Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

meer, n.

meer, n.
mare.
1)
das wort, allen germanischen dialekten gemeinsam (nur im friesischen nicht aufgewiesen), ist fem. im goth. marei und alts. meri, masc. im altnord. marr und im ags. mere, theils masc. theils neutr. im ahd. meri, nur neutr., wie heute, im mhd. mere, mer. in den urverwandten sprachen entspricht altslav. morje (neutr.) meer, litt. marės (fem. plur.) haff, altgall. more, altirisch muir (neutr.) meer, lat. mare. für die eigentliche bedeutung des deutschen wortes bietet nicht nur griech. ἀμάρα graben, abzugsgraben, kloake einen fingerzeig, sondern innerhalb des deutschen gebietes selbst ist der begriff des stehenden eingeschlossenen wassers als ursprünglicher aufzuweisen durch engl. mere weiher, pfuhl, lache, was wieder ags. mere stagnum (Grein 2, 232) entspricht, wie denn auch das goth. mari-saivs Luc. 8, 22. 23 griech. λίμνη wiedergibt; niederl. meyr mare, stagnum Kilian; niederd. mêr sumpf, see Schambach 133ᵇ, und durch die nächsten verwandten des wortes, fries. mar wassergraben, ahd. muor, moor (s. d.), und vgl. auch marsch sp. 1672 fg. die erweiterung der bedeutung hat sich aber schon frühe ergeben, im goth., altnord., ahd., im letzteren wird mari, meri, mere mare, aequor, oceanus, pontus glossiert (Graff 2, 819), im ags. nur theilweise, und im englischen, niederländischen, niederdeutschen gilt das wort nur für binnengewässer seichter beschaffenheit, während sea, zee, see das bezeichnet, was der Hochdeutsche durch sein meer ausdrückt.
2)
meer im weitesten sinne, der die erde umgebende weltstrom, ὠκεανός, wie schon im altnord.:
sôl têr sortna,
sîgr fold î mar.
Völuspa 59,
oceanus mer Dief. 391ᶜ; mit näherer bezeichnung das hohe, grosze meer: hoch meer, das umb die welt gehet, oceanus Dasyp.; daʒ grôʒ mer, daʒ daʒ ertreich umbfleuʒet. Megenberg 101, 3; wilde mere, oceanus Graff 2, 820; ab sich ein werder in dem wilden mere machte, odir eine insula wurde, dy dy czum irstin beseczte, deʒ eigin wurde sy. blume von Magdeburg 1, 165;
wî her gesîn havite
viere winde disir werilte
in dem michilin meri vehtinde.
Anno 180;
alsô der daʒ starke wilde mer
wolte gar mit einer schal ûʒgieʒen.
minnes. 3, 341ᵃ Hagen;
ich wolt, er (der mantel) wer in dem wilden mer versunken.
fastn. sp. 668, 34;
der himmel und die erde
mit ihrem ganzen heer,
der fisch unzählich heerde
im groszen wilden meer.
P. Gerhard 116, 40;
im allgemeinen gegensatz zu erde: und gott nennet das trocken erde, und die samlung der wasser nennet er meer. 1 Mos. 1, 10;
und von erde, meer und lüften, als von deines altars bühnen,
schwinge sich zu dir der weihrauch opfernder natur empor!
Hagedorn 1, 4;
wo der begriff auch persönliches leben empfängt: es lobe jn himel, erden und meer, und alles das sich drinnen reget. ps. 69, 35;
den ungeheuren krokodil,
des meeres furcht, der erde schrecken.
Lichtwer fabeln 3, 3;
oder meer ist nur ein gewisser theil des groszen weltmeeres: er wird herrschen von eim meer bis ans ander, und von dem wasser an bis zur welt ende. ps. 72, 8; nach seiner lage, art oder farbe durch beisätze auch näher bestimmt: das atlantische, mittelländische, arabische, chinesische, japanische meer; das baltische meer; das stille meer; das schwarze, weisze, rothe meer; mare rubrum rot mer Dief. 349ᵇ; füret sie durchs rotemeer, und leitet sie durch grosze wasser. weish. Sal. 10, 18;
sammt dem heere
ward ertränkt, wie junge katzen,
Pharao im rothen meere.
H. Heine 18, 223;
oder endlich ist mit meer ein groszes binnenwasser gemeint: das kaspische, asowsche meer; das schwäbische meer, der Bodensee; das todte meer; mare mortuum tod mer Dief. 349ᵇ; in Niederdeutschland häufiger name von gröszeren oder kleineren seichten landseen, das Harlemer meer, das Steinhuder meer u. a.; als gegensatz von flusz:
was berg und thal und wald beklagt,
das geht in flusz und meer nicht besser.
Lichtwer fabeln 3, 3.
der erst in der neueren sprache häufigere plur. meere bezieht sich auf solche binnenwässer oder auch auf die theile des weltmeeres: du hast gemacht ... die erden und alles was drauf ist, die meere und alles was drinnen ist. Neh. 9, 6; besser, sie lassen himmelsstriche uns trennen, sie lassen meere zwischen uns flieszen! Schiller kab. u. liebe 4, 7; die besten und würdigsten mit sich fort zu ziehen und ein günstigeres schicksal jenseits der meere zu suchen. Göthe 23, 188;
den nicht, zur schlacht, die kriegstrompete weckt,
den keine wuth erzürnter meere schreckt.
Hagedorn 1, 72;
vom Nil und Ganges, von den meeren
kömmt volk, des Fotis spruch zu hören.
Lichtwer fab. 3, 1;
wenn er sich den falschen meeren
preisgab in des sturmes wehn.
Schiller Hero u. Leander v. 165.
3)
es heiszt ein groszes, weites, tiefes, stilles, wildes, gepeitschtes, ungestümes meer; ein blaues, glänzendes, finstres, schwarzes meer; das grosze meer, das sei ewr grenze gegen dem abend. 4 Mos. 34, 6; bis ans euszerste meer sol ewer grenze sein. 5 Mos. 11, 24; er macht das das tiefe meer seudet wie ein töpfen. Hiob 41, 22; das meer fuhr ungestüm wider sie. Jon. 1, 13; das gesalzen meer, salsum aequor, das grimm und ungestüm meer, imperiosum aequor. Maaler 285ᵇ; das schaumend und auftriben meer, spumosum aequor, das still meer, molle aequor, stratum aequor, das überfroren meer, dura aequora. 285ᶜ;
stark wie das meer, erquickend wie die sonne,
schön wie das licht, und reich wie die natur.
Hagedorn 1, 11;
dasz drei- ja viermal alle jahre
er straffrei und verschont des Atlas breites meer
mit sichern frachten überfahre!
3, 24 (revisens aequor Atlanticum Hor. Od. 1, 31);
weit glänzt es (das schlosz) über die lande bis an das blaue meer.
Uhland ged. 390;
die sonnenlichter spielen
über das weithinrollende meer.
H. Heine 15, 226;
sei mir gegrüszt, du ewiges meer!
240;
da schwimm ich allein auf dem stillen meer:
keine welle rauscht, es ist eben und glatt.
Freiligrath dicht. 1, 59;
das hohe meer, die offene see, vergl. hoch th. 4², sp. 1592 oben:
ein wind vom lande her
schwellt ihre segel auf, und sie gewinnen
in kurzer zeit beglückt das hohe meer.
Wieland 21, 367;
ebenso das offne meer:
der schwimmt beherzt auf offnen meeren.
Gellert 1, 112;
gegensatz ist fels und meer:
es schäumt das meer in breiten flüssen
am tiefen grund der felsen auf,
und fels und meer wird fortgerissen
in ewig schnellem sphärenlauf.
Göthe 12, 21;
das meer erhebt sich, kräuselt sich, braust, schäumt, brandet, tost, glättet sich, wird ruhig: das meer erhub sich von einem groszen winde. Joh. 6, 18; das meer brause, und was drinnen ist. ps. 96, 11; und wird uber sie brausen zu der zeit, wie das meer. Jes. 5, 30; das meer schaumet vom ruͦderen, spumescunt remo aequora. Maaler 285ᶜ; das meer wuͤtet und ist ungestüm, fervet aequor. ebenda; das meer fängt jählings an zu toben, mare subito horrescit. Steinbach 2, 47; das hohe meer stürmet, magna in alto tempestas est. ebenda; diese stufen, diese flächen hinan, steigt nun das fluthende meer. Göthe 27, 145;
dein gericht und eifer brausen
wie das tiefe weite meer.
P. Gerhard 129, 44;
das meer lag still und eben,
einem reinen spiegel gleich.
Schiller Hero u. Leander v. 87;
finster kräuselt sich das meer.
v. 148;
hoch, zu bergen aufgehoben,
schwillt das meer.
v. 193;
friedlich in dem alten bette
flieszt das meer in spiegelglätte.
v. 225;
das meer erglänzte weit hinaus
im letzten abendscheine.
H. Heine 15, 140;
da schäumte das meer,
und aus den weiszen wellen stieg
das schilfbekränzte haupt des meergotts.
227;
das brausen, toben des meeres; ungestümigkeit desz meers, aestus maris. Maaler 285ᵈ; brandung des meeres, vergl. th. 2, 302;
den sturm des meeres kann ich stillen.
Gellert 3, 115;
wie der Rhein von jähen felsen herab
seine donner stürzet und ewigen schaum,
mit des adlers eile, des meeres schall.
Stolberg 1, 91;
woge, welle des meeres:
setze deinen helferfusz
auf Parnassus hohe stellen,
oder auf des meeres wellen.
Opitz 1, 196;
seit Cybelen fichtenbaum
seine reise hat genommen,
durch des tiefen meeres schaum.
212;
wie wann die woge des lautaufrauschenden meeres
hoch am gestade zerscheitert.
Bürger 197ᵃ;
das ufer, gestade, die bucht, der hafen, der grund, die wüste des meers; jre kamele waren nicht zu zelen fur der menge, wie der sand am ufer des meers. richter 7, 12; gen Eloth an dem ufer des meers im lande Edomea. 2 chron. 8, 17; die ebne desz meers, aequor maris. Maaler 285ᶜ; in die tiefe desz meers faren, ima aequora petere. ebenda;
nun weisz man, dasz die erde
an keinem orthe sonst mehr hohl befunden werde,
als wo des meeres strand nicht ferren von ihr pflegt
zu stehen.
Opitz 1, 37;
wenn aus des meeres schoosz und schlipfrichten morästen
ein dicker nebel sich erhebt.
Brockes 3, 557;
gähnend wie ein höllenrachen
öffnet sich des meeres grund.
Schiller Hero u. Leander v. 148;
wir .. erreichten still
die bucht des meers, wo jener schiffe liegen.
H. v. Kleist Penthesilea, 2. auftr.;
bleibe denn hier und sitz auf dem deinigen! nichts ja bewegt
dich,
dasz durch die wüste des meers du in noth und kummer umherirrst!
Odyss. 2, 371;
der sand des meers ist kühl und frisch,
und feucht von furchen und von gleisen.
Freiligrath dicht. 1, 20;
ein groszes grab ist meeres grund,
ein kirchhof meeres spiegel.
117;
am morgen steigt die sonne aus dem meer, am abend sinkt die sonne ins meer;
wenn jener tag dem meer entschimmert,
wo ich dich unter den blumen finde!
Hölty 105 Halm;
die schöne sonne
ist ruhig hinabgestiegen ins meer.
H. Heine 15, 245;
sand am meer, wasser, inseln, fische im meer: also schüttet Joseph das getreide auf, uber die mas viel, wie sand am meer. 1 Mos. 41, 49; ein gros volk so viel als des sands am meer. Jos. 11, 4; menschen .. die da herrschen uber die fisch im meer, und uber die vogel unter dem himel. 1 Mos. 1, 26; werden sich alle fische des meers erzu versamlen, das jnen gnug sei? 4 Mos. 11, 22; alle wasser laufen ins meer, noch wird das meer nicht völler. pred. Sal. 1, 7; die inseln im meer Hes. 26, 18;
die visch im meer, vögel im fluͦg
unsicher sind vor deim betruͦg.
H. Sachs fastn. sp. 2, 68, 278;
am meere, jenseits des meeres, überm meere wohnen, gelegen sein (von einem orte); auf dem meere fahren, schiffen u. ähnl.: du berümbte stad die du am meer lagst, und so mechtig warest auf dem meer. Hes. 26, 17; es kompt wider dich eine grosze menge von jenseid dem meer. 2 chron. 20, 2; am meere gelägen, nach by dem meer wonende, maritimus. Maaler 285ᶜ; läben und stät wäsen auf dem meer, so einer für und für auf dem meer handlet, vita maritima. ebenda; auf dem meer hin und wider getriben und geworfen, alto jactatus. 285ᵈ; auf dem meere schiffen, mare navigare. Steinbach 2, 47; auf dem hohen meere schiffbruch leiden, in alto jactari. ebenda; ein zartfühlender, strebsamer, einsichtiger mann über dem meere (in England). Göthe 46, 241;
daʒ si wânten alle dô,
si wêren iezû an dem mer.
Wiener merfahrt 275;
als er het zuͦ mer gestritten
und sehr grosen verlust erlitten.
Fischart glückh. schiff 5;
ein schifflein, das im meere läuft,
musz manchen sturm erfahren.
P. Gerhard 12, 56;
aufs meer, übers meer, durch das meer fahren, gehen, führen, ziehen; ins meer stürzen u. ähnl.: dy römisch küniglich majestät sich het aufs möer geben in teutsche land zu der krönung gein Ach. d. städtechron. 15, 34, 9; also stürzet sie der herr mitten ins meer. 2 Mos. 14, 27; aber die kinder Israel giengen trocken mitten durchs meer. 29; die schiff worden zubrochen und mochten nicht aufs meer fahren. 2 chron. 20, 37; das sie cedernholz vom Libanon aufs meer gen Japho brechten. Esra 3, 7; jre feser sind zustrewet, und uber das meer gefurt. Jes. 16, 8;
ob du ans meer, ob du gen himmel flöhest.
Gellert 2, 160;
begehrst du auf dem land ein grab,
so must du hier den tod dir geben:
sonst wirf dich in das meer hinab.
Fr. Schlegel in Wackernagels leseb. 2 (1876), 1323;
über land und meer ziehen, schweben, fliegen;
und das rothe, flammende sonnenherz
gosz seine gnadenstrahlen ..
erleuchtend und wärmend
über land und meer.
H. Heine 15, 238;
über meer als formel, ohne artikel (mhd. auch zusammengezogen übermer, von übermer Lexer wb. 1, 2107): uber meer har, das uber meer har ist, transmarinus Maaler 285ᵈ; über meer ziehen, mare transire Steinbach 2, 47; der lord werde seinen groszen sinn, seine mannichfaltigen kräfte, an erhaben gefährliche thaten über meer verwenden. Göthe 46, 230;
graf, ich beklage diese edeln herrn,
die ihr galanter eifer über meer
hieher geführt.
Schiller M. Stuart 2, 2;
o wär ich nimmer über meer hieher geschifft!
jungfr. v. Orl. 2, 6;
in der ältern sprache aber bezog sich dieses über meer vorzugsweise auf das heilige land: da kunig Ludwig uber meer wolt faren. d. städtechron. 1, 345, 12; das ain freiherr von Zimbern, ain freiherr von Tengen, sampt aim graven von Kirchberg vor etlich hundert jaren uber meer zogen seien, und haben ain lange zeit krieg wider die ungleubigen gepraucht. Zimm. chron. 1, 26, 20;
daʒ lant über mer wær gar verlorn
wan sîne (des Baiernherzogs Ludwig) starken ræte.
minnes. 3, 19ᵇ Hagen;
und ob ûʒ dir worden wære
ein rehter predigære,
dû bræhtest liute wol ein her
mit dîner predige über mer.
Helmbrecht 566;
und daher bei Uhland:
der könig Karl fuhr über meer
mit seinen zwölf genossen,
zum heilgen lande steuert er.
ged. 346;
sprichwörtliche wendungen: im meer wasser suchen. S. Frank sprichw. 1, 4ᵃ; erst, wenn sie so rccht drinn sind und es zu spät ist, kommen sie und man soll ihnen helfen, aber, gehorsamer diener, da wirft man nicht gerne sein geld ins meer. J. Gotthelf schuldenb. 347;
ja endlich nimmst du unser schuld
und wirfst sie in das meer.
P. Gerhard 119, 36;
meint ihr nicht auch, herr philosoph, ist es nicht ein recht sonderbarer fall, dasz ein fremder .. kommen musz, uns erst zu lehren, wie unsrer musik ein ausdruck zu geben sei .. und es war doch kein meer auszutrinken (nichts besonders schweres). Göthe 36, 120.
4)
nachbildungen eines meeres in der bibel: und er machet ein meer gegossen, zehen ellen weit von einem rand zum andern. 1 kön. 7, 23; das eherne meer, das am hause des herrn war, zubrachen die Chaldeer, und füreten das erz gen Babel. 2 kön. 25, 13; und fur dem stuel war ein glesern meer, gleich dem christal. offenb. 4, 6.
5)
meer in uneigentlichem sinne.
a)
für etwas tief und breit gehendes flüssiges:
und das blut machte schier ein möhr.
das alte wunderwerk, der rhodische colosz,
zu dessen bildung man ein meer voll erzt vergosz.
in alle räume braust die stolze welle,
die ich in dichterischem übermute
entspringen liesz aus meinem eignen blute,
dasz sie zum strome mir, zum meere schwelle.
Platen 95;
und selbst von der groszen wassermasse eines stromes:
spein nicht Plata, Nilus, Rhein
ganze meer ins meer hinein?
Brockes 1, 306.
b)
die luft, in der wir leben, wird meer genannt, vergl. luftmeer sp. 1259, himmelmeer, himmelsmeer:
unsre welt, die wie ein körnlein sand
im meer der himmel schwimmt.
Haller schweiz. ged. 146;
wie ihn (den adler) mit ausgestreckten schwingen
das stille meer der lüfte trug.
Lichtwer fabeln 3, 6;
zwischen himmel und erd hoch in der lüfte meer.
Schiller hist.-krit. ausg. 1, 273;
im tiefen west der schwaden grollte,
es stand die luft, ein siedend meer.
c)
meer auch sonst für mannigfaches, was nach ausdehnung, fülle und tiefe einem meere verglichen werden kann; das näher bestimmende substantiv steht dazu im genitiv, wenn das bild örtlich gehalten ist, oder wird durch von vermittelt, wenn mehr das stoffliche hervorgehoben werden soll: nû hân wir gesmechit ein teil wâ unsir lîpnar, unsir spîse ist, nu heben uns dar ubir daz vehtende mere dirre werlte. Wackernagel pred. s. 8, 50; wenn du empfindest, das du also auf disem mör der welt schwebst und in sorgen steest von zufal solcher anfechtung, lasz dich nit abzerren von disem anker (des glaubens) bis du komest zu den waren gestaden des gelobten lands. Keisersberg sch. d. p. 28ᵇ; weil denn, als David sagt (hinweisung auf ps. 104), in dem groszen meer dieser welt, viel gewürme ist, das ist, viel anfechtung und anstös. Luther 1, 87ᵃ;
jedoch dasz ich auf der welt wildem meer
des ports nicht mög verfehlen.
ihre (der erzväter) lebensweise auf dem meere der wüsten und weiden. Göthe 24, 214; aus dem todten meere des hofes (fürstenhofes). J. Paul Titan 2, 64;
seh ich der felder gelbes meer
mit schwer- und schwanken ären wallen.
Brockes 1, 55;
ein meer von licht ergosz sich über uns;
es schwimmet thal und busch und hain
im meer von goldnem sonnenschein.
Hölty 204 Halm;
bis sich dort im meer des ewgen glanzes
sterbend untertauchen maasz und zeit.
Schiller hist.-krit. ausg. 1, 287;
ich hab zwei frische augen
und kann dem blinden vater keines geben,
nicht einen schimmer von dem meer des lichts,
das glanzvoll, blendend mir ins auge dringt.
Tell 1, 4;
wir wurden in ein meer von tönen eingetaucht;
wir glücklichen! es hallet
schon um die insel her!
bald fern, bald näher wallet
der zwillingstöne meer!
Voss 5, 152;
die silberfunken der sternbilder sprangen auf dem altare des morgens auf und fielen erloschen in das rothe meer des abends nieder. J. Paul Qu. Fixl. 178; an beiden seiten schlug das goldgrüne meer des frühlings die lebendigen wellen. Tit. 2, 131; man möchte zum maikäfer werden, um in dem meer von wohlgerüchen herum schweben .. zu können. Göthe 16, 7; ein meer von pappelspitzen, zwischen denen man in der nähe kleine bauerhöfchen erblickt. 27, 159;
senke dich, zufriednes herz,
in das meer der frühlingsfreude!
Brockes 1, 40;
du meer des wohlwollens, des überflusses, des ausflusses in segen über die menschen! Fr. Müller 1, 44; es sei (das schach) für einen könig erfunden worden, der den erfinder mit einem meer von überflusz belohnt habe. Göthe 8, 53; indem er bald nach seinem eintritt in Italien sich in dem meere von schönheit verlor, das den verwandten sinn .. ganz hinzunehmen vermag. 37, 93; im stillen meer der tiefsten freude. J. Paul Hesp. 3, 237;
herr, stärke mich, dein leiden zu bedenken,
mich in das meer der liebe zu versenken,
die dich bewog ...
Gellert 2, 197;
unendlich reich,
ein meer von seligkeiten,
ohn anfang gott, und gott in ewgen zeiten!
herr aller welt, wer ist dir gleich?
159;
kein frühling lacht mir jetzt, der sonst in meine brust
ein meer von seligkeit gegossen.
Hölty 48 Halm;
wie schwamm ich nicht im meer der lust!
126;
wo der überflusz der goldnen angel
in das meer der freude hängt.
Gökingk 1, 45;
ha! wirf ins meer der wonne dich!
Bürger 26ᵇ;
er wird durchs meer der angst gehen. Sacharja 10, 11; die vorige saecula ... in welchen ganze ströme und meers voll unglück gefunden werden. Schuppius 784;
meiner angst und ubeln (gen. pl.) meer.
deiner sünden groszes meer.
P. Gerhard 64, 77;
ist ja der anfang etwas schwer
und musz ich auch ins tiefe meer
der bittern sorgen treten.
219, 67;
(deine tugenden) sind es, die durch ein meer von hinderungen,
Georg Augustens glück errungen.
Haller schweiz. ged. 177;
in welches meer von jammer stürzt sie (die liebe) euch?
Wieland 22, 5 (Oberon 1, 4);
wenn ihre seele .. im meer des sehnens untersänke? J. Paul uns. loge 2, 94;
wohl schwimmt er bei tage, wohl schwimmt er bei nacht
im meere des traumes.
Stolberg 1, 274;
unstet treiben die gedanken
auf dem meer der leidenschaft.
Schiller macht des gesanges;
gleich wie, in der gedanken meer zerronnen,
ein seher aufblickt zur gestirnten ferne.
Uhland ged. 451;
ein meer von .. willkührlichen erdichtungen der einbildungskraft. Kant 8, 68; freilich ist es wahr, dasz mancher vermeiden wird darüber zu denken, um die blöse seiner meinung nicht sehen zu dürfen, und den anker seines verstands in diesem sternlosen meer nicht vollends zu verlieren. Schiller hist.-krit. ausg. 1, 90; warum ich keine lust hatte, mich mit dem hochstrebenden Kerinthus auf das gefahrvolle meer weit aussehender, mühsamer, und vielleicht undankbarer abenteuer einzuschiffen. Wieland 28, 137;
(als die durchlaucht) in ein meer von lob ihn untertauchte.
Gotter 1, 201;
(es ist) von buntesten gefiedern
der himmel übersät,
ein klingend meer von liedern
geruchvoll überweht.
Göthe 5, 193;
das menschliche leben selbst wird ein meer genannt: Ingenuin sah jetzt auf dem einfärbigen meere seines lebens eine ganze blühende neue welt vor sich hinliegen. J. Paul jubelsen. 26;
geburt und grab,
ein ewiges meer,
ein wechselnd weben.
Göthe 12, 35;
wer auf dem meer
des lebens nicht die stürme der begierden
bemeistern kann, ist ewiger wellen ball.
Gotter 2, 259;
mit vollen segeln lief ich in das meer
des lebens.
Schiller hist.-krit. ausg. 15², 412 (Demetrius);
sowie zeit und ewigkeit: diese stunde, die auf ewig ins meer der zeit hinflieszt. Klinger 2, 366; ein kühles wehen kömmt vom meer der ewigkeit über die glühende erde. J. Paul Hesp. 1, 273; die zerlaufenden wellen des meeres der ewigkeit. 3, 76;
schamroth stürz ich in das meer der zeit.
Schiller hist.-krit. ausg. 4, 7;
deine (der zeit) wellen eilen
hinab ins meer der ewigkeit.
11, 23;
verflieszet, vielgeliebte lieder,
zum meere der vergessenheit!
Göthe 1, 68.
d)
personen als meer, nicht nur eine schaar:
ob uns ein meer entgegenrollt,
hinein (in die schlacht)! sie sind entmannt,
die knecht, und streiten nur um sold,
und nicht fürs vaterland!
Voss 4, 37;
sondern auch der einzelne; theils in mehr äuszerlichem bilde:
ein hur ist ein grundloses meer,
die dir verschlickt leib, gut und ehr,
die niemand nicht erfüllen kan.
H. Sachs fastn. sp. 1, 59, 162;
theils, da auch das innere eines menschen dem meere verglichen wird: indem das ganze meer seines innern ... leuchtete. J. Paul Tit. 1, 89; in bezug auf dieses innere: schweigen bringt die beste frau auf, die eben im keifen ist; ja auf einem so stillen meere, wie Sokrates, kommt selber die wildeste nicht weit. leben Fibels 184.
e)
meer, von gott:
es ist vor dir der welten bau
so wie ein tropf vom morgenthau,
du meer der wunder und der wonne!
Hagedorn 1, 9;
und seinem wesen:
wann sie (die weisheit) sich vermiszt, sich ungezügelt
ins meer der gottheit stürzt, und klügelt.
Gotter 1, 427.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 10 (1882), Bd. VI (1885), Sp. 1838, Z. 77.

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„meer“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/meer>.

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