen zu haben, und fing an, ein gotteslästerliches triumphlied zu jauchzen. Lessing 1, 166; sieg jauchzen. Gotter 1, 116;
jauchzen an dem ufer alle freunde
hoffnungslieder nach.
Göthe 2, 75;
dafür in verbindung mit directer rede:
wild jauchzte sie im hain: weh euch, ihr ehebrecher.
Gotter 2, 77;
neben einem persönlichen dativ (oben g):
unzählbar
kommen sie, sein gesetz zu empfangen, und jauchzen ihm vater.
Wieland 16, 88 (Cyrus 3, 44).
i)
jauchzen, von dingen, die so personificiert werden: lasset jauchzen alle bewme im wald fur dem herrn. 1 chron. 17, 33; jauchzet ir himel .. ir berge frolocket mit jauchzen, der wald und alle bewme drinnen. Jes. 44, 23;
jauchzt, himmel, die ihr ihn erfuhrt,
den tag der heiligsten geburt.
Gellert 2, 155;
und die bäche von den bergen
jauchzen ihm und rufen: bruder!
Göthe 2, 56;
jauchzen = jauchzend emporstreben:
jünglingfrisch
tanzt er (der felsenquell) aus der wolke
auf die marmorfelsen nieder,
jauchzet wieder
nach dem himmel.
Göthe 2, 55.
2)
jauchzen heiszt aber auch im schmerz laut aufschreien: er leget sich zu beth, thet tag und nacht nichts anders denn jauchzen und seufzen. history vom ritter Thedaldo (flieg. druck, um 1550); in einigen minuten jauchzte er vor schmerz, wie Homers verwundeter kriegsgott. Seume spazierg. 2, 34.
3)
jauchzen, im bairischen hochlande, von dem trotzigen herausfordernden rufe, den sich die bursche zusenden, wenn sie vom liebchen oder aus dem wirtshause heim gehen, vgl. Schm. 1, 1199 Frommann.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 11 (1877), Bd. IV,II (1877), Sp. 2269, Z. 45.

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Zitationshilfe
„jauchzen“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/jauchzen>.

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