Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

Es wurden mehrere Einträge zu Ihrer Abfrage gefunden:

gelästert

gelästert,
im 15. jh. in einer eignen bedeutung bezeugt: gelesterter, dispartitus, dissociatus, discriminatus, entgeselter oder unseliger. voc. th. Nürnb. 1482 k 7ᵃ; ungeselliger oder entgeselleter, dispartitus etc., gelesterter. ll ijᵇ, auch g iiijᵇ. es gab in den alten stadtrechten eine bestrafung mit dauernder schande, die durch ein angeheftetes schandmal (s. lastermal) ausgedrückt wurde, auch z. b. mit einbrennung des stadtzeichens: male mulieres cum signo civitatis signentur. cod. dipl. Sil. 3, 152, aus Breslau im 14. jh.; das hiesz auch ein lasterblech, s. u. klemperlein 4, zu laster für schimpf und schande (vgl. lasterbecken), gelestert also mit einem lasterblech behaftet und dadurch aus der gesellschaft verstoszen, entgesellet. daher wol schon im passional K. 8, 6 ein gelastert hûs, bordell.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 4 (1882), Bd. IV,I,II (1897), Sp. 2870, Z. 56.

lästern, verb.

lästern, verb.
vituperare, reprobare, reprehendere. ahd. lastarôn Graff 2, 99, einmal findet sich auch die form lastirit reprehendit ebenda, die auf ein lastarjan zurückzugehen scheint; mhd. lastern; die umgelautete, heute allein giltige form taucht erst im späteren mhd. auf: du lesterst si mit worten und mit werken. Megenberg 286, 20;
frouwe, eʒ hât mich iuwer sun
gelestert alsô sêre,
daʒ er darf nimmer mêre
komen da ich müge gesîn.
herzog Ernst 1003 Bartsch.
Die bedeutung von lästern geht von laster 1 und 2 (sp. 253) aus, und ist milder und schärfer.
1)
lästern, bloszes tadeln, als unrecht hinstellen: improbare, lastern, lestern .i. beschuldigen Dief. 290ᵃ; dasz einer grosz und breit beim gebet thut, das musz man lästern. Claudius 3, 103; der spott, den ihr so unverständig lästert, ist der zuchtmeister der thoren. Klinger 6, 190; lästern heiszt in den alten deichschauordnungen, die gefährlichen fehler eines wasserwerks bemerken, daher die redensart: wer lästern will, der lästere, was zu lästern ist, so viel bedeutet; wer einsicht besitzt, der bemerke die vorgefallnen gefährlichen beschädigungen der deiche und wasserwerke. Jacobsson 2, 561ᵇ.
2)
gewöhnlich aber, mit betonung des schmähsüchtigen, ehrenrühriges über einen sagen, böses reden, durch reden beschimpfen: criminari .i. calumniari lastern, lestern, werden gelastert Dief. 157ᶜ; infamare lasteren, lastern, lestern o. ubel reden 296ᵃ; lestern, vituperare, improbare, diffamare, viciare, obprobriare, conviciari, calumniari, contumeliari. voc. inc. theut. m 3ᵇ; blasphemo, ich lestere, rede übel Dasyp.; lesteren, einem etwas schandtlichs mit wüssen aufträchen, calumniari, criminari, convitiari, famam laedere, proscindere convitiis, inferre crimen Maaler 268ᶜ; darum auch in den formelhaften verbindungen schelten und lästern, schmähen und lästern begegnend: lestern und schelten wil ich dir zwar zulassen, weis doch wol, das dein art und hasz nicht lesset. Luther 1, 361ᵃ; wen hastu geschmecht und gelestert? Jes. 37, 23; sich auf das euszerst schmeheten und lesterten. Kirchhof wendunm. 268ᵃ. in verschiedenen fügungen;
a)
mit persönlichem object einen lästern:
daʒ ir den künec gelastert hât.
Parz. 294, 1;
den göttern soltu nicht fluchen, und den obersten in deinem volk soltu nicht lestern. 2 Mos. 22, 28 (ἀρχοντα τοῦ λαοῦ σου οὐ κακῶς ἐρεῖς septung.); man schilt uns, so segen wir, man verfolget uns, so dulden wir, man lestert uns, so flehen wir. 1 Cor. 4, 12; erinnere sie, das sie ... niemand lestern, nicht haddern. Tit. 3, 2; Sebastian Brand und Geiler von Kaisersberg sind ihren ruhm und ruf doch auch nur einer heftigen, alles misbilligenden, beschränkten denkart und einer schonungslosen darstellungsweise schuldig; und wenn Bärbel und Christinel (in Arnolds pfingstmontag) sprechen, so vernimmt man ganz genau die nachkommenschaft jener würdigen männer. auch diese ungebildeten mädchen, wie jene hochgelahrten doctoren, lästern die mitlebende welt. Göthe 45, 184;
es musz doch hie gelestert sein
der sonst von allen lastern rein.
froschmäus. Nn 8ᵃ (3, 1, 1);
es lästert auch ganz ungeschewt
der freche ketzerhaufen
dein bäpstliche unheiligkeit
gar öffentlich beim saufen.
Soltau 465 (von 1622);
die in jhrer stolzen wuht
zu lästren mich fortfahren.
der schöne ritter hier,
den du zu lästern wagst.
Wieland 5, 99 (n. Amadis 15, 23);
er zückt sein schwert zum ungeheuren streiche,
und — nimmer lästert ihn des fürsten leiche.
Lenau Faust 116;
gott lästern: blasphemare got lestern Dief. 76ᵇ; und der herr sprach zu Mose, wie lang lestert mich das volk? 4 Mos. 14, 11; warumb sol der gottlose gott lestern, und in seinem herzen sprechen, du fragest nicht danach? ps. 10, 13; und sihe, etliche unter den schriftgelerten sprachen bei sich selbs, dieser lestert gott. Matth. 9, 3; dasz man so greulich gott lästert, gefällt mir nicht. Simpl. 1, 187 Kurz;
da sprang der hohepriester auf,
und risz sein kleid in stücken:
und schry: wil nu der richter hauf
noch viel um zeugen schicken?
er lästert gott, ihr habt gehört
was jetzt sein mund verjähet,
der den, den erd und himmel ehrt,
so grausam hat geschmähet.
A. Gryphius 1698 2, 215;
Marforius fand allen sachen mängel,
er lästerte gott, engel und erzengel.
Chr. E. v. Kleist (1765) 137;
wer da redet ein wort wider des menschen son, dem sol es vergeben werden. wer aber lestert den heiligen geist, dem sol es nicht vergeben werden. Luc. 12, 10.
b)
mit sächlichem object: welcher des herrn namen lestert, der sol des todes sterben .. wie der frembdlinge, sol auch der einheimische sein, wenn er den namen lestert, so sol er sterben. 3 Mos. 24, 16; mein name wird jmer teglich gelestert. Jes. 52, 5; die ... nicht erzittern, die maiesteten zu lestern. 2 Petr. 2, 10; aber Nicanor verspottet sie mit jrem gottesdienst, und lestert und entheiliget die opfer. 1 Macc. 7, 34; die leute lesterten das speisopfer des herrn. 1 Sam. 2, 17; sie verachten das gesetz des herrn Zebaoth, und lestern die rede des heiligen in Israel. Jes. 5, 24; wolten meines rats nicht, und lesterten alle meine strafe. spr. Sal. 1, 30; der narr lestert die zucht seines vaters. 15, 5; es ist dem menschen ein strick, das heilige lestern. 20, 25; sie .. suchen etwas, das sie lestern mügen, gehen hin und tragens aus. ps. 41, 7; das ansehen eines vaters lästern. Göthe 3, 89.
c)
mit präpositionen: die andern aber, so ... mit ungedult wider gott gemurret und gelestert. Jud. 8, 21; er lästert auf die obrigkeit, magistratum criminatur. Steinb. 1, 988; er lästert auf gott, in deum ipsum congerit maledicta. ebenda; .. sich bei der dame beliebt machten, indem sie ihrem schooszhunde liebkoseten und über ihre nebenbuhlerin lästerten. Wieland 6, 268;
wo sie mich sieht, und wo sie kann,
fängt sie auf mich zu lästern an.
Lessing 1, 26.
d)
absolut:
dar an si nimmer des verzagent,
beidiu si vliehent unde jagent,
si entwîchent unde kêrent,
si lasternt unde êrent.
Parz. 2, 10;
sie .. reden und lestern hoch her. ps. 73, 8; er hat uber seine sünde dazu noch gelestert. Hiob 34, 37; dem Nicanor aber lies er den kopf abhawen, und die rechte hand, die er zum eid ausgereckt hatte, da er lestert, und dem heiligthum drewet. 1 Macc. 7, 47; da aber die Jüden das volk sahen, wurden sie vol neides, und widersprachen dem, das von Paulo gesagt ward, widersprachen und lesterten. ap. gesch. 13, 45; lästre nicht in dem augenblick. Göthe 7, 144;
denn was jr habt denselben (den armen) beweiszt,
es werdt gelestert oder gpreiszt,
dasselb nem ich dermaszen an,
als het jhr das mir selb gethan.
B. Waldis Esop 2, 30, 170;
wer küszt, und drückt und lästert, hat verstand;
wer redlich spricht, gehöret auf das land.
Chr. E. v. Kleist (1765) 164;
hätte der freveler nicht hochmüthig geprahlt und gelästert,
trotz den göttern entflöh er des meers aufstürmender schwellung.
Odyssee 4, 503;
der infinitiv substantivisch: das ist ein tag der not, und scheltens und lesterns. 2 kön. 19, 3; und solt erfaren, das ich der herr all dein lestern gehöret habe, so du geredt hast, wider das gebirge Israel. Hes. 35, 12; ich hab die schmach Moabs, und das lestern der kinder Ammon gehöret, damit sie mein volk geschmehet. Zephanja 2, 8; Valer. man hört doch gleich, wenn das frauenzimmer am beredtesten ist. Lis. sie meinen etwa, wenn es ans lästern geht? o wahrhaftig! des bloszen lästerns wegen habe ich so viel nicht geplaudert. Lessing 1, 242.
3)
lästern, in weiterem sinne, einen schimpf anthun, beschimpfen überhaupt: frauen lästern, schänden; es wurden die so die nonnen gelästert und geschändet, wider gelästert und gemönchet. Frisch 1, 582ᵃ (nach Menken script. rer. sax., vgl. auch Haltaus 1200); wo mir der dieb Magis entgieng, des würd ich ewigklich gelästert. Aimon bog. T 1; zuvörderst also, damit sie einsehen, auf welchem wege man sie bisher geführt, von wem sie geführt worden, wie sehr sie betrogen sind, so erkennen sie doch endlich das phantom, womit man diesen abend unsre fürstin gelästert hat. Göthe 14, 241 (groszcophtha 5, 8);
Zeus. ich bin Zeus! Sem. du Zeus?
erzittre! Salmoneus, mit schrecken wird
er wiederfodern den gestohlnen schmuck,
den du gelästert hast.
Schiller Semele v. 416;
ihren ganzen vorigen
regentenlauf zu lästern (groszinquisitor zu Philipp).
don Carlos 5, 10.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 2 (1878), Bd. VI (1885), Sp. 259, Z. 83.

zerlästern, verb.

zerlästern, verb.,
1) zu lästern (th. 6, 259), ein verstärktes verlästern (th. 12, 1, 736): wie würde uns diser giftig münch z.? J. Nas antipap. 6, 210ᵇ; Gottsched anm. gel. 6, 9; manches weibsbild zerlaͤsterte sie wegen hurerey J. J. Chr. Bode Thom. Jones 2, 213; 2) ein merkwürdiges md. wort, das nach Klein 2, 245 bis nach Nürnberg reicht: z. zerfleischen und verderben Reinwald 1, 200; z. (kleider) zerreiszen (anspach.) Schmeller-Fr. 1, 1523; z. durch langen gebrauch verderben, bes. bücher Hertel Salz. wb. 52; auch kleidungsstücke, wege Thür. sprachsch. 154; Spiesz 288; Müller-Fr. 2, 141ᵇ; Frisch 1, 582ᵃ (für Magdeburg); Bernd Posen 359. Bruns volksw. d. prov. Sachsen (osttheil) kennt es nicht; in der mark Brandenburg fehlt es; von wörterbuchschreibern führen es Kramer teutsch-it. 1, 899ᵇ (kleider z.), Rädlein 1088ᵃ, Steinbach 1, 989 (dilacero), Adelung² 4, 1688 und (aus diesem) Campe 5, 845ᵃ an; Fulda id. 252 weist z. dem sächs. zu, eigenthümlicherweise aber Frisch auch dem alem. dialekt, was anderweit ohne bestätigung bleibt. unter zusammenstellung mit obersächs. lästern eine last fortschaffen, sich ablästern sich mit harter arbeit plagen und herlästern eine last herschleppen tritt Müller-Fr. 2, 141ᵇ für ableitung aus last ein. indessen fällt auf, dasz z. vielfach, so bei Frisch 1, 582ᵃ, Adelung² 4, 1688 in erster linie vom ungeschickten zerlegen des fleisches gebraucht wird. dieser umstand führt zu lästerer, m., dorffleischer (Müller-Fr.; Hertel Thür. 154; Frisch; Adelung² 2, 1920, nach dessen angabe diese benennung im munde der stadtfleischer auszer den dorffleischern auch allen übrigen pfuschern ihres handwerks zugelegt wird; auch th. 6, 256). der pfuscher des fleischerhandwerks ist aber offenbar ein gelästerter (th. 4, 1, 2, 2870 aus dem 15. jahrh.), d. i. dispartitus, dissociatus, discriminatus, entgesellter, ein mit dem laster belegter, aus der zunft schmählich ausgestoszener; vgl. lasterstein schandstein (th. 6, 263; Adelung² 2, 1921). danach ergibt sich für z. der sinn 'wie ein pfuscher das fleisch zertheilen', d. h. ungeschickt und zerreiszend und verstümmelnd, woraus dann die weitere entwicklung der bedeutung folgt. liter. zunächst vom zerfleischen eines körpers: Christus in toto anno non sic gemartert ut hic, schendlicher zuspeiet und zulestert quam in cruce Luther 29, 230 W.; zerlaͤsterte ihm das angesicht jaͤmmerlich E. Francisci alleredelstes ungluͤck (1670) 242; (ich) wurde ... dergestalt zerlaͤstert, ja fast halb tod auf den wagen getragen Schnabel ins. Felsenb. 2, 27; weitere belege bei Müller-Fr. 2, 141ᵇ; noch A. G. Meiszner Adolph d. kühne (1792) 3, 103; sodann von spielsachen und büchern, die im eigentlichen sinne zerlegt werden (s. die nachweise ob.), auch: mit zerlästerten kupferstichen Göthe III 6, 246 W.; ferner von geräthen, z. b. schiffen: das sehr zerlaͤsterte schiff Schnabel ins. Felsenb. 2, 523; schrank: Göthe IV 35, 72 W.; von kleidern (s. ob.); von mauern: Valvassor ehre d. herz. Crain 4, 2, 75; Göthe 31, 20 W.; (ein) gedicht zu verstuͤmmeln, zu z. Gottsched anm. gel. 8, 392; s. auch unter zerlumpen 1 a.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 5 (1932), Bd. XV (1956), Sp. 716, Z. 5.

Im ¹DWB stöbern

a b c d e f g h i
j k l m n o p q r
s t u v w x y z -
lumpenleute lügengeist
Zitationshilfe
„lästern“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/l%C3%A4stern>.

Weitere Informationen …


Weitere Informationen zum Deutschen Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)