Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

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kennen, praet.part.

kennen, praet.part.
noscere, cognoscere, dignoscere, agnoscere.
I.
Formen und herkunft.
1)
Es ist unmittelbar von kann novi, novit (s. können) abgezweigt worden, s. darüber 3.
a)
doch ist kennen selbst mhd. wenig gebraucht, ahd. aber fast unbezeugt, denn es ist da nur ar- oder irchennan, inkennan (s. c) und pichennan verzeichnet (Graff 4, 428. 433), vom einfachen chennan blosz einmal eine spur in 'unchennento non agnoscendo' (428). danach scheint kennen von später entstehung, und gleich zuerst vielmehr von kann aus mit den praepos. ar, pi, int gebildet. wirklich sind noch mhd. entschieden herschend erkennen, bekennen, die unser 'kennen' mit vertreten. auch alts. erscheint im Hel. nur antkennian, und kennan erst in den psalmen.
b)
aber mhd. kennen ist nicht so selten als man annimmt und als es nach dem mhd. wb. 1, 807ᵇ scheinen musz, wo es blosz in einer stelle steht aus Konrad von Würzburg, und auch da nur aus Haupts conjectur (s. zu Engelh. 163), des nötigen einfachen auftakts wegen, wie bei Neidhart 23, 25 kande statt des hs. bekande, erkande. aus demselben grunde setzte Lachmann bei dem Veldeker minn. frühl. 58, 18 kenne statt des handschr. bekenne (ebenso Wackernagel), ähnlich bei Walther 124, 13 kande statt hs. bekand, bei Lichtenstein 24, 24 kand statt handschr. bekand. aber wenn die schreiber der hss. bekennen, erkennen selbst da setzten, wo vers und wolklang kennen forderten, so zeigt das am besten wie fremd der zeit dieses war; Wackernagels wb. läszt kennen sogar ganz weg. Aber es ist auch handschr. bezeugt:
si enkande niemen in der Burgonden lant.
Nib. 80, 4 in CD (sinerchande B);
wâ von sol man hine vüre mîn geplätze erkennen?
hie envor dô kande man iʒ wol bî Riuwental.
Neidhart 74, 26,
die Heidelberger hs. hat auch da hie vor bekande, und do erkande (mit verschleifung) wäre zumal nach dem vorausgehenden erkennen recht denkbar, aber die Riedegger hs. (freilich erst um 1300 geschrieben) hat chande.
got weiʒ wol, wâ guot bruoder ist ...
der kennet wol ir aller list.
Reinmar der Fideler MS. 2, 111ᵃ;
er kente eʒ alleʒ sament gar.
heil. Elisabet, Diut. 1, 350. Wackern. leseb. 745, 19 (802, 13);
die kennent valsch bî golde wol.
Konr. v. Haslau 187 (Haupt 8, 555);
bî zuht die edeln man ie kande.
5 (550);
wer kante gotes krefte? ...
niur êwikeit aleine
kant in und sîner kraft volleist.
Frauenlob spr. 231, 1. 4;
sô stênt die biderben dort reht als si niemen kenne.
57, 12;
der spæhe'n spæhen kennet.
344, 1;
sô daʒ man sî niht kenne.
Jeroschin 11307;
bî (neben) der swerze kent man blanc,
bî der küele kent man hitz.
Teichner 49 Kar., anm. 131;
geschriben ist 'niht forhte dir, tohter von Syon u. s. w.' (Joh. 12, 16) dis kanten sîn jüngern nit des êrsten. Mones anz. 4, 487, verstanden, ἔγνωσαν; das er nieman gebe ze kennende ('zu wissen thue') nôtclage wan gotte alleine. Haupt 8, 217 (Albertus magnus); daʒ man dich got kenne alleine (als) einen wâren got. Eckhart 141, 10; daʒ er got enkeine wîs kennen mac. 296, 13; von kennende 504, 36 (von erkennende 491, 8). Im 14. jh. mehren sich überhaupt die belege, und dasz kennen sich da befestigt hatte, zeigen auch die subst. kenne f. pass. K. 653, 13 (dän. kjende kennzeichen, engl. ken gesichtskreis), kenner m. Eckhart 670, die adj. kennelich (s. kenntlich), kennelôs Eckhart 491, 8. 504, 36. nachher setzen denn auch die schreiber kennen statt der compos., s. z. b. die var. Freidank 168, 20. Aber ein urkundlicher beleg für die gute zeit des 13. jh. bleibt noch immer beizubringen. auch das enkande der Nib. könnte nach folg. eine andere auffassung erfordern.
c)
das ahd. inkennan cognoscere im Tatian, d. i. intkennan ('entkennen'), alts. antkennian, ankennian (vgl. ags. oncnâvan), hat sich bis in die mhd. zeit fortgepflanzt, bisher unbeachtet:
ob ir enkennen woltet (waʒ u. s. w.).
Iwein 3172 in A;
vil enchande ir Eneas.
Eneit 100, 37 in M;
dô enchande in Messapus.
187, 29 M;
der engel sprach (zu Abraham, da er den sohn opfern will), nu lâʒ stân,
got inkennit dîne mildicheit.
Wernher vom Niederrhein 10, 29;
dô stôʒent ûf die banier rîch,
daʒ sie dô baʒ inkennent sich.
Dietrich u. s. gesellen 341, 5 (heldenb. 2, 229).
daher noch im 15. jh. enkentenis enigma Dief. 202ᶜ. es ist gebildet wie entfinden (empfinden), ahd. infindan, ags. onfindan.
2)
In den formen des praet. und part. ist schwanken.
a)
neben kannte, gekannt, die heute wieder entschieden die herschaft haben, wie schon mhd. bekande, bekant, ahd. irchanta (-ta unmittelbar an den stamm chan gefügt, daher eben ohne umlaut), galten bis ins 18. jh. auch kennete (kennte) und gekennet (gekennt), wie auch mhd. einzeln unbekennet, unerkennet, bekennet (Parz. 473, 14. 620, 9. 780, 12. Wh. 128, 13. 129, 7. 133, 9. Konnad Alexius 767) und ahd. archennita (im part. aber nur archennit, bechennit): das werden mir zeugen alle meine klostergesellen, die mich gekennet haben. Luther 6, 20ᵇ; und da er in kennet, fiel er auf sein andlitz. 1 kön. 18, 7; kenneten sie in nicht. Hiob 2, 12 (4, 16. 42, 11 kandte, wie Joh. 1, 31. 2, 24 u. ö.); weil sie in so ein lange zeit gekennet hatten. 2 Macc. 6, 21, gewöhnlich in der bibel von 1545 gekand (Jer. 19, 4. apost. 26, 5. 2 Cor. 5, 16), in späteren ausgaben häufiger gekennet; wiewol wir uns nit lang under einander gekennet haben. Alberus;
mich erden hat man nicht vor dieser zeit gekennet,
nun bin ich erdenfrei und werther schatz genennet.
Harsdörfer Nathan u. Jotham Aa 7ᵃ;
ein mann beim trunk wird oft erkent,
den man sonst einen doctor nennt.
Henisch 722, 18;
ich accompagnierte dieser tagen eine heisere Parisienne, die keine note kennete. Mattheson organistenprobe 181; habe ich einen philosophen gekennet, der .. Schuppius 410;
sich hat er nie gekennt und nie begehrt zu kennen.
Haller (1777) 65;
kenten die kämpfer keine künste als die verheerende kunst des krieges. ders. Alfred könig der Angels. 5, gleich darauf kanten 6; die alten kenneten sie. Winkelmann 1, 247;
brüder die sich würgten, und da sie starben, sich kennten.
Klopstock Mess. 2, 663 (1800),
er hat sonst kannte und scheint hier durch kennte die bedeutung 'erkennen' unterscheiden zu wollen. Frisch 1, 509ᶜ 'ich hab gekennet oder gekannt'. das volk sagt meistens noch kennte, gekennt, so in Sachsen, Thüringen, Baiern (kent), der Wetterau, wie mein bekennter; vgl. md. kente schon aus mhd. zeit sp. 532. auch nd. nl. kende, alts. antkenda, altn. kenda, schw. kände.
b)
das part. praet. lautete auch kant, kennet:
wer hat ain rechten frummen kandt.
vil untrew ist im worden kant.
Soltau 2, 59;
im ist vil saurs und biters,
auch unrecht worden kant.
Körner hist. volksl. 127;
wie ich hie ein ehrlichen burger kant habe. Mathesius Sar. 49ᵃ; kan es wol sein, das man in Palestina spieszglas kandt und gebraucht habe. 107ᵃ; ich hab euch bei glauben nicht mehr kennet. Amadis 91;
denn in der kindheit hab ich kant
ein kleins manthier (menschen) Philips Melanth.
froschm. Ff 1ᵃ;
es hat mich kein man kennet,
ich hab mich selber genennet.
Uhlands volksl. 550.
c)
der conj. zu kannte heiszt kennte, es ist aber zu verwundern, dasz man nicht auf kännte gedrungen und es durchgesetzt hat, versucht worden ist es von klugen leuten: lehren sie (die weiber die kinder) dem vatter, den sie sonst nicht kenten (kennen würden), ette rufen. Fischart Garg. 98ᵃ (113 Sch.);
klug, wann die wahrheit sich an sichern zeichen kennte,
wann nicht das vorurtheil die schärfsten augen blendte.
Haller (1777) 76;
ich thu als wenn ich den Jery nicht kennte. Göthe 11, 16; wenn ihr ihn kenntet! 42, 83;
wer sie nicht kennte
die elemente ...
12, 68;
da wär es denn ganz artig, wenn er (Tasso) ...
uns für den schatz erkennte, den er lang
vergebens in der weiten welt gesucht.
9, 107 (Tasso 1, 1),
in der ausg. 1850 (12, 88) erkännte (1836 erkennte);
wer kennte euch nicht, herr, in den drei landen?
Schiller 528ᵃ (Tell 2, 2);
o sähst du ihn und kenntest ihn wie ich.
Zach. Werner M. Luther (1807) 51.
eben so mhd., und früher:
ob wir den nicht rehte erkenten (: elementen).
MS. 1, 134ᵃ;
daʒ deder allaʒ umbe daʒ,
daʒ si irkenden des de baʒ,
daʒ er menscho unde got was.
Haupt 7, 445. 8, 271,
um d. j. 1100 (das. 8, 268. 271 u. ö. im indic. irkanden); wær uns aber rehte und bekenten wir unsern minsten gebresten und sünde, wir vergæʒen u. s. w. Haupt 8, 456 (14. jh.); derkenten sie denne, das man sein nicht durfte (falls sie etwa ...) Freiberger stadtrecht bei Schott samml. 3, 294. Natürlich auch kennete: wird er sich gegen im stellen, als kennet er in nicht. Hiob 8, 18; wenn ir mich kennetet, so kennetet ir auch meinen vater. Joh. 14, 7.
d)
doch auch der conj. hat mhd. gewöhnlich a (s. gramm. 1², 952), wie als conj. sande Neidhart 85, 16, wande Erec 6666; z. b. in der evangelienharmonie vorhin, die irkende hat, steht auch irkandin als conj. Haupt 8, 272, 19 (Müllenhoff u. Scherer denkm. 80. 81);
dô sprach diu küneginne 'marcgrâve Rüedigêr,
wær ieman der bekande diu mînen scharpfen sêr,
der bæte mich niht triuten noch deheinen man'.
Nib. 1173, 2;
erkante sich ein ieglich man,
er lüge den andern selten an.
Freidank 106, 14 (and. hss. erkente);
niht mêr kunst ich wünschen wolt,
wenne ich mich niur selben kant.
Teichner 43 Kar., anm. 101.
auch nhd. noch zuweilen so: wolt got das sis erkanten und bedächten. S. Frank chron. (1536) 1, 253ᵃ; die mich kanten, kehrten mir den rucken, als ob sie mich nicht kanten. Philander (1650) 1, 184.
e)
formell ist noch zu bemerken, dasz kennen im praet. zuweilen mit können verwechselt ward (s. dort), und dasz wie künden für künnen, können, auch kenden für kennen erscheint, z. b. in einem voc. ex quo 'cio (scio) kenden' Dief. 122ᶜ.
3)
Was nun aber die noch wichtigere geschichte und herkunft der bedeutung betrifft, so ist da ein umstand vor allem scharf ins auge zu fassen: kennen ist zu können, deutlicher erkante irchanta zu kan chan der form nach das causativum; da nun chan heiszt ich weisz, müszte irchennan heiszen 'wissen machen', und so ist es denn auch von haus aus.
a)
gothisch kann ist ich weisz, kenne, dazu kannjan zu wissen thun, bekannt machen, verkünden, γνωρίζειν, und núr so; ebenso kräftiger uskannjan, das dem ahd. irchennan äuszerlich entspricht. und so nicht nur goth., auch ags. cennan, gecennan heiszt nur kund thun, bekennen u. ä. (Grein 1, 156), ferner altn. kenna kund thun, offenbaren, auch lehren (kennari lehrer, kennimađr priester, 'lehrmann'), ebenso altschwed. känna lehren (auch lernen), altdän. kännä, jetzt vergessen. auch altengl. kenne lehren (s. z. b. Pf. Germ. 8, 117 unten) und noch heute northumbrisch ken Halliwell 491ᵃ. Diese bedeutung nun, die noch dazu in der sache allein begründet erscheint, kann nicht blosz in den andern germ. sprachen, sie musz auch bei uns die ursprüngliche gewesen sein; und sie war es auch, die spuren sind noch da im ahd. und mhd., mnd.
b)
ahd. gibt einmal Kero recitare mit erchennan, lat. deinde lectio una apostoli memoriter recitanda, deutsch wort für wort: danan lectzâ einiu des potin kihuctlîcho ze erchennenne (Graff 4, 429, der nichts darüber sagt), also hersagen, aufsagen; vom gr. ἀναγιγνώσκειν vorlesen, goth. anakunnan hat Kero gewiss nichts gewuszt. ähnlich got irchennan, confiteri, 'bekennen' Diemer ged. 118, 16, Müllenhoff denkm. 102 5, 6, eig. gottes namen aussprechen, ihn anrufen.
c)
im mhd. wb. ist ein erkennen 'bekannt machen' verzeichnet:
durch tôrheit ich der werlte erkenne einen man ...
des andern tôrheit ich iu rehte nenne.
Reinmar der Fideler MS. 2, 110ᵇ,
also erkennen gleich nennen, doch stärker: kund thun, 'bekannt machen', ganz wie goth., altn.; auch die stellen für erkennen und bekennen als 'zuerkennen' daselbst gehören als beweisend hierher, es ist eig. doch eröffnen, den spruch vorsagen. dafür noch folg., die sache verdient weiteres scharfes aufachten:
in manigem rîche erkennet
hât sie (die grafen von H.) ir wirdiger prîs.
Joh. von Würzburg bei Haupt 1, 221, bekannt, berühmt gemacht;
daʒ er (gott) in hæte genant (zum pabste),
selbe erwelt und erkant (erklärt).
Hartman Greg. 3326;
dô hieʒ der künic künden den jägern wol geborn,
daʒ er enbîʒen wolde: dô wart lûte ein horn
zeiner stunt geblâsen, dâ mite (in) wart bekant
daʒ man den fürsten edele dâ zen herbergen vant.
Nib. 886,
eröffnet, bekannt gemacht, bekennen gleich dem künden vorher;
Gayol de gaf al zohant
dem, de im zo hôte was bekant,
ên vorspan unde ein vingerlîn.
Berthold Crane 114,
der ihm als hüter genannt, eröffnet worden war;
vor der drîer henden
vil manich sôchte dâ den sant (im kampfe),
des wart in werdicheit bekant.
256, zugestanden (vgl. sp. 543);
manich furste ûʒ sîme lande,
dem men dâr prîs bekande.
630.
d)
ja noch bis heute in anerkennen, aberkennen, zuerkennen, die ganz unverdunkelt ein förmliches, gewichtiges aussagen bezeichnen, nur dasz wir durch das herschende 'erkennen' gewöhnt sind, dabei doch mehr eine vorausgehende erkenntnis, einsicht, überzeugung als den kern des begriffs zu fühlen, wie er diesz bei lat. agnoscere erkennen und anerkennen wirklich ist; ebenso beim erkennen des richters, lat. cognoscere, und die lat. wörter mögen auf die entwickelung der deutschen im munde studierter leute wirklich einen tiefen einflusz gehabt haben. aber erzeugt haben sie das kennen darin als aussagen nicht, und das heutige bekennen gibt auch nicht den kleinsten anhalt zu einem solchen lat. einflusz, es genügt allein, die fragliche bedeutung noch aus der rede des 19. jh. in voller frische zu beweisen, wie nl. bekennen gestehen, toekennen zuerkennen, auch ontkennen abläugnen; mnl. kennen, kinnen zugestehen. s. auch II, 1, e das nhd. mnd. kennen gleich aussagen, und sich erkennen Scherz 343 in gleicher bedeutung.
e)
aber wie ist dieser umschwung des gebrauchs geschehen? er ist schon ahd. vollzogen, wie in alts. antkennian, altfries. kenna (kanna); auch altn. kenna ist neben docere, monstrare schon cognoscere, nosse, und schwed. känna, dän. kjende, nnl. kennen stehen jetzt unserm kennen gleich; auch altengl. kenne, noch jetzt dial., schott. ken, sodasz sich die merkwürdige entwickelung bei allen germ. stämmen gleichmäszig vollzogen hat. sie wird auch gleichen grund haben. Ich wüszte zur lösung des rätsels nichts als einen wink, den der gebrauch des part. praet. im mhd. gibt. man sagte da häufig mir ist erkant, bekant oder unerkant, unbekant, und wir fassen es auf als 'bewuszt'; es kann aber oft eben so gut heiszen 'kund gethan' (s. z. b. die stelle aus den Nib. vorhin), d. h. das part. passt zu beiden bedeutungen; wäre nun dieser gebrauch verbreitet und alt genug, so liesze sich denken, wie in dem part. jener umsprung der bed. sich vollzog und die neue bed. sich daraus entspann; vgl. auch sp. 543. mit altn. kendr ist es derselbe fall. vgl. übrigens goth. kunnan wissen mit atkunnan zugestehen, gewähren, ahd. inchunnan anklagen (ags. oncunnan, altn. kunna), wo der umgekehrte gang der entwickelung vorliegen könnte; auch gr. γνωρίζω zeigt beide bed., bekannt machen und kennen, kennen lernen.
4)
von der urverwandtschaft und der bed. zeugen (s. 3, 866) unter können. vgl. sp. 541 und kenner erzeuger (mhd.).
II.
Gebrauch und bedeutung des nhd. kennen.
1)
Es trägt die spuren seines ausgangs vom mhd. erkennen, bekennen noch in sich, alle drei sind vielmehr anfangs noch durchaus nicht so geschieden und unterschieden, wie wirs jetzt fühlen.
a)
bekennen heiszt da noch erkennen und kennen (s. 1, 1417) und das ist in bekannt sogar bis heute erhalten: ich kenn dein nit, wann (denn) du hast mein nit bekannt, dieweil du lebest. heiligenleben 1472 127ᵃ. der vocab. opt. Lpz. 1501 z. b. erklärt noscere, agnoscere und cognoscere, alle drei nur mit 'bekennen'. gleich kennen oft bei Keisersberg, s. Scherz 114: gott, der da weiszt und bekent unser aller .. neigung zuͦ dem bösen. dreieck. sp. Dd 2ᵇ. auch nd. bekennen gleich 'kennen' und 'erkennen' Rein. vos 4965. 3914, aber auch kennen 451. 4928 u. ö. ebenso steht erkennen noch oft, wo wir kennen erwarten, vgl. Luther 2, 129ᵃ unter 2, b und erkenntnis gleich kenntnis. Das gehört zu den dingen, die uns beim lesen des alten deutsch, auch wo wir den sinn der worte genau erfaszt haben (was doch bei unserm raschen, tonlosen und stillen lesen sehr leicht misglückt), doch noch einen rest von unbehaglichkeit übrig lassen und ein gefühl von ungeschick: kleine gleichgültige unterschiede, die geschichtlich ihren guten grund haben, und doch unser urtheil über die geistige reife und klarheit der alten leute schief machen helfen, wie es das zur zeit noch vielfach ist; gerade hier würde das gefühl jener unserm stil gegenüber dasselbe sein.
b)
für bekannt, erkannt anderseits hiesz es auch kant:
er (der sänger) hat durchfaren weite land,
vil untrew ist im worden kant.
Soltau 2, 59;
im ist vil saurs und biters,
auch unrecht worden kant.
Körner hist. volksl. 127,
beide male in dem sinne 'hat er persönlich an sich erfahren', s. darüber 7, a. heute ist eigner weise gekannt als passivisch unungeläufig und selten (denn bekannt hat noch seine stelle inne, s. a), auszer wo das partic. als solches gefühlt werden soll:
die unbekannte wählen wäre frevel.
'dem ersten blick ist sie gekannt und werth'.
Göthe 9, 332 (nat. tochter 4, 1),
also gleich nach unbekannt und in antwort darauf; noch ein paar stellen des reinen part. bei Göthe s. u. 5, b. so ungekannt:
göttinnen, ungekannt
euch sterblichen.
41, 73 (2. th. des Faust).
c)
kennen für erkennen, anerkennen (mhd. bekennen): her Eberhart liesz sich auf ein zeit .. hören, das er (der hauptmann) nichts .. mit im zu schaffen .. hab, denn er in nit darfür kennet, das er ime undertanig sein wolt. Wilwolt v. Schaumburg 108;
den will ich für kein junger kennen.
Schmelzl aussendung f 7ᵇ.
noch Schiller braucht so ankennen:
reich an besitzthum wohnt der vater mir daheim ...
und funfzig dörfer kennen seine herrschaft an.
464ᵃ (jungfr. v. Orl. 2, 6).
so nl. kennen, z. b. iemand voor zijn kind niet willen kennen.
d)
kennen für erkennen, im rechten erklären:
dar über (darauf hin) mag man wol kennen recht.
fastn. sp. 997, 25;
des ist die kaiserliche acht
auf dich mit allem rechten kennt.
Soltau 1, 203.
so abkennen für aberkennen, absprechen, schweiz. noch heute, s. Tobler 8ᵃ: ich fürchte dasz die männer uns bald auch das denken abkennen werden. discurse der mahler 4, 13. ebenso schwed. känna, dän. kjende for ret, für recht erkennen.
e)
kennen für bekennen, gestehen: kennete mich wol schuldig. Luther br. 3, 383. mnd.: alse Herman Sparben antwordet uppe Hanses Oselers schulde (beschuldigung) unde kennet, dat he den orfeides brêf in der hant hedde. P. Wigand beitr. 223, 15. jh., noch ganz in der ältesten bed. ebenso schwed. känna.
2)
Besonders kennen für erkennen cognoscere.
a)
so ganz gewöhnlich im 16. 17. jh.:
das er nicht sach noch höret (vor erschöpfung)
und niemand kennen kunt.
hürn. Seifrid str. 149;
durch alle dise stuck .. von den siben todsünden mag der mönsch kennen, wie er .. gesündet hat (kann er im einzelnen falle seine sünde erkennen). Keisersb. dreieck. spiegel Ff 2ᵇ;
den narrenspiegel ich disz nenn,
in dem ein jeder narr sich kenn.
Brant narr. vorr. 32;
niemans war der in (Odysseus) kennen kund
im ganzen hof, allein die hund.
108, 98;
natürliche vernunft kennet (blosz) das die gottheit etwas groszes sei für allen andern dingen. Luther 3, 204ᵃ; 'diesen haben wir funden, sihe obs deines sons rock sei oder nicht?' er kennet (kennete) in aber und sprach, es ist meines sons rock. 1 Mos. 37, 33, von Josephs rock, in blut getaucht; da begegenet im Elia, und da er in kennet, fiel er auf sein andlitz und sprach 'bistu nicht mein herr Elia?' 1 kön. 18, 7; wir wöllen in zum schendlichen tod verdammen, da wird man in kennen an seinen worten. weish. Sal. 2, 20, vorher in gleichem sinn das wir erkennen wie gedültig er sei; (menschen) so von gott nichts wissen und an den sichtbarlichen gütern den, der es ist, nicht kennen, und sehen an den werken nicht, wer der meister ist. 13, 1; und da sie aus dem schiff traten, als bald kandten sie in. Marc. 6, 54 (im 14. jh. zuhant irkanten si in Haupt 9, 292, bei van Esz erkannte man);
die pfeife henget man auch darbei (am galgen),
darbei man kennt dasz(s) ein schäfer sei.
Uhlands volksl. 702;
wol in dem selbigen wirteshaus
da war ein junger knab,
der kant den landgrafen aus Hessen
an seinen braun euglein klar.
549;
rath, soll das ewangelisch sein?
kan ich bei mir nit kennen.
Soltau 2, 210;
den baum kennet man bei den früchten. Agricola spr. 19ᵃ (an iren früchten solt ir sie erkennen Matth. 7, 16); jetzo muszt er das bettelbrot fressen, durft sich nit kennen lassen. Aventin chron. 101ᵇ;
dann darausz, sagt er, kenn er frei,
das er ain mensch wie andre sei.
Fischart flöhhatz 851;
er (gott) lass euch recht die liebe Christi kennen,
wiewol ihr masz kein mund gar nicht kan nennen.
Opitz 3, 140;
alsdann kan erst der mensch sich einen menschen nennen,
wann seine lust ihn trägt, was über uns zu kennen.
1, 26;
ein glock am klang,
ein vogel am gsang,
ein mann am gang,
ein thoren an den worten
kennt man an allen orten.
Philander (1650) 2, 889;
ein tapfrer heldenmut ist besser nicht zu kennen,
als wann er sich nicht scheut schwarz schwarz, weisz weisz zu nennen.
Logau 2, 7, 50;
ohne Christo wird nicht einer recht, was gott sei, künnen kennen.
3, 3, 21, überschr. 'erkäntnüss';
wer mich tadelt, gibt zu kennen dasz was gutes an mir sei.
3, 9, 66, auch 1, 8, 99,
wie nl. noch te kennen geven gleich zu erkennen geben, bekannt machen, kund thun. auch für sich zu erkennen geben hiesz es früher sich zu kennen geben:
nach dem er sich (Odysseus) schmucket und zirt
als ein fürst, gab sich erst zu kennen
seiner Penelope.
H. Sachs 3 (1588), 2, 69ᵇ;
denn wil ich mich eben
Penelope zu kennen geben.
76ᵈ.
b)
oft genug aber auch noch in dem gewöhnlichen kreis unsrer lectüre, in unkenntlich, kenntlich ('erkennbar') sogar allein gültig bis heute:
des himmels gunst, die seltnen seelen
freigebig setzet ihren preis (wert),
liesz auch an dir kein zeichen fehlen
woran man sie zu kennen weisz.
Haller (1777) 202;
klug, wann die wahrheit sich an sichern zeichen kennte.
das. 76, zu erkennen wäre;
der echten freude werth zu kennen
ist gleichfalls unsers daseins pflicht.
Leosthenes fand ihn
durchbohrt und hingestreckt, und kannt ihn an
der rüstung.
Kleist Cissides u. Paches 3;
nun wol! damit du lernst, woran mans kennen kann,
so höre mich nur an.
Götz 3, 40;
des menschen wahre
vortheile, die das volk nicht kennt, kennst du.
hast du zu kennen wenigstens gesucht.
Lessing 2, 272;
kenne in mir deinen meister. Klinger 1, 182;
wie? du weinest, mein sohn? versetzte die mutter betroffen:
daran kenn ich dich nicht! ich habe das niemals erfahren!
Göthe 40, 267;
wir folgen einem pfade durchs gebüsch,
und auf der wiese kennen wir gar leicht
den fuszsteig linker hand, und dieser führt u. s. w.
10, 302;
mit soldaten hab ich lieber zu thun als mit andern, sie verstellen sich wenigstens nicht, dasz man die guten und bösen gleich das erstemal kennt. 10, 140, vgl. dazu 4;
'woran erkenn ich den besten staat?' woran du die beste
frau kennst: daran, mein freund, dasz man von beiden nicht spricht.
Schiller 91ᵇ;
an dreien goldnen lilien ists zu kennen,
die auf der klinge eingeschlagen sind.
459ᵇ;
am reinen glanz will ich die perle kennen.
502ᵃ.
3)
Überhaupt umfaszte kennen (erkennen, bekennen) einstens einen weit gröszern begriffskreis als heute; der heutige erscheint nur wie ein gebliebenes bruchstück davon.
a)
es galt für kennen lernen, was sachlich ja mit 'erkennen' sich ganz nahe berührt und mhd. auch so hiesz, z. b. bei Walther:
von der Elbe unz an den Rîn
und her wider unz an Ungerlant
mugen wol die besten sîn,
die ich in der werlte hân erkant.
57, 2.
und noch im 16. jh.: und ist wol war, das ich bei dr. P. Moss- hawer euch erkennet habe, nicht in ewrem haus, sondern da er official war und ir etlich mal sein gast waret. Luther 2, 141ᵇ (1555 129ᵃ). ebenso denn kennen:
'ein so gescheidter kopf (wie sie) wird immer wol empfangen.
und sollt er (Brockes) anfangs auch nicht mehr als höflich sein,
so räumen sie ihm zeit, sie gnug zu kennen, ein'.
Hagedorn 1, 65;
wer aber kennt die schönen alter zeit?
o wüszten wir nur unsre gnug zu kennen!
2, 160;
kennt, brüder, eure macht, sie liegt in eurer treu.
Haller (1777) 290;
das parterr ward begierig den mann von angesicht zu kennen, den es so sehr bewundert hatte. Lessing 7, 163;
wie wird sich meine Recha freuen!
und ach! welch eine heitre ferne schlieszt
sich meinen blicken auf! kennt sie nur erst!
2, 250. 265;
ich habe
ihn nicht vermieden, nicht gesucht zu kennen.
2, 251;
könig. bin ich der erste,
der euch (Posa) von dieser seite kennt?
Schiller 278ᵃ;
nicht kenn ich sie und will sie nimmer kennen,
die sich die stifter meiner tage nennen.
498ᵇ;
menschen lernten wir kennen und nationen: so laszt uns
unser eigenes herz (in Hermann und Dorothea) kennend uns dessen erfreun.
Göthe 1, 332;
wer kennt sie und ist nicht gleich lebhaft für sie hingerissen? 14, 126;
ich bin allhier erst kurze zeit,
und komme voll ergebenheit,
einen mann zu sprechen und zu kennen,
den alle mir mit ehrfurcht nennen.
12, 93;
ich habe längst gewünscht den mann zu kennen,
den es (das volk) den weisen nennt.
Lessing 2, 272.
das sind nur nachklingende reste eines frühern gebrauchs, für den es an ältern beispielen fehlt, wie für die folg.
b)
ähnlich ist folg., wo wir jetzt erfahren sagen würden:
itzt wag ichs zu gestehn, itzt kenne meine triebe!
Cronegk bei Lessing 7, 22;
hier wollen wir seine verdienste um die deutschen schönen wissenschaften kennen. Lessing 8, 205. ähnlich ist unser wissen gleich erfahren.
c)
verstehn würden wir in folg. brauchen; ein bücherwurm sagt in einem rätsel Harsdörfers:
der buchstab speiset mich, den ich doch nicht kan kennen.
Nathan und Jotham 1, Aa 5ᵇ;
ich kann das feur nicht kennen,
welchs mir mein herz thut brennen.
Harnisch teutsche lieder (Helmst. 1588) nr. 16, Hoffmann gesellschaftslider s. 47.
d)
wissen wäre für folg. das heutige wort (s. dazu 6):
ich sprach 'junkfraw, ja sült (solltet) ir kennen,
wie sich mein herz nach euch dut sennen,
sülch (höhnende) red lieszt ir beleiben ganz.
H. Folz bei Haupt 8, 511
o jahre, jahre (der ewigkeit) nicht zu nennen!
o anzahl die kein mensch kan kennen!
Opitz 3, 184;
denn der teufel treibt sein werk mit ihm und das kennet der arme mensch nicht. J. Böhme von sechs puncten (1682) 68. ebenso nd. bekennen Rein. vos 4332. Daher auch das object in form eines satzes, wie heute nur bei wissen; kennestu auch, wes dieser ring .. ist? Juda erkants u. s. w. 1 Mos. 38, 25; er (gott) kennet, was für ein gemecht wir sind. ps. 103, 14;
(der landmann) kennt nicht was austern sein, weisz gar nichts von lampreten,
die erst der weise koch in malvasier musz tödten.
Opitz 1, 157;
man kennt nicht mehr, was diesz und das gewesen sei.
1, 247.
e)
selbst gleich sehen, erblicken findet es sich:
die lefz' ist kaum zu kennen
für schaum.
hör ich (Mars) das kreischen der scheumenden rosse,
kenn ich die spitzen vom feindlichen schlosse ...
so wil disz herze für künheit zuspringen.
ders. (1663) s. 468 (Majuma 2, 106).
noch jetzt so erkennen, was in des Gryphius stellen jetzt brauchbar wäre, nur dasz wir so zu sagen blosz das verstehende sehen so nennen, nicht das leibliche. so schon ahd. archanta 'hausit oculis', muoʒin irchennen 'videant' Graff 4, 428. 431, und mhd.:
jâ truogen si die ünde (wellen) ... daʒ si die Hilden burc wol erkanden.
Gudrun 749, 4,
sie kamen so nahe, dasz sie die burg 'sehen konnten' (das 'können' ist in dem wol enthalten, vgl. das gloss. zu meinem Ssp.);
man sach ze Bechelâren îlen einen degen.
selbe erkand in Rüedigêr u. s. w.
Nib. 1582, 2, 'erblickte', nicht blosz 'erkannte';
dar zuo wart mir von Engellant
derselben zît nie bote erkant.
guter Gerh. 2976,
ich habe keinen boten 'zu sehen bekommen', wie 2995 sehen steht; die gleiche wendung mit bekant Gudrun 1091, 2. Parz. 597, 3;
recht als dem blinden im beschicht,
der daʒ liecht treit in der hant,
und eʒ im doch nicht ist erkant.
Boner 85, 66,
d. i. sichtbar, wie mhd. erkant auch kennbar, erkennbar war, z. b. Iwein 7950, Wolfd. 1041, 3. Das wort war also ausgedehnt auf alles erfassen wie es scheint, inneres und äuszeres, und gleicht darin dem alten vernemen percipere, das nicht blosz hören bezeichnete wie jetzt, sondern auch verstehen, erkennen, bemerken, sehen (Lohengr. 5443. Athis C*, 78, vgl. Soltau 2, 35), riechen, schmecken, empfinden, fühlen (Neidh. xxxv, 18). auch das nordische 'kennen' bedeutet gewahren, empfinden, fühlen (selbst fühlend tasten), schwed. känna, altn. kenna, schwed. känsla f. das gefühl; altn. kenna auch vom geschmack, geruch (Egilsson 459ᵃ). im engl. aber ist die bed. sehen scharf entwickelt, to ken um sich blicken, spähen, ken sehweite.
4)
Noch jetzt gilt, obwol selten, kennen für unterscheiden, vgl. lat. dignoscere, gr. διαγιγνώσκειν, ags. tôcnâvan (gleichsam 'zerkennen') in gleicher bed.: ich bin heute achzig jar alt, wie solt ich kennen was gut oder böse ist, oder schmecken was ich esse oder trinke u. s. w. 2 Sam. 19, 35;
bös und gutes kan er kennen.
Logau 1, 3, 32.
deutlicher ist es mit praepositionen, wie mhd. bekennen mit von (Wackern. wb.): seinen bruͦder, der im also gleich was, das man einen vor dem andren nit kennen kund. Keisersberg trostsp. DD 3ᵃ (4°); eins vor dem anderen kennen, discernere, einen narren vor einem weisen kennen, discernere stultum a sapiente, eins angesicht für ander (pl., vor anderen) ausz kennen und underscheiden. Maaler 242ᶜ. auch mit von, das besser scheint: von einanderen kennen, dignoscere. das.; dasz man den maderatzen und den strohsack gar schwerlich von einander kennen kondte. Lazarillo de Tormes (1624) 75. mit unter: eim jeden ein sondern helm aufgesetzt, so kent man die nummer undereinander. Fischart Garg. 110ᵃ (196).
aber sag, wo sind die rechten,
und wie kennt man sie von schlechten,
sieht mans en an den augen an?
Göthe 57, 160;
du kennst im zarten keim das unkraut nicht vom kraut.
Rückert weish. d. brahm. 9, 86,
wie es scheint in erinnerung der volkssprache; denn im volke spricht man mehrfach so, z. b. östr. von anaͦnda kenna, unterscheiden. Tschischka östr. volksl. 280; auch thüringisch und wol weiter verbreitet. Ebenso erkennen: (den scheffen soll zu trinken gegeben werden), bisz sie ein tauf (taube) vor einer krain (krähe) auf einem leidaich nicht erkennen kunten. weisth. 4, 770;
darumb ists angefangen,
darmit man wölf und schaf
soll auseinander erkennen.
Weller lieder des 30 jähr. kr. 177 (1625).
so noch Schiller 843ᵇ (oben 3, 867); vgl.auszkennen bei Maaler vorhin und Herder unter kennbar. Ebenso dän. kjende det ene fra det andet, engl. to know asunder, auch mit from Shaksp. Coriol. 1, 6; it. z. b. io conosco i tordi (drosseln) da gli stornelli (staaren), bin nicht so dumm als du denkst, wie in den weisth. vorhin und Hamlets I know a hawk from a handsaw 2, 2, to know turtles from jays (elstern) merry wives of W. 3, 3.
5)
Unser jetziges gewöhnliches kennen, um endlich zu dem zu kommen, ist die folge des erkennens, wie der sprachgebrauch die beiden wörter auseinandergesetzt hat (die urspr. bedeutung von erkennen kann keineswegs die heutige sein, sondern nur 'gründlich, völlig kennen'); was wir erkannt haben oder kennen gelernt, das kennen wir dann, und zwar setzt der genaue gebrauch eigne erfahrung voraus (s. 7). bezogen wird es ohne unterschied auf sinnliche wie unsinnliche dinge aller art, sodasz es im letztern falle sich mit wissen und können nahe berührt (s. 6): ich kenne den mann seit jahren und kenne ihn genau, denn ich bin mit ihm in einer aufgeregten zeit bekannt geworden, wo man die leute am besten kennen lernt; ich kenne diese wahrheit sehr gut, hab ich sie doch durch eigne erfahrung früh erkannt. übrigens ist auch erkennen in anderm sinne (wiederkennen) die folge des kennens: ich kenne seine gestalt und person so genau, dasz ich ihn in jeder vermummung erkennen will; dabei tritt aber ganz leicht wieder kennen ein, als ob das einmalige er- noch fortwirkte (s. z. b. Schiller 91ᵇ sp. 537): 'und kenn ich ihn an nichts anderem, so kenn ich ihn an einer gewissen armbewegung die er nicht verstellen kann'.
a)
mit gen.: warlich ich sage euch, ich kenne ewer nicht (οὐκ οἶδα ὑμᾶς). Luc. 13, 25. 27, der gen. ist aber abhängig in alter weise von nicht, hat mit kennen nichts zu thun, hat jedoch gerade in dieser wendung sich am längsten gehalten; und er leugnet abermal und schwur da zu 'ich kenne des menschen nicht'. Matth. 26, 72. Marc. 14, 71;
sie sprach 'nu chenn ich doch nit dein'.
Hätzl. 279ᵇ;
herr, ir solt mir nicht für übel han,
das ich ewren rechten titel nicht geben kan,
denn für war, herr, ich ken ewer nicht.
ein lustig gesprech der teufel 1542 b 1ᵇ;
gott wird zu ihnen sagen 'weg von mir, ihr übeltähter, ich kenne euer nicht'. Butschky Patmos 192.
b)
mit acc.: der herr kennet die seinen. 2 Timoth. 2, 19; dar gehet ja einer spatzieren, wer mag das sein? mich deucht ich sol (musz) ihnen kennen. Heinr. Jul. v. Braunschw. 352;
die stadt, wo aber Ibrahim der lecker
die gassen besser kennt.
Lessing 2, 331;
verstelle dich nur nicht, die sprache kenn ich schon.
Gellert (1784) 3, 356;
die sprache kenn ich — doch, madame,
zum zweiten male soll sie mich nicht täuschen.
Schiller 286ᵇ;
schlaf bringt auf bessere gedanken, wenn sie wieder aufwacht, wird alles vorbei sein. ich kenne das! Lessing 2, 560; ich kenne das — fort! Schiller 149ᵇ, man beruft sich damit auf seine erfahrung und weltkenntnis;
ja, wer eure verehrung nicht kennte,
euch, nicht ihm baut ihr monumente.
Göthe 2, 243;
so gehe nur hin! ich kenne den trotzkopf!
40, 256;
die redlichkeit die kennt man schon,
sie heiszet contribution.
41, 286.
ich kenne dich, Spiegelberg (drohend, überraschend, 'ich durchschaue dich'). Schiller 121ᵃ;
widerrufen kann
der könig nie. wir kennen ja den könig (in diesem punkte).
282ᵇ;
ihr kennt
den menschen, marquis. solch ein mann hat mir
schon längst gemangelt, ihr seid gut und fröhlich
und kennet doch den menschen auch.
280ᵇ;
kennst du mich so gut?
ich wüszte nicht dasz ich mein innerstes
dir aufgethan.
340ᵃ;
kennen
sie schwärmersinn und neuerung so wenig?
307ᵇ,
dasz sie sie nicht am marquis Posa wiedererkannten;
es macht mir freude, meine macht zu kennen (ihren umfang, ihre grösze).
340ᵃ;
ich kenne dich wol (von person). du bist aus Brügg in Flandern,
dein nam' ist Mercy.
381ᵃ;
ich kenne dich nicht mehr — ist dies don Manuel,
mein gatte, mein geliebter?
505ᵇ;
so ernst, mein freund? ich kenne dich nicht mehr.
519ᵃ,
wo man sich auch erkennen denken könnte, es ist aber so der herschende ausdruck, oder wieder kennen;
ich kenne alle kräuter, alle wurzeln.
481ᵃ;
die schliche kenn ich und die felsensteige.
524ᵃ;
Lottchen, wer kennt unsre sinnen?
Lottchen, wer kennt unser herz?
ach es möchte gern gekannt sein ...
Göthe 1, 85;
'kennst du mich, guter, nicht mehr? und käme diese gestalt dir,
die du doch sonst geliebt, schon als ein fremdes gebild? ...
ja, schon sagt mir gerührt dein blick, mir sagt es die thräne:
Euphrosyne sie ist noch von dem freunde gekannt'.
1, 315;
ach, der mich liebt und kennt,
ist in der weite.
2, 118. 19, 67;
kennst du das land, wo die citronen blühn?
1, 177;
du kennest lang die pflichten deines (fürsten) standes.
2, 152;
ich fühl, ich kenne dich, natur,
und so musz ich dich fassen.
2, 191;
(es klopft) o tod! ich kenns, das ist mein famulus ...
es wird mein schönstes glück zu nichte.
12, 35;
verzeih dem trüben blick des sterblichen,
wenn er auf augenblicke dich verkannt,
er kennt dich wieder.
9, 237;
und es sagte darauf der edle verständige pfarrherr ...
dieser kannte das leben und kannte der hörer bedürfniss.
40, 237;
man würde einander besser kennen, wenn sich nicht immer einer dem andern gleichstellen wollte. 49, 43; heute früh war ich im arsenal, mir immer interessant genug, da ich noch kein seewesen kenne. 27, 122; er kennt das geschäft gründlich.
c)
das kennzeichen wird mit an, früher auch mit bei angegeben (s. die beispiele unter 2 sp. 536. 537):
ihr sucht die menschen zu benennen,
und glaubt am namen sie zu kennen ...
Göthe 2, 262;
die pfeife henget man auch darbei,
darbei man kennt dasz(s) ein schäfer sei.
Uhland volksl. 702.
d)
der grad der kenntnis wird verschiedentlich angegeben: ich kenne ihn (das) wol, gut, genau, gründlich, aus dem grunde, aus dem fundamente, noch kräftiger durch und durch, 'innen und auszen, intus et in cute' (Frisch), inwendig und auswendig (Göthe 8, 228). sonst einen von einer seite kennen, von dieser seite hatte ich dich noch nicht gekannt; auf diesen punkt oder darauf kenne ich ihn, weisz was er in diesem falle denkt, was er da thun wird; ich kenne ihn nur von gesicht, nur dem namen nach, nicht näher, nur vom weiten u. a.
e)
das kennen ist nämlich ein den verhältnissen nach sehr verschiedenes. 'ich kenne das buch' z. b. sagt sowol wer es studiert hat, als wer nur den titel weisz. 'du kennst ihn nicht' besagt sowol: du weiszt nichts von ihm (meinst einen andern als von dem wir reden), als auch: du weiszt nicht was er vermag, oder was seine art ist; jenes geht auf das blosze dasein, dieses auf das wesen des genannten mannes. Die glückliche mitte zwischen beiden hält gewöhnlich ein kennen als kunstausdruck des gesellschaftlichen lebens (ebenso lat. novisse): ich kenne ihn, 'es ist mein bekannter' (notus meus); ich kannte wenig leute in der stadt, hatte wenig bekanntschaft, wenig umgang; wir kennen uns ja schon lange, wie kannst du mir das übel nehmen? schon im 16. jh.: und es kamen zu im (Hiob) alle seine brüder und alle seine schwester und alle die in vorhin kandten, und aszen mit im in seinem hause und trösteten in über allem (vergangenem) übel. Hiob 42, 11;
Gertrud. hast du in Uri keinen gastfreund, sprich ...
Stauffacher. der wackern männer kenn ich viele dort ...
Schiller 519ᵇ;
was man nicht alles für leute kennt!
321ᵇ (Wall. lager 5. auftr.).
Wiederum wird diesz kennen volksmäszig in sehr starkem sinne gebraucht als andeutender ausdruck für fleischlichen 'umgang', z. b. sächs. die kennen sich schon lange; holsteinisch: de beiden kennt sik. Schütze 2, 247. das ist wie lat. feminae notitiam habere (Caes. b. g. 6, 21), wie cognoscere, erkennen als fleischliches 'kennen lernen', ahd. 'eines weibes wîs werdan' (s. 3, 866), und scheint mir ebenso einfach entsprungen wie das volksmäszige bekanntschaft für liebschaft; das rätselhafte archennan erzeugen erhält dadurch freilich kein licht und ist wol davon zu trennen.
f)
auch sonst gewinnt es durch die umstände eine besondere bedeutung. 'er kennt das alterthum' kann genügen, um zu sagen 'er ist ein kenner des alterthums', vermöge der wissenschaft wie heimisch daselbst. er kennt seine pflicht heiszt gewöhnlich, er ist sich wol bewuszt, was sie ihm vorschreibt; unter umständen kann man aber mehr damit sagen: er lebt ihr treulich nach; der fall ist denen unter 7, c entsprechend. er kennt sich selbst nicht sagt man von dem, der sein eignes wesen nicht kennt, aber auch von dem, der augenblicklich ohne besonnenheit ist, s. 10, a. Auch für 'nicht kennen wollen' genügt nicht kennen (vgl. 7, c): niemants kennt mich, es achtet mein niemand, ignorant me omnes. Maaler 242ᶜ; arme freunde kennt man nicht. Stieler 950;
von heut an thut
mir den gefallen wenigstens und kennt
mich weiter nicht.
Lessing 2, 225;
meine Minna geht vorüber,
meine Minna kennt mich nicht?
Schiller 9ᵇ.
mit wollen: wenn mein geist in engsten ist .. sihe da wil mich niemand kennen. ps. 142, 5, urspr. aber war übersetzt da kennet mich keiner, so ist in der bibel oft von denen die rede, die den herrn nicht kennen;
kommt mit mir, meine tochter! wenn der könig
dich (als tochter) nicht mehr kennen will ...
Schiller 287ᵇ (Carlos 4, 9).
6)
Es berührt sich mit wissen und können (verstehn).
a)
wissen könnte z. b. ebenso gut in folgenden fällen stehn: sihe, ich kenne ewer gedanken wol und ewer frevel furnemen wider mich. Hiob 21, 27. Hesek. 11, 5;
was bringt dich so in aufruhr? kennst du mehr
als nur den namen blosz von meinem hause?
Schiller 506ᵃ.
dagegen wäre kennen hier gewöhnlicher:
er weisz die kunst zu schweigen.
Hagedorn 1, 54.
Daher beides zusammen: wer sich rhümen wil, der rhüme sich des, das er mich wisse und kenne das ich der herr bin. Jer. 9, 24. unsere gewöhnung verlangte da umgekehrt: dasz er mich kenne und wisse dasz ich der herr bin; aber früher ward eben auch kennen so mit einem satze verbunden (s. 3, d). ebenso deshalb mit satz und acc. zugleich: wer sie sehen wird, sol sie kennen, das sie ein samen sind gesegnet vom herrn. Jes. 61, 9; ich kenne euch, das ir nicht gottes liebe in euch habt. Joh. 5, 42; ich kenne ewer nicht, wo ir her seid. Luc. 13, 25. wir haben da überall das gefühl, als wären kennen und wissen vermengt; aber kennen vertrat früher unser wissen mit (sp. 538). Die heutige unterscheidung zeigen folgende stellen:
das mädchen kannte unsers lagers blösze,
sie wuszte wo die furcht zu finden war.
Schiller 460ᵇ;
du kennst sie nicht, du weiszt nicht wem sie dienen.
505ᵇ;
wer kennt sich selbst? wer weisz was er vermag?
Göthe 2, 149.
kennen nämlich faszt sein object mehr gegenständlich, als äuszeres ding für sich, wissen hat mehr gedankendinge zum object. das gekannte sind dinge, das gewuszte mehr gedanken; z. b. ich will euch führen, ich weisz den weg sagt mehr aus: ich weisz wie wir zu gehn haben (wenn auch nur aus fremdem berichte), aber ich kenne den weg deutet eigne anschauung an (s. 7): ich bin ihn oft gegangen und habe ihn in der erinnerung sichtbar vor mir. ich weisz keinen ausweg, ich weisz nicht wie wir aus der verlegenheit herauskommen sollen, aber ich kenne keinen, unter den wegen, die mir vorschweben, ist keiner der uns herausführte. so in des königs äuszerung in der jungfrau von Orleans 1, 6:
ist denn die krone ein so einzig gut?
ist es so bitter schwer, davon zu scheiden?
ich kenne was noch schwerer sich erträgt:
von diesen trotzig herrischen gemüthern
sich meistern lassen u. s. w.
Schiller 456ᵇ,
nicht 'ich weisz', sondern 'ich kenne etwas bestimmtes (aus eigner erfahrung) das ..';
lasz diese bangen! schmerz empfind ich, keine furcht.
doch kennst du rettung, dankbar sei sie anerkannt.
Göthe 41, 200,
weiszt du einen bestimmten weg der rettung, vorher
drum sage was du möglich noch von rettung weiszt.
199.
weil denn kennen objectiv ist, wissen subjectiv, hat jenes das object als selbstständiges substantiv nach sich, nicht in satzform, dieses aber liebt den satz; das gekannte kann man gewöhnlich nennen, das gewuszte meist nur sagen.
b)
mit können (d. i. eig. wissen) stöszt kennen meist in bezug auf fertigkeiten zusammen: er stellt sich ganz gut zum handwerk an, er kennt schon die ersten handgriffe, aber eben so gut er kann und diesz ist das gewöhnliche, jenes mehr geschulten leuten eigen; er kennt die noten, buchstaben noch nicht oder er kann sie noch nicht; wer nicht fremde sprachen kennt, weisz nichts von seiner eigenen. Göthe 49, 44, da wird jedoch kennen von können unterschieden gemeint sein, nicht bloszes gelernt haben, sondern die einsicht in ihre art.
7)
Eigenthümlich ist ein beliebter gebrauch von kennen, wo es mehr aussagt als das blosze wort könnte, z. b. Irland kennt keinen harten winter; das heiszt dem wortlaut nach 'weisz nicht was das ist', bekommt ihn nicht zu sehen, lernt ihn nicht kennen, aber sachlich gemeint ist vielmehr 'es hat keinen harten winter'. ausgegangen ist das davon, dasz kennen meistens eine bekanntschaft enthält, die man aus eigner erfahrung hat; was man selbst gesehen oder an sich erfahren hat, das nur kennt man im eigentlichen sinne (vgl. ich kenne das! unter 5, b):
erwarte nicht, dasz der dich tröste,
der diese wunden kennt.
Haller (1777) 292;
nur wer die sehnsucht kennt,
weisz was ich leide.
Göthe 19, 67. 2, 118;
wer nie sein brot mit thränen asz,
wer nie die kummervollen nächte
auf seinem bette weinend sasz,
der kennt euch nicht, ihr himmlischen mächte.
18, 217. 2, 122;
was man zum ersten mal ersicht,
kennt selber auch der klügste nicht.
a)
eine ähnliche wendung kennt schon die mhd. rede:
al (quamvis) sül si niht gekrœnet sîn,
si hât doch werdekeit bekant.
Parz. 89, 15,
fürstliche ehre kennen gelernt, an sich erfahren, dann aber auch und hauptsächlich 'genieszt derselben';
an der du kiusche hâst bekant
unt wîplîche güete,
ir minn dich dâ (im kampfe) behüete.
332, 12,
die dir ihre keuschheit und huld bewiesen hat, von der du die genossen hast;
der wîse herzehafte man,
swâ dem kumber wirt bekant,
der rüefet an die hôhsten hant.
568, 7,
im fall er in bedrängnis gerät, sie erfährt;
lâʒ enden dîne werden hant
swaʒ mir ie prîses wart bekant.
542, 30,
mache dem ganzen ruhm ein ende, der mir je zu theil geworden;
mirn zerinne friunde, in wirt arebeit bekant.
Nib. 164, 4,
es müszte mir denn an freunden fehlen, sonst sollen sie kampfesnot erfahren, erleben, empfinden;
ê daʒ wir wider wenden, in wirdet sorge bekant.
194, 4;
dô wart der küniginne vil michel êre bekant.
1271, 4;
die eʒ ie gesâhen, den wart hôher muot bekant.
730, 4,
sie empfanden, gewannen stolzen frohsinn;
mit roube und mit brande wuosten si daʒ lant,
daʒ eʒ den fürsten beiden wart mit arebeit bekant.
175, 4;
noch was den edelen frouwen michel trûren bekant.
515, 4,
sie waren noch sehr bekümmert;
im brast daʒ fürbüege: des wart im strûchen bekant.
1549, 4,
es widerfuhr ihm, dasz er vom rosse stürzte;
urliuge, rouben unde brant
wæren uns immer unbekant.
Renner 1865.
die letzte stelle schlieszt sich schon genau an die heutige redeweise an. noch im 16. jh. findet sich so kant werden, s. 536. Eine dem entsprechende wendung besitzt das altnordische mit seinem causativen kenna, kennen machen (sp. 534), z. b. er þeim (dat.) flŷja kendi, der sie fliehen lehrte, d. i. sie zur flucht brachte; kenna einum (dat.) at drûpa, einen trauern lehren, ihn traurig machen, und so manigfach. dürfte man jenes mhd. bekant als urspr. zu bekennen bekannt machen gehörig ansehen (s. sp. 535), so ergäbe sich völlige gleichheit der mhd. wendung mit der altn.
b)
nhd. nun so kennen:
ihr augen, wann ich euch so freundlich sehe schweben,
so bin ich als entzückt, so kenne ganz kein leid.
Opitz 2, 217,
'weisz ich gar nichts von schmerz (mehr)', so fremd ist er mir dann, sachlich gemeint aber 'empfinde keinen schmerz';
und dein (der fichte) gerader leib bleibt immer aufgerecket,
kennt (hat) keine krümme nicht.
Logau 1, 8, 99 (s. 192);
in leid das ganz kein hoffen kennet.
A. Gryphius 1663 s. 494 (kirchhofsged. str. 44);
das weite firmament,
das unergründlich tief, das keine grenzen kennt.
Brockes 1, 186 (1728);
ihr schüler der natur, ihr kennt noch güldne zeiten!
Haller (1777) 24;
die Scandinavier kanten keinen herrscher, jeder anführer einer schar focht und raubte für sich allein. ders., Alfred könig der Angelsachsen 6;
kennt ein tyrann auch freunde?
Hagedorn 1, 38;
alle die choriamben, die pyrrhichier .. hätte herr Gottsched auslassen können (in seiner metrik in der deutschen sprachkunst), indem die deutsche poesie dergleichen nicht kennt. Götting. gel. zeit. 13. jan. 1749; die alten kannten das ding nicht, was wir höflichkeit nennen. Lessing 8, 2; die traurigen bilder hatten sich bei ihm (Werther) festgesetzt, und sein gemüth kannte (hatte) keine bewegung als von einem schmerzlichen gedanken zum andern. Göthe 16, 144; ich (bruder Martin) kenne keine weiber. 8, 15. 42, 17. 252; ich kenne betten nur von hörensagen, in unsrer herberge ist nichts als stroh. 42, 255;
hast du die sorge nie gekannt?
41, 315;
meine jugend war nur weinen
und ich kannte nur den schmerz.
Schiller 61ᵇ;
ja, ich verkannte dich, du (Johanna) kennst die liebe.
475ᵇ;
schwer flieszt das dicke blut in euren adern,
ihr kennt nicht das vergnügen, nur die wuth.
462ᵇ;
das weib allein kennt wahre liebestreue.
594ᵃ (Turandot 3, 2, nicht bei Gozzi);
wie der griechische staat keine kirche kannte. Schelling meth. d. akad. stud. 230; das alterthum kannte krankheiten, die wir glücklicherweise nicht mehr haben. Humboldt an eine freundin 2, 186; wahre grösze kennt keinen stolz; er kennt kein nachgeben;
kannten sie doch kein verschonen!
Göthe 4, 374;
die lateinische sprache kennt keinen artikel; die natur kennt keinen sprung; politische leidenschaft kennt kein erbarmen über das unglück des gegners; selbstzufriedenheit kannte er nicht, ebenso er wuszte nichts davon, sie war ihm unbekannt, fremd, für ihn nicht vorhanden, gab es für ihn nicht, er 'dachte nicht dran' und noch anders.
c)
eine neue wendung gewinnt das, indem sich diesz kennen zugleich in einem thun äuszert; z. b. in 'not kennt kein gebot', eig. für die not gibt es kein gebot, ihr kann man kein gesetz vorschreiben wollen, dann aber auch 'sie will das gebot nicht kennen' (vgl. 5 a. e.), sie 'fragt nach keinem gebot', d. i. thut nicht danach (auch hier wieder weisz nichts davon u. a.):
dich bricht der tod, der keine zierde kennet (sich um keine kümmert),
der alt und jung mit gleichen namen nennet.
Hoffmannswaldau (1699) poet. geschichtreden 20,
aber der flüchtige kennt kein gesetz, denn er wehrt nur den tod ab.
Göthe 40, 292;
wo der soldat .. keine gränzen kennt, die menschenhand gezogen. 8, 276, sie sind für sein thun nicht vorhanden, denn 'er weisz nichts davon', z. b.
Carlos. 'natur'?
ich weisz von keiner. mord ist jetzt die losung.
Schiller 301ᵇ;
an solchem freudentag, den du mir schenkst,
soll meine milde keine gränzen kennen.
608ᵇ.
Diesz kennen wird dann zugleich wieder zu 'anerkennen' (sp. 536), gelten lassen: die philosophie kennt keine schöpfung aus dem nichts; die heutige wissenschaft kennt keine construction a priori mehr u. a., was aber auch wieder in haben, üben, brauchen umschlägt. s. auch nicht kennen gleich 'nicht kennen wollen' unter 5 a. e.
8)
Zu allen diesen kennen gehört das merkwürdige 'kennen lernen', mit etwas bekannt werden, es zu kennen anfangen, wofür andere sprachen einen besondern ausdruck gar nicht ausgeprägt haben (lat. nur cognoscere, frz. connaître, sp. conocer, engl. know), wie es auch bei uns früher nur kennen, erkennen hiesz (sp. 537 3, a, aber auch schwed. lära känna, dän. läre at kjende, nl. leeren kennen, wol entlehnt): ich kenne ihn genau, denn ich habe ihn in seinen jünglingsjahren kennen gelernt wo der charakter sich am besten zu erkennen gibt; ihr solltet euch näher kennen lernen; er hatte dort ein mädchen kennen und lieben lernen; 'du sollst mich kennen lernen!' drohend gesagt; deshalb es wol ganz richtig ist, dasz man kunstwerke kaufen müsse um sie (eigentlich) kennen zu lernen, damit das verlangen aufgehoben und der wahre werth festgestellt werde. Göthe 30, 240. Weniger gebraucht ist kennen lehren, in den meisten fällen sagt man lieber einen bekannt machen mit ..: der verdrieszliche vorfall lehrte mich wenigstens meine stärke kennen; groszes glück und groszes unglück allein lehrt uns die menschen kennen;
du .... lehrst mich meine brüder,
im stillen busch, in luft und wasser kennen.
Göthe 12, 170.
und diesz früher auch kennen lernen: lerne mich nur keine karpfen kennen. Simpl. 1, 307; lernen sie mir nur die liebe erst kennen. Gellert (1784) 3, 205. vgl. übrigens u. kennig.
9)
Zu kennen tritt ein zweites object erklärungsweise.
a)
durch als vermittelt: ich kandte (im kloster) Christum nicht mehr denn als einen gestrengen richter, für dem ich fliehen wolt und doch nicht entfliehen kundte. Luther 6, 23ᵃ;
oder war, was ich
als liebe kenne, liebe nicht?
Lessing 2, 289;
was? kenn ich sie nicht
als deine frau und als die mutter nicht
der sclavin Zelima?
Schiller 598ᵃ;
sie hatte geweint, und wenn weiche personen dadurch meist an anmuth verlieren, so gewinnen diejenigen dadurch unendlich, die wir gewöhnlich als stark und gefaszt kennen. Göthe 17, 131; ich lernte ihn bald als sonderling kennen.
b)
durch für, schon mhd. (nd. vor): ein grunt ist in der sêle verborgen und den kennet nieman für bœse. Haupt 8, 454;
ik kenne en vor enen schalk van arde.
Claws bûr 490;
man kannte die schöne Salabanda für eine frau, die so was nicht ohne grund sagte. Wieland 19, 251; Faust kannte ihn längst für das was er war. Klinger 3, 94; du beleidigst mich, Weislingen. kennst du mich für das (als buhlerin)? Göthe 8, 129.
c)
aber auch ohne solche vermittelung als unmittelbares zweites object von kennen, wenn es in einem adj. besteht (wie bei nennen, finden, sehen u. a.):
den ich sô vrumen erkande.
Iwein 1913;
zwei hundert ritter lovelich,
de hei zo stride guet (tüchtig, tapfer) kante.
Karlmeinet 354, 10;
wente se Reinken sêr listich kenden.
Rein. vos 451;
alles was heilsam, was löblich zu nennen,
alles was herrlich, was witzig zu kennen,
hat sich an unsere heldin verbunden.
Logau 3, 212;
und was andre tödtlich kennen,
das alleine das vermehrt uns.
Göthe 2, 9 (des paria gebet);
ich kannte sie bisher nur liebenswürdig; ich habe ihn gleich so achtbar kennen lernen, dasz ich gern an ihn denke. Früher traten auch substantiva so ein ohne als, für bei sich bekennen, sich erkennen, erkannt werden (s. 1, 255, bekennen 9, erkennen 7); aber auch bei kennen: daʒ ist êwic leben, daʒ man dich got kenne alleine einen wâren got. Eckhart 141, 10, nach Joh. 17, 3, wenn es nicht nur als apposition gemeint ist, wie es doch auch Luther nicht faszt.
10)
sich kennen. natürlich gilt das als reciprocum: wir müssen uns näher kennen lernen; den enthusiasmus für irgend eine frau musz man einer andern niemals anvertrauen, sie kennen sich unter einander zu gut, um sich einer solchen ausschlieszlichen verehrung würdig zu halten. Göthe 22, 72. selten in passivem sinne, s. Haller sp. 533 gegen unten. Besondere betrachtung aber fordert es als reflexivum:
a)
sprichw. sich kennen ist viel kennen, gott kennen ist alles kennen. Simrock 3998; er kennt sich zu gut, um so ein geschäft auf sich zu nehmen, kennt seine schwäche; sie hat ein einnehmendes wesen, aber sie kennt sich auch darin;
der ist gar sehr verblendt,
der sonst zwar alles weisz, doch nicht sich selber kennt.
Opitz 1, 158;
wer kennt sich recht?
Lessing 2, 333;
wer kennt sich selbst? wer weisz was er vermag?
Göthe 2, 149.
das γνῶθι σεαυτόν, mhd. bekenne dich selber Renner 10344. 22622, erkenne dich Mone schausp. 1, 241, heiszt jetzt gewöhnlich erkenne dich selbst (z. b. Göthe 2, 264), bei Logau 'kenne dich selbst' (überschrift):
sich von auszen und von innen
kennen ist das beste künnen.
3, 210.
b)
in geringerem sinne, vom bloszen bewusztsein seiner selbst, theils sittlich, theils ganz äuszerlich:
o wasser! o wasser! ich brenn, ich brenn!
dasz ich mich selber nicht mehr kenn.
A. Gryphius Peter Squenz (1663) s. 22,
vor schmerz 'nichts von mir weisz', 'unsinnig bin vor schmerz' wie man auch sagt; er kennt sich selbst nicht vor hochmut (stolz, albernheit u. a.), ist wie närrisch, weisz nicht was er thut; er kennt sich nicht wenn er zornig ist, ist 'auszer sich', weisz nichts von sich;
könig. ich kenne
mich selbst nicht mehr — ich ehre keine sitte
und keine stimme der natur und keinen
vertrag der nationen mehr (vor zorn).
Schiller 287ᵇ (Carlos 4, 9);
ich kannte mich nicht vor entzücken, sprang auf und wollte sie (Gretchen) umarmen. Göthe 24, 271. so redet Faust sich an, da er in Gretchens zimmer betreten wird über die art seiner absichten:
und du! was hat dich hergeführt? ...
was willst du hier? was wird das herz dir schwer?
armselger Faust! ich kenne dich nicht mehr.
12, 140,
die neue reine stimmung führt ihn auszer sich heraus, er verliert sein selbstgefühl. dem entgegengesetzt Dorotheas erklärung gegen den scheinbaren spott von Hermanns vater:
freilich tret ich nur arm mit kleinem bündel ins haus ein ...
aber ich kenne mich wol, und fühle das ganze verhältniss.
40, 327,
mich und meine lage, es streift schon an die bed. c. Wieder anders sagt man trefflich vom egoisten 'er kennt nur sich' oder nichts auszer sich; so schon S. Brant, und zwar angewandt auf ein einzelnes thun, worin sich das äuszert:
der über disch allein sich kennt
und dar uf legt arbeit und flisz,
das er allein esz alle spis.
narrensch. 110ᵃ, 64.
c)
aber auch sich kennen, bekannt sein, heimisch sein, wissen wo aus und ein, seine umgebung kennen, wo denn eine klare rückbeziehung des sich auf das subj. nicht mehr gefühlt wird: so bald ich in den hoff kam, da kandte ich mich nicht mehr. dann ob ich schon vor diesem vielmahlen bei und umb dieses schlosz gewesen, so war ich doch niemahlen hinein kommen. Philander 2, 34. es hiesz in gleichem sinne sich erkennen (oben 3, 869), sich bekennen (1, 1417), und noch heute so oberd. 'sich auskennen in einer gegend oder sache, sie nach allen gesichtspunkten kennen, orientiert sein'. Schmeller 2, 304, in Baiern, Östreich vielgebraucht, aber auch in andern gegenden, selbst in Sachsen nicht unbekannt (ich habe auch sich erkennen, sich bekennen da noch gehört); es klingt an in Dorotheas sich kennen vorhin. Diesz merkwürdige medium, das auch in 'sich verstehn auf etwas' vorliegt und schärfere beobachtung verdient, wird doppelt merkwürdig durch seine verbreitung. es findet sich nämlich auch nordisch, schwed. kännas (s abgekürztes sig) erkennen, ähnlich dän. kjendes, schon altn. kennast; und romanisch, franz. se connaître (à qu.) sich auf etwas verstehn, it. conoscersi; selbst slavisch, z. b. böhm. znáti se (diesz auch gestehen, 'bekennen', wie wieder auch dän., altn.), poln. znać sie̜, poznać sie̜ — eine übereinstimmung über die ganze mitte von Europa hin und zwar in einem unscheinbaren stücke, wo man eine entlehnung kaum begreift! wie erklärt sich das? und wo ist die quelle? das latein gibt dazu keinen anhalt. Bei uns ist es alt, schon mhd. (wie sich verstân, sich entstân gewahren, verstehn), s. mhd. wb. 1, 810ᵃ. 808ᵃ:
'sage mir, ist dir iht erkant
ditz gebirge und ditz lant?'
'jâ, wol ich erkenne mich'.
gut. Gerh. 2633, vgl. 2803;
die (jäger) erkennent hie ze lande sich
und wiʒʒent michel baʒ dan ich
wâ der hirʒ hin ziuhet.
Trist. 87, 31,
also ganz wie sich kennen bei Philander, und wie das heutige sich auskennen. es hiesz aber auch gewahr werden, merken, und zur einsicht kommen oder einsicht haben, im einzelnen wieder manigfach gewendet, s. z. b. Freidank sp. 534:
wand (weil) sich die pfaffen baʒ verstânt (verständiger, gebildeter sind, als die laien),
dar umbe wære billich,
entwichen si (gäben nach) und erkanten sich.
Stricker 12, 58 Hahn.
das schlieszt sich wieder an die bed. a und b an und läszt die entwickelung von da aus ahnen. ähnlich noch im 16. jh., von plünderern: nit woltn si sich erkennen. Soltau 192, nach dem zusammenhange: in sich gehen und mitleid haben. Es ist aber schon gothisch, und zwar in einer schon sehr vorgeschrittenen bed., gakunnan sik sich unterordnen, gehorchen (s. gramm. 4, 31); Strickers sich erkennen vom nachgeben liegt dem doch noch sehr nahe. ganz nahe aber engl. know als refl., zur einsicht kommen und sich fügen:
but, mistress, know yourself: down on your knees,
and thank heaven fasting for a good man's love.
Shakspeare as you like it 3, 5 (kennt euch selbst Tieck).
Auch vom 'erkennen' von schiedsrichtern hiesz es sich bekennen weisth. 1, 159, sich erkennen 4, 288. 332 (15. jh.), von einer beschluszfassung Nürnb. chron. 1, 114. 117 (14. jh.); das ist aber auch mit 'sich erklären' zu übersetzen, s. dazu erkennen aussagen sp. 535. Aus dem mhd. sich bekennen aber erklärt sich auch unser merkwürdiges bekannt im activen sinne, als part. zu jenem (der 'sich bekannt hat' oder 'sich bekennt', vgl. das. 'in der bibel bekant' 1, 1413); es ist schon mhd.: die junger wâren unbekant (in bezug auf Jesu prophezeiung) und enwisten niht waʒ er meinde. Eckhart 138, 7. ebenso verstanden, verständig, von sich verstân, besonnen von sich besinnen, bedacht von sich bedenken (vgl. bescheiden : sich bescheiden) u. a.
11)
endlich eine eigne fügung mit dat., ich kenne mir das und das, weisz von mir, kenne an mir: ich hatte eine gröszere heiterkeit des geistes gewonnen, als ich mir lange nicht gekannt. Göthe 25, 184; beim ersten blick erkannt .. ich diese virtuosität in ihnen .. 'ich kenne mir keine virtuosität'. Klinger 11, 289; wer kennt mir so unvorsichtige Orinocositten? A. v. Humboldt an Varnhagen 18. märz 1840; dir, Uli, kenne ich z. b. einen (fehler), der dir näher und näher kommt, es ist der geiz. Gotthelf 2, 396. ebenso bei wissen, fühlen (s. 4, 412) u. a., noch gebräuchlicher ist es im franz., ital.; stammt es nur aus dem franz.? wieder anders: ehrenbezeugung der Sarmaten .. die sich nichts bessers kennen als aus dem schuh einer geliebten und verehrten person ihre gesundheit zu trinken. Göthe 17, 125, das ist wie ich weisz mir kein gröszeres vergnügen und ähnlich. Dazu ankennen (einem etwas ankennen, anmerken Schm. 2, 304. s. auch u. 1), auskennen (s. u. 3 und 10), bekennen (einbekennen), erkennen (aberkennen, anerkennen, wiedererkennen, zuerkennen), miskennen, verkennen, wiederkennen.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 3 (1865), Bd. V (1873), Sp. 532, Z. 9.

kennen, praet.part.

kennen, praet.part.
noscere, cognoscere, dignoscere, agnoscere.
I.
Formen und herkunft.
1)
Es ist unmittelbar von kann novi, novit (s. können) abgezweigt worden, s. darüber 3.
a)
doch ist kennen selbst mhd. wenig gebraucht, ahd. aber fast unbezeugt, denn es ist da nur ar- oder irchennan, inkennan (s. c) und pichennan verzeichnet (Graff 4, 428. 433), vom einfachen chennan blosz einmal eine spur in 'unchennento non agnoscendo' (428). danach scheint kennen von später entstehung, und gleich zuerst vielmehr von kann aus mit den praepos. ar, pi, int gebildet. wirklich sind noch mhd. entschieden herschend erkennen, bekennen, die unser 'kennen' mit vertreten. auch alts. erscheint im Hel. nur antkennian, und kennan erst in den psalmen.
b)
aber mhd. kennen ist nicht so selten als man annimmt und als es nach dem mhd. wb. 1, 807ᵇ scheinen musz, wo es blosz in einer stelle steht aus Konrad von Würzburg, und auch da nur aus Haupts conjectur (s. zu Engelh. 163), des nötigen einfachen auftakts wegen, wie bei Neidhart 23, 25 kande statt des hs. bekande, erkande. aus demselben grunde setzte Lachmann bei dem Veldeker minn. frühl. 58, 18 kenne statt des handschr. bekenne (ebenso Wackernagel), ähnlich bei Walther 124, 13 kande statt hs. bekand, bei Lichtenstein 24, 24 kand statt handschr. bekand. aber wenn die schreiber der hss. bekennen, erkennen selbst da setzten, wo vers und wolklang kennen forderten, so zeigt das am besten wie fremd der zeit dieses war; Wackernagels wb. läszt kennen sogar ganz weg. Aber es ist auch handschr. bezeugt:
si enkande niemen in der Burgonden lant.
Nib. 80, 4 in CD (sinerchande B);
wâ von sol man hine vüre mîn geplätze erkennen?
hie envor dô kande man iʒ wol bî Riuwental.
Neidhart 74, 26,
die Heidelberger hs. hat auch da hie vor bekande, und do erkande (mit verschleifung) wäre zumal nach dem vorausgehenden erkennen recht denkbar, aber die Riedegger hs. (freilich erst um 1300 geschrieben) hat chande.
got weiʒ wol, wâ guot bruoder ist ...
der kennet wol ir aller list.
Reinmar der Fideler MS. 2, 111ᵃ;
er kente eʒ alleʒ sament gar.
heil. Elisabet, Diut. 1, 350. Wackern. leseb. 745, 19 (802, 13);
die kennent valsch bî golde wol.
Konr. v. Haslau 187 (Haupt 8, 555);
bî zuht die edeln man ie kande.
5 (550);
wer kante gotes krefte? ...
niur êwikeit aleine
kant in und sîner kraft volleist.
Frauenlob spr. 231, 1. 4;
sô stênt die biderben dort reht als si niemen kenne.
57, 12;
der spæhe'n spæhen kennet.
344, 1;
sô daʒ man sî niht kenne.
Jeroschin 11307;
bî (neben) der swerze kent man blanc,
bî der küele kent man hitz.
Teichner 49 Kar., anm. 131;
geschriben ist 'niht forhte dir, tohter von Syon u. s. w.' (Joh. 12, 16) dis kanten sîn jüngern nit des êrsten. Mones anz. 4, 487, verstanden, ἔγνωσαν; das er nieman gebe ze kennende ('zu wissen thue') nôtclage wan gotte alleine. Haupt 8, 217 (Albertus magnus); daʒ man dich got kenne alleine (als) einen wâren got. Eckhart 141, 10; daʒ er got enkeine wîs kennen mac. 296, 13; von kennende 504, 36 (von erkennende 491, 8). Im 14. jh. mehren sich überhaupt die belege, und dasz kennen sich da befestigt hatte, zeigen auch die subst. kenne f. pass. K. 653, 13 (dän. kjende kennzeichen, engl. ken gesichtskreis), kenner m. Eckhart 670, die adj. kennelich (s. kenntlich), kennelôs Eckhart 491, 8. 504, 36. nachher setzen denn auch die schreiber kennen statt der compos., s. z. b. die var. Freidank 168, 20. Aber ein urkundlicher beleg für die gute zeit des 13. jh. bleibt noch immer beizubringen. auch das enkande der Nib. könnte nach folg. eine andere auffassung erfordern.
c)
das ahd. inkennan cognoscere im Tatian, d. i. intkennan ('entkennen'), alts. antkennian, ankennian (vgl. ags. oncnâvan), hat sich bis in die mhd. zeit fortgepflanzt, bisher unbeachtet:
ob ir enkennen woltet (waʒ u. s. w.).
Iwein 3172 in A;
vil enchande ir Eneas.
Eneit 100, 37 in M;
dô enchande in Messapus.
187, 29 M;
der engel sprach (zu Abraham, da er den sohn opfern will), nu lâʒ stân,
got inkennit dîne mildicheit.
Wernher vom Niederrhein 10, 29;
dô stôʒent ûf die banier rîch,
daʒ sie dô baʒ inkennent sich.
Dietrich u. s. gesellen 341, 5 (heldenb. 2, 229).
daher noch im 15. jh. enkentenis enigma Dief. 202ᶜ. es ist gebildet wie entfinden (empfinden), ahd. infindan, ags. onfindan.
2)
In den formen des praet. und part. ist schwanken.
a)
neben kannte, gekannt, die heute wieder entschieden die herschaft haben, wie schon mhd. bekande, bekant, ahd. irchanta (-ta unmittelbar an den stamm chan gefügt, daher eben ohne umlaut), galten bis ins 18. jh. auch kennete (kennte) und gekennet (gekennt), wie auch mhd. einzeln unbekennet, unerkennet, bekennet (Parz. 473, 14. 620, 9. 780, 12. Wh. 128, 13. 129, 7. 133, 9. Konnad Alexius 767) und ahd. archennita (im part. aber nur archennit, bechennit): das werden mir zeugen alle meine klostergesellen, die mich gekennet haben. Luther 6, 20ᵇ; und da er in kennet, fiel er auf sein andlitz. 1 kön. 18, 7; kenneten sie in nicht. Hiob 2, 12 (4, 16. 42, 11 kandte, wie Joh. 1, 31. 2, 24 u. ö.); weil sie in so ein lange zeit gekennet hatten. 2 Macc. 6, 21, gewöhnlich in der bibel von 1545 gekand (Jer. 19, 4. apost. 26, 5. 2 Cor. 5, 16), in späteren ausgaben häufiger gekennet; wiewol wir uns nit lang under einander gekennet haben. Alberus;
mich erden hat man nicht vor dieser zeit gekennet,
nun bin ich erdenfrei und werther schatz genennet.
Harsdörfer Nathan u. Jotham Aa 7ᵃ;
ein mann beim trunk wird oft erkent,
den man sonst einen doctor nennt.
Henisch 722, 18;
ich accompagnierte dieser tagen eine heisere Parisienne, die keine note kennete. Mattheson organistenprobe 181; habe ich einen philosophen gekennet, der .. Schuppius 410;
sich hat er nie gekennt und nie begehrt zu kennen.
Haller (1777) 65;
kenten die kämpfer keine künste als die verheerende kunst des krieges. ders. Alfred könig der Angels. 5, gleich darauf kanten 6; die alten kenneten sie. Winkelmann 1, 247;
brüder die sich würgten, und da sie starben, sich kennten.
Klopstock Mess. 2, 663 (1800),
er hat sonst kannte und scheint hier durch kennte die bedeutung 'erkennen' unterscheiden zu wollen. Frisch 1, 509ᶜ 'ich hab gekennet oder gekannt'. das volk sagt meistens noch kennte, gekennt, so in Sachsen, Thüringen, Baiern (kent), der Wetterau, wie mein bekennter; vgl. md. kente schon aus mhd. zeit sp. 532. auch nd. nl. kende, alts. antkenda, altn. kenda, schw. kände.
b)
das part. praet. lautete auch kant, kennet:
wer hat ain rechten frummen kandt.
vil untrew ist im worden kant.
Soltau 2, 59;
im ist vil saurs und biters,
auch unrecht worden kant.
Körner hist. volksl. 127;
wie ich hie ein ehrlichen burger kant habe. Mathesius Sar. 49ᵃ; kan es wol sein, das man in Palestina spieszglas kandt und gebraucht habe. 107ᵃ; ich hab euch bei glauben nicht mehr kennet. Amadis 91;
denn in der kindheit hab ich kant
ein kleins manthier (menschen) Philips Melanth.
froschm. Ff 1ᵃ;
es hat mich kein man kennet,
ich hab mich selber genennet.
Uhlands volksl. 550.
c)
der conj. zu kannte heiszt kennte, es ist aber zu verwundern, dasz man nicht auf kännte gedrungen und es durchgesetzt hat, versucht worden ist es von klugen leuten: lehren sie (die weiber die kinder) dem vatter, den sie sonst nicht kenten (kennen würden), ette rufen. Fischart Garg. 98ᵃ (113 Sch.);
klug, wann die wahrheit sich an sichern zeichen kennte,
wann nicht das vorurtheil die schärfsten augen blendte.
Haller (1777) 76;
ich thu als wenn ich den Jery nicht kennte. Göthe 11, 16; wenn ihr ihn kenntet! 42, 83;
wer sie nicht kennte
die elemente ...
12, 68;
da wär es denn ganz artig, wenn er (Tasso) ...
uns für den schatz erkennte, den er lang
vergebens in der weiten welt gesucht.
9, 107 (Tasso 1, 1),
in der ausg. 1850 (12, 88) erkännte (1836 erkennte);
wer kennte euch nicht, herr, in den drei landen?
Schiller 528ᵃ (Tell 2, 2);
o sähst du ihn und kenntest ihn wie ich.
Zach. Werner M. Luther (1807) 51.
eben so mhd., und früher:
ob wir den nicht rehte erkenten (: elementen).
MS. 1, 134ᵃ;
daʒ deder allaʒ umbe daʒ,
daʒ si irkenden des de baʒ,
daʒ er menscho unde got was.
Haupt 7, 445. 8, 271,
um d. j. 1100 (das. 8, 268. 271 u. ö. im indic. irkanden); wær uns aber rehte und bekenten wir unsern minsten gebresten und sünde, wir vergæʒen u. s. w. Haupt 8, 456 (14. jh.); derkenten sie denne, das man sein nicht durfte (falls sie etwa ...) Freiberger stadtrecht bei Schott samml. 3, 294. Natürlich auch kennete: wird er sich gegen im stellen, als kennet er in nicht. Hiob 8, 18; wenn ir mich kennetet, so kennetet ir auch meinen vater. Joh. 14, 7.
d)
doch auch der conj. hat mhd. gewöhnlich a (s. gramm. 1², 952), wie als conj. sande Neidhart 85, 16, wande Erec 6666; z. b. in der evangelienharmonie vorhin, die irkende hat, steht auch irkandin als conj. Haupt 8, 272, 19 (Müllenhoff u. Scherer denkm. 80. 81);
dô sprach diu küneginne 'marcgrâve Rüedigêr,
wær ieman der bekande diu mînen scharpfen sêr,
der bæte mich niht triuten noch deheinen man'.
Nib. 1173, 2;
erkante sich ein ieglich man,
er lüge den andern selten an.
Freidank 106, 14 (and. hss. erkente);
niht mêr kunst ich wünschen wolt,
wenne ich mich niur selben kant.
Teichner 43 Kar., anm. 101.
auch nhd. noch zuweilen so: wolt got das sis erkanten und bedächten. S. Frank chron. (1536) 1, 253ᵃ; die mich kanten, kehrten mir den rucken, als ob sie mich nicht kanten. Philander (1650) 1, 184.
e)
formell ist noch zu bemerken, dasz kennen im praet. zuweilen mit können verwechselt ward (s. dort), und dasz wie künden für künnen, können, auch kenden für kennen erscheint, z. b. in einem voc. ex quo 'cio (scio) kenden' Dief. 122ᶜ.
3)
Was nun aber die noch wichtigere geschichte und herkunft der bedeutung betrifft, so ist da ein umstand vor allem scharf ins auge zu fassen: kennen ist zu können, deutlicher erkante irchanta zu kan chan der form nach das causativum; da nun chan heiszt ich weisz, müszte irchennan heiszen 'wissen machen', und so ist es denn auch von haus aus.
a)
gothisch kann ist ich weisz, kenne, dazu kannjan zu wissen thun, bekannt machen, verkünden, γνωρίζειν, und núr so; ebenso kräftiger uskannjan, das dem ahd. irchennan äuszerlich entspricht. und so nicht nur goth., auch ags. cennan, gecennan heiszt nur kund thun, bekennen u. ä. (Grein 1, 156), ferner altn. kenna kund thun, offenbaren, auch lehren (kennari lehrer, kennimađr priester, 'lehrmann'), ebenso altschwed. känna lehren (auch lernen), altdän. kännä, jetzt vergessen. auch altengl. kenne lehren (s. z. b. Pf. Germ. 8, 117 unten) und noch heute northumbrisch ken Halliwell 491ᵃ. Diese bedeutung nun, die noch dazu in der sache allein begründet erscheint, kann nicht blosz in den andern germ. sprachen, sie musz auch bei uns die ursprüngliche gewesen sein; und sie war es auch, die spuren sind noch da im ahd. und mhd., mnd.
b)
ahd. gibt einmal Kero recitare mit erchennan, lat. deinde lectio una apostoli memoriter recitanda, deutsch wort für wort: danan lectzâ einiu des potin kihuctlîcho ze erchennenne (Graff 4, 429, der nichts darüber sagt), also hersagen, aufsagen; vom gr. ἀναγιγνώσκειν vorlesen, goth. anakunnan hat Kero gewiss nichts gewuszt. ähnlich got irchennan, confiteri, 'bekennen' Diemer ged. 118, 16, Müllenhoff denkm. 102 5, 6, eig. gottes namen aussprechen, ihn anrufen.
c)
im mhd. wb. ist ein erkennen 'bekannt machen' verzeichnet:
durch tôrheit ich der werlte erkenne einen man ...
des andern tôrheit ich iu rehte nenne.
Reinmar der Fideler MS. 2, 110ᵇ,
also erkennen gleich nennen, doch stärker: kund thun, 'bekannt machen', ganz wie goth., altn.; auch die stellen für erkennen und bekennen als 'zuerkennen' daselbst gehören als beweisend hierher, es ist eig. doch eröffnen, den spruch vorsagen. dafür noch folg., die sache verdient weiteres scharfes aufachten:
in manigem rîche erkennet
hât sie (die grafen von H.) ir wirdiger prîs.
Joh. von Würzburg bei Haupt 1, 221, bekannt, berühmt gemacht;
daʒ er (gott) in hæte genant (zum pabste),
selbe erwelt und erkant (erklärt).
Hartman Greg. 3326;
dô hieʒ der künic künden den jägern wol geborn,
daʒ er enbîʒen wolde: dô wart lûte ein horn
zeiner stunt geblâsen, dâ mite (in) wart bekant
daʒ man den fürsten edele dâ zen herbergen vant.
Nib. 886,
eröffnet, bekannt gemacht, bekennen gleich dem künden vorher;
Gayol de gaf al zohant
dem, de im zo hôte was bekant,
ên vorspan unde ein vingerlîn.
Berthold Crane 114,
der ihm als hüter genannt, eröffnet worden war;
vor der drîer henden
vil manich sôchte dâ den sant (im kampfe),
des wart in werdicheit bekant.
256, zugestanden (vgl. sp. 543);
manich furste ûʒ sîme lande,
dem men dâr prîs bekande.
630.
d)
ja noch bis heute in anerkennen, aberkennen, zuerkennen, die ganz unverdunkelt ein förmliches, gewichtiges aussagen bezeichnen, nur dasz wir durch das herschende 'erkennen' gewöhnt sind, dabei doch mehr eine vorausgehende erkenntnis, einsicht, überzeugung als den kern des begriffs zu fühlen, wie er diesz bei lat. agnoscere erkennen und anerkennen wirklich ist; ebenso beim erkennen des richters, lat. cognoscere, und die lat. wörter mögen auf die entwickelung der deutschen im munde studierter leute wirklich einen tiefen einflusz gehabt haben. aber erzeugt haben sie das kennen darin als aussagen nicht, und das heutige bekennen gibt auch nicht den kleinsten anhalt zu einem solchen lat. einflusz, es genügt allein, die fragliche bedeutung noch aus der rede des 19. jh. in voller frische zu beweisen, wie nl. bekennen gestehen, toekennen zuerkennen, auch ontkennen abläugnen; mnl. kennen, kinnen zugestehen. s. auch II, 1, e das nhd. mnd. kennen gleich aussagen, und sich erkennen Scherz 343 in gleicher bedeutung.
e)
aber wie ist dieser umschwung des gebrauchs geschehen? er ist schon ahd. vollzogen, wie in alts. antkennian, altfries. kenna (kanna); auch altn. kenna ist neben docere, monstrare schon cognoscere, nosse, und schwed. känna, dän. kjende, nnl. kennen stehen jetzt unserm kennen gleich; auch altengl. kenne, noch jetzt dial., schott. ken, sodasz sich die merkwürdige entwickelung bei allen germ. stämmen gleichmäszig vollzogen hat. sie wird auch gleichen grund haben. Ich wüszte zur lösung des rätsels nichts als einen wink, den der gebrauch des part. praet. im mhd. gibt. man sagte da häufig mir ist erkant, bekant oder unerkant, unbekant, und wir fassen es auf als 'bewuszt'; es kann aber oft eben so gut heiszen 'kund gethan' (s. z. b. die stelle aus den Nib. vorhin), d. h. das part. passt zu beiden bedeutungen; wäre nun dieser gebrauch verbreitet und alt genug, so liesze sich denken, wie in dem part. jener umsprung der bed. sich vollzog und die neue bed. sich daraus entspann; vgl. auch sp. 543. mit altn. kendr ist es derselbe fall. vgl. übrigens goth. kunnan wissen mit atkunnan zugestehen, gewähren, ahd. inchunnan anklagen (ags. oncunnan, altn. kunna), wo der umgekehrte gang der entwickelung vorliegen könnte; auch gr. γνωρίζω zeigt beide bed., bekannt machen und kennen, kennen lernen.
4)
von der urverwandtschaft und der bed. zeugen (s. 3, 866) unter können. vgl. sp. 541 und kenner erzeuger (mhd.).
II.
Gebrauch und bedeutung des nhd. kennen.
1)
Es trägt die spuren seines ausgangs vom mhd. erkennen, bekennen noch in sich, alle drei sind vielmehr anfangs noch durchaus nicht so geschieden und unterschieden, wie wirs jetzt fühlen.
a)
bekennen heiszt da noch erkennen und kennen (s. 1, 1417) und das ist in bekannt sogar bis heute erhalten: ich kenn dein nit, wann (denn) du hast mein nit bekannt, dieweil du lebest. heiligenleben 1472 127ᵃ. der vocab. opt. Lpz. 1501 z. b. erklärt noscere, agnoscere und cognoscere, alle drei nur mit 'bekennen'. gleich kennen oft bei Keisersberg, s. Scherz 114: gott, der da weiszt und bekent unser aller .. neigung zuͦ dem bösen. dreieck. sp. Dd 2ᵇ. auch nd. bekennen gleich 'kennen' und 'erkennen' Rein. vos 4965. 3914, aber auch kennen 451. 4928 u. ö. ebenso steht erkennen noch oft, wo wir kennen erwarten, vgl. Luther 2, 129ᵃ unter 2, b und erkenntnis gleich kenntnis. Das gehört zu den dingen, die uns beim lesen des alten deutsch, auch wo wir den sinn der worte genau erfaszt haben (was doch bei unserm raschen, tonlosen und stillen lesen sehr leicht misglückt), doch noch einen rest von unbehaglichkeit übrig lassen und ein gefühl von ungeschick: kleine gleichgültige unterschiede, die geschichtlich ihren guten grund haben, und doch unser urtheil über die geistige reife und klarheit der alten leute schief machen helfen, wie es das zur zeit noch vielfach ist; gerade hier würde das gefühl jener unserm stil gegenüber dasselbe sein.
b)
für bekannt, erkannt anderseits hiesz es auch kant:
er (der sänger) hat durchfaren weite land,
vil untrew ist im worden kant.
Soltau 2, 59;
im ist vil saurs und biters,
auch unrecht worden kant.
Körner hist. volksl. 127,
beide male in dem sinne 'hat er persönlich an sich erfahren', s. darüber 7, a. heute ist eigner weise gekannt als passivisch unungeläufig und selten (denn bekannt hat noch seine stelle inne, s. a), auszer wo das partic. als solches gefühlt werden soll:
die unbekannte wählen wäre frevel.
'dem ersten blick ist sie gekannt und werth'.
Göthe 9, 332 (nat. tochter 4, 1),
also gleich nach unbekannt und in antwort darauf; noch ein paar stellen des reinen part. bei Göthe s. u. 5, b. so ungekannt:
göttinnen, ungekannt
euch sterblichen.
41, 73 (2. th. des Faust).
c)
kennen für erkennen, anerkennen (mhd. bekennen): her Eberhart liesz sich auf ein zeit .. hören, das er (der hauptmann) nichts .. mit im zu schaffen .. hab, denn er in nit darfür kennet, das er ime undertanig sein wolt. Wilwolt v. Schaumburg 108;
den will ich für kein junger kennen.
Schmelzl aussendung f 7ᵇ.
noch Schiller braucht so ankennen:
reich an besitzthum wohnt der vater mir daheim ...
und funfzig dörfer kennen seine herrschaft an.
464ᵃ (jungfr. v. Orl. 2, 6).
so nl. kennen, z. b. iemand voor zijn kind niet willen kennen.
d)
kennen für erkennen, im rechten erklären:
dar über (darauf hin) mag man wol kennen recht.
fastn. sp. 997, 25;
des ist die kaiserliche acht
auf dich mit allem rechten kennt.
Soltau 1, 203.
so abkennen für aberkennen, absprechen, schweiz. noch heute, s. Tobler 8ᵃ: ich fürchte dasz die männer uns bald auch das denken abkennen werden. discurse der mahler 4, 13. ebenso schwed. känna, dän. kjende for ret, für recht erkennen.
e)
kennen für bekennen, gestehen: kennete mich wol schuldig. Luther br. 3, 383. mnd.: alse Herman Sparben antwordet uppe Hanses Oselers schulde (beschuldigung) unde kennet, dat he den orfeides brêf in der hant hedde. P. Wigand beitr. 223, 15. jh., noch ganz in der ältesten bed. ebenso schwed. känna.
2)
Besonders kennen für erkennen cognoscere.
a)
so ganz gewöhnlich im 16. 17. jh.:
das er nicht sach noch höret (vor erschöpfung)
und niemand kennen kunt.
hürn. Seifrid str. 149;
durch alle dise stuck .. von den siben todsünden mag der mönsch kennen, wie er .. gesündet hat (kann er im einzelnen falle seine sünde erkennen). Keisersb. dreieck. spiegel Ff 2ᵇ;
den narrenspiegel ich disz nenn,
in dem ein jeder narr sich kenn.
Brant narr. vorr. 32;
niemans war der in (Odysseus) kennen kund
im ganzen hof, allein die hund.
108, 98;
natürliche vernunft kennet (blosz) das die gottheit etwas groszes sei für allen andern dingen. Luther 3, 204ᵃ; 'diesen haben wir funden, sihe obs deines sons rock sei oder nicht?' er kennet (kennete) in aber und sprach, es ist meines sons rock. 1 Mos. 37, 33, von Josephs rock, in blut getaucht; da begegenet im Elia, und da er in kennet, fiel er auf sein andlitz und sprach 'bistu nicht mein herr Elia?' 1 kön. 18, 7; wir wöllen in zum schendlichen tod verdammen, da wird man in kennen an seinen worten. weish. Sal. 2, 20, vorher in gleichem sinn das wir erkennen wie gedültig er sei; (menschen) so von gott nichts wissen und an den sichtbarlichen gütern den, der es ist, nicht kennen, und sehen an den werken nicht, wer der meister ist. 13, 1; und da sie aus dem schiff traten, als bald kandten sie in. Marc. 6, 54 (im 14. jh. zuhant irkanten si in Haupt 9, 292, bei van Esz erkannte man);
die pfeife henget man auch darbei (am galgen),
darbei man kennt dasz(s) ein schäfer sei.
Uhlands volksl. 702;
wol in dem selbigen wirteshaus
da war ein junger knab,
der kant den landgrafen aus Hessen
an seinen braun euglein klar.
549;
rath, soll das ewangelisch sein?
kan ich bei mir nit kennen.
Soltau 2, 210;
den baum kennet man bei den früchten. Agricola spr. 19ᵃ (an iren früchten solt ir sie erkennen Matth. 7, 16); jetzo muszt er das bettelbrot fressen, durft sich nit kennen lassen. Aventin chron. 101ᵇ;
dann darausz, sagt er, kenn er frei,
das er ain mensch wie andre sei.
Fischart flöhhatz 851;
er (gott) lass euch recht die liebe Christi kennen,
wiewol ihr masz kein mund gar nicht kan nennen.
Opitz 3, 140;
alsdann kan erst der mensch sich einen menschen nennen,
wann seine lust ihn trägt, was über uns zu kennen.
1, 26;
ein glock am klang,
ein vogel am gsang,
ein mann am gang,
ein thoren an den worten
kennt man an allen orten.
Philander (1650) 2, 889;
ein tapfrer heldenmut ist besser nicht zu kennen,
als wann er sich nicht scheut schwarz schwarz, weisz weisz zu nennen.
Logau 2, 7, 50;
ohne Christo wird nicht einer recht, was gott sei, künnen kennen.
3, 3, 21, überschr. 'erkäntnüss';
wer mich tadelt, gibt zu kennen dasz was gutes an mir sei.
3, 9, 66, auch 1, 8, 99,
wie nl. noch te kennen geven gleich zu erkennen geben, bekannt machen, kund thun. auch für sich zu erkennen geben hiesz es früher sich zu kennen geben:
nach dem er sich (Odysseus) schmucket und zirt
als ein fürst, gab sich erst zu kennen
seiner Penelope.
H. Sachs 3 (1588), 2, 69ᵇ;
denn wil ich mich eben
Penelope zu kennen geben.
76ᵈ.
b)
oft genug aber auch noch in dem gewöhnlichen kreis unsrer lectüre, in unkenntlich, kenntlich ('erkennbar') sogar allein gültig bis heute:
des himmels gunst, die seltnen seelen
freigebig setzet ihren preis (wert),
liesz auch an dir kein zeichen fehlen
woran man sie zu kennen weisz.
Haller (1777) 202;
klug, wann die wahrheit sich an sichern zeichen kennte.
das. 76, zu erkennen wäre;
der echten freude werth zu kennen
ist gleichfalls unsers daseins pflicht.
Leosthenes fand ihn
durchbohrt und hingestreckt, und kannt ihn an
der rüstung.
Kleist Cissides u. Paches 3;
nun wol! damit du lernst, woran mans kennen kann,
so höre mich nur an.
Götz 3, 40;
des menschen wahre
vortheile, die das volk nicht kennt, kennst du.
hast du zu kennen wenigstens gesucht.
Lessing 2, 272;
kenne in mir deinen meister. Klinger 1, 182;
wie? du weinest, mein sohn? versetzte die mutter betroffen:
daran kenn ich dich nicht! ich habe das niemals erfahren!
Göthe 40, 267;
wir folgen einem pfade durchs gebüsch,
und auf der wiese kennen wir gar leicht
den fuszsteig linker hand, und dieser führt u. s. w.
10, 302;
mit soldaten hab ich lieber zu thun als mit andern, sie verstellen sich wenigstens nicht, dasz man die guten und bösen gleich das erstemal kennt. 10, 140, vgl. dazu 4;
'woran erkenn ich den besten staat?' woran du die beste
frau kennst: daran, mein freund, dasz man von beiden nicht spricht.
Schiller 91ᵇ;
an dreien goldnen lilien ists zu kennen,
die auf der klinge eingeschlagen sind.
459ᵇ;
am reinen glanz will ich die perle kennen.
502ᵃ.
3)
Überhaupt umfaszte kennen (erkennen, bekennen) einstens einen weit gröszern begriffskreis als heute; der heutige erscheint nur wie ein gebliebenes bruchstück davon.
a)
es galt für kennen lernen, was sachlich ja mit 'erkennen' sich ganz nahe berührt und mhd. auch so hiesz, z. b. bei Walther:
von der Elbe unz an den Rîn
und her wider unz an Ungerlant
mugen wol die besten sîn,
die ich in der werlte hân erkant.
57, 2.
und noch im 16. jh.: und ist wol war, das ich bei dr. P. Moss- hawer euch erkennet habe, nicht in ewrem haus, sondern da er official war und ir etlich mal sein gast waret. Luther 2, 141ᵇ (1555 129ᵃ). ebenso denn kennen:
'ein so gescheidter kopf (wie sie) wird immer wol empfangen.
und sollt er (Brockes) anfangs auch nicht mehr als höflich sein,
so räumen sie ihm zeit, sie gnug zu kennen, ein'.
Hagedorn 1, 65;
wer aber kennt die schönen alter zeit?
o wüszten wir nur unsre gnug zu kennen!
2, 160;
kennt, brüder, eure macht, sie liegt in eurer treu.
Haller (1777) 290;
das parterr ward begierig den mann von angesicht zu kennen, den es so sehr bewundert hatte. Lessing 7, 163;
wie wird sich meine Recha freuen!
und ach! welch eine heitre ferne schlieszt
sich meinen blicken auf! kennt sie nur erst!
2, 250. 265;
ich habe
ihn nicht vermieden, nicht gesucht zu kennen.
2, 251;
könig. bin ich der erste,
der euch (Posa) von dieser seite kennt?
Schiller 278ᵃ;
nicht kenn ich sie und will sie nimmer kennen,
die sich die stifter meiner tage nennen.
498ᵇ;
menschen lernten wir kennen und nationen: so laszt uns
unser eigenes herz (in Hermann und Dorothea) kennend uns dessen erfreun.
Göthe 1, 332;
wer kennt sie und ist nicht gleich lebhaft für sie hingerissen? 14, 126;
ich bin allhier erst kurze zeit,
und komme voll ergebenheit,
einen mann zu sprechen und zu kennen,
den alle mir mit ehrfurcht nennen.
12, 93;
ich habe längst gewünscht den mann zu kennen,
den es (das volk) den weisen nennt.
Lessing 2, 272.
das sind nur nachklingende reste eines frühern gebrauchs, für den es an ältern beispielen fehlt, wie für die folg.
b)
ähnlich ist folg., wo wir jetzt erfahren sagen würden:
itzt wag ichs zu gestehn, itzt kenne meine triebe!
Cronegk bei Lessing 7, 22;
hier wollen wir seine verdienste um die deutschen schönen wissenschaften kennen. Lessing 8, 205. ähnlich ist unser wissen gleich erfahren.
c)
verstehn würden wir in folg. brauchen; ein bücherwurm sagt in einem rätsel Harsdörfers:
der buchstab speiset mich, den ich doch nicht kan kennen.
Nathan und Jotham 1, Aa 5ᵇ;
ich kann das feur nicht kennen,
welchs mir mein herz thut brennen.
Harnisch teutsche lieder (Helmst. 1588) nr. 16, Hoffmann gesellschaftslider s. 47.
d)
wissen wäre für folg. das heutige wort (s. dazu 6):
ich sprach 'junkfraw, ja sült (solltet) ir kennen,
wie sich mein herz nach euch dut sennen,
sülch (höhnende) red lieszt ir beleiben ganz.
H. Folz bei Haupt 8, 511
o jahre, jahre (der ewigkeit) nicht zu nennen!
o anzahl die kein mensch kan kennen!
Opitz 3, 184;
denn der teufel treibt sein werk mit ihm und das kennet der arme mensch nicht. J. Böhme von sechs puncten (1682) 68. ebenso nd. bekennen Rein. vos 4332. Daher auch das object in form eines satzes, wie heute nur bei wissen; kennestu auch, wes dieser ring .. ist? Juda erkants u. s. w. 1 Mos. 38, 25; er (gott) kennet, was für ein gemecht wir sind. ps. 103, 14;
(der landmann) kennt nicht was austern sein, weisz gar nichts von lampreten,
die erst der weise koch in malvasier musz tödten.
Opitz 1, 157;
man kennt nicht mehr, was diesz und das gewesen sei.
1, 247.
e)
selbst gleich sehen, erblicken findet es sich:
die lefz' ist kaum zu kennen
für schaum.
hör ich (Mars) das kreischen der scheumenden rosse,
kenn ich die spitzen vom feindlichen schlosse ...
so wil disz herze für künheit zuspringen.
ders. (1663) s. 468 (Majuma 2, 106).
noch jetzt so erkennen, was in des Gryphius stellen jetzt brauchbar wäre, nur dasz wir so zu sagen blosz das verstehende sehen so nennen, nicht das leibliche. so schon ahd. archanta 'hausit oculis', muoʒin irchennen 'videant' Graff 4, 428. 431, und mhd.:
jâ truogen si die ünde (wellen) ... daʒ si die Hilden burc wol erkanden.
Gudrun 749, 4,
sie kamen so nahe, dasz sie die burg 'sehen konnten' (das 'können' ist in dem wol enthalten, vgl. das gloss. zu meinem Ssp.);
man sach ze Bechelâren îlen einen degen.
selbe erkand in Rüedigêr u. s. w.
Nib. 1582, 2, 'erblickte', nicht blosz 'erkannte';
dar zuo wart mir von Engellant
derselben zît nie bote erkant.
guter Gerh. 2976,
ich habe keinen boten 'zu sehen bekommen', wie 2995 sehen steht; die gleiche wendung mit bekant Gudrun 1091, 2. Parz. 597, 3;
recht als dem blinden im beschicht,
der daʒ liecht treit in der hant,
und eʒ im doch nicht ist erkant.
Boner 85, 66,
d. i. sichtbar, wie mhd. erkant auch kennbar, erkennbar war, z. b. Iwein 7950, Wolfd. 1041, 3. Das wort war also ausgedehnt auf alles erfassen wie es scheint, inneres und äuszeres, und gleicht darin dem alten vernemen percipere, das nicht blosz hören bezeichnete wie jetzt, sondern auch verstehen, erkennen, bemerken, sehen (Lohengr. 5443. Athis C*, 78, vgl. Soltau 2, 35), riechen, schmecken, empfinden, fühlen (Neidh. xxxv, 18). auch das nordische 'kennen' bedeutet gewahren, empfinden, fühlen (selbst fühlend tasten), schwed. känna, altn. kenna, schwed. känsla f. das gefühl; altn. kenna auch vom geschmack, geruch (Egilsson 459ᵃ). im engl. aber ist die bed. sehen scharf entwickelt, to ken um sich blicken, spähen, ken sehweite.
4)
Noch jetzt gilt, obwol selten, kennen für unterscheiden, vgl. lat. dignoscere, gr. διαγιγνώσκειν, ags. tôcnâvan (gleichsam 'zerkennen') in gleicher bed.: ich bin heute achzig jar alt, wie solt ich kennen was gut oder böse ist, oder schmecken was ich esse oder trinke u. s. w. 2 Sam. 19, 35;
bös und gutes kan er kennen.
Logau 1, 3, 32.
deutlicher ist es mit praepositionen, wie mhd. bekennen mit von (Wackern. wb.): seinen bruͦder, der im also gleich was, das man einen vor dem andren nit kennen kund. Keisersberg trostsp. DD 3ᵃ (4°); eins vor dem anderen kennen, discernere, einen narren vor einem weisen kennen, discernere stultum a sapiente, eins angesicht für ander (pl., vor anderen) ausz kennen und underscheiden. Maaler 242ᶜ. auch mit von, das besser scheint: von einanderen kennen, dignoscere. das.; dasz man den maderatzen und den strohsack gar schwerlich von einander kennen kondte. Lazarillo de Tormes (1624) 75. mit unter: eim jeden ein sondern helm aufgesetzt, so kent man die nummer undereinander. Fischart Garg. 110ᵃ (196).
aber sag, wo sind die rechten,
und wie kennt man sie von schlechten,
sieht mans en an den augen an?
Göthe 57, 160;
du kennst im zarten keim das unkraut nicht vom kraut.
Rückert weish. d. brahm. 9, 86,
wie es scheint in erinnerung der volkssprache; denn im volke spricht man mehrfach so, z. b. östr. von anaͦnda kenna, unterscheiden. Tschischka östr. volksl. 280; auch thüringisch und wol weiter verbreitet. Ebenso erkennen: (den scheffen soll zu trinken gegeben werden), bisz sie ein tauf (taube) vor einer krain (krähe) auf einem leidaich nicht erkennen kunten. weisth. 4, 770;
darumb ists angefangen,
darmit man wölf und schaf
soll auseinander erkennen.
Weller lieder des 30 jähr. kr. 177 (1625).
so noch Schiller 843ᵇ (oben 3, 867); vgl.auszkennen bei Maaler vorhin und Herder unter kennbar. Ebenso dän. kjende det ene fra det andet, engl. to know asunder, auch mit from Shaksp. Coriol. 1, 6; it. z. b. io conosco i tordi (drosseln) da gli stornelli (staaren), bin nicht so dumm als du denkst, wie in den weisth. vorhin und Hamlets I know a hawk from a handsaw 2, 2, to know turtles from jays (elstern) merry wives of W. 3, 3.
5)
Unser jetziges gewöhnliches kennen, um endlich zu dem zu kommen, ist die folge des erkennens, wie der sprachgebrauch die beiden wörter auseinandergesetzt hat (die urspr. bedeutung von erkennen kann keineswegs die heutige sein, sondern nur 'gründlich, völlig kennen'); was wir erkannt haben oder kennen gelernt, das kennen wir dann, und zwar setzt der genaue gebrauch eigne erfahrung voraus (s. 7). bezogen wird es ohne unterschied auf sinnliche wie unsinnliche dinge aller art, sodasz es im letztern falle sich mit wissen und können nahe berührt (s. 6): ich kenne den mann seit jahren und kenne ihn genau, denn ich bin mit ihm in einer aufgeregten zeit bekannt geworden, wo man die leute am besten kennen lernt; ich kenne diese wahrheit sehr gut, hab ich sie doch durch eigne erfahrung früh erkannt. übrigens ist auch erkennen in anderm sinne (wiederkennen) die folge des kennens: ich kenne seine gestalt und person so genau, dasz ich ihn in jeder vermummung erkennen will; dabei tritt aber ganz leicht wieder kennen ein, als ob das einmalige er- noch fortwirkte (s. z. b. Schiller 91ᵇ sp. 537): 'und kenn ich ihn an nichts anderem, so kenn ich ihn an einer gewissen armbewegung die er nicht verstellen kann'.
a)
mit gen.: warlich ich sage euch, ich kenne ewer nicht (οὐκ οἶδα ὑμᾶς). Luc. 13, 25. 27, der gen. ist aber abhängig in alter weise von nicht, hat mit kennen nichts zu thun, hat jedoch gerade in dieser wendung sich am längsten gehalten; und er leugnet abermal und schwur da zu 'ich kenne des menschen nicht'. Matth. 26, 72. Marc. 14, 71;
sie sprach 'nu chenn ich doch nit dein'.
Hätzl. 279ᵇ;
herr, ir solt mir nicht für übel han,
das ich ewren rechten titel nicht geben kan,
denn für war, herr, ich ken ewer nicht.
ein lustig gesprech der teufel 1542 b 1ᵇ;
gott wird zu ihnen sagen 'weg von mir, ihr übeltähter, ich kenne euer nicht'. Butschky Patmos 192.
b)
mit acc.: der herr kennet die seinen. 2 Timoth. 2, 19; dar gehet ja einer spatzieren, wer mag das sein? mich deucht ich sol (musz) ihnen kennen. Heinr. Jul. v. Braunschw. 352;
die stadt, wo aber Ibrahim der lecker
die gassen besser kennt.
Lessing 2, 331;
verstelle dich nur nicht, die sprache kenn ich schon.
Gellert (1784) 3, 356;
die sprache kenn ich — doch, madame,
zum zweiten male soll sie mich nicht täuschen.
Schiller 286ᵇ;
schlaf bringt auf bessere gedanken, wenn sie wieder aufwacht, wird alles vorbei sein. ich kenne das! Lessing 2, 560; ich kenne das — fort! Schiller 149ᵇ, man beruft sich damit auf seine erfahrung und weltkenntnis;
ja, wer eure verehrung nicht kennte,
euch, nicht ihm baut ihr monumente.
Göthe 2, 243;
so gehe nur hin! ich kenne den trotzkopf!
40, 256;
die redlichkeit die kennt man schon,
sie heiszet contribution.
41, 286.
ich kenne dich, Spiegelberg (drohend, überraschend, 'ich durchschaue dich'). Schiller 121ᵃ;
widerrufen kann
der könig nie. wir kennen ja den könig (in diesem punkte).
282ᵇ;
ihr kennt
den menschen, marquis. solch ein mann hat mir
schon längst gemangelt, ihr seid gut und fröhlich
und kennet doch den menschen auch.
280ᵇ;
kennst du mich so gut?
ich wüszte nicht dasz ich mein innerstes
dir aufgethan.
340ᵃ;
kennen
sie schwärmersinn und neuerung so wenig?
307ᵇ,
dasz sie sie nicht am marquis Posa wiedererkannten;
es macht mir freude, meine macht zu kennen (ihren umfang, ihre grösze).
340ᵃ;
ich kenne dich wol (von person). du bist aus Brügg in Flandern,
dein nam' ist Mercy.
381ᵃ;
ich kenne dich nicht mehr — ist dies don Manuel,
mein gatte, mein geliebter?
505ᵇ;
so ernst, mein freund? ich kenne dich nicht mehr.
519ᵃ,
wo man sich auch erkennen denken könnte, es ist aber so der herschende ausdruck, oder wieder kennen;
ich kenne alle kräuter, alle wurzeln.
481ᵃ;
die schliche kenn ich und die felsensteige.
524ᵃ;
Lottchen, wer kennt unsre sinnen?
Lottchen, wer kennt unser herz?
ach es möchte gern gekannt sein ...
Göthe 1, 85;
'kennst du mich, guter, nicht mehr? und käme diese gestalt dir,
die du doch sonst geliebt, schon als ein fremdes gebild? ...
ja, schon sagt mir gerührt dein blick, mir sagt es die thräne:
Euphrosyne sie ist noch von dem freunde gekannt'.
1, 315;
ach, der mich liebt und kennt,
ist in der weite.
2, 118. 19, 67;
kennst du das land, wo die citronen blühn?
1, 177;
du kennest lang die pflichten deines (fürsten) standes.
2, 152;
ich fühl, ich kenne dich, natur,
und so musz ich dich fassen.
2, 191;
(es klopft) o tod! ich kenns, das ist mein famulus ...
es wird mein schönstes glück zu nichte.
12, 35;
verzeih dem trüben blick des sterblichen,
wenn er auf augenblicke dich verkannt,
er kennt dich wieder.
9, 237;
und es sagte darauf der edle verständige pfarrherr ...
dieser kannte das leben und kannte der hörer bedürfniss.
40, 237;
man würde einander besser kennen, wenn sich nicht immer einer dem andern gleichstellen wollte. 49, 43; heute früh war ich im arsenal, mir immer interessant genug, da ich noch kein seewesen kenne. 27, 122; er kennt das geschäft gründlich.
c)
das kennzeichen wird mit an, früher auch mit bei angegeben (s. die beispiele unter 2 sp. 536. 537):
ihr sucht die menschen zu benennen,
und glaubt am namen sie zu kennen ...
Göthe 2, 262;
die pfeife henget man auch darbei,
darbei man kennt dasz(s) ein schäfer sei.
Uhland volksl. 702.
d)
der grad der kenntnis wird verschiedentlich angegeben: ich kenne ihn (das) wol, gut, genau, gründlich, aus dem grunde, aus dem fundamente, noch kräftiger durch und durch, 'innen und auszen, intus et in cute' (Frisch), inwendig und auswendig (Göthe 8, 228). sonst einen von einer seite kennen, von dieser seite hatte ich dich noch nicht gekannt; auf diesen punkt oder darauf kenne ich ihn, weisz was er in diesem falle denkt, was er da thun wird; ich kenne ihn nur von gesicht, nur dem namen nach, nicht näher, nur vom weiten u. a.
e)
das kennen ist nämlich ein den verhältnissen nach sehr verschiedenes. 'ich kenne das buch' z. b. sagt sowol wer es studiert hat, als wer nur den titel weisz. 'du kennst ihn nicht' besagt sowol: du weiszt nichts von ihm (meinst einen andern als von dem wir reden), als auch: du weiszt nicht was er vermag, oder was seine art ist; jenes geht auf das blosze dasein, dieses auf das wesen des genannten mannes. Die glückliche mitte zwischen beiden hält gewöhnlich ein kennen als kunstausdruck des gesellschaftlichen lebens (ebenso lat. novisse): ich kenne ihn, 'es ist mein bekannter' (notus meus); ich kannte wenig leute in der stadt, hatte wenig bekanntschaft, wenig umgang; wir kennen uns ja schon lange, wie kannst du mir das übel nehmen? schon im 16. jh.: und es kamen zu im (Hiob) alle seine brüder und alle seine schwester und alle die in vorhin kandten, und aszen mit im in seinem hause und trösteten in über allem (vergangenem) übel. Hiob 42, 11;
Gertrud. hast du in Uri keinen gastfreund, sprich ...
Stauffacher. der wackern männer kenn ich viele dort ...
Schiller 519ᵇ;
was man nicht alles für leute kennt!
321ᵇ (Wall. lager 5. auftr.).
Wiederum wird diesz kennen volksmäszig in sehr starkem sinne gebraucht als andeutender ausdruck für fleischlichen 'umgang', z. b. sächs. die kennen sich schon lange; holsteinisch: de beiden kennt sik. Schütze 2, 247. das ist wie lat. feminae notitiam habere (Caes. b. g. 6, 21), wie cognoscere, erkennen als fleischliches 'kennen lernen', ahd. 'eines weibes wîs werdan' (s. 3, 866), und scheint mir ebenso einfach entsprungen wie das volksmäszige bekanntschaft für liebschaft; das rätselhafte archennan erzeugen erhält dadurch freilich kein licht und ist wol davon zu trennen.
f)
auch sonst gewinnt es durch die umstände eine besondere bedeutung. 'er kennt das alterthum' kann genügen, um zu sagen 'er ist ein kenner des alterthums', vermöge der wissenschaft wie heimisch daselbst. er kennt seine pflicht heiszt gewöhnlich, er ist sich wol bewuszt, was sie ihm vorschreibt; unter umständen kann man aber mehr damit sagen: er lebt ihr treulich nach; der fall ist denen unter 7, c entsprechend. er kennt sich selbst nicht sagt man von dem, der sein eignes wesen nicht kennt, aber auch von dem, der augenblicklich ohne besonnenheit ist, s. 10, a. Auch für 'nicht kennen wollen' genügt nicht kennen (vgl. 7, c): niemants kennt mich, es achtet mein niemand, ignorant me omnes. Maaler 242ᶜ; arme freunde kennt man nicht. Stieler 950;
von heut an thut
mir den gefallen wenigstens und kennt
mich weiter nicht.
Lessing 2, 225;
meine Minna geht vorüber,
meine Minna kennt mich nicht?
Schiller 9ᵇ.
mit wollen: wenn mein geist in engsten ist .. sihe da wil mich niemand kennen. ps. 142, 5, urspr. aber war übersetzt da kennet mich keiner, so ist in der bibel oft von denen die rede, die den herrn nicht kennen;
kommt mit mir, meine tochter! wenn der könig
dich (als tochter) nicht mehr kennen will ...
Schiller 287ᵇ (Carlos 4, 9).
6)
Es berührt sich mit wissen und können (verstehn).
a)
wissen könnte z. b. ebenso gut in folgenden fällen stehn: sihe, ich kenne ewer gedanken wol und ewer frevel furnemen wider mich. Hiob 21, 27. Hesek. 11, 5;
was bringt dich so in aufruhr? kennst du mehr
als nur den namen blosz von meinem hause?
Schiller 506ᵃ.
dagegen wäre kennen hier gewöhnlicher:
er weisz die kunst zu schweigen.
Hagedorn 1, 54.
Daher beides zusammen: wer sich rhümen wil, der rhüme sich des, das er mich wisse und kenne das ich der herr bin. Jer. 9, 24. unsere gewöhnung verlangte da umgekehrt: dasz er mich kenne und wisse dasz ich der herr bin; aber früher ward eben auch kennen so mit einem satze verbunden (s. 3, d). ebenso deshalb mit satz und acc. zugleich: wer sie sehen wird, sol sie kennen, das sie ein samen sind gesegnet vom herrn. Jes. 61, 9; ich kenne euch, das ir nicht gottes liebe in euch habt. Joh. 5, 42; ich kenne ewer nicht, wo ir her seid. Luc. 13, 25. wir haben da überall das gefühl, als wären kennen und wissen vermengt; aber kennen vertrat früher unser wissen mit (sp. 538). Die heutige unterscheidung zeigen folgende stellen:
das mädchen kannte unsers lagers blösze,
sie wuszte wo die furcht zu finden war.
Schiller 460ᵇ;
du kennst sie nicht, du weiszt nicht wem sie dienen.
505ᵇ;
wer kennt sich selbst? wer weisz was er vermag?
Göthe 2, 149.
kennen nämlich faszt sein object mehr gegenständlich, als äuszeres ding für sich, wissen hat mehr gedankendinge zum object. das gekannte sind dinge, das gewuszte mehr gedanken; z. b. ich will euch führen, ich weisz den weg sagt mehr aus: ich weisz wie wir zu gehn haben (wenn auch nur aus fremdem berichte), aber ich kenne den weg deutet eigne anschauung an (s. 7): ich bin ihn oft gegangen und habe ihn in der erinnerung sichtbar vor mir. ich weisz keinen ausweg, ich weisz nicht wie wir aus der verlegenheit herauskommen sollen, aber ich kenne keinen, unter den wegen, die mir vorschweben, ist keiner der uns herausführte. so in des königs äuszerung in der jungfrau von Orleans 1, 6:
ist denn die krone ein so einzig gut?
ist es so bitter schwer, davon zu scheiden?
ich kenne was noch schwerer sich erträgt:
von diesen trotzig herrischen gemüthern
sich meistern lassen u. s. w.
Schiller 456ᵇ,
nicht 'ich weisz', sondern 'ich kenne etwas bestimmtes (aus eigner erfahrung) das ..';
lasz diese bangen! schmerz empfind ich, keine furcht.
doch kennst du rettung, dankbar sei sie anerkannt.
Göthe 41, 200,
weiszt du einen bestimmten weg der rettung, vorher
drum sage was du möglich noch von rettung weiszt.
199.
weil denn kennen objectiv ist, wissen subjectiv, hat jenes das object als selbstständiges substantiv nach sich, nicht in satzform, dieses aber liebt den satz; das gekannte kann man gewöhnlich nennen, das gewuszte meist nur sagen.
b)
mit können (d. i. eig. wissen) stöszt kennen meist in bezug auf fertigkeiten zusammen: er stellt sich ganz gut zum handwerk an, er kennt schon die ersten handgriffe, aber eben so gut er kann und diesz ist das gewöhnliche, jenes mehr geschulten leuten eigen; er kennt die noten, buchstaben noch nicht oder er kann sie noch nicht; wer nicht fremde sprachen kennt, weisz nichts von seiner eigenen. Göthe 49, 44, da wird jedoch kennen von können unterschieden gemeint sein, nicht bloszes gelernt haben, sondern die einsicht in ihre art.
7)
Eigenthümlich ist ein beliebter gebrauch von kennen, wo es mehr aussagt als das blosze wort könnte, z. b. Irland kennt keinen harten winter; das heiszt dem wortlaut nach 'weisz nicht was das ist', bekommt ihn nicht zu sehen, lernt ihn nicht kennen, aber sachlich gemeint ist vielmehr 'es hat keinen harten winter'. ausgegangen ist das davon, dasz kennen meistens eine bekanntschaft enthält, die man aus eigner erfahrung hat; was man selbst gesehen oder an sich erfahren hat, das nur kennt man im eigentlichen sinne (vgl. ich kenne das! unter 5, b):
erwarte nicht, dasz der dich tröste,
der diese wunden kennt.
Haller (1777) 292;
nur wer die sehnsucht kennt,
weisz was ich leide.
Göthe 19, 67. 2, 118;
wer nie sein brot mit thränen asz,
wer nie die kummervollen nächte
auf seinem bette weinend sasz,
der kennt euch nicht, ihr himmlischen mächte.
18, 217. 2, 122;
was man zum ersten mal ersicht,
kennt selber auch der klügste nicht.
a)
eine ähnliche wendung kennt schon die mhd. rede:
al (quamvis) sül si niht gekrœnet sîn,
si hât doch werdekeit bekant.
Parz. 89, 15,
fürstliche ehre kennen gelernt, an sich erfahren, dann aber auch und hauptsächlich 'genieszt derselben';
an der du kiusche hâst bekant
unt wîplîche güete,
ir minn dich dâ (im kampfe) behüete.
332, 12,
die dir ihre keuschheit und huld bewiesen hat, von der du die genossen hast;
der wîse herzehafte man,
swâ dem kumber wirt bekant,
der rüefet an die hôhsten hant.
568, 7,
im fall er in bedrängnis gerät, sie erfährt;
lâʒ enden dîne werden hant
swaʒ mir ie prîses wart bekant.
542, 30,
mache dem ganzen ruhm ein ende, der mir je zu theil geworden;
mirn zerinne friunde, in wirt arebeit bekant.
Nib. 164, 4,
es müszte mir denn an freunden fehlen, sonst sollen sie kampfesnot erfahren, erleben, empfinden;
ê daʒ wir wider wenden, in wirdet sorge bekant.
194, 4;
dô wart der küniginne vil michel êre bekant.
1271, 4;
die eʒ ie gesâhen, den wart hôher muot bekant.
730, 4,
sie empfanden, gewannen stolzen frohsinn;
mit roube und mit brande wuosten si daʒ lant,
daʒ eʒ den fürsten beiden wart mit arebeit bekant.
175, 4;
noch was den edelen frouwen michel trûren bekant.
515, 4,
sie waren noch sehr bekümmert;
im brast daʒ fürbüege: des wart im strûchen bekant.
1549, 4,
es widerfuhr ihm, dasz er vom rosse stürzte;
urliuge, rouben unde brant
wæren uns immer unbekant.
Renner 1865.
die letzte stelle schlieszt sich schon genau an die heutige redeweise an. noch im 16. jh. findet sich so kant werden, s. 536. Eine dem entsprechende wendung besitzt das altnordische mit seinem causativen kenna, kennen machen (sp. 534), z. b. er þeim (dat.) flŷja kendi, der sie fliehen lehrte, d. i. sie zur flucht brachte; kenna einum (dat.) at drûpa, einen trauern lehren, ihn traurig machen, und so manigfach. dürfte man jenes mhd. bekant als urspr. zu bekennen bekannt machen gehörig ansehen (s. sp. 535), so ergäbe sich völlige gleichheit der mhd. wendung mit der altn.
b)
nhd. nun so kennen:
ihr augen, wann ich euch so freundlich sehe schweben,
so bin ich als entzückt, so kenne ganz kein leid.
Opitz 2, 217,
'weisz ich gar nichts von schmerz (mehr)', so fremd ist er mir dann, sachlich gemeint aber 'empfinde keinen schmerz';
und dein (der fichte) gerader leib bleibt immer aufgerecket,
kennt (hat) keine krümme nicht.
Logau 1, 8, 99 (s. 192);
in leid das ganz kein hoffen kennet.
A. Gryphius 1663 s. 494 (kirchhofsged. str. 44);
das weite firmament,
das unergründlich tief, das keine grenzen kennt.
Brockes 1, 186 (1728);
ihr schüler der natur, ihr kennt noch güldne zeiten!
Haller (1777) 24;
die Scandinavier kanten keinen herrscher, jeder anführer einer schar focht und raubte für sich allein. ders., Alfred könig der Angelsachsen 6;
kennt ein tyrann auch freunde?
Hagedorn 1, 38;
alle die choriamben, die pyrrhichier .. hätte herr Gottsched auslassen können (in seiner metrik in der deutschen sprachkunst), indem die deutsche poesie dergleichen nicht kennt. Götting. gel. zeit. 13. jan. 1749; die alten kannten das ding nicht, was wir höflichkeit nennen. Lessing 8, 2; die traurigen bilder hatten sich bei ihm (Werther) festgesetzt, und sein gemüth kannte (hatte) keine bewegung als von einem schmerzlichen gedanken zum andern. Göthe 16, 144; ich (bruder Martin) kenne keine weiber. 8, 15. 42, 17. 252; ich kenne betten nur von hörensagen, in unsrer herberge ist nichts als stroh. 42, 255;
hast du die sorge nie gekannt?
41, 315;
meine jugend war nur weinen
und ich kannte nur den schmerz.
Schiller 61ᵇ;
ja, ich verkannte dich, du (Johanna) kennst die liebe.
475ᵇ;
schwer flieszt das dicke blut in euren adern,
ihr kennt nicht das vergnügen, nur die wuth.
462ᵇ;
das weib allein kennt wahre liebestreue.
594ᵃ (Turandot 3, 2, nicht bei Gozzi);
wie der griechische staat keine kirche kannte. Schelling meth. d. akad. stud. 230; das alterthum kannte krankheiten, die wir glücklicherweise nicht mehr haben. Humboldt an eine freundin 2, 186; wahre grösze kennt keinen stolz; er kennt kein nachgeben;
kannten sie doch kein verschonen!
Göthe 4, 374;
die lateinische sprache kennt keinen artikel; die natur kennt keinen sprung; politische leidenschaft kennt kein erbarmen über das unglück des gegners; selbstzufriedenheit kannte er nicht, ebenso er wuszte nichts davon, sie war ihm unbekannt, fremd, für ihn nicht vorhanden, gab es für ihn nicht, er 'dachte nicht dran' und noch anders.
c)
eine neue wendung gewinnt das, indem sich diesz kennen zugleich in einem thun äuszert; z. b. in 'not kennt kein gebot', eig. für die not gibt es kein gebot, ihr kann man kein gesetz vorschreiben wollen, dann aber auch 'sie will das gebot nicht kennen' (vgl. 5 a. e.), sie 'fragt nach keinem gebot', d. i. thut nicht danach (auch hier wieder weisz nichts davon u. a.):
dich bricht der tod, der keine zierde kennet (sich um keine kümmert),
der alt und jung mit gleichen namen nennet.
Hoffmannswaldau (1699) poet. geschichtreden 20,
aber der flüchtige kennt kein gesetz, denn er wehrt nur den tod ab.
Göthe 40, 292;
wo der soldat .. keine gränzen kennt, die menschenhand gezogen. 8, 276, sie sind für sein thun nicht vorhanden, denn 'er weisz nichts davon', z. b.
Carlos. 'natur'?
ich weisz von keiner. mord ist jetzt die losung.
Schiller 301ᵇ;
an solchem freudentag, den du mir schenkst,
soll meine milde keine gränzen kennen.
608ᵇ.
Diesz kennen wird dann zugleich wieder zu 'anerkennen' (sp. 536), gelten lassen: die philosophie kennt keine schöpfung aus dem nichts; die heutige wissenschaft kennt keine construction a priori mehr u. a., was aber auch wieder in haben, üben, brauchen umschlägt. s. auch nicht kennen gleich 'nicht kennen wollen' unter 5 a. e.
8)
Zu allen diesen kennen gehört das merkwürdige 'kennen lernen', mit etwas bekannt werden, es zu kennen anfangen, wofür andere sprachen einen besondern ausdruck gar nicht ausgeprägt haben (lat. nur cognoscere, frz. connaître, sp. conocer, engl. know), wie es auch bei uns früher nur kennen, erkennen hiesz (sp. 537 3, a, aber auch schwed. lära känna, dän. läre at kjende, nl. leeren kennen, wol entlehnt): ich kenne ihn genau, denn ich habe ihn in seinen jünglingsjahren kennen gelernt wo der charakter sich am besten zu erkennen gibt; ihr solltet euch näher kennen lernen; er hatte dort ein mädchen kennen und lieben lernen; 'du sollst mich kennen lernen!' drohend gesagt; deshalb es wol ganz richtig ist, dasz man kunstwerke kaufen müsse um sie (eigentlich) kennen zu lernen, damit das verlangen aufgehoben und der wahre werth festgestellt werde. Göthe 30, 240. Weniger gebraucht ist kennen lehren, in den meisten fällen sagt man lieber einen bekannt machen mit ..: der verdrieszliche vorfall lehrte mich wenigstens meine stärke kennen; groszes glück und groszes unglück allein lehrt uns die menschen kennen;
du .... lehrst mich meine brüder,
im stillen busch, in luft und wasser kennen.
Göthe 12, 170.
und diesz früher auch kennen lernen: lerne mich nur keine karpfen kennen. Simpl. 1, 307; lernen sie mir nur die liebe erst kennen. Gellert (1784) 3, 205. vgl. übrigens u. kennig.
9)
Zu kennen tritt ein zweites object erklärungsweise.
a)
durch als vermittelt: ich kandte (im kloster) Christum nicht mehr denn als einen gestrengen richter, für dem ich fliehen wolt und doch nicht entfliehen kundte. Luther 6, 23ᵃ;
oder war, was ich
als liebe kenne, liebe nicht?
Lessing 2, 289;
was? kenn ich sie nicht
als deine frau und als die mutter nicht
der sclavin Zelima?
Schiller 598ᵃ;
sie hatte geweint, und wenn weiche personen dadurch meist an anmuth verlieren, so gewinnen diejenigen dadurch unendlich, die wir gewöhnlich als stark und gefaszt kennen. Göthe 17, 131; ich lernte ihn bald als sonderling kennen.
b)
durch für, schon mhd. (nd. vor): ein grunt ist in der sêle verborgen und den kennet nieman für bœse. Haupt 8, 454;
ik kenne en vor enen schalk van arde.
Claws bûr 490;
man kannte die schöne Salabanda für eine frau, die so was nicht ohne grund sagte. Wieland 19, 251; Faust kannte ihn längst für das was er war. Klinger 3, 94; du beleidigst mich, Weislingen. kennst du mich für das (als buhlerin)? Göthe 8, 129.
c)
aber auch ohne solche vermittelung als unmittelbares zweites object von kennen, wenn es in einem adj. besteht (wie bei nennen, finden, sehen u. a.):
den ich sô vrumen erkande.
Iwein 1913;
zwei hundert ritter lovelich,
de hei zo stride guet (tüchtig, tapfer) kante.
Karlmeinet 354, 10;
wente se Reinken sêr listich kenden.
Rein. vos 451;
alles was heilsam, was löblich zu nennen,
alles was herrlich, was witzig zu kennen,
hat sich an unsere heldin verbunden.
Logau 3, 212;
und was andre tödtlich kennen,
das alleine das vermehrt uns.
Göthe 2, 9 (des paria gebet);
ich kannte sie bisher nur liebenswürdig; ich habe ihn gleich so achtbar kennen lernen, dasz ich gern an ihn denke. Früher traten auch substantiva so ein ohne als, für bei sich bekennen, sich erkennen, erkannt werden (s. 1, 255, bekennen 9, erkennen 7); aber auch bei kennen: daʒ ist êwic leben, daʒ man dich got kenne alleine einen wâren got. Eckhart 141, 10, nach Joh. 17, 3, wenn es nicht nur als apposition gemeint ist, wie es doch auch Luther nicht faszt.
10)
sich kennen. natürlich gilt das als reciprocum: wir müssen uns näher kennen lernen; den enthusiasmus für irgend eine frau musz man einer andern niemals anvertrauen, sie kennen sich unter einander zu gut, um sich einer solchen ausschlieszlichen verehrung würdig zu halten. Göthe 22, 72. selten in passivem sinne, s. Haller sp. 533 gegen unten. Besondere betrachtung aber fordert es als reflexivum:
a)
sprichw. sich kennen ist viel kennen, gott kennen ist alles kennen. Simrock 3998; er kennt sich zu gut, um so ein geschäft auf sich zu nehmen, kennt seine schwäche; sie hat ein einnehmendes wesen, aber sie kennt sich auch darin;
der ist gar sehr verblendt,
der sonst zwar alles weisz, doch nicht sich selber kennt.
Opitz 1, 158;
wer kennt sich recht?
Lessing 2, 333;
wer kennt sich selbst? wer weisz was er vermag?
Göthe 2, 149.
das γνῶθι σεαυτόν, mhd. bekenne dich selber Renner 10344. 22622, erkenne dich Mone schausp. 1, 241, heiszt jetzt gewöhnlich erkenne dich selbst (z. b. Göthe 2, 264), bei Logau 'kenne dich selbst' (überschrift):
sich von auszen und von innen
kennen ist das beste künnen.
3, 210.
b)
in geringerem sinne, vom bloszen bewusztsein seiner selbst, theils sittlich, theils ganz äuszerlich:
o wasser! o wasser! ich brenn, ich brenn!
dasz ich mich selber nicht mehr kenn.
A. Gryphius Peter Squenz (1663) s. 22,
vor schmerz 'nichts von mir weisz', 'unsinnig bin vor schmerz' wie man auch sagt; er kennt sich selbst nicht vor hochmut (stolz, albernheit u. a.), ist wie närrisch, weisz nicht was er thut; er kennt sich nicht wenn er zornig ist, ist 'auszer sich', weisz nichts von sich;
könig. ich kenne
mich selbst nicht mehr — ich ehre keine sitte
und keine stimme der natur und keinen
vertrag der nationen mehr (vor zorn).
Schiller 287ᵇ (Carlos 4, 9);
ich kannte mich nicht vor entzücken, sprang auf und wollte sie (Gretchen) umarmen. Göthe 24, 271. so redet Faust sich an, da er in Gretchens zimmer betreten wird über die art seiner absichten:
und du! was hat dich hergeführt? ...
was willst du hier? was wird das herz dir schwer?
armselger Faust! ich kenne dich nicht mehr.
12, 140,
die neue reine stimmung führt ihn auszer sich heraus, er verliert sein selbstgefühl. dem entgegengesetzt Dorotheas erklärung gegen den scheinbaren spott von Hermanns vater:
freilich tret ich nur arm mit kleinem bündel ins haus ein ...
aber ich kenne mich wol, und fühle das ganze verhältniss.
40, 327,
mich und meine lage, es streift schon an die bed. c. Wieder anders sagt man trefflich vom egoisten 'er kennt nur sich' oder nichts auszer sich; so schon S. Brant, und zwar angewandt auf ein einzelnes thun, worin sich das äuszert:
der über disch allein sich kennt
und dar uf legt arbeit und flisz,
das er allein esz alle spis.
narrensch. 110ᵃ, 64.
c)
aber auch sich kennen, bekannt sein, heimisch sein, wissen wo aus und ein, seine umgebung kennen, wo denn eine klare rückbeziehung des sich auf das subj. nicht mehr gefühlt wird: so bald ich in den hoff kam, da kandte ich mich nicht mehr. dann ob ich schon vor diesem vielmahlen bei und umb dieses schlosz gewesen, so war ich doch niemahlen hinein kommen. Philander 2, 34. es hiesz in gleichem sinne sich erkennen (oben 3, 869), sich bekennen (1, 1417), und noch heute so oberd. 'sich auskennen in einer gegend oder sache, sie nach allen gesichtspunkten kennen, orientiert sein'. Schmeller 2, 304, in Baiern, Östreich vielgebraucht, aber auch in andern gegenden, selbst in Sachsen nicht unbekannt (ich habe auch sich erkennen, sich bekennen da noch gehört); es klingt an in Dorotheas sich kennen vorhin. Diesz merkwürdige medium, das auch in 'sich verstehn auf etwas' vorliegt und schärfere beobachtung verdient, wird doppelt merkwürdig durch seine verbreitung. es findet sich nämlich auch nordisch, schwed. kännas (s abgekürztes sig) erkennen, ähnlich dän. kjendes, schon altn. kennast; und romanisch, franz. se connaître (à qu.) sich auf etwas verstehn, it. conoscersi; selbst slavisch, z. b. böhm. znáti se (diesz auch gestehen, 'bekennen', wie wieder auch dän., altn.), poln. znać sie̜, poznać sie̜ — eine übereinstimmung über die ganze mitte von Europa hin und zwar in einem unscheinbaren stücke, wo man eine entlehnung kaum begreift! wie erklärt sich das? und wo ist die quelle? das latein gibt dazu keinen anhalt. Bei uns ist es alt, schon mhd. (wie sich verstân, sich entstân gewahren, verstehn), s. mhd. wb. 1, 810ᵃ. 808ᵃ:
'sage mir, ist dir iht erkant
ditz gebirge und ditz lant?'
'jâ, wol ich erkenne mich'.
gut. Gerh. 2633, vgl. 2803;
die (jäger) erkennent hie ze lande sich
und wiʒʒent michel baʒ dan ich
wâ der hirʒ hin ziuhet.
Trist. 87, 31,
also ganz wie sich kennen bei Philander, und wie das heutige sich auskennen. es hiesz aber auch gewahr werden, merken, und zur einsicht kommen oder einsicht haben, im einzelnen wieder manigfach gewendet, s. z. b. Freidank sp. 534:
wand (weil) sich die pfaffen baʒ verstânt (verständiger, gebildeter sind, als die laien),
dar umbe wære billich,
entwichen si (gäben nach) und erkanten sich.
Stricker 12, 58 Hahn.
das schlieszt sich wieder an die bed. a und b an und läszt die entwickelung von da aus ahnen. ähnlich noch im 16. jh., von plünderern: nit woltn si sich erkennen. Soltau 192, nach dem zusammenhange: in sich gehen und mitleid haben. Es ist aber schon gothisch, und zwar in einer schon sehr vorgeschrittenen bed., gakunnan sik sich unterordnen, gehorchen (s. gramm. 4, 31); Strickers sich erkennen vom nachgeben liegt dem doch noch sehr nahe. ganz nahe aber engl. know als refl., zur einsicht kommen und sich fügen:
but, mistress, know yourself: down on your knees,
and thank heaven fasting for a good man's love.
Shakspeare as you like it 3, 5 (kennt euch selbst Tieck).
Auch vom 'erkennen' von schiedsrichtern hiesz es sich bekennen weisth. 1, 159, sich erkennen 4, 288. 332 (15. jh.), von einer beschluszfassung Nürnb. chron. 1, 114. 117 (14. jh.); das ist aber auch mit 'sich erklären' zu übersetzen, s. dazu erkennen aussagen sp. 535. Aus dem mhd. sich bekennen aber erklärt sich auch unser merkwürdiges bekannt im activen sinne, als part. zu jenem (der 'sich bekannt hat' oder 'sich bekennt', vgl. das. 'in der bibel bekant' 1, 1413); es ist schon mhd.: die junger wâren unbekant (in bezug auf Jesu prophezeiung) und enwisten niht waʒ er meinde. Eckhart 138, 7. ebenso verstanden, verständig, von sich verstân, besonnen von sich besinnen, bedacht von sich bedenken (vgl. bescheiden : sich bescheiden) u. a.
11)
endlich eine eigne fügung mit dat., ich kenne mir das und das, weisz von mir, kenne an mir: ich hatte eine gröszere heiterkeit des geistes gewonnen, als ich mir lange nicht gekannt. Göthe 25, 184; beim ersten blick erkannt .. ich diese virtuosität in ihnen .. 'ich kenne mir keine virtuosität'. Klinger 11, 289; wer kennt mir so unvorsichtige Orinocositten? A. v. Humboldt an Varnhagen 18. märz 1840; dir, Uli, kenne ich z. b. einen (fehler), der dir näher und näher kommt, es ist der geiz. Gotthelf 2, 396. ebenso bei wissen, fühlen (s. 4, 412) u. a., noch gebräuchlicher ist es im franz., ital.; stammt es nur aus dem franz.? wieder anders: ehrenbezeugung der Sarmaten .. die sich nichts bessers kennen als aus dem schuh einer geliebten und verehrten person ihre gesundheit zu trinken. Göthe 17, 125, das ist wie ich weisz mir kein gröszeres vergnügen und ähnlich. Dazu ankennen (einem etwas ankennen, anmerken Schm. 2, 304. s. auch u. 1), auskennen (s. u. 3 und 10), bekennen (einbekennen), erkennen (aberkennen, anerkennen, wiedererkennen, zuerkennen), miskennen, verkennen, wiederkennen.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 3 (1865), Bd. V (1873), Sp. 532, Z. 9.

kennen, n.

kennen, n.,
der inf. als subst., gilt bair. für unterscheidungszeichen, merkmal Schmeller 2, 304. vgl. kennung 2.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 3 (1865), Bd. V (1873), Sp. 546, Z. 68.

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Zitationshilfe
„kannte“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/kannte>.

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