Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

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locker, m.

locker, m.
der da lockt: Falk. er (der schmetterling) lockte mich von strauch zu strauch, bis an den bach. — auf einmal war er herüber. Ernst. ja, ja. es gibt solche locker. Lessing 10, 261; bei den vogelstellern ist locker der lockvogel. in der Schweiz heiszt locker ein gesang, durch den der hirt die kühe zusammen ruft. Stalder 2, 176.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 6 (1880), Bd. VI (1885), Sp. 1110, Z. 69.

locker, adj.

locker, adj.
instabilis, solutus, laxus.
1)
das wort, eine weiterbildung des adjectivs luck (s. dort), welches auch, wiewol in ganz eingeschränktem gebrauche als lock vorkommt (sp. 1101), ist oberdeutsch nicht bekannt (wenn Maaler 275ᵃ gewährt lucker, milter oder guͤtiger sein, hinlässig, farlässig und ze linsz sein, nit ze rauch und ze streng sein, remissiorem esse, so ist lucker in genauer übersetzung der lateinischen phrase der comparativ von luck), sondern dringt in die schriftsprache aus mittleren deutschen dialekten vor, wo es wenigstens im 15. jahrh. nachzuweisen ist, in der bedeutung undicht, unfest, los: rarefacere loger machen, rarefieri rogel o. loger werden Dief. 484ᶜ (aus dem voc. theut. von 1482); ob auch schon in übertragener bedeutung (unten no. 7), erscheint zweifelhaft, da ein darauf hinweisendes, in einer Dresdner handschr. des 15. jh. stehendes subst. lockerheit:
sus werdin sie uns vorstolin hart
von allirhande lockirheit.
Hagen liter. grundrisz s. 314,
wol für leckerheit (sp. 485) verschrieben oder verlesen ist. die aufnahme in die nhd. schriftsprache geschieht spät, Schottel 1359 kennt nur lukk und lükk, Stieler 1101 verzeichnet dagegen locker als dialektische nebenform zu lück und luck, gibt aber schon ausschlieszlich beispiele zu ersterem.
2)
die nebenform lucker kommt mehrfach vor: dasz dergleichen schwarze felder mit dem pfluge wohl durcharbeitet, und tief und lucker geackert sein wollen. öcon. lex. (1731) 588;
man sah aus hier und dort geborstner erde flächen,
die plötzlich lucker wird, bald hier, bald dort
ein dichtes pflanzenheer, wie grüne pfriemen, brechen.
Brockes 1, 5;
diese geister dringen besser
durch der luckern erden schos.
298;
so schwebt, den federn gleich, und sinkt nur allgemach
der luckern flocken heer.
320
(und noch oft, z. b. 354. 462. 2, 293. 3, 175. 285); auch in übertragener bedeutung, vgl. unten 7.
3)
locker, nachlassend, nachgebend, erscheint zumal gebraucht von dem nicht fest oder nicht hart zusammenhängenden, und darum leicht zu bearbeitenden erdreich eines fruchtbaren feldes, gartens oder auch einer sandstrecke, wie auch das adj. luck als technischer ausdruck der landwirte in derselben bedeutung gilt (s. dort): locker erdreich, terra pulla. Stieler 1101; lockere erde, terra relaxa, levior, mollior Frisch 1, 619ᵇ; ein ehrlicher greis trug des tages last und hitze, sein feld mit eigner hand zu pflügen, und mit eigner hand den reinen saamen in den lockern schoosz der willigen erde zu streuen. Lessing 1, 155;
wenn ich, du holdes
blümchen, es wüszte,
wer dich gepflanzet
in lockeren boden.
Göthe 3, 217;
niemand hätt auch den todten mit lockerer erde beschüttet.
Odyss. 3, 258;
selber steigt er vom gebirg in eile
nach der stadt hinunter, durch des ölbergs
lockere schollen.
Platen 324ᵇ;
substantiv das lockere, die lockere gartenerde:
umgieng sie der blumenbeete gefunkel,
wo des frühlinges pracht hier blühete, dort ungefärbt noch
knospete, dort rothschwellend der keim aus dem lockeren vordrang.
Voss 2, 4;
in einem bilde: weil die ministerin durch keine woge und brandung schneller aufwallungen weich und locker auszuspühlen war. J. Paul Tit. 3, 75.
4)
locker von anderen dingen, deren theile undicht zusammenhängen, vom schwamme, vom brot, vom schnee, den wolken und ähnl.: so heiszt ... der schwamm ein lockerer körper. Jacobsson 5, 420ᵃ; inanis truncus, wenn er inwendig eine lockre, oder markige substanz hat. Nemnich 3, 226; locker brot, panis spongiosa inanitate coctus, probe fermentatus, laxus, fistulosus Stieler 1101; locker brodt, heiszt das brodt der losz- und weiszbäcker. Jacobsson 6, 466ᵃ;
es dringen lockre schwämme
durch knorrichtes gewächs an manchem ort.
Brockes 1, 204;
weil sie sie (die luft die wolken) erfüllt, umringet,
ihren lockern leib durchdringet.
2, 280;
wie wann ein frühlingswind
die lauen flügel regt und sein geschäft beginnt:
alsdann der lockre schnee von schimmerreichen höhen
in thäler murmelnd schleicht.
Uz 2, 183;
lockres brot, ein kühler trunk,
zwischendurch ein ehrensprung,
hält mich frohes mutes!
Voss 5, 108;
und das kräftige brot, so weisz und locker!
Luise 1, 86;
hierauf eilt, auch tisch und stattliche sessel vom unrath
wiederum mit wasser und lockeren schwämmen zu säubern!
Odyss. 22, 439;
von bettwerk, dessen federn wol aufgeschüttelt sind: lockere bette, culcitrae plumeae, lecti mollioribus pennis suffercti, plumis tumescentes Stieler 1101; ein lockeres federbette, culcitra plumea laxior Steinbach 1, 1068; von einem gewebe oder stoffe: ein lockeres tuch; adverbial das tuch ist locker gewebt; ein locker gestrickter strumpf; damit ja alles loser und lockrer stoff werde. Göthe 20, 250;
also schuf sie das lockre geflecht (der haare).
Voss Luise 3, 1, 192;
bei den müllern heiszt locker malen, wenn die mühlsteine weit auseinander gestellt sind.
5)
locker von dingen, die mit andern nicht fest verbunden sind, vielmehr nur lose mit ihnen zusammenhängen; in manigfachen fügungen: eine lockere schleife; ein lockeres band, auch bildlich: ihn fesselte nur ein sehr lockeres band an die familie; locker, das nicht stark gespannt ist, laxatus, laxior, solutus, relaxus Frisch 1, 619ᵇ; adverbial: die schleife soll nur locker gebunden werden; das seil ist locker gespannt; das kleid sitzt locker am leibe;
pflücken wir dort huflattig, mein Karl, und die blätter im tuche
tragen wir locker geknüpft.
Voss Luise 1, 195;
auch mit dem nebensinne des gebrechlichen und schadhaften: der dieb drang durch ein lockeres bret in die scheune; der stein in der mauer ist locker; er hat einen lockern zahn; wies von hieben auf die helme prasselte, gleich hagelschlag auf lockres schieferdach. Scheffel Ekkeh. 190;
sieh doch bruder! siehst du nicht,
wie die lockern wände schwanken?
Lessing 1, 80;
ein verrufener saal ..
den ein groszes kamin und lockere thüren mit zugluft
kälteten.
Voss Luise 3, 1, 4.
6)
locker in der fügung locker lassen, nachgibig sein, nachgeben (vgl. dazu das oben unter locken 1 sp. 1105 gesagte), ist in der schriftsprache, wenigstens der gewählten, gern gemieden, aber gewiss in der gewöhnlichen rede Mitteldeutschlands von alters her gebräuchlich: heut läszt er nicht locker, und die herren adjutanten und ordonnanzofficiere müssen sich die seele aus dem leibe reiten. gartenlaube 1871 s. 8ᵇ.
7)
locker, ohne sittlichen halt, erst seit dem vorigen jahrh. oft verwendet: ein lockrer mensch, eine lockre gesinnung, lockre sitten, ein lockres leben, wesen: da man ihn nicht abgehalten hat, in der welt herumzufahren, so weisz ich nicht, was aus diesem losen, lockern wesen werden soll. Göthe 20, 168; wie aber das lockere paar (Friedrich und Philine) so lange beisammen bleiben kann, das ist mir nicht so bald begreiflich. 227; mein lockeres prinzeszchen werde ich wohl nicht wieder sehen. 28, 247; die eltern unseres lockeren führers. 39, 149;
dasz ich vor einem jahr
ein lockrer passagier und voller schulden war.
7, 45;
und ein zu lockres wesen
steht keinen prinzen an.
57, 250;
ich schimpfte sonst oft auf lockere jungen,
die nicht wie ich in den büchern gewühlt,
die ein leichtes leben fröhlich versungen
und in list und liebe sich glücklich gefühlt.
Körner der nachtwächter, 3. auftr.;
erinnere dich, bruder, welch lockeres leben
der lockere Wachtel von jeher geführt.
4. auftr.;
ein solcher mensch heiszt ein lockrer vogel, specht, zeisig:
siehst du jetzt, du lockrer specht?
Schiller Bacchus im triller (werke 1, 35 Kurz);
mein mädel läuft mit lockern zeisgen
so mir nichts dir nichts auf und davon.
Körner nachtw., 12. auftr.;
eine lockre haut (vgl. theilsp. 708):
an dem ist wenig tugend zu erblicken;
er scheint mir eine leichte, lockre haut.
Uhland ged. 460;
locker sein, locker werden, sich locker führen; o ihr seid doch mein goldiger junker — freilich halt ein biszchen locker gewesen. Schiller räuber 4, 3 (die erste ausg. schreibt lucker). Ein lockres glück, ein glück das mit lockern sitten zusammenhängt:
die mägdchen, die in sechzehn jahren
noch nicht das lockre glück erfahren,
wozu sie ihre mütter sparen.
Lessing 1, 80.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 6 (1880), Bd. VI (1885), Sp. 1110, Z. 75.

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Zitationshilfe
„locker“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/locker>.

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