Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

magd, f.

magd, f.
virgo, puella, ancilla. goth. magaþs (stamm magadi), zunächst an magu-s knabe, jüngling sich anschlieszend, und zum verbum mag in der ältesten bedeutung (bin erwachsen, grosz, vgl. unten mögen) gehörig; alts. magađ, niederd. niederl. magd, maagd; ags. mägeđ, mägđ; fries. megith; ahd. magat, mhd. maget, magt; im nordischen fehlend. über die nebenform maid s. an alphabetischer stelle. das wort bezeichnet
1)
eine erwachsene, noch unverheiratete: magat, virgo, caelebs Graff 2, 630; puella maghet Dief. 471ᵃ; virgo maget 622ᵃ; magd, puella Alberus; die magt, ein tochter, virgo Maaler 282ᵇ; magdt, junkfrauw, virgo 281ᵈ; wenn aber des priesters tochter eins frembden weib wird, die sol nicht von der heiligen hebe essen. wird sie aber eine widwen oder ausgestoszen, und hat keinen samen, und kompt wider zu jrs vaters hause, so sol sie essen von jrs vaters brot, als da sie noch eine magd war. 3 Mos. 22, 13; satzunge .. zwisschen vater und tochter, weil sie noch eine magd ist in jrs vater hause. 4 Mos. 30, 17; drei sind mir zu wünderlich, und das vierde weis ich nicht, des adlers weg im himel, der schlange weg auf eim felsen, des schiffes weg mitten im meer, und eines mans weg an einer magd. spr. Sal. 30, 19; also lesen wir im Mose Exod. 21 das, so jemand eines andern tochter uberredet, und dazu auch schwechet, .. dennoch kund er sie nicht behalten, ob sie auch gleich das gesetz selbs jm zu urteilet, sonder der magd vater möcht sie scheiden, und solche ehe zureiszen. Luther 5, 242ᵃ; da gab sie zu verstehen, wie sie noch ein magd were (noch nicht verheiratet). Pape bettel- und garteteufel (1586) M 1ᵇ;
wolt jemandt jm lassen wahr sagen, ..
es weren mägdt oder jung knaben (der komme zu mir; ein zigeuner spricht).
H. Sachs fastn. sp. 1, 126, 79 Götze;
also ists umb ein junge magd,
die eim gesellen basz behagt,
wenn sie mit schön und tugent putzt,
denn wers mit kleidern aufgemutzt.
B. Waldis Esop 4, 28, 53;
mit ausdrücklicher hervorhebung der geschlechtlichen unbeflecktheit: gleichwie im deudschen magd heiszt ein solch weibsbild, das noch jung ist, und mit ehren den kranz tregt und im haar gehet, das man spricht, es ist noch ein magd und keine frau. Luther 2, 242ᵃ; eine jungfrau oder magd, die noch in haren oder im kranze gehet und keine fraw worden ist. 8, 129ᵇ; wie mhd.:
des ir dâ habet gedingen, jan mag es niht ergân.
ich wil noch magt belîben (Brünhild zu Gunther).
Nib. 635, 3 B (meit 586, 3 A);
diu maget wart ze wîbe
von dem erwelten manne.
troj. kr. 9140.
diese bedeutung ist im 17. jh. für die schriftsprache so zu sagen verschollen, Schottel kennt sie nicht mehr (nur die nr. 4 unten), Stieler führt zwar als mundartlich an: sie ist noch eine magd, virum passa non est, sie geht vor eine magd, habitum virginis prae se fert, läszt aber ebenso wie jener für die schriftsprache nur die bedeutung ancilla, serva, famula zu. 1209; ihm folgen hierin die wörterbücher bis auf Adelung. doch entbehren sie süddeutsche schriftquellen nicht ganz:
o ich betrübte magd!
kan auch auf ganzer erden
ein mensch gefunden werden,
der also sei geplagt? (worte der Daphnis liebenden Clorinda).
L. v. Schnüffis mirant. flötlein (Constanz 1682) 23;
und es ist jedenfalls nicht blosz vorliebe für altes, sondern auch erinnerung an noch lebendigen mundartlichen gebrauch, welche Wieland das wort in seinen gedichten seit 1778 öfter in dem angeführten sinne verwenden läszt:
(Vastola) ist ihres vaters liebling wieder,
ist wieder, oder gilt für eine reine magd,
so gut als eh ihr klaffend mieder
verletzter zucht sie angeklagt.
18, 215 (Pervonte);
(find ich nicht einen) der, was man mir nahm,
mir wieder bringt;
so ist, dem himmel seis geklagt!
auf erden keine ärmre magd!
302 (das sommermärchen);
kaum ist der held hinein gegangen,
indessen Scherasmin im hof die pferde hält,
so eilt die schöne magd den ritter zu empfangen.
22, 106 (Oberon 3, 18);
zu welch letzterer stelle im 'glossarium über die im Oberon vorkommenden veralteten oder fremden, auch neu gewagten wörter, wortformen und redensarten die bemerkung': magd, maget, magad, maid, meyd, sind verschiedene formen eines wortes, welches in seiner ältesten bedeutung eine ungeschwächte junge frauensperson, eine jungfrau im eigentlichen verstande bedeutete. 23, 331. magd erscheint so seit dieser zeit von dichtern öfters gebraucht, immerhin so, dasz sich der fremde und alterthümliche klang des wortes bis heute nicht verloren hat:
wie kann ich solcher that
mich unterwinden, eine zarte magd,
unkundig des verderblichen gefechts?
Schiller jungfr. von Orl. 1, 10;
ich komm über berg und see, rief er, gejagd,
zu sehn und zu lieben die holdeste magd.
Platen 154 (ballade aus dem dänischen);
mit deinem hellen liede,
so sprach er, feine magd,
kam über mich der friede
nach mancher stürmischen jagd.
Uhland ged. 374.
2)
die jungfrau Maria wird magd genannt und angeredet:
gimma thiu uuîʒa,   magad scînenta,
muater thiu diura   scalt thu uuesan eina.
Otfrid 1, 5, 21;
iemer maget ân ende,
muoter âne missewende,
frouwe, du hâst versüenet daʒ Êve zerstôrte.
Müllenhoff u. Scherer nr. 42, 13;
wis gegrüeʒet, maget Marîe!
Mariengr. in Haupts zeitschr. 8, 281, 209;
seit dem 16. jh. vor jungfrau (th. 4², 2388, nr. 2) selten werdend: barmherziger ewiger gott und du reine magd Maria. Waiszel chron. (1599) 97;
(Christus) der aller könig ist, wiewol er sitzt und klagt
in seiner mutter schosz, der auszerwehlten magd,
des weibes ohne mann.
Opitz 3, 198;
bei den katholiken nie ganz vergessen:
o mutter Christi, reine magd,
Jesu dein kind dir nichts versagt.
Wackernagel kirchenl. 5, nr. 1528, 51 (druck von 1638);
desz höchsten mutter zsein
hat angesehen die reine magt.
nr. 1585, 5 (druck von 1641);
später, wie oben nr. 1, erneuert:
hilf, Maria, reine magd!
Uhland ged. 378.
3)
die ältere sprache nennt auch männer mit bezug auf ihre geschlechtliche reinheit magd: (Heinrich II) hette ein frowe genant sant Kunigunt, und bleip er und sü reine maget unz an irer beider dot. d. städtechron. 8, 426, 22;
Johan Marîen fuorte hin ...
dâ fuorte ein maget ein ander maget.
der cristenheide spiegelglas,
Johan, ein reine maget was.
Marien himmelfahrt in Haupts zeitschr. 5, 526, 435;
daher magd auch geradezu für keuschheit des mannes:
ob man dan schon ein (einen geistlichen) schind umb gelt,
wann im die magt zuͦ stucken felt (die keuschheit in die brüche geht).
Schade sat. u. pasqu. 2, 215, 692.
4)
magd als dienende, hat sich ähnlich ausgebildet wie knecht als dienender (th. 5, 1391, nr. 6). die bedeutung kommt erst mhd. auf, wo sich gegen das höflichere neue wort das ältere für dienerin, diu und diwa, diwe verliert; und bleibt (gegenüber 1. 2) durch alle sprachepochen hindurch bis auf heute. gemeint ist mit magd im schärfsten sinne die unfreie: nû vernemet, waʒ îclich man von ritters art müge gebn sîme wîbe zu morgengâbe. des morgens, als her mit ir zu tische gêt: vor eʒʒene, âne erben gelob sô mac her ir geben einen knecht oder eine magit, die binnen iren jâren sîn. Sachsensp. 1, 20, 1; jr werdet daselbs ewrn feinden zu knechten und megden verkauft werden. 5 Mos. 28, 68; daher im gegensatz zur freien, und mit bezeichnungen eigen, leibeigen: es stehet geschrieben, das Abraham zwene söne hatte, einen von der magd, den andern von der freien. Gal. 4, 22; wenn ein man bei einem weibe ligt, und sie beschleft, die eine leibeigen magd, und von dem man verschmecht ist. 3 Mos. 19, 20; wiltu aber leibeigen knechte und megde haben, so solt du sie keufen von den heiden, die umb euch her sind. 25, 44; in freierem sinne:
prinzessinn am tage nur; aber bei nacht
magst du mir gebieten als eigener magd!
Bürger 34ᵃ;
zusammengestellt mit knecht: er hatte schafe, rinder, esel, knecht und megde. 1 Mos. 16, 1; da her ward der man uber die mas reich, das er viel schafe, megde und knechte, kamel und esel hatte. 30, 43; so aber derselbige knecht in seinem herzen sagen wird, mein herr verzeucht zu komen, und fehet an zu schlahen knechte und megde, auch zu essen und zu trinken, und sich vol zu saufen. Luc. 12. 45;
dergleich dein eigen weib und kind,
knecht, magd und alles hauszgesindt
das musz am hungerthuch dir neen.
H. Sachs fastn. sp. 1, 85, 106 Götze;
hausherr, frau und knecht und magd.
Hagedorn 2, 14;
gegenüber der frau: die augen der maget sein in der hend der frauwen. Keisersberg herr d. kunig 73ᵇ; eine magd, wenn sie jrer frawen erbe wird. spr. Sal. 30, 23; und gehet dem priester wie dem volk, dem herrn wie dem knecht, der frawen wie der magd. Jes. 24, 2;
nun so ich (der mann) komb zu euch herauf,
so schreit mein fraw, magd und gesell,
als ob man die wölf jagen wöll.
H. Sachs fastn. sp. 1, 43, 193 Götze;
weil fraw und magd so ainig war.
45, 255;
magd für dienerin im hauswesen schlechthin, war lange allgemein üblich, bis mädchen (oben sp. 1421) beliebter wurde: die mägde pflegen jetzt die bezeichnung magd als erniedrigend, wo nicht gar als ehrenrührig zu betrachten, und verlangen, nur mit dem deminutiv mädchen bezeichnet zu werden. Vilmar 257; bäuerliche haushaltungen Obersachsens und Düringens unterscheiden dreierlei: grosze magd für die wichtigsten dienste und die oberaufsicht, mittelmagd, kleine magd; in früheren bürgerhäusern gab es eine junge magd (vgl. jung 14, th. 4², 2375, und die zusammenrückung jungemagd ebenda 2378):
Alcest. vielleicht die junge magd (hats gestohlen)? wirth. die gute Hanne? nein.
Göthe 7, 87;
magd ancilla Schottel 1360; liebe fraw, .. bistu nit versehen genuͦg mit megten, so ding dir noch ein par. Wickram rollw. 76, 25 Kurz; worzu halte ich so ein haufen mägd im hausz, wann ihr alles selbst thun wollet? wie verdienen sie kost und lohn? Simpl. 4, 60 Kurz; eine fleiszige magt, diligens famula, eine faule magt, socors serva. Steinbach 2, 11; ihre magd bringt die kleider, frau schwägerinn. Gellert 3, 282; wir muszten uns (für das puppenspiel) ein jüngeres publicum aussuchen, das noch allenfalls durch ammen und mägde in der ordnung gehalten werden konnte. Göthe 24, 74;
ein starkes bier, ein beizender toback,
und eine magd im putz, das ist nun mein geschmack.
12, 49;
gesellschaft könnten sie die allerbeste haben,
und laufen diesen mägden nach!
ebenda;
denn die arme (frau) wird doch nur zuletzt vom manne verachtet,
und er hält sie als magd, die als magd mit dem bündel hereinkam.
40, 25;
dingen möchtet ihr mich als magd für vater und mutter,
zu versehen das haus, das wohlerhalten euch dasteht;
und ihr glaubet an mir ein tüchtiges mädchen zu finden,
zu der arbeit geschickt und nicht von rohem gemüthe.
309;
doch seht ihr sie, wie eine niedre magd,
die schwersten pflichten still gehorsam üben.
Schiller jungfr. v. Orl., prolog 2. auftr.;
alte frauen schweiszbedeckt,
junge mägd im lauf,
spenden was der korb verdeckt,
reihen ab und auf.
5)
eine demütige bezeichnet sich in der bibelsprache als magd: ich bin Ruth deine magd. Ruth 3, 9; herr Zebaoth, wirstu deiner magd elend ansehen und an mich gedenken, und deiner magd nicht vergessen, und wirst deiner magd einen son geben, so wil ich jn dem herrn geben sein lebenlang. 1 Sam. 1, 11; du woltest deine magd nicht achten, wie ein lose weib. 16; und das weib sprach, las deine magd meinem herrn könige etwas sagen. 2 Sam. 14, 12; Judith antwortet jm, und sprach, du woltest deine magd gnediglich hören, wirstu thun wie dir deine magd anzeigen wird, so wird dir der herr glück und sieg geben. Jud. 11, 4; Maria aber sprach, sihe, ich bin des herrn magd, mir geschehe wie du gesagt hast. Luc. 1, 38; und danach sonst:
o alle heilige und seelen,
erbarmt euch eurer armen magd!
Wieland 9, 244;
indesz, wenn dir geringre kost behagt,
so isz — von diesem kohl mit deiner magd! (die frau des seneschalls zu einem einsiedler).
18, 85.
6)
magd bildlich: manche theologen vertreten die ansicht, die philosophie sei die magd der theologie; das reich ist allen heiden zu teil worden, die es plündern, alle seine herrligkeit ist weg. es war eine königin, nu ists eine magd. 1 Macc. 2, 11; ist denn die standbaftigkeit zu nichts besserm gemacht als zu einer wundärztin und magd, und nicht vielmehr zu unserer muse und göttin? J. Paul Titan 3, 6;
die elemente selbst sind mägde des verstandes.
Lohenstein blumen (1689), hyacinthen s. 24.
7)
faule magd, der vogel ortygometra, cenchramus. Steinbach 1, 11; gemeint ist der wachtelkönig, rallus crex.
8)
pflanzenname: a) nackte magd, colchicum. Steinbach ebenda, die zeitlose. b) braune mägde, adonis aestivalis, sommeradonis. Nemnich. c) alte mägde, eriophorum polystachion, dungras, flockenbinse. ebenda.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 8 (1881), Bd. VI (1885), Sp. 1430, Z. 1.

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Zitationshilfe
„magd“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/magd>.

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