Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

maulwurf, m.

maulwurf, m.
1)
talpa. die mhd. form moltwerfe, multwerf, moltwerf, moltworf (mhd. wb. 3, 740ᵃ. Lexer wb. 1, 2195), wird als die ursprüngliche des vielfältig verstümmelten wortes angesehen, da sie deutlich den sinn des die erde (ahd. molta, mhd. molte) aufwerfenden thieres bietet; dem gegenüber fällt auf, dasz bereits im früheren ahd. die verstümmelten formen nicht nur multuurf, sondern selbst muwerfo, muwerft, muwerf, muurf (Graff 2, 1040. 1042) überliefert sind, wenn dieselben sich nicht etwa dadurch erklären, dasz der alte gemeinhochdeutsche name für das thier scero (vgl. schermaus maulwurf noch jetzt im bair. und alem.) war, während ein moltwerfo ursprünglich nur einer bestimmten gegend eigen, sich nach und nach verbreitete, und dabei in landstrichen, denen der ausdruck fremd, sich verstümmelte; von den mancherlei formen, die sich mhd. geltend machen, steht mûlwerf mit der umdeutung des ersten compositionstheiles auf mûl seit dem 13. jahrh. fest, und setzt sich als maulwerf im nhd. fort, bis die form maulwurf, durch das zwischenliegende maulworf hindurch, sich in der schriftsprache allein behauptet. ein moltwurm talpa (Dief. 572ᵇ), was den namen einer eidechsenart (lacerta salamandra) auf das säugethier überträgt, dauert niederdeutsch als molworm (brem. wb. 3, 199), wo sonst auch von altersher das einfache mul, mol talpa gilt (Schiller-Lübben 3, 132ᵃ). talpa, ein schär, maulwerf, schermausz Dasyp.; die schärmausz oder maulwerf, talpa Maaler 345ᵈ; mullworp, hodie maulwurf, talpa, quia pulverem seu terram tollit. Stieler 1302; talpa haiʒt ain scher oder ain maulwerf. daʒ ist ain klain tierl und ist plint und swarz. Megenberg 160, 21; diese sollen euch unrein sein unter den thieren ... der igel, der molch, die aydex, der blindschleich, und der maulworf. 3 Mos. 11, 30; in die löcher der meulwurfe und der fleddermeuse (variante maulwürfe). Jes. 2, 20; maulworf (plur.) in der erd, meusz im geheusz. Fischart groszm. 139; die maulwörf verwüsten und durchgraben kein erdrich im garten, wo das kraut wunderbaum genant, entweders von sich selbs gewachsen, oder gesäiet ist worden, so würstu auch die maulwerf tödten oder vertreiben, so du eine nusz nimpst, spreuer, schwefel und harz darein thust, und also angezündt, inn der maulwerfen loch stoszest. Sebiz feldb. 293; eine lebendige maulwörf (als fem.). ebenda; wer hats gesehen, dasz der maulwurf die wurzeln abfriszt? Hebel 2, 37;
als nun jeder (esel und affe, wegen von der natur versagter
gaben) murrisch klagte,
sprach der maulwurf: ich bin blind;
dasz man sich mit mir vergleiche,
wenn des schicksals zorn und streiche
andern unerträglich sind!
Hagedorn 2, 31;
in bildern, vergleichen, sprichwörtlichen redensarten: so die Egyptier einen blinden menschen bedeüten wöllent, so malend sy ein maulwerf oder schär. dannethär auch das sprüchwort kommen ist, so einer wenig sicht, oder lätz von sachen urteilt, er ist blinder dann ein maulwerf. Forer thierb. 107ᵃ; wenn ich denn solchen zag und flucht des liechts spüre, wie kan ich mich fürchten, für den blinden maulwörfen, die das liecht schewen? Luther 1, 373ᵇ; wol dem, der lust dazu hat, und solch liecht gerne sihet, denn es scheinet gerne, aber maulwörfe und fleddermeuse habens nicht gerne, das ist die welt. 8, 319ᵇ; schlafen, wie maulwörf und ratten. Fischart bienk. 114ᵃ; denen, die in anderer leute mängeln falken, in ihren eigenen maulwörfe sein. Opitz poeterey 10; ein maulwurf im garten kann nichts denn wühlen und verderben. Lehmann floril. 1, 114;
und musz, dasz ein maulwurf an dem liecht blind, bekennen.
so staunet an der maulwurf das gezeigte licht,
so staunet an der pöbel,
pöbel in purpur und gehüllt in schulstaub,
den erdehöhnenden gesang
der begeistrung, und des dichters, der nur sie gebar!
Stolberg 1, 82;
so reiszet, laszt die müh euch nicht verdrieszen,
jetzt eure augen auf wie maulwürfe,
wenn sie zur mittagszeit die sonne suchen.
H. v. Kleist Amphitryon 3, 10;
maulwurf auch ein wühlender mensch; schriftstellerische maulwürfe, s. die stelle unter maulwurfsart; Hamlet spricht zum geiste, der seine stimme von unten herauf erschallen läszt:
brav, alter maulwurf! wühlst du hurtig fort?
o trefflicher minirer!
Shakesp. Hamlet 1, 5,
well said, old mole!;
maulwurf allegorisch für eine person oder ein land: der hochgelehrte und gar verständige astrologus Hermannus de Werve, vorsaget oftermalen das künftige unglück, jetzo der harpfen, vielmal dem maulwerfen, biszweilen dem adler, biszweilen diesem oder jenem löwen, bald der, bald jener provinz, oder statt, welche er pflegt, weisz nit mit was logogryphischen verdunkelten wörtern zu beschreiben. Schuppius 695; es läszt sich nicht ermitteln, wer oder was mit dem bilde gemeint sei, anklingt Shakespears Heinrich IV. 1, 3, 1:
wenn er erzählt von ameis und vom maulwurf,
vom träumer Merlin was der prophezeit,
vom drachen, und vom fische ohne flossen ...
wo die prophezeiung unter dem moldwarp könig Heinrich selbst meint, vgl. Delius Shakespears king Henry IV. part i s. iii fg. 65.
2)
maulwurf, cypraea talpa, eine porzellanschnecke. Nemnich 2, 1353; geflügelter maulwurf, gryllus gryllotalpa, s. maulwurfsgrille.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 10 (1882), Bd. VI (1885), Sp. 1811, Z. 30.

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Zitationshilfe
„maulwurf“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/maulwurf>.

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