Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

Es wurden mehrere Einträge zu Ihrer Abfrage gefunden:

mehr, adj. und adv.

mehr, adj. und adv.
magis, plus.
1)
das allen germanischen dialekten gemeinsame wort lautet im gothischen als adjectiv maiza, in der adverbialform mais, und diese form erscheint bereits zur zeit der germanischen grundsprache durch ausfall eines inneren gutturals entstanden. als nächster verwandter einer germanischen und slavischen reihe von substantiven, die den grundbegriff des körperlichen wachsthums oder der erwachsenheit zeigen (goth. magus junger mann, magaþs jungfrau, mêgs schwiegersohn, alts. magu, plur. megi knabe, junger mann, mâg verwandter, blutsfreund, ags. maga sohn, junger mann, mäcg und mecg mann u. s. w., altslav. ma̜z͗i mann), lautete das wort einst mahiza, comparativ eines adjectivs mags (vergl. goth. jûhiza gegen juggs) mit der bedeutung etwa gewachsen oder erwachsen, das im ahd. in der verneinung unmag, nun aber ganz auszer zusammenhang mit der zerrütteten comparativform, noch erhalten ist: parvuli unmage Steinmeyer-Sievers 2, 225, 56; segnior, tardior unmagaʒ 636, 75. eine früh eingetretene verallgemeinerung des comparativbegriffes, so dasz der sinn gröszer, umfänglicher entstand, führte jedenfalls nicht nur (abgesehen von der theilweisen erhaltung im ahd.) den verlust der positivform, sondern auch die formelle verkürzung des comparativs herbei. derselbe, mit dem zu ihm gehörigen superlativ (über den an besonderer stelle, s. meist), hielt sich in den altgermanischen dialekten in der jedem eigenthümlichen lautform: altnord. meiri, meirri, adverb meir, meirr; ags. mâra, mâ; fries. mâra, mâr, mâ; alts. altnfr. ahd. mêro, mêr; mhd. mêre, mêr, mê, welche letztere kürzung auch noch nhd. dauert, vergl. meh oben sp. 1864. eine neue comparativform hat sich schon ahd. als mêriro, mhd. mêrer, mêrre, merre, nhd. mehrer ergeben, s. unten nr. 25.
2)
mehr in der ältesten anwendung ist comparativ zu dem eines solchen ermangelnden goth. mikils, ahd. mihhil, mhd. michel, und heiszt gröszer, in bezug auf raum, erwachsenheit und alter, werth: goth. þatei sa maiza skalkinôþ þamma minnizin, svasve gamêliþ ist: Iakôb frijôda, iþ Ěsav fijaida. Röm. 9, 12; ahd. Herodius (hêrfogil) est major omnium volatilium (mêra allen fogilin). Notker ps. 103 (2, 372ᵃ Hattemer);
bi thiu ist mit mêren sunton, ther mih gab thir zi hanton.
Otfrid 4, 23, 43;
mhd. von der gestalt:
dô hiezen ir kindelîn
Karle unde Pippîn.
Pippîn der was kleine ..
der mêre der hieʒ Karle:
der wart künec ze Arle.
Haupts zeitschr. 2, 480, 3031;
was im oberdeutschen noch nachklingt: bair. mit formenerweiterung (unten nr. 25, a) der Max ist mêrer als der Franz. ein mensch, thier, gewächs wird mêrer, wenn er, es an grösze, corpulenz, stärke zunimmt. Schm. 1, 1639 Fromm.; alem. du bist der mehrer, gröszere. Stalder 2, 204; ebenso die mehrere stadt (im gegensatz zur minderen, wenn eine stadt in eine grosz- und kleinseite getrennt ist). ebenda; der merer späk isch iez gässe (die gröszere hälfte). Seiler 205ᵇ; ferner von alter und würde: dirre Herodes Agrippa was der der do sant Jocop den meren dötete. d. städtechr. 8, 338, 7; die duͦmherren der meren stift (des hochstifts). 9, 677, 15;
der minr dem mêren dicke schat:
ein vent dem künge sprichet mat.
Boner edelst. 16, 45.
3)
die letztere bedeutung hat die schriftsprache bis heute sich erhalten in festen fügungen, wo mehr, prädicativ stehend und allerdings als comparativ zu viel gesetzt, doch den gröszeren inneren werth bezeichnet, in den formeln mehr sein, gelten, sich für mehr halten: ahd. nist scalc mêro thanne sîn hêrro noh thie postul nist mêro themo ther inan santa. Tat. 156, 4 (non est servus maior domino suo neque apostolus maior eo qui misit illum; der knecht ist nicht gröszer dann sein herr, noch der apostel gröszer, denn der jn gesand hat. Joh. 13, 16); nhd. von personen in bezug auf rang: gott ist mehr weder ein mensch. Hiob 33, 12; der auch mehr ist, denn ein prophet. Matth. 11, 9; bistu mehr denn unser vater Abraham? Joh. 8, 53 (goth. ibu þu maiza is attin unsaramma Abrahama?); auch machte ihn dieses ihn überall verfolgende glück, dieses allgemeine gelingen wirklich zu etwas mehr, als er in der that war. Schiller hist.-krit. ausg. 4, 269;
ich (seraph) bin mehr als meine andern brüder.
6;
ihr seid mein erster feldherr; seid nie mehr,
so wird euch meine gnade niemals fehlen.
don Carlos 3, 7;
oder blosze beschaffenheit: das angebliche gespenst war weder mehr noch weniger als eine ausländische hetäre. Wieland 27, 121; von dingen in bezug auf wichtigkeit und werth: ist nicht das leben mehr denn die speise? und der leib mehr denn die kleidung? Matth. 6, 25; ich halte mehr von einem guten künstler .. als von zehen halbgelehrten doctorn. Schuppius 58; ich leugne nicht, dasz ich mich einen augenblick habe hinreiszen lassen, dieses blendwerk für etwas mehr zu halten. Schiller hist.-krit. ausg. 4, 249;
ich hielt von ansehn, gut und ehr
als wol vom paradiese mehr.
B. Ringwald tr. E. F 7ᵇ;
distichen sind wir. wir geben uns nicht für mehr noch für minder.
Schiller hist.-krit. ausg. 11, 97.
4)
gleichen begriff von mehr zeigt der oder das mehre theil, das gröszere, mhd.
halp oderʒ mêre teil.
Parz. 194, 25 (handschr. G);
so wil ich lieber dem meren teil nochvolgen denne dem minren teil. d. städtechr. 8, 398, 23; das man dém theile mehr recht und beifall gebe, dem der mehre theil der schiedesleute beifall gibet. Butschky Patm. 372; auch erhalten in den zusammenrückungen mehrentheils, mehrtheils, s. an alphabetischer stelle, sonst erweitert zu das mehrere theil, vgl. unten 25, b.
5)
mehr, zunächst als adjectiv, ist gewöhnlich zahlbegriff geworden: wunden hol ich mir freilich mehre und weitere als das aderlaszmännchen im kalender. J. Paul uns. loge 2, 94; prädicativ: das .. jr auch den zorn und grim des herrn noch mehr macht wider Israel. 4 Mos. 32, 14;
die vorwelt labte sich bei zwei und mehren flammen.
Lohenstein rosen (1689) 34.
im sinne von mehr als eins, einige (vgl. 25, d a. e.): ein trödelhaftes gewirr künstlicher gebilde aus mehren jahrhunderten. Freytag handschr. 3, 129. über die starke femininform mehrer (dat. sing.) vergl. 25, e a. e.
6)
auch substantivisch im plural, als steigerung eines einzelbegriffes von personen: Tiberius solte samt mehren seines gleichen mit stillschweigen übergangen werden. Opitz 1, vorrede 3ᵇ;
du fingst mit einem heimlich an,
bald kommen ihrer mehre dran,
und wenn dich erst ein dutzend hat,
so hat dich auch die ganze stadt.
Göthe 12, 197.
7)
ferner als subst. im neutr. sing. zusammenfassend, als ein mehres, noch mehres u. ähnl., formeln, die im 17. jahrh. schon gewöhnlich sind, so dasz sie auf einen alten gebrauch in der täglichen rede schlieszen lassen: nichts ist in allen künsten so hochgebracht, das man ein mehres zu erlernen nicht hette. Butschky kanzl. 141; (ich) bin reich, weil ich mich keines mehren gelüsten lasse. 433; beiliegende cantata kan sie ein mehres verständigen. Salinde 250; packen sie nur zusammen: ich musz fort. morgen, Rota, ein mehres! Lessing 2, 128;
fromm sein ist seine kunst. von mehrem weisz er nicht.
desz himmels freude dort, der erde segen hier;
ein mehres weiter nicht, ist täglich mein begier.
Logau 1, 58, 35;
die ethic ist vermodert,
die deiner zeit gieng um, was mehres wird erfodert,
das damen lieget ob.
2, 12, 38;
was darf ich mehres sagen?
3, 146, 57;
land und leute zu beschauen, zieret einen edelman;
nur so weit, so weit er sonsten noch was mehres weisz und kan.
257, 229;
der bleibet ewig arm, der stets nach mehrem tracht.
pers. baumgarten, ged. der vorrede;
du (Venus) must den hals beziehn
mit schnee, das haar mit gold, die lippen mit rubin,
die schoosz mit helfenbein. noch mehres: du kanst stiften,
dasz frische schönheit wächst aus hartem stein und grüften.
Lohenstein in d. auserles. ged. 1, 260;
mit ausdrücklicher vergleichung:
ein geizhals gibt, nimmt, heischt, ein mehres als er leiht.
Logau 1, 232, 67;
ein handel ist, der heist: ich gebe, das du thust;
drum kümmts, dasz frauen-wahr, als andre mehres kost.
2, 126, 36;
mit mehrem, dafür auch mit mehren: will ich von der insel etwas mit mehren gedenken, weil meines wissens wenig darvon geschrieben ist. pers. reisebeschr. 2, 3; wie ich dann solches .. in meiner reisebeschreibung .. mit mehren erwehnet. pers. rosenth. 6, 3 anm.; wie ich darvon an einem andern orte mit mehren erwehnet. 7, 9, anm. a.
8)
mehr, ohne flexion, als subst. neutr., mit theilungsgenitiv; die vergleichung ist ausdrücklich oder stillschweigend verstanden: mhd.
vil mêre fröiden ich ir gan,
dann ich mir selben gunde.
minnes. frühl. 198, 26;
daʒ meine ich an die frowen mîn:
dâ muoʒ noch mêre trôstes sîn.
Walther 92, 18;
er sah sô vil gesteines,   sô wir hœren sagen,
hundert kanzwagene   eʒ heten niht getragen;
noch mê des rôten goldes   von Niblunge lant.
Nib. 93, 3;
nhd. ein metziger hat mehr hirnes uf seiner teschen dan er in dem kopf hat. Keisersberg narrensch. 51ᵇ; weiszestu nicht, das hernach möcht mehr jamers werden? 2 Sam. 2, 26; der wald frasz viel mehr volks des tags, denn das schwert frasz. 18, 8; du hast mehr weisheit und guts, denn das gerücht ist, das ich gehört habe. 1 kön. 10, 7; auch holz und steine hab ich geschickt, des magstu noch mehr machen. 1 chron. 23, 14; hat nu mein vater auf euch zu schwere joch geladen, so wil ich ewrs jochs mehr machen. 2 chron. 10, 11; und jr macht des zorns uber Israel noch mehr, das jr den sabbath brecht. Neh. 13, 18; mehr lieb und gutes willens tragen. Fischart ehz. 63; wan ich noch in der welt were, wolte ich mehr wunders anstiften, als zuvor jemahlen. Philander 1, 214; da diese blutschänderin, ihr hurenkind informirt hatte, dasz sie dem guten frommen Johanni den kopf abtanzen solle, damit sie solcher predigten hinfüro nicht mehr hören dürfte. Schuppius 14; ich habe der fälle mehr erlebt. Gotter 3, 21;
ei schneid sie (die ohren) im ab zu halben zil!
er hat ir dennoch mer dann zu vil.
fastn. sp. 188, 4;
das schad nit mer schadens geper.
H. Sachs 3, 2, 104ᵈ;
er hat mer gelz (geldes) wan wir all vir.
dessen fastn. sp. 2, 7, 209;
doch hab ich immer sagen hören, dasz
geberdenspäher und geschichtenträger
des übels mehr auf dieser welt gethan,
als gift und dolch in mörders hand nicht konnten.
Schiller Carlos 1, 1;
nein, weil der gnädge herr so gutes sinnes ist,
musz man ihn hindern, mehr (der schulden) zu machen.
Gotter 1, 195;
ich seh im busch der kleinen feuer mehr.
Göthe 2, 147;
das zu mehr mit dem theilungsgenitiv im plur. gehörige verbum steht im sing.: nicht hat euch der herr angenomen und euch erwelet, das ewr mehr were denn alle völker, denn du bist das wenigst unter allen völkern. 5 Mos. 7, 7; dieses volks ist mehr denn ich bin. 17; da fiel das haus auf die fürsten, und auf alles volk das drinnen war, das der todten mehr war, die in seinem tod storben, denn die bei seinem leben storben. richt. 16, 30; er sprach, fürchte dich nicht, denn der ist mehr, die bei uns sind, denn der, die bei jnen sind. 2 kön. 6, 16; jr ist mehr denn har auf meinem heubt. ps. 40, 13; wie mhd.
die daʒ rehte singen stœrent,
der ist ungelîche mêre
danne die eʒ gerne hœrent.
Walther 65, 10;
oder, näher an den erwähnten theilungsgenitiv angeschlossen, im plur.: jr seid aufgetreten an ewr veter stat, das der sündiger deste mehr seien. 4 Mos. 32, 14; ich schreibe gar nicht gern mehr briefe. es liegen ihrer mehr, als ein halbes hundert, auf dem fenster, wie ich seit ostern hätte beantworten sollen. Gellert 4, 165; dasz der kranken mehr, wie der gesunden sind. Klinger 11, 139; seht Genueser! der feigen waren mehr, denn der streitbaren, der dummen mehr, denn der klugen. Schiller Fiesko 2, 8; vergl. mhd.
bî im sâʒen mêre der sînes vater manne.
Gudr. 1288, 3;
mehr mit je, in doppelgliedriger rede: das gemeine sprichwort lautet: je mehr kinder, je mehr glücks. Luther tischr. 3, 12 Förstemann; jehr mehr unversöhnlicher rachgieriger köpfe ihr in der welt sehet, die es machen wie ihr, je mehr denket, dasz der jüngste tag nahe sei. Schuppius 289.
9)
mehr mit apposition des substantivs; im nom. oder acc.: wenn man jm vierzig schlege gegeben hat, sol man nicht mehr schlahen, auf das nicht, so man mehr schlege gibt, er zu viel geschlagen werde. 5 Mos. 25, 3; David nam noch mehr weiber. 2 Sam. 5, 13; die einsame hat mehr kinder, weder die den man hat. Jes. 54, 1; es waren mehr schiff bei jm. Marc. 4, 36; wie Jhesus mehr jünger machet, und teufet, denn Johannes. Joh. 4, 1; als wir mehr tage da blieben. ap. gesch. 21, 10; der staat würde mehr, vielleicht bessere bürger haben. Göthe 20, 146; dasselbe mehlgewicht gibt dieses jahr etwas mehr und kräftigeres brot, als sonst. hannov. mag. 1842, s. 634; der zahlbegriff rührt hier oft an den begriff des grades oder greift in ihn über: da ist an einem narren mehr hoffnung denn an jm. spr. Sal. 26, 12; ich bin herrlich worden und hab mehr weisheit, denn alle, die vor mir gewesen sind zu Jerusalem. pred. Sal. 1, 16; es hat einer mehr sterke dann der ander, plus virium habet alius alio. Maaler 288ᶜ; ich habe mehr lust zum kriegswesen, als zum studiren. Schuppius 35; unter diesen freundschaftlichen bäumen, die mit fleisz heute mehr schatten werfen, .. weil es mein geburtstag ist. Gellert 4, 167; die beine des Porta werden abgenommen (vom borghesischen fechter), die ächten an die stelle gesetzt, und man verspricht sich, ob man gleich mit jenen bisher ganz zufrieden gewesen, nunmehr eine ganz neue anschauung und mehr harmonischen genusz. Göthe 27, 261; es hat mancher mehr glück als recht. Simrock sprichw. 200; mehr glück als verstand. 201;
mehr pflicht verbindet mich dem gatten, als den kindern.
Gotter 2, 20;
im dat. nach den präpositionen auf, aus, mit: alles was auf vier oder mehr füszen gehet. 3 Mos. 11, 42; in meiner gegenwart müssen sie mit mehr ehrerbietung von den weibern reden. Gellert 3, 237; ich will ihnen einen vorschlag thun, der ihnen aus mehr, als éiner ursache lieb sein musz. 262; von einiger höhe konnte der wanderer nun das gebäude nebst seiner lage mit so mehr interesse überschauen, als ihm dessen bewohner immer merkwürdiger geworden. Göthe 21, 18;
und für den heiszen thränenflusz
will ich mit mehr als einem kuss
um euren hals euch fallen.
P. Gerhard 100, 89;
gegensätzlich zu weniger: sie hätten mehr oder weniger leute von der in ihren dorfgemeinden befindlichen anzahl begraben, als nach jener regel hätten sterben sollen. Möser patr. phant. 1, 96; man sucht sich von dem mehr oder weniger gehalt dieser und jener steinart durch den sichertrog zu unterrichten. Göthe 51, 117; je nachdem nun dieses selbstthätige princip (die moralische anlage) in einem gemüth sich entwickelt hat, wird der leidenden natur mehr oder weniger selbstthätigkeit im affekt übrig bleiben. Schiller hist.-krit. ausg. 10, 164; ein wenig mehr, plusculus: sie haben ein wenig mehr verstand, plusculum habent rationis. Frisch 1, 654ᶜ; sie müssen ein wenig mehr hausrath haben, pluscula suppellectile illis opus est. ebenda; etwas mehr: er sollte etwas mehr geld zum leben haben; dieses mehr auch mit je in zweigliedriger rede (vergl. oben 8 a. e.): je mehr wort, je minder werk: je mehr geschrei, je minder woll: je mehr geschwätz, je minder herz: je mehr schein, je minder goldt. Philander 1, 6; dan je mehr man doctores zu einem kranken berufet, je ärger wird es mit jhm, und jemehr kostet es jhm. 182;
und je mehr leut da sind vorhanden,
so vil bring du jn eh zu schanden.
Grobian. B 4ᵇ (v. 508).
10)
solches mehr steht auch umgeben von flectierten adjectiven: er weis fast wol, was er noch am rocken hat, in der vorrede aufs Emsers newe testament, und andern mehr schriften. Luther 6, 7ᵃ; mit solchen und andern mehr worten, warf sie jm sein elend für. Tob. 2, 23; und kommen sonst viel andere mehr gesellen zu mir. Götz v. Berl. 76; dasz etlich verlogene leuth ... mich des grafen halben, und vielleicht in andern mehr meinen händeln ... verunglimpfen wolten. 180; neben vilen mehr frefeln. Fischart bienk. 206ᵇ;
in Frankreich, welschem land, und andern mehr revieren.
D. v. d. Werder Ariost 11, 24, 1;
in der verbindung andere mehr ohne substantiv, wo mehr an adverbiale geltung streift (unten nr. 13): die lieben heiligen väter Ambrosius, Hilarius, Augustinus und Athanasius und andere mehr. Luther tischr. 1, 12 Förstemann; dasz sie mancherlei irrthum und ketzerei anrichten zu ihrem eigenen verdammnis und anderes viel mehr. 3, 1; er schreib auch den von Sparta, und an andere ort mehr. 1 Macc. 12, 2; dis und anders mehr, das Jason in fünf büchern verzeichnet. 2 Macc. 2, 24; und viel anders mehr vermanet und verkündiget er dem volk. Luc. 3, 18; sagt und singt sie also ... mit anderen liedlin mehr. Fischart bienk. 179ᵃ; dasz er zu Neapolis, sampt Friderichen herzogen von Oestereich, und andern mehr, .. ward enthaupt. 215ᵇ; als solcher (waffenstillstand) geschlossen, wurde ich und andere mehr durch fuszvölker abgelöst. Simpl. 3, 249 Kurz;
denk dasz du wohl andre mehr
unverschuldter hast geschossen.
Philander 1 (1642) 97.
11)
das neutr. mehr absolut zu verben gestellt und zusammenfassend in bezug auf eine zahl von personen: und es glückt jm, und erwürget in den zweien festungen mehr denn zwenzig tausent man. 2 Macc. 10, 23; mehr denn zehen tausent stark. 12, 19; du aber trawe jnen nicht, denn es halten auf jn mehr denn vierzig menner unter jnen. ap. gesch. 23, 21; darnach ist er gesehen worden von mehr denn fünfhundert brüdern auf ein mal. 1 Cor. 15, 6;
si fuorten doch niht mêre   niwan tûsent man.
Nib. 196, 1;
immer neue lechzende auf erden
aufzusuchen, macht die welt zur last,
da dir mehr schon izt begegnen werden,
als du zu erquicken wasser hast.
Gökingk 3, 109;
von dingen: der herr hat noch mehr denn des ist, das er dir geben kan. 2 chron. 25, 9; einer teilet aus, und hat jmer mehr, ein ander karget, da er nicht sol, und wird doch ermer. spr. Sal. 11, 24; das Ahab mehr thet den herrn den gott Israel zu erzürnen, denn alle könige die vor jm gewesen waren. 1 kön. 16, 33; er hette noch wol mehr an dir zu thun. Hiob 11, 6; ich weis, du wirst mehr thun, denn ich sage. Philemon 21; denn dir ist vor mehr befohlen, weder du kanst ausrichten. Sir. 3, 25; da aber die ersten kamen, meineten sie, sie würden mehr empfahen, und sie empfiengen auch ein jglicher seinen grosschen. Matth. 20, 10; diese arme widwe hat mehr in den gotteskasten gelegt, denn alle die eingelegt haben. Marc. 12, 43; mehr wil ich nicht sagen. Luther 6, 7ᵃ; der kaiser fuhre fort, .. und wolte noch mehr reden. Schuppius 89; wann ein wolbeladenes schiff ankömt, das macht mehr als wann hundert wagen zu lande kämen. 93; ich halte dafür, dasz der weinhandel der stadt Hamburg oder Lübeck mehr eintrage, als manchem fürsten oder grafen sein ganz fürstenthumb oder grafschaft. 122; ich will ihnen mehr halten, als ich verspreche. Gellert 3, 215; sie wird doch nicht mehr fordern, als sie braucht. 234; sie hat noch mehr zu ertragen. 261; es mag sein, dasz ich nur funfzigtausend thaler im vermögen habe; dem ungeachtet werde ich stets von hunderttausend thalern sprechen. leute von stande müssen allemal mehr haben, als sie haben. 274; mehr will ich ihnen nicht sagen. 4, 165; Aemilie wird vermuthlich gewaltig viel an der frau gouverneurinn, und noch mehr an dem armen zärtlichen cosakenmädchen auszusetzen haben. 173; sie sagte mir ihre gründe, ursachen und die bedingungen, unter welchen sie bereit wäre alles heraus zu geben, und mehr als wir verlangten. Göthe 16, 5; meine mutter war reich von sich, verzehrte aber doch mehr, als sie sollte. 20, 50; sprichwörtlich dazu gehört mehr als brot essen. Simrock sprichw. 69; er kannte mehr als das vaterunser. Zingerle sagen 309; er konnte noch mehr als birnen sieden und die stengel nicht nasz machen. 313;
mein bulen tregt mehr, denn dein spiel.
H. Sachs fastn. sp. 1, 59, 158;
sie haist mich ein esel, narrn und dropfen.
das leid ich denoch und vil mer.
151, 145;
wer mehr will verzehren,
denn sein pflug kan ernehren,
der wird zu letzt verderben,
oder vielleicht am galgen sterben (sprichwort).
L. Sandrub kurzweil (1618) 121;
herr, der du mir wirst schenken
mehr, als mit meiner seelen
ich wünschen kann und zählen.
P. Gerhard 144, 89;
denn das ist meine pflicht,
in meinem ganzen leben
dir lob und dank zu geben;
mehr hab und kann ich nicht.
180, 8;
ergreif mein herz und schleusz es ein
in dir und deiner liebe schrein!
mehr will ich nicht begehren.
47, 24;
er legt dir mehr nicht auf, als du zu tragen weist.
stell etwas schöneres als die Tiziane kennen,
mehr als den schönsten traum der fantasie dir vor.
Wieland 17, 49 (Idris 1, 70);
der eremit, der mehr gestehen soll,
stockt, weigert sich, scheut sich zu sprechen.
Lessing 1, 120;
freund, was du hast,
tisch auf dem gast;
der mehr begehrt,
ist brod nicht werth!
Mildheim. liederb. nr. 469, 5;
und mögt ihr flehend oder nicht vor mir
erscheinen, ihr erhaltet weder mehr
noch minder.
Schiller Iphig. 4, 3;
je mehr, desto mehr:
habt ir vil klaider sampt den weiben,
habn die maid dest mer auszureiben
und habn die schabn dest mer zu fressen.
H. Sachs fastn. sp. 2, 32, 199;
mehr und mehr:
als duͦnt ouch die, den jr boszheit
gott lang uff besserung vertreit,
und sie doch täglich mehr und mehr
uff laden.
Brant narrensch. 25, 7;
auf mehr begierig sein; nach mehr gelüsten, verlangen; das schmeckt nach mehr, meiner treu! Engel d. dankb. sohn 20;
schmeckt dir mein kusz? ich denks; die heiszen lippen glühten
nach mehr.
Göthe 7, 34;
mehr in verbindung mit von rührt an mehr mit dem theilungsgenitiv (oben 8):
freund, hier hienausz wird mehr von lust gespüret
da Föbus her aus jungen morgen scheint.
sein aufgeweckter sinn,
der stund von wiegen an schon allbereit dahinn,
wo mehr von künsten ist.
136;
ach, und die zarte schonung, die man zeigte,
sie hatte mehr vom mitleid als der gunst.
Schiller Piccol. 2, 2.
12)
adverbiale verwendung von mehr; so bei zahlen, wo es steigernd ein drüber ausdrückt:
nû reit diu vrouwe mit ir man
wol drî mîle oder mê.
Iwein 2959,
wol vierzec jâr hab ich gesungen oder mê
von minnen und als ieman sol.
Walther 66, 27;
so jr aber uber das noch nicht mir gehorchet, so wil ichs noch sieben mal mehr machen, euch zu strafen umb ewre sünde. 3 Mos. 26, 18; bekeret euch nu, und vleisziget euch zehen mal mehr, den herrn zu suchen. Baruch 4, 28;
schon denkt er sich die scheuren voll,
und noch ein gut theil mehr.
Mildheim. liederb. nr. 386, 3;
nun schien er schon was mehr zu sein.
Göthe 5, 14;
das kostet zehn mark mehr, er bot fünf gulden mehr; er wollte die hälfte mehr bezahlen; das halbteil mer, dimidio plus. Maaler 288ᶜ; um die hälfte mehr, dimidio pluris. Stieler 2372; ich werde ihnen zu ehren heute .. ein glas wein mehr trinken. Gellert 4, 169; thun sie, als wenn ihnen die feinde funfzig thaler mehr gekostet hätten. 3, 272.
13)
oder auch nur nebensetzend ein ferner, weiter: was bittestu, das man dir gebe? und was fodderstu mehr, das man thue? Esther 9, 12; unser vater ist alt, und ist kein man mehr auf erden, der uns beschlafen müge. 1 Mos. 19, 31; du hasts gesehen, auf das du wissest, das der herr allein gott ist, und keiner mehr. 5 Mos. 4, 35; was nutzes und frommens brächte es uns mehr uber gottes gebot und verheiszung. Luther tischr. 2, 162 Förstemann; zuͦ dem seind sie jm selbs, und jederman ein last, dasz niemandts mehr gern umb sie ist, als die allzeit traurig, saur sehen. Agricola spr. 300ᵇ; ein verlasznes geschöpf mehr in der welt! werden sie sagen. Göthe 19, 86;
wenn sorge, gram und leid,
und was euch mehr will tödten,
euch in das herze schneidt.
P. Gerhard 267, 3;
gern in verbindung mit niemand, nichts, kein (unterschieden von unten 22): und es war niemand mehr aus dem hause Ahasja der könig würde. 2 chron. 22, 9; weiszestu mir sonst nichts mehr zu leid zu thun, als die alte stücklein, darumb ich mich ohne dasz jetzt genug leiden musz, vorzurücken? Philander 1, 210; Otto soll den vorsatz gefasset haben, denen pfaffen mehr nichts, als die zehenden .. in händen zu lassen. Hahn hist. (1724) 4, 123; überlegen sie wohl, ob nichts mehr, als die liebe, an dieser wahl antheil hat? Gellert 3, 216; nichts mehr! kein wort mehr! es ist am tag. Schiller Fiesko 1, 1; sei ganz ruhig. es ist nichts mehr, denn ein possenspiel. 2, 9;
nune haben wir niemen mêre,
der dâ ze kemenâten
umbe uns türre râten.
Iwein 5210;
thu dir selber nemen
einen gemahel zu der ehe!
die hab denn lieb und keine meh!
H. Sachs fastn. sp. 1, 67, 465;
das meiste, das man triebe (als klage gegen Jesus),
war, dasz er nichts mehr thu und lehr,
als was die unterthanen kehr
vons kaisers pflicht und liebe.
P. Gerhard 34, 136;
der eitle wohn, der kitzel fremder sachen,
die doch nichts mehr als wind und schatten sein.
was du bisher verhandelt mit dem feind,
hätt alles auch recht gut geschehn sein können,
wenn du nichts mehr damit gewollt, als ihn
zum besten haben.
Schiller Piccol. 2, 5;
in der frage was mehr? wer mehr?: was ist es mer oder weiter, quid caeterum? Maaler 288ᶜ; es ist wol war, dasz unser herr nicht befohlen hat, dasz mans solle anbetten .. aber was ist es mehr? Fischart bienk. 174ᵃ; sind schon seine kinder todt, was ist das mehr? er ist noch in seinem besten alter, er kan wol wieder kinder zeugen. Schuppius 160; was ist es denn aber mehr, ein goldgülden bleibet ein goldgülden, und lege er auch gleich in der cloaca. 541; sollte er auch schon dabei entdecken, dasz meine regeln mit seiner ausübung nicht allezeit übereinstimmen: was ist es mehr? Lessing 5, 357; was denn nun mehr, wenn auch ein bischoff, wenn ein diakonus, wenn eine heilige witwe oder jungfrau, wenn ein lehrer, wenn sogar ein märtyrer von der regel abgefallen ist? 11, 83;
gesetzt, dasz Doris auch es dem Damöt vertraut;
was ist es denn nun mehr? sie sagt es ja nicht laut.
Gellert 1, 109;
Zeus. ein wort — und er wirft seine gottheit ab,
wird fleisch und blut und stirbt und wird geliebt.
Sem. das thäte Zeus? Z. sprich, Semele, was mehr?
Apollo selbst gestand, es sei entzücken,
mensch unter menschen sein.
Schiller Semele v. 482;
gräfin. das ist euch
noch gar nicht eingefallen, glaub ich. Thekla. was denn?
gr. dasz ihr des fürsten Friedland tochter seid.
Th. nun? und was mehr?
Piccol. 3, 8;
nun gut, nun gut. sein tod war zufall, bloszer zufall. sie versichern es; und ich glaub es. aber wer mehr? auch die mutter? auch Emilia? auch die welt? Lessing 2, 160 (die handschrift: aber wer mehr? wer wird es mehr glauben?);
ich bin ein mann! wer ist es mehr?
Schiller hist.-krit. ausg. 1, 267;
was ist er ihnen schuldig? wem ist er mehr schuldig? Lessing 1, 534; Franz. Bamberg, und zehn meilen in die runde, entbieten euch ein tausendfaches: gott grüsz euch! Weisl. willkommen, Franz! was bringst du mehr? Göthe 8, 47; mehr in kurzer weise einen satz beginnend: auch der cardinal Bibienna (war ein poet), so die lustige comedien Caliandra erdichtet hat .. mehr Balthasar Castilion, den bapst Clemens an kaiser Carln den fünften in Spanien gesandtensweise verschickete. Opitz 1, vorrede 7ᵇ.
14)
mehr eine höhere zahl bezeichnend bei vergleichungen von masz, zeit, werth: da er bei jnen mehr denn zehen tage gewesen war. ap. gesch. 25, 6; mehr als ein viertelstund gieng vorüber, bisz er die reverenz .. verrichtet. Philander 1, 262; welchen weg sie aber verloren, und nun nicht mehr als zween (wege) finden köndten. 284; nachdem sie .. einander mit fewerstrahlendem gesichte mehr als eine stund starr in die augen hinein sahen. 417; dasz er mehr als einmal von dem vorsatz abzustehn im begriff war. Göthe 20, 141;
ros unde cleider   daʒ stoup in von der hant,
sam si ze lebne hêten   niht mêr wan einen tac.
Nib. 42, 3;
das kostet mehr als zwanzig mark; es ist mehr werth als nur so viel; du (eiserne hand Götzens), mehr werth als reliquienhand. Göthe 8, 16;
wir sind von erd und halten wert
viel mehr, was hier ist auf der erd,
als was im himmel wohnet.
P. Gerhard 23, 27;
in den formeln wie viel mehr, um wie viel mehr u. ähnl., dem goth. hvaiva mais, hvan filu mais entsprechend, wo der zahlbegriff in den gradbegriff (nachher 15) übergreift: wie solte nicht viel mehr das ampt, das den geist gibt, klarheit haben? denn so das ampt, das die verdamnis prediget, klarheit hat, viel mehr hat das ampt, das die gerechtigkeit prediget, uberschwengliche klarheit. 2 Cor. 3, 8. 9 (goth. hvaiva nei mais andbahti ahmins vairþai in vulþau? jabai auk andbahti vargiþôs vulþus, und filu mais ufarist andbahti garaihteins us vulþau); haben sie den hausvater Beelzebub geheiszen, wie viel mehr werden sie seine hausgenossen also heiszen? Matth. 10, 25 (und hvan filu mais þans innakundans is); sihe, weil ich noch heute mit euch lebe, seid jr ungehorsam gewest wider den herrn, wie viel mehr nach meinem tode. 5 Mos. 31, 27; sihe unter seinen heiligen ist keiner on taddel ... wie viel mehr ein mensch, der ein grewel und schnöde ist. Hiob 15, 16.
15)
mehr, in andern vergleichungen einen höhern grad, und die stärke eines nachfolgenden adjectiv- oder adverbbegriffes als über das blos einfache hinaus hervorhebend: das ist mehr als schlimm, schlimm in hohem masze; es ist mehr als genug; diese fügung erscheint alt: du wirst mer dann genuͦg erwarmen, uberausz genuͦg, jam calesces plus satis. Maaler 288ᶜ; gon nit mer dan endlichen (flink). Ulensp. 66, s. 97 Lappenberg;
die tauben warend mer dann keck,
sie wolten ie vom schlosz nit weck,
ich muͦsz in lob verjehen.
Uhland volksl. 473 (von 1512);
diese wilden hatten eine mehr als menschliche statur. Wieland 12, 248; zwischen zweien mehr als mannshohen myrtenwänden. 27, 136; ich würde mehr als gelassen sein, wenn ich nur auf den einflusz sähe, den der ausgang auf mein schicksal haben kann. Gotter 3, 22; dessen haar-chignon sich mit einer geblümten ledernen schwarte mehr als zu prächtig besohlet. J. Paul uns. loge 3, 156; du hagels Hans Joggi, sagte sie, das salz ist mehr als gut für dich. J. Gotthelf schuldenbuch 216;
das hundert war schon mehr als voll.
Lessing 1, 120;
o tag, o froher tag! o mehr als goldne stunden,
in euch sahn götter nur mich ohne misgunst an!
Wieland 17, 51 (Idris 1, 74);
ihr nicht einmal das ohr zu leihn,
das wär auch mehr, als ungefällig!
Gotter 1, 441;
das ist mehr als zu viel; es ist mehr dann zuviel, mehr dann genug, plus nimio, ultra quam satis est. Stieler 2372; mehr als zuviel fragen, satis superque interrogare. Steinbach 2, 48; du kommst noch mehr als zu früh; bei substantiven:
er, welchen die natur zu ihrem mahler wählet,
und ihn, ein mehr als mensch zu sein,
mit jenem feur beseelet ...
Lessing 1, 172.
16)
auch vergleichend zu zwei adjectiven gestellt, um den höhern grad des éinen begriffes hervorzuheben: er sprach mehr aufrichtig, als klug; das kästchen zeigte sich mehr breit als hoch; als ein schöner groszer mann trat er auf, mehr schlank als stark. Göthe 26, 67; bettelte sie ein mensch an, der mehr frech als bedürftig aussah. 17, 72;
(sie) drückte
mich an den busen, mehr mit schmerzlicher
als zärtlicher bewegung.
Schiller Piccol. 2, 2;
er könnte mich leicht für mehr eitel, als tugendhaft, halten. Lessing 2, 139 (in der handschrift für eitler als tugendhaft, wie denn in der prosa des vorigen jahrhunderts oft der comparativ an stelle dieser fügung steht: ernster als lieblich. Göthe 8, 297; eine grosze felsenmasse, breiter als hoch. 28, 105); mit doppeltem mehr:
jahr aus jahr ein reimt Cytharist
zweihundert vers in einem tage;
doch drucken läszt er nichts. entscheidet mir die frage,
ob er mehr klug, mehr unklug ist.
Lessing 1, 25;
mehr in solcher stellung zu satztheilen: er hatte diese rede .. folgen lassen, mehr in dem innern behaglichen gefühl, dasz er sich uns von einer vortheilhaften seite zeige, als mit dem ton einer bigotten belehrungssucht. Göthe 16, 295; es schien, dasz er mehr aus verzweiflung als aus neigung, mehr überrascht als mit überlegung, mehr aus langer weile als aus vorsatz, ihren wünschen begegnet sei. 20, 68.
17)
mehr kann den comparativ bei participien umschreiben, wenn sie selbst ganz in adjective stellung übergetreten sind: für diesen dienst .. bin ich ihnen weit mehr verbunden, als für alle wartung. Gellert 3, 256; man ist mit niemand mehr geplagt als mit den dienstboten. Göthe 20, 39; dasz es ... keinen mehr zehrenden pädagogischen bandwurm giebt als eine — hausfranzösin. J. Paul uns. loge 1, 36;
du hast ein weichres herz,
ein mehr besonnenes gemüth.
Platen 169;
auch bei reinen adjectiven und adverbien: in diesem sinne begann sie das gespräch mit ihrem gemahl, um so mehr offen und zuversichtlich, als sie empfand, dasz die sache ein für allemal abgethan werden müsse. Göthe 17, 164; wie oft mag sie versucht haben ... ihre sinnlichkeit zur ruhe zu singen mit liedchen, die sie nur mehr wach erhalten muszten. 19, 92; ich habe noch manches zu eröffnen, damit meine lage ihnen noch mehr wundersam erscheine. 23, 191; und dir ist vaterland mehr als die fremde fremd. 57, 30; und mehr tritt bisweilen im verein mit dem comparativ auf: die ehemänner sahe ich da mit ketten und banden umbgeben, in welchen sie oftmal mehr unsinniger waren als die narren alle. Philander 1 (1677), 157; welches ohne zweifel eine mehr schicklichere ursache von der gevierten anzahl der evangelisten ist, als die, welche Irenäus angiebt. Lessing 11, 598;
mehr als moschus sind die düfte
und als rosenöl dir lieber.
Göthe 5, 24;
mehr im gegensatz zu weniger: man ist hierin nach beschaffenheit der zeiten mehr oder weniger streng gewesen. Klopstock 12, 13.
18)
mehr, in höherem grade, bei substantiven: es war mehr spasz als ernst; er ist mehr künstler als gelehrter; von den zwei brüdern war der eine mehr grübler, der andere mehr kaufmann; sei auf deine grösze ... so stolz als du willst: sprach der sperling zu dem strausze. ich bin doch mehr ein vogel als du. Lessing 1, 137; der dichter .. eines kleinen verliebten gesanges ist mehr ein genie, als der schwunglose schreiber einer langen Hermaniade. ebenda.
19)
bei verben: wenn aber der richter gestarb, so wandten sie sich, und verderbeten es mehr denn jre veter, das sie andern göttern folgeten. richt. 2, 19; da huben sie jre stimme auf, und weineten noch mehr. Ruth 1, 14; wenn menschen wider dich wüeten, so legestu ehre ein, und wenn sie noch mehr wüeten, bistu auch noch gerüst. ps. 76, 11; so kanstu ihn mehr züchtigen. spr. Sal. 19, 19; da lobet ich die todten die schon gestorben waren, mehr denn die lebendigen. pred. Sal. 4, 2; wer vater und mutter mehr liebet, denn mich. Matth. 10, 37; richtet jr selbs, obs fur gott recht sei, das wir euch mehr gehorchen denn gott. ap. gesch. 4, 19; ich habe mehr geerbeitet, ich habe mehr schläge erlidden, ich bin ofter gefangen. 2 Cor. 11, 23; sie werden zwar von den teufeln etwas mehr respectirt und gewillfahrt als jene. Philander 1, 312; ich hätte gemeint, sie solte mir mehr gehorsamen! 375; ich habe dir mehr, als sich gehöret, nachgegeben, ultra tibi, quam oportebat, indulsi. Stieler 2372; dergleichen geringes glück hatten auch die übrige kerl von meinem ganzen regiment, doch einer mehr als der ander. Simpl. 3, 231 Kurz; eine bittre arznei mehr scheuen, als die krankheit. Gellert 5, 191; ich hätt meine tochter mehr koram nehmen sollen. Schiller kab. u. liebe 1, 1;
daʒ ich si mê mit rehten triuwen meine
dann iemen kunde wiʒʒen zal.
minnes. frühl. 106, 29;
man sol ja preisen zucht und ehr,
gesundtheit aber allzeit mehr.
Grobian. D 4ᵇ (v. 1029);
(dasz) ihr ehr und würd auch immerhin
sich mehr und wol erkleibe.
P. Gerhard 189, 49;
wenn es (das gewissen) diesz zu thun befiehlet, oder das zu unterlassen,
diesz mehr als den himmel suchen, das mehr als die hölle scheun (lehre mich).
Hagedorn 1, 2;
wie mehrte sich im umgang das verlangen,
sich mehr zu kennen, mehr sich zu verstehn!
Göthe 9, 179;
das ist mehr noth als jenes; das thut mir mehr leid, als ich sagen kann; er hatte mehr angst, als er sich merken liesz; das kann wohl geschehen ... bei menschen, die nur dunkel vor sich hinleben, nicht bei solchen, die schon durch erfahrung aufgeklärt sich mehr bewuszt sind. Göthe 17, 12;
hat doch Elisa todtenbein,
was todt war, auferwecket:
viel mehr wirst du, den trost hab ich,
zum leben kräftig rüsten mich.
P. Gerhard 319, 40;
'du hast nicht recht!' das mag wohl sein;
doch das zu sagen ist klein,
habe mehr recht als ich! das wird was sein.
Göthe 3, 275.
20)
verstärkungen dieses mehr in formeln, die allmäliche steigerung anzeigen.
a)
mehr und mehr: dô der kuning gesaz ûffe sînemo stuole, dô begonda mîn salbuuurz mêr unte mêr ze stinkene. Williram 19, 2 Seemüller; schemen müssen sie sich und erschrecken jmer mehr und mehr. ps. 83, 18; der erlebte schimpf des zerbrochenen beilagers schmerzte sie mehr und mehr. polit. stockf. 338; einem mehr und mehr gefallen, magis magisque placere alicui. Frisch 1, 654ᶜ; sie (meine gewissensangst) kam schrecklicher zurück, wie meine kräfte mehr und mehr ermatteten. Schiller hist.-krit. ausg. 4, 73;
hi als (immer) dein leben dazu ker,
sölch streiten lernen mer und mer.
Myrta, ja ich lieb dich sehr,
und ich lieb dich mehr und mehr.
weistu, wannenher die stadt
mehr und mehr das land so hasset?
Logau 1, 17;
und mehr und mehr   tödt und zerstör
in mir des fleisches sünde.
P. Gerhard 44, 31;
mehr
und mehr verwöhnt sich das gemüth.
Göthe 9, 141;
je mehr, je mehr und mehr: Paulus aber ward je mehr kreftiger. ap. gesch. 9, 22;
vil ungefuoge si dô schrei,
wan ir was wirs danne wê:
si schrei ie mê unde mê.
Wackernagels leseb. 1 (1873), 817, 15;
wan von tage zu tage ye mer und mer nimpt abe die menschliche natur. A. v. Eybe 44ᵃ; die ding je mehr und mehr zu herzen nam. Galmy 29; dardurch der neidt seiner widersächer je mehr und mehr sich mehret. 61; der herr segne euch je mehr und mehr. ps. 115, 14;
es wird der kranken welt jhr leichendienst bestellet,
weil sie jemehr und mehr in schwere seuchen fället.
Logau 1, 44, 69.
b)
immer mehr (vergl. dazu die bemerkungen unter immermehr th. 4², 2076): dasz ich hier bleiben soll, das will mir nun gar nicht in kopf; neckt mich immer mehr am herzen! Klinger Otto 42, 24; endlich ward er mit dem traurigen gedanken immer mehr verwandt und befreundet. Göthe 16, 155; dadurch ward sie den männern, wie von anfang so immer mehr, .. ein wahrer augentrost. 17, 68; des lieben mädchens immer mehr annäherndes zutrauliches betragen machte mich durch und durch froh. 26, 24; dies immer mehr steht neben immer mit dem comparativ, worin ebenfalls mehr steckt, vergl. th. 4², 2068. 2070: unterläszt ein solcher künstler sich an die natur zu halten und an die natur zu denken, so wird er sich immer mehr von der grundfeste der kunst entfernen, seine manier wird immer leerer und unbedeutender werden, je weiter sie sich von der einfachen nachahmung und von dem styl entfernt. Göthe 38, 186.
c)
in zweigliedriger rede je mehr — je mehr, je mehr — desto mehr: aber je mehr sie das volk druckten, je mehr sich es mehret und ausbreitet. 2 Mos. 1, 12; je mehr er aber verbot, je mehr sie es ausbreiteten. Marc. 7, 36 (goth. hvan filu is im anabauþ, mais þamma eis mêridêdun); je mehr man sie zeucht, je mehr sie anhaften. Forer fischb. 198ᵃ; je mehr man sie abmahnen thäte, je mehr liefen sie jhrem unglück entgegen. Philander 1, 292; je mehr sie (die comödie) uns an beispielen zeigt, dasz niemand die liebe recht genieszen kann, als wer vernünftig und gesittet ist; destomehr wird sie uns zu beiden eigenschaften ermuntern. Gellert 4, 158; je mehr er (der prinz) zusehends in Venedig glück machte, und neue freunde sich erwarb, desto mehr fieng er an, bei seinen älteren freunden zu verlieren. Schiller hist.-krit. ausg. 4, 269; auch so mehr — so mehr: auch so mehr der könig verstehen würde, dasz er vor andern dienern umb seiner dienst willen geneidet würde, so mehr er ihn in gnaden zu jm ziehen würde. b. d. liebe 242ᵃ; o du schändlichs glück, wer sol dir vertrauen, fürwar niemands, denn so mehr du dich freundlicher ansehen lässest, so mehr ist sich vor dir zu besorgen. 254ᵇ;
doch lacht die welt nur mehr, je mehr die Dunse schreien.
Wieland 17, 16 (Idris 1, 10);
doch ach! je mehr ich horchte, mehr und mehr
versank ich vor mir selbst.
Göthe 9, 135;
je mehr, desto mehr, auch einfach in solchen doppelgliedrigen sätzen, in denen der éine begriff in anderer steigerung erscheint, wenn dieselbe nicht geradezu versteckt ist: je mehr der mensch erbeitet zu suchen, je weniger er findet. pred. Sal. 8, 17; wenn dich ein gewaltiger wil zu sich ziehen, so wegere dich, so wird er dich deste mehr zu jm ziehen. Sir. 13, 12; wenn die leute reich sind, wird der zorn deste heftiger, und wenn der hadder lange weret, so brennets deste mehr. 28, 12; ich verwundert mich um so viel desto mehr über diese antwort, weil ich sie hinter keinen solchen baurnkerl gesucht hätte. Simpl. 3, 399 Kurz; dieser liesz sich so bald bei dem stadtschultheiszen anmelden, und beklagt sich zum allerheftigsten, dasz man in diesen verlogenen zeiten, eben an den tugendreichen erdichtungen der poeten zu reformiren, einen anfang machen wolle. welches umb so viel destomehr wol zu beobachten stünde, dann wann man den poeten diese fabelhafte inventiones benehmen thäte, würde ihren carminibus die seele selbst benommen und entzogen werden. Schuppius 571; eins glaub ich überall zu bemerken: je weiter man von der landstrasze und dem gröszern gewerbe der menschen abkömmt, je mehr in den gebirgen die menschen beschränkt, abgeschnitten und auf die allerersten bedürfnisse des lebens zurückgewiesen sind, je mehr sie sich von einem einfachen langsamen unveränderlichen erwerbe nähren; desto besser, willfähriger, freundlicher, uneigennütziger, gastfreier bei ihrer armuth hab ich sie gefunden. Göthe 16, 270; je mehr sie das haus, die menschen, die verhältnisse kennen lernte, desto lebhafter griff sie ein, desto schneller verstand sie jeden blick. 17, 69;
wie streck ich tag und nacht zu dir ausz meine hände?
du aber fleuchst, je mehr ich herr mich zu dir wende.
in kürzerer fassung:
dich trinker dürst je lenger meh.
H. Sachs fastn. sp. 1, 65, 378,
um wie viel mehr in steigernden sätzen: wenn schon der arme sein mitgefühl erregte, um wie viel mehr nicht der krüppel;
löst die erinnerung des gleichen schicksals
nicht ein verschlossnes herz zum mitleid auf?
wie mehr denn meins! in ihnen seh ich mich.
Göthe 9, 83;
um so mehr: es schwieg ihr mann ganz über diesz verhältnis, wie sie auch immer darüber geschwiegen hatte, und um so mehr war ihr angelegen, ihm durch die that zu beweisen, wie ihre gesinnungen der seinigen werth seien. 16, 156.
21)
mehr, häufiger, öfter, in bezug auf handlungen, an den begriff des höheren grades (15—20) hie und da rührend oder sogar in ihn verlaufend:
und doch bleibt was liebes immer,
so im reden, so im denken;
wie wir schöne frauenzimmer
mehr als garstige beschenken.
Göthe 3, 276;
je mehr jr wird, je mehr sie wider mich sündigen. Hosea 4, 7; das ich ... diese wort wol hundertmal bei mir selbst repetirte und je länger je mehr betrachtete. Simpl. 3, 399 Kurz;
ein rede der liute tuot mir wê:
da enkan ich niht gedulteclîchen zuo gebâren.
nu tuont siʒ alle deste mê:
si frâgent mich ze vil von mîner frouwen jâren.
minnes. frühl. 167, 15;
wie mehrfach, in sätzen, die auf die zukunft weisen: solches kann noch mehr vorkommen;
die göttin wendet lächelnd ein,
was einst geschehen sei, das könne mehr geschehen.
Wieland 10, 212;
von der vergangenheit: also hab ich mehr gesagt, und sags noch. Luther 4, 17ᵇ; ja, so ist mirs schon mehr gegangen. Göthe 11, 49; sie nahm ihre arbeit und ging auf sein zimmer, wie sie mehr zu thun pflegte. 16, 184; diese abzüge müssen rein gehalten werden, sonst würde das wasser steigen, ... wie es schon mehr geschehen ist. 229; die wolken verlieszen nach und nach die berge und theilten sich in schäfchen, die uns schon mehr ein gutes zeichen gewesen. 239;
Witege begunde in strâfen: 'daʒ hâstû mir mê getân.'
Alpharts tod 260, 4;
wir sind wol mehr so hoch gekränkt,
und hat doch gott uns drauf geschenkt
ein stündlein voller freuden.
P. Gerhard 23, 12;
ein ereignis, dessen ich schon mehr gedachte; und daher mehr gedachte, mehr erwähnte geschichte, mehr genanntes, mehr besagtes buch (auch zusammengerückt mehrgedacht, mehrerwähnt, mehrgenannt, mehrbesagt geschrieben, s. d.): sein ganzes system über die mehr besagten frösche. Wieland 20, 249; die mehr besagten milischen bauern. 262; in dem mehr gedachten aufsatze. Gökingk leben Nicolais 21.
22)
mehr, ein zeitliches ferner, weiter, hinfort bezeichnend, vorzüglich gern in verneinenden sätzen, wo es auf die unterbrochene fortsetzung einer handlung oder eines zustandes deutet; so mit niemand, nichts, kein: das niemand mehr da wonen sol. Jer. 34, 22; itzt kennt dich niemand mehr. Klinger Otto 50, 6; wenn wir verheirathet sind, fragt niemand weiter mehr nach unsern tugenden, nach unsern mängeln. Göthe 17, 114; wird etwa seine köchin kommen sein, und gesagt haben: herr, ich bin hier nichts mehr nutz. dann hier ist weder salz noch schmalz, weder kraut noch speck. Schuppius 170; ich mag nichts mehr von ihr hören und wissen. Gellert 3, 236; dem, wenn er sie verloren hatte, nichts mehr übrig blieb. Göthe 16, 183; unsern pferden dürfen wir wohl heute nichts mehr zumuthen. 262;
herr Lindholz legt sich hin und schläft in gottes namen,
weisz nichts mehr von dem leid und von dem groszen gramen,
das itzt die welt durchstreicht.
P. Gerhard 252, 2;
also kamen die kinder Benjamin wider zu derselbigen zeit, und gaben jnen die weiber, die sie hatten erhalten von den weibern Jabes zu Gilead, und funden keine mehr also. richter 21, 14; verzagt jr herz, und war kein mut mehr in jnen fur den kindern Israel. Jos. 5, 1; meine gelenke beben mir uber dem gesicht, und ich habe keine kraft mehr. Dan. 10, 16; kein prophet prediget mehr, und kein lerer lehret uns mehr. ps. 74, 9; wusten keinen rat mehr. 107, 27; man wird keinen wein mehr keltern. Jer. 48, 33; ich meine ja, sprach der teufel, es seye keine gerechtigkeit mehr auf erden. Philander 1, 27; grosze herrn .. gerathen endlich dahin, dasz sie gar zu suspicios und argwönisch werden, und keinem menschen mehr trauen. Schuppius 42; ich weis kein wort mehr von unserer ganzen unterredung. Gellert 3, 228; ich will .. meine muhme an meinen mündel, herrn Simon, verheirathen: so bekömmt sie doch einen mann mit gelde. und meine frau hat alsdann keine ursache mehr, für sie zu sorgen. 235; verlieren sie kein wort mehr. 283; sie werden auch keinen pfennig mehr von mir bekommen. C. E. König bei Lessing 13, 243; weh mir! .. kein sohn mehr! kein sohn mehr! Schiller hist.-krit. ausg. 2, 321 (räuber, trauersp. 5, 5): die sache war im hause nun kein geheimnis mehr. Göthe 20, 63; die vorstellungen machten ihm keine illusion mehr. 115;
wo dyser frid pleibet bestendig
bei in jm herzen und auszwendig,
so hats kain not mer auf der erdt.
H. Sachs fastn. sp. 1, 35, 433;
wilt du geheiszen sein mein sun,
so solstu mir kein spiel mehr thun
umb kein gelt.
72, 90;
da war es mit den gesten ausz,
und blib jr keiner mehr im hausz.
Grobian. H 3ᵇ (v. 2033);
mit nicht: das alles volk höre und fürchte sich, und nicht mehr vermessen sei. 5 Mos. 17, 13; der weintretter wird nicht mehr sein lied singen. Jer. 48, 33; und wir die nacht uber ganz nicht mehr, oder doch sehr wenig schlafen kundten. Philander 1, 129; auch ist dieses nit mehr eine alte gewonheit. 327; groszvater, der bunte rock, den ihr hiebevor mir habt machen lassen, ist nun ganz zerrissen. ich kan ihn nicht mehr anziehen. Schuppius 172; ich begehre nicht mehr zu euch zu kommen. ebenda; als er ihm aber .. klagte, dasz er in unglück gerahten seie, da sagte er nicht mehr: vetter Johann, kommt herein. 224; schlagen sie mir wirklich ihr herz ab? darf ich gar nicht mehr hoffen? Gellert 3, 218; sie haben in ihrem letzten briefe einen trost von mir verlangt, und ich will wünschen, dasz sie ihn itzt nicht mehr bedürfen. 4, 173; ich wandelte auszer mir, nicht mehr derselbe, noch lange zwischen den bäumen herum, that freudensprünge wie ein knabe. Heinse Ardingh. 2, 43; ich will mich bessern, will nicht mehr das biszchen übel, das uns das schicksal vorlegt, wiederkäuen. Göthe 16, 5; das spiel dauerte nicht lange mehr. 209; erinnern sie sich des gemähldes nicht mehr, das ihnen so reizend war? 20, 122; es ist nicht mehr zeit, dasz du deine eigenen jahre und die jahre anderer vergeudest. 140; Mignon klettert und springt nicht mehr. 178;
an stat, dasz wier sie itzund köndten küssen,
du Wirien, dein auszerwehltes lieb,
ich Balthien, die mich mehr nicht läszt grüszen.
wenn ich und du ihn nicht mehr spüren.
P. Gerhard 276, 61;
denn erstlich lebt er manche stund;
und da er nicht mehr leben kunnt,
bedacht er sich, und starbe.
von weitem schon gefiel mir Phasis sehr:
nun ich sie in der nähe
von zeit zu zeiten sehe,
gefällt sie mir — auch nicht von weitem mehr.
Lessing 1, 12;
Laura, die grazie,
liebt das dörfchen nicht mehr.
Hölty 70 Hölty;
Gretchen, sonst so rasch gedreht,
Gretchen geht nicht mehr zu tanze.
Mildheim. liederb. nr. 233, 7;
nicht mehr sein, kein leben mehr haben, gestorben sein:
die alten, die nun nicht mehr sind,
die haben ihn gepreiset.
P. Gerhard 209, 29;
der ewigkeiten nachhall klage:
er ist nicht mehr!
Ramler 2, 169;
warum hastu drein geschrieben, das der könig von Babel werde komen, und dis land verderben, und machen, das weder leute noch vieh drinnen mehr sein werden? Jer. 36, 29; es ist yetz weder treüw noch glaub mer, es ist der waarheit nit gleich, jam fides abiit. Maaler 228ᶜ; izt fürcht ich weder quaal noch entzücken mehr. Schiller Fiesko 5, 13.
23)
seltener auszerhalb der verneinung eine fortdauer der zeit bezeichnend, wie nunmehr noch, weiter noch: dasz ich vor mattigkeit kaum die lippen mehr bewegen kann. Gellert 3, 241; Gradiska konnte sich kaum vierzehn tage mehr halten. Schiller hist.-krit. ausg. 4, 144;
edel kompt von eitel her,
nicht von adel her. und adel
heiszet so viel als, ohn tadel.
das ist edel selten mehr.
Philander 1, 333;
ist er (Jesus) ein falscher lerer gewesen, .. so ist er drumb gestraft, hat sein recht drumb empfangen, mit einem schmelichen tod am creuz gebüszet, bezalet, und gnug gethan. thun doch keine verfluchte heiden in der ganzen welt also, das sie einen todten armen man, der sein recht fur seine missethat erlidden hat, jmer fur und fur mehr verfolgen. Luther 8, 91ᵃ; was habt ihr jetzt mehr vor ursachen, über mich zu kollern? Simpl. 3, 181 Kurz;
ich bleib zu haus
ein andermahl! der teufel mische
sich mehr in lieb und zauberei!
Wieland 18, 271;
wie jetzt noch, und in bezug auf vergangenheit damals noch: er gab anfangs nur eine sammlung von zwei hundert sinngedichten ans licht, die, wie er selbst sagt, wohl aufgenommen worden. wir haben sie nirgends auftreiben können, und wer weisz, ob sie gar mehr in der welt ist? Lessing 5, 106; weil ich damals schon zweifelte, ob mich der brief in München mehr treffen würde. C. E. König ebenda 13, 243; siehst du? sag du mehr, ob das kein leben ist? Schiller räuber 2, 3; wir sahen den park nur mehr als einen dunklen fleck in der ferne liegen. Stifter studien 4, 329; als die sonne schon verschwunden war und nur mehr die goldblasse ahnungsreiche kuppel über dem thale stand. 5, 51;
wenn du dich mucksest mehr wie ein stein ...
so schlingt dich der alte Saturn hinein.
A. W. Schlegel poet. werke (1811) 2, 258;
wie zukünftig noch, jemals, weiter:
mach auf, spielman, ein fröling tanz!
lasz sie haben ein guten mut!
wer weis, wanns jm mehr wirdt so gut!
H. Sachs fastn. sp. 1, 122, 272;
in verbindung mit immer wie bloszes in die zukunft weisendes je, vergl. dazu immermehr 2, th. 4, 2076, und das auch mit mehr zusammengesetzte immer 11, ebenda sp. 2071:
wer will seines lebens läng
immer mehr ausrechnen?
P. Gerhard 167, 102;
wie mhd.:
sît unser schaffære ..
über alleʒ daʒ diz klôster habe
dâ ûʒe oder dâ inne
oder immer mê gewinne.
Amis 1382.
vergl. dazu auch die gegensätze nimmer und nimmermehr.
24)
mehr, berichtigend einen als bedeutender gekennzeichneten gegensatz hervorhebend, was in unserm vielmehr (s. d.) noch dauert: darumb so redet er hie nicht vom leiblichen tode, sondern mehr von dem geistlichen tode. Luther 1, 20; und hieran knüpft der gebrauch als conjunction an, wie mhd., nur, sondern: dahin kam allezeit ein rosstüscher, der kauft kein pferd, mer das er da kaufschlagt und nicht kauft. Ulensp. 65, s. 95 Lappenberg;
sü koment nit dar umb gotes lop (nicht gott anzubeten),
mer zuͦ Bonne was ein hof
von den herren dar gelagt,
das bezalten die von Oche in der nacht.
Liliencron volksl. 1, 300, 12;
auch mnd. mêr, mê, sondern, aber, nur, auszer. Schiller-Lübben 3, 72ᵇ; im siebenbürgisch-sächsischen ist jetzt mêr wenn gleich, ob auch. Fromm. 4, 412, 26. 5, 179, 166.
25)
erneute comparativbildung von mehr begegnet schon ahd. als mêrôro, fem. neutr. mêrôra (Graff 2, 839), mhd. mêrer, mêrre, merre, auch mnd. merer, merre, und mit eingeschobenem d merder (Schiller-Lübben 3, 72ᵃ), niederl. meerder maior Kilian, welcher form sich das zumal bei Keisersberg erscheinende meder zunächst stellt (vgl. auch unter immermehr im eingang, th. 4², 2076): es (das menschenkind) bettet, es wachet, und thuͦt gute übung, denn würget es sich in disem, den überkümt es sich in ginnem, und ist yemer meder angst und not. bilg. 76ᵃ; (sie) ziehen yemer meder dʒ joch Christi sanft noch inen. 80ᶜ. mehrer hat sich im nhd. zum theil wie mehr, zum theil auch eigenartig entwickelt, und hat im allgemeinen seine adjectivische eigenschaft bewahrt.
a)
grosz (wie oben 2, wo schon einige beispiele): dae inne staent .. gar groisze bilder, mans hoechte aff (oder) meirrer. Harff pilg. 142, 34; wann not ist mir, das ich habe ein ander merer liecht, dann das anerschöpfte liechte meiner natürlichen vernunfte. Keisersberg pred. 70ᵃ; älter an jahren oder würde: und er ruft Esau seinem merern sun. bibel von 1483 17ᵃ (filium suum majorem. vulg.; seinen gröszern sohn. 1 Mos. 27, 15 bei Luther); (Maria Salome), die darnach Zebedeo vermähelt, Jacobum den mereren, und Johannem den evangelisten gebar. S. Frank chron. (1531) 126ᵇ.
b)
gern in der formel der oder das mehrere theil, bei weitem häufiger als das mehre theil oben nr. 4, zur bezeichnung einer gröszeren theilzahl unter einer zusammengehörigen vielheit: daʒ mêrer tail der siechen läut. Megenberg 110, 19; denn das weniger teil folget der warheit, und das mehrer teil dem schein der warheit. Luther 1, 29ᵃ; und war die gemeine irre, und das mehrer teil wuste nicht, warumb sie zusamen komen waren. ap. gesch. 19, 32; und da die anfurt ungelegen war zu wintern, bestunden jr das mehrer teil auf dem rat, von dannen zu faren. 27, 12; und ihm der mehrer theil desz hofgesindts genadet hatten. Galmy 209; ich und der merer teil der meinen. Aimon bog. h; der merer theil Aphrice ist unbewonet und wüst. Frank weltb. 5ᵇ; was thut die opinion heutiges tages bei den mehrern theil der leute, es wil alles edel sein. Schuppius 551; ganz wie bei jenen jüngern zweifelt man ob kopf, ob herz den mehreren antheil an seinen (Rückerts) gedichten habe. Gervinus gesch. d. d. dichtung 5, 650;
dem merern tail ich volgen schol,
wan es zimpt dem weisen wol.
fastn. sp. 601, 28;
er sol sie mir nicht all entfürn,
das mehrer theil sol mir gebürn.
Dedekind miles 3, 1;
der accusativ adverbial wie mehrerntheils, vergl. dazu mehrertheil unten: das solche zeichen das mehrer teil schon geschehen sind. Luther 5, 530ᵃ; dasz sie nicht alle sitzen kunten, sondern musten das mehrer theil stehen. Götz v. Berl. 88; Frankreich, welches die heiden den mehrern theil verheeret und verderbet haben. b. d. liebe 15ᶜ; ob man dich fragt, wo dein herr sei, so magstu antworten: ich hab jhn in dem wald verloren, deszgleichen die andern den mehrern theil auch sagen. 264ᵇ; schrien sie den mehrern theil. Ayrer proc. 1, 1; zeitlich verstanden: daʒ er (der Saturn) alle zeit stêt daʒ mêrer tail gegen der sonnen underganch über. Megenberg 56, 12; müssen wir doch von jnen leiden, das sie uns ketzer, teufel .. nennen, so sie doch jrer lere nicht gewis sind, und das mehrer teil wider jr gewissen thun. Luther 6, 13ᵇ; ebenso der genitiv adverbial: dann diejenigen, welche solche bücher schreiben, seind mehrers theils lose, untüchtige und nicht gültige leuth. Ayrer proc. 1, 15.
c)
ähnlich die mehrere zahl, die gröszere, der mindern zahl, aber auch der einzahl entgegen gesetzt (vgl.mehrzahl); in der deutschen grammatik bei Schottel, Stieler und ihren nachfolgern bis ins 18. jahrh. ist die mehrere zahl übersetzung des lat. kunstausdruckes numerus pluralis: der auctor gestorum Innocentis III redet nicht nur von Tancredi princessinnen in der mehrern zahl. Hahn hist. 4 (1724) 4, 16, not. k; warum man in der mehrern zahl noch wohl, wenn man will, sardonych sagen darf, das weis ich: aber wie man auch in der einfachen zahl sardonych sagen könne, das ist mir zu hoch. Lessing 8, 170; bei den jahrzahlen bilden die tausende und hunderte die mehrere zahl, die zehner und einer die mindere, vergl. minder.
d)
mehrer als zahlbegriff (vergl. oben 5); in vergleichungen: besser und mehrer gute bissel wurden auf den tellern abgehoben, als man über tafel asze. Simpl. 3, 353 Kurz; keine mehrere städte, als Walbeck .. behalten. Hahn hist. 2 (1721) 137; Lessing selbst ... wollte behaupten, dasz ein aufenthalt in diesem antikensaal (zu Mannheim) dem studierenden künstler mehrere vortheile gewährte, als eine wallfahrt zu ihren originalien nach Rom. Schiller hist.-krit. ausg. 3, 577; auch wenn sie stillschweigend verstanden ist: Joseph Scaliger .. hat dieses zu sonderlichem seinem denkspruch geführet: quantum est quod ignoramus? wie viel mit mehrerm fug und recht möchte dieses sagen herr Lips. Schuppius 403; sollten mich mehrere und bessere kenntnisse und einsichten, die ich seit unsrer trennung zu erlangen, eben so viel begierde als gelegenheit gehabt habe, nur kurzsichtiger und schlimmer gemacht haben? Lessing 10, 205;
königin. nun, so ist die welt
aus ihrer bahn gewichen. sie und er —
ich musz gestehen — marquis. dasz es seltsam klingt?
das mag wohl sein. die gegenwärtge zeit
ist noch an mehrern wunderdingen fruchtbar.
königin. an gröszern kaum.
Schiller Carlos 4, 3;
wenn du ein stärkerer bist und sohn der göttlichen mutter:
er ist mächtiger doch, weil mehrerem volk er gebietet.
Ilias 1, 281;
in steigerungen, eine gröszere anzahl bezeichnend, in verbindung mit dem artikel: die mehrere hand, vgl. th. 4², 358 unten; sind also die mehrere juristen .. zerstörer desz friedens. Philander 1, 184, die mehrzahl der juristen; aber ich finde, dasz dieser fehler an den mehreren höfen des Teutschlands regiere, dasz man dem einnehmerampt und cassen solche leut, die hinder dem ofen auferzogen ... vorsetzen thut. Schuppius 720; wenn sie (die alten), diesem euphemismus zu folge, nicht gern geradezu sagten, 'er ist gestorben', sondern lieber, 'er hat gelebt, er ist gewesen, er ist zu den mehrern abgegangen'. Lessing 8, 250 (vergl. dazu: quin me ad pluris penetravi prius? Plaut. trin. 291); so sind doch bei weitem die mehrern fälle, in welchen sich die grazie offenbart, aus dem gebiet der willkürlichen bewegungen. Schiller 1114ᵃ; wie wollte man die mehreren wagen fortbringen, da der pferde täglich weniger wurden. Göthe 30, 121; mit dieser: diese ungleich mehrere verdammte. Lessing 9, 160; ohne artikel: geben sie sich die mühe, mehrere umstände (als die schon aufgezählten) bei mir mündlich zu erfahren. Rabener sat. 3, 182; seine absicht ist nicht so stolz, sie, von denen er lernet, zu unterweisen, sondern nur mehrern verständlich zu werden. Hagedorn 1, xxv; in zweigliedrigen sätzen: je mehrere und gröszere dergleichen ähnlichkeiten wir zwischen einer andern person und unserm selbst wahrnehmen, desto schwerer wird es uns ... diese person von unserm selbst zu unterscheiden. Lessing 11, 94; je mehrere und vorzüglichere menschen sich mit den köstlichen überlieferten resten des alterthums beschäftigen mochten, desto energischer zeigte sich ... die kritik. Göthe 53, 114; und sonst noch im singular, wo es mehr als eines bedeutet: mehrere nachricht haben. Felsenb. 1, 112; mehrere nachricht davon werden sie in der beilage .. finden. Rabener sat. 3, 20; man hat es auf mehrere art versucht, das vergnügen des mitleids zu erklären. Schiller 1139ᵃ; im plural, wie einige, ein paar: 'gönne mir noch einige tage; entscheide nicht!' wie die sache steht, erwiederte Eduard, werden wir uns auch nach mehreren tagen immer übereilen. Göthe 17, 13; die hand meiner schwester, briefe, mehrere, der nachlässigen schrift nach, vertraute! 22, 117; mehrere tage asz ich trockene dreilinge, um nur einige lieblingsstücke zu hören. Seume mein leben 44; mehrere stunden war ich in der kathedrale. spazierg. 1, 83; im gegensatz zu einzeln: bei einzelnen figuren gibt diesz (darstellen des lebens) schönheit: bei mehrern zu darstellung einer begebenheit kann und musz er zuweilen gar die häszlichkeit abbilden. Heinse Ardingh. 1, 388.
e)
mehrer zum ausdruck eines höheren grades, der aber in manchen der folgenden beispiele an den der zahl und häufigkeit erinnert (vergl. dazu oben 9); nur im singular:
von dem dulte er merren spot
danne er gewon wære.
Gregor. 2610;
sô enmag man keine merre lûterkeit gedenken, wan die lûterkeit Marien. myst. 1, 18, 22; die groszen doctor und die lesmaister disputieren, ob bekenntnusz merer und edler sei oder liebe. Tauler sermones (1508) 129ᵇ; disz werk erfordert mehrere aufsicht, ampliorem curam haec res deposcit. Stieler 2372; wie der mehrere erfolg ausweiset. gespenst 202; Pipinus setzte Aistulphum in solches schrecken, dasz er denen Römern alles abgenommene wieder zu geben versprach, und zu desto mehrerer versicherung 40 geiszeln an Pipinum lieferte. Hahn hist. 1 (1721), 24; die Linones .. hatten in ihren kriegen kein mehreres glück. 50; eine mehrere gewalt hat Carolus durch annehmung des kaiserlichen tituls wol eben nicht erlanget. 67; die präjudicirliche titulatur (könig von Italien) machte noch weit mehreres aufsehen. 3 (1723), 189, not. g; beigefügte stammtafel wird zu desto mehrere erläuterung dienen. 4 (1724), 10, not. k; die natürlichen triebfedern, die zu mehrerer entwickelungen der naturanlagen antreiben. Kant 4, 298; die dichtigkeit des stoffes ... ist von mehrerer merkwürdigkeit. 8, 287; madame Löwen spielt die Orphise; man kann sie nicht mit mehrerer würde und empfindung spielen. Lessing 7, 90; nach der regula fidei sind selbst die schriften der apostel beurtheilet worden. nach ihrer mehrern übereinstimmung mit der regula fidei, ist die auswahl unter diesen schriften gemacht worden. 10, 242; die vermehrung steht ... in einem selten ungleichen verhältnisse mit der mehrern oder mindern leichtigkeit, die das volk hat, seinen unterhalt zu gewinnen. Wieland 7, 266; eine mehrere kenntnis von dem, was man die feinere gelehrtheit heiszt, zu erwerben, als etwann das wenige sein mochte, was ihm aus seinen schuljahren .. übrig geblieben war. 11, 9; was blosz des mehrern vergnügens der zuschauer wegen eingeführt worden. 26, 247; der werth dieses nützlichen hängt von seiner mehrern oder mindern unentbehrlichkeit ab. 36, 124; die mehrere aufklärung seines eignen zustandes ist immer eine nützliche beschäftigung. herzog Karl August in Mercks briefs. 1, 500; ich werde ihnen danken, wenn sie mir über die welt zu mehrerer klarheit verhelfen wollen. Göthe 19, 95; in der mehrern freiheit, die es hatte, zeigte sich bald seine besondre lust zum klettern. 20, 272; hatte wirklich ein bewegterer zustand ihr mehreren reiz gegeben. 21, 116; auch benutzten französische componisten sogleich den gegebenen raum und brachten ihre alte bedeutende weise, melodischer und mit mehrerer kunstwahrheit .. in den gang. 36, 179; sie bauen auf sogenannten flötzen, welche aber völlig die eigenschaft der erzlager haben, meist ganz horizontal liegen und nur gegen das ende einen mehreren fall bekommen. 51, 109; eine etwas mehrere dunkelheit bringt .. das grüne hervor. 53, 180; ich zeichne jetzt die tafeln dazu, und sehe daran, da sich alles verengt, eine mehrere reife. an Schiller 256; die mehrere achtung für leben und eigenthum, die man in diesen verordnungen wahrnimmt. Schiller 824ᵇ; so machte er seiner mehrern sicherheit wegen mit der herzogin aus, dasz sie vorläufig darüber an den monarchen schreiben möchte. 825ᵃ;
des fürsten bloszes ja musz mehrern glauben finden,
als die betheurung, so mit vielen eiden gleiszt.
Lohenstein in d. auserles. ged. 6, 8;
die femininform mehrer scheint eher aus mehrerer verkürzt, als zu der einfachen abjectivform mehr (oben 5) zu gehören: umb mehrer bekräftigung derselben (freundschaft). Kirchhof wendunm. 89ᵃ; jedoch mit mehrer ausführlichkeit und weitlauftigen worten. Schweinichen 1, 206; alles, was man in den städten hoch und schäzbar hält, findet sich auch in dem landleben mit mehrer freiheit versüszet. Butschky kanzl. 434; zu mehrer ergeisterung tugendhafter sinnen. Patm. 869;
da fand er, dasz es sich den zaum vom kopfe zog,
und stracks hoch in die luft, mit mehrer freiheit flog.
D. v. d. Werder Ariost 11, 13, 8.
f)
der plur. mehrere substantivisch (vergl. oben 6): das testament wird mehrern wunderbar vorkommen, die die denkungsart meines freundes nicht gekannt haben. Lessing 2, 485; mehrere seiner stücke scheint er im eigentlichen sinne nur für sich selbst gemacht zu haben. Seume spazierg. 1, 31.
g)
das neutr. mehrer ebenso (vergl. oben 7):
und wen die armut drucken sei,
der ker den mantel nach dem wind,
den sack zu halbem theil zu pind
und nem für das merer das minder.
H. Sachs fastn. sp. 1, 122, 265;
das mehrer muosz das besser sein.
trag. Joh. F 7;
wie wol die pfaffen was mehrer vortheils haben, dasz sie wol auf einmal durch die siben orden wischen können. Fischart bienk. 156ᵇ; mehrers könt jhr diszmahl von mir nicht erfahren. Philander 1, 101; was sihet man mehrers und öfterers auf der welt als todtenleichen und begräbnussen? 358; also solle mir nichts höhers noch mehrers angelegen sein, als euer tragendes verlangen und wunsch mit meinem fleisz zu erfüllen. Schuppius 402; grosze und hochgelehrte leute schreiben der kunst nach etwas höhers und mehrers, die einfalt erlustigt sich auch ie zu zeiten bei einer kurzen und teutschen historien. M. Hammer hist. roseng. (1654) 548; mehrers wil ich hirvon nicht sreiben. Butschky kanzl. 154; damit noch ein mehreres zu tuhn ursach gegeben werde. 397; sofern ich nun sehen werde, dasz dir solches belieben wird .. wirstu mich ein mehrers, und zwar sachen, die etwas wichtiger und mit fleisziger mühe ausgearbeitet, heraus zu geben, heimlich veranlassen. Neumark lustwäldchen, vorrede; inzwischen ist es damit auch noch nicht ausgerichtet. ich glaube immer, es gehöre weit ein mehrers dazu. Günther vorr. a 2ᵇ; was kann ihn entschuldigen, wenn er durch spöttereien arme blödsinnige um ihre ruhe, und vielleicht noch um ein mehreres bringt? Lessing 6, 241; kehre lieber noch einmal selbst in dieses elementarbuch zurück, und untersuche, ob das, was du nur für wendungen der methode, für lückenbüszer der didaktik hältst, auch wohl nicht etwas mehrers ist. 10, 323; Egmonts wahre geschichte konnte dem verfasser auch nicht viel mehreres liefern. Schiller 1237ᵇ; künftigen sonntag, so gott will, ein mehrers. Rabener sat. 3, 33; bemerkten wir alles dieses und noch mehreres. Immermann Münchh. 1, 18; weil ein mehreres ... mir sicherlich schaden würde. 2, 67;
sie werden
noch mehreres von Flandern mir erzählen.
Schiller Carlos 1, 8;
wie es auf vielen bogen mit mehrerm begriffen gewesen. Schweinichen 1, 288; wie bald mit mehrerem davon soll gedacht werden. Olearius beschreibung orient. insuln (1696) 150; die schwäche des guten alten geistlichen hatte ihn gehindert, die taufhandlung mit mehrerem als der gewöhnlichen liturgie zu begleiten. Göthe 17, 300;
dasz ich mit epigrammen wieder spiele,
ich, armer Willebald,
das macht, wie ich an mehrerm fühle,
das macht, ich werde alt.
Lessing 1, 198.
h)
adverbiale verwendung dieses mehrer; wie oben 15: aber so du jhm hetst sollen in die herzbüchs hinein schawen, würdest .. gefühlet haben, ein mehrer dann menschliche klugheit. Fischart Garg. 20ᵃ; wie oben 16: die würt und handwerksleut werden mehrer sorgfältig sein, wie sie jhr gelt einbringen, dann sie sorgen wie sie solchs verschlingen. groszm. 64; dasz er (der teufel) mit diesem stätigen dienst ihm den menschen desto mehrer verpflichtet. Simpl. 4, 292 Kurz; in der genitivform mehrers: rührt es (das lob) von dem gemeinen manne her, so ist es eine verkehrte, falsche widerstrahlung, und begleitet mehrers die eiteln, als mit wahrer tugend gezirten. Butschky Patm. 356; üm mich noch mehrers aufzumuntern. kanzl. 655; um des bildnüsses linien desto mehrers libhaftig zu machen. 656; das ich mich mehrers ob dem leben, als solches mit geduldigem gemüte auszustehen, beklage. 870.
26)
auch ein superlativ mehrst hat sich gebildet, allerdings in seltenerm gebrauch als meist (s. d.), mhd. mêrst:
dâ schreip diu muoter an
so si mêrste mahte
von des kindes ahte.
Gregor. 555;
mehrst das gröszte, im gegensatz zu wenigst das kleinste: denn er fordert uns auf ein gericht, da rechnung zu geben um unser zeit vom meristen bis zum wenigsten quadranten. Paracelsus (1589) 1, 122; der mehreste teil, major et potior pars, potissima pars. Stieler 2372; der mehreste theil dieser jungen leute. Pierot 1, 90;
ihm folgte das mehreste volk und das beste
heer zum streit.
Ilias 2, 577 (vgl. 817);
weil er der tapferste war und des mehresten volkes gebieter.
580;
alwo ich bald erkant und von den mehristen spottvögeln zusammen geschriehen wurde. Simpl. 3, 55 Kurz; dasz die empfindungen der wollust ... unter sich der mehresten abänderungen fähig sind. Lessing 4, 16; und bin in den mehrsten stunden eine enthusiastische zeichnerin. Albertine Grün in Mercks briefs. 2, 250; mit einer empfindung, welche noch kein dichter zu beschreiben fähig gewesen ist, so sehr sich auch vermuthen läszt, dasz sie den mehresten aus erfahrung bekannt gewesen sein könne. Wieland 1, 310; dasz die spanischen provinzen, welche die mehrsten leute nach Indien schicken, die volkreichsten sind. Möser patr. phant. 1, 248; deklamazion ist immer die erste klippe, woran unsere mehreste schauspieler scheitern gehen. Schiller hist.-krit. ausg. 2, 347;
der graf von Luxemburg
ist von den mehrsten stimmen schon bezeichnet (zum kaiser).
Tell 5, 1;
(welche krankheit) niemandts schonet und die mehresten häupter (die gröszten) am mehristen angreift. Paracels. (1589) 2, 15; die allerheiligste menschen werden vom teufel am mehristen versucht. Simpl. 4, 356 Kurz; am mehrsten habe ich gebeten auf ihre sprache zu hören, denn die wäre unpartheiisch. Tischbein in Mercks briefs. 2, 204; von dem letzteren (Boccaccio) behauptete sie, dasz er am mehrsten mensch und der klügste, und, gegen die gewöhnliche meinung, am mehrsten dichter gewesen wäre. Heinse Ardingh. 2, 55; Boccaccio hat am mehrsten natur, und war am mehrsten unter seinen menschen: und hat deszwegen auch am mehrsten gewirkt. 57.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 10 (1882), Bd. VI (1885), Sp. 1870, Z. 70.

mehr, n.

mehr, n.
die gröszere anzahl, mehrheit; in allgemeinem sinne: was er mehr weisz, ist für seine rechnung: und wenn er über dieses mehr noch mehr wissen will, das geht den staat vollends nichts an. Lessing 11, 179; da ihr mit dem mehr, was ich für sie zu thun fähig gewesen wäre, nicht gedient ist, so ist diesz das wenigste, was ich ihr schuldig bin. Wieland 35, 166;
éin gott, éin könig und éin weib,
das mehr ist überflusz.
Gleim 1, 247;
im gegensatz zu substantivem weniger:
was hab ich,
wenn ich nicht alles habe, sprach der jüngling,
giebts etwa hier ein weniger und mehr?
Schiller hist.-krit. ausg. 11, 51;
nach der rechnerischen seite: da die erbpacht ein ansehnliches mehr eintrug. Ranke genesis des preusz. staates s. 467; seit älterer zeit aber in bezug auf abstimmung, vgl. dazu gegenmehr th. 4¹, 2247, handmehr th. 4², 410, ein namentlich im politischen leben der Schweiz hergebrachtes und häufiges wort: das meer, so in einem radt gemeeret wirt, suffragium superans, discessio in alicujus sententiam. Maaler 285ᵇ; er hat das meer, sein meinung ist das meer worden, discessio facta in ejus sententiam. ebenda; mit allgemeinem meer burgermeister werden, fieri consulem cunctis suffragiis. ebenda; hie meeret der weibel, und ward mit gemeiner hand das meer, man sölte u. s. w. U. Eckstein rychstag 848 Scheible; das mehr, mehrheit der stimmen, etwas ins mehr nehmen, das mehr über etwas ergehen oder scheiden lassen, die mehrheit der stimmen für oder wider etwas ergehen lassen, das heimliche mehr, stimmensammlung mit geschriebenen zettelchen, oder mit pfennigen, kugeln, die man in die büchse dessen wirft, den man zu einem amt ernennen will, offenes mehr, stimmensammlung mit lauter stimme, oder mit emporhebung der rechten hand. Stalder 2, 205; auch auszerhalb der Schweiz, nur dasz hier das wort nicht in gleichen oder ähnlichen formeln erscheint: darauf ich lieben landsknecht auf heutigen tag ein mehr beger, mir helfen solch ubel zu strafen ... spricht der profosz zum feldtweibel: macht ein mehr. Fronsperger kriegsb. 1, 17ᵃ; so ist es auch nicht an der viele der stimm oder mehr allzeit gelegen. Kirchhof mil. disc. 265; zur bekreftigung der letzten umbfrag eines urtheils machet dieser schultheisz in einer bank sitzend, ein mehr drüber mit aufrichten eines jeden finger. ebenda; es ging also mit einem groszen mehr durch: dasz den fremden komödianten ... erlaubt sein sollte, eine tragödie auf der nazional-schaubühne aufzuführen. Wieland 19, 369; als die stimmen gesammelt wurden, fand sich, dasz das urthel nur mit einem mehr von zwölf gegen acht bekräftigt wurde. 20, 36; (wenn das fürstencollegium) in ordentlicher umfrage berathschlage, so werde ihr mehr auch in dem andern rathe bald wieder durchdringen. Ranke deutsche geschichte 4, 267; Oldendorf ist abgeordneter durch ein mehr von zwei stimmen. Freytag dram. werke 2, 85 (journalisten, 3. act);
Stauffacher (zählt die stimmen). es ist ein mehr von zwanzig gegen zwölf.
Schiller Tell 2, 2;
die mehrheit bei einem anhange:
das müet uns fast, verdrüst uns seer,
so er vom volk yetz hat das meer.
trag. Joh. H 6;
ein wortspiel bei Zinkgref: Hans Philips Böckle, stättmeister zu Straszburg ... pflegte zu sagen: das meehr (welches zu teutsch beides, die see, und dann pluralitatem votorum, die mehrere stimmen heiszet) werfe groszen unrath ausz: als wolte er sagen, die mehrere stimmen, weren nicht allemal die besten. apophthegm. 1, 198. dafür in schwacher form das mehre: do wardt in der statt gerathschlagt, ob sie bei irer herrschaft bleiben oder die pauren einlassen oder sich zu denselben schlahen wellten. es wardt das mehre, das die porten geöffnet und die ufruerigen pauren ingelassen sollten werden. Zimm. chron. 2, 562, 28.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 10 (1882), Bd. VI (1885), Sp. 1887, Z. 68.

mehr

mehr,
für mär lieb, gern, wol, vergl. sp. 1617; noch Göthe ist das wort gelegentlich untergelaufen: die abhaltung, warum August nicht kommen kann, dauert noch immer fort, und da es sich einmal so weit verzogen, so mag er eben so mehr warten bis die bäume grün sind, damit er denn auch die Berliner linden wirklich als linden schaue. an Zelter 86.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 10 (1882), Bd. VI (1885), Sp. 1888, Z. 55.

mehrde, f.

mehrde, f.
für mährte gemeng, kaltschale sp. 1468: weiter hat derselbige hochgelerte man zu etlichen gesagt, wie man den leien (das abendmahl) beider gestalt solt geben, man müste eine mehrde draus machen. so sol Christus seine lesterer ubergeben, das sie sich selbs mit jrer eigen zungen schenden, und nennen selbs das heilige sacrament eine mehrde. Luther 6, 15ᵃ; sie brechen die hostien, und werfen die weichen in den kelch, und machen eine rechte suppen und mehrde draus. ebenda.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 10 (1882), Bd. VI (1885), Sp. 1889, Z. 22.

mehren, verb.

mehren, verb.
mehr machen, ahd. mêrôn, mhd. mêren.
1)
transitives mehren, nach der eigentlichen bedeutung von mehr 2, sp. 1871, gröszer machen, in bezug auf umfang, ausdehnung, stärke, wert: ahd. non exaggerat ni mêrôt Steinmeyer-Sievers 2, 176, 56 (vorher exaggerans hûffunter 168, 19); mhd. nhd. daʒ puoch .. daʒ hân ich mêr dan daʒ drittail gemêrt. Megenberg 485, 34; du solt nüt zuͦ hochfertekliche reden, wan es kumet derzuͦ das der grosze geminret wurt und der minre gemert wurt. d. städtechron. 8, 303, 20; Justinianus der ander .. was ein wiser man und merte das rich vaste. 395, 14; wo du mich segnen wirst und meine grenze mehren. 1 chron. 4, 10 (καὶ πληθύνης τὰ ὅριά μου septuag.); meeren, grosz machen, augere et amplificare Maaler 285ᵈ; der haufen meeret sich oder nimpt zuͦ, accedit cumulus ad eam libertatem. 286ᵃ;
du aber mehrest deinen haufen
mit schinden, schaben und fürkaufen.
H. Sachs fastn. sp. 1, 28, 229
(vergl. dazu aber gut mehren unten 3, b); noch bair. mêren, augere, zunehmen machen Schm. 1, 1639 Fromm.; mnd. meren, mereren, merdern gröszer machen Schiller-Lübben 3, 74ᵃ. vgl. dazu mehrer.
2)
die ältere sprache hat aus dieser bedeutung sich auch die des zeitlichen ausdehnens entwickeln lassen, was später wieder untergieng; mehren heiszt anhaltend oder häufig eine handlung thun, etwas treiben, üben:
minne, wunder kan dîn güete liebe machen,
und dîn twingen swenden fröiden vil.
dû lêrest liebe ûʒ spilnden ougen lachen,
swâ dû mêren wilt dîn wunderspil.
Walther 109, 20;
almûsen, venjen unde gebet
mêrten si dô beide.
Haupts zeitschr. 7, 127, 617;
man buwt ein capellen an die stat,
und da der herzog erschlagen ward,
mit drien messen zuͦ meren.
Liliencron volksl. 3, 106, 17;
wer nu den tanz wil meren,
die kömen (mögen kommen) gezogen here.
fastn. sp. 446, 11;
in den sinn des beschleunigens übergehend:
sîn reise begunde er mêren,
wand im was zuo dem tiere gâch.
Wigal. 117, 24.
3)
gewöhnlicher eine zahl gröszer machen, erhöhen.
a)
in bezug auf die menschen, durch natürliche fortpflanzung:
eine chonen er im genam,
ze mêren daʒ geslehte.
anegenge 21, 7;
ich wil ewrn samen mehren, wie die stern am himel. 2 Mos. 32, 13; und er den armen schützete fur elende, und sein geschlecht wie eine herd mehrete. ps. 107, 41; ich wil sie mehren und nicht mindern, ich wil sie herrlich machen, und nicht kleinern. Jer. 30, 19; denn auch vor alters, da die hochmütigen risen umbbracht wurden, flohen die, an welcher hoffnung bleib die welt zu mehren, in ein schiff, und lieszen also der welt samen hinder sich. weish. Sal. 14, 6; ich wil sie wider bringen in das land, das ich jren vetern Abraham, Isaac und Jacob geschworen habe, und sie sollen drin herrschen, und ich wil sie mehren und nicht mindern. Baruch 2, 34; auf das jr lebet und gemehret werdet, und einkomet und einnemet das land, das der herr ewern vetern geschworen hat. 5 Mos. 8, 1;
solt, wie er duͦt, duͦn yederman
in der carthusz die kutten an,
wer wolt die welt dann fürbas meren?
Brant narrensch. 105, 45;
het ich genumen ainen man, ..
gott und mich selbst het ich geert,
und auch darzuͦ die welt gemert.
ferner durch auswahl, bestimmung, zuzug u. s. w.:
obeʒ iu niht versmâhet,   sô rîte ich mit iu dare (zum feste):
ich füere zwei hunt degne,   dâ mite mêr ich iwer schare.
Nib. 704, 4;
und es ward Abimelech gesagt, mehre dein heer, und zeug aus. richt. 9, 29; das sein name geheiliget, und sein reich (die zahl seiner bekenner) gemehret werde. Luther 3, 30ᵇ; es ist von den weisen ein alt sprichwort, das glückliche ding freund mehren, und widerwertige ding thun sie am besten beweren und versuchen. Livius von Schöfferlin 122ᵃ;
wer mehrt der heuchler schwarm? die tummen pietisten.
die furchtbare menge
hatten neue schaaren gemehrt, die zur feier des festes
kamen.
Klopstock 4, 83 (Mess. 7, 623);
schon naht, von Priams blut und seines sohnes roth,
Neoptolem, bereit, der opfer zahl zu mehren.
Schiller zerstörung von Troja 112;
oder auch nur, in weniger selbstthätigem sinne, durch eigenes verhalten:
mehrt er die zahl der weisen (ist er weise)?
einen mehren, in bezug auf nachkommenschaft: ich .. wil dich fast seer mehren (gott zu Abraham). 1 Mos. 17, 2; in bezug auf güter, ihn bereichern: was ist, das so viele italianische familien zu dem höchsten adel erhebt? was ist, welches andere schier mit unendlichem reichtumb gemehret? Schuppius 719;
er stand auf einem hohen platz, er konnte
ein vater seiner völker sein; doch ihm
gefiel es, nur zu sorgen für die seinen.
die er gemehrt hat, mögen um ihn weinen!
Schiller Tell 5, 1.
b)
in bezug auf dinge: sein geld, sein vermögen mehren; sein gut mehren, wobei auch an die bedeutung 1 zu denken ist: wer sein gut mehret mit wucher und ubersatz. spr. Sal. 28, 8; und wil dem korn rufen und wil es mehren. Hes. 36, 29; ich wil die früchte auf den bewmen, und das gewechs auf dem felde mehren. 30; ich wölt es (das gut) noch lieber mehren, denn mindern. Kirchhof wendunm. 127ᵇ; seine nahrung hat sich in kurzen fein gemehret, res ejus familiaris brevi adolevit. Stieler 2372; die cassen zu mehren. Schuppius 705;
so mehrt er stamm und gut, ist achtsam und verschwiegen.
Hagedorn 1, 121;
mag man andrer renten mehren,
schränke selbst die meinen ein:
meinen schlaf soll das nicht stören.
Gökingk 1, 65;
und mehrt den gewinn
mit ordnendem sinn,
und füllet mit schätzen die duftenden laden.
Schiller glocke v. 125;
bildlich:
wo reger eifer weit und breit,
vom sehrohr an, bis tief zur nadel,
den schatz der wissenschaften mehrt.
Gotter 1, 445;
von wassertropfen: du sollst den schleichenden bach mit deinen thränen mehren. Wieland 1, 289;
ob eine meiner thränen je
die kleinen wellen (des baches) mehrte?
Bürger 6ᵇ;
und sonst:
herr! hilf ihr auch bei uns und mehre deine tittel;
ein könig und ein held hat viel erlösungsmittel.
befördrer vieler lustbarkeiten,
du angenehmer Alsterflusz!
du mehrest Hamburgs seltenheiten
und ihren fröhlichen genusz.
Hagedorn 3, 115.
vergl. vermehren.
4)
nach mehr 9 sp. 1873 in bezug auf grad oder stärke einer stimmung, eines gefühles oder inneren besitzes; die bedeutung berührt sich öfter mit der nr. 3: verhoff ich .. glück und ehre .. nicht zu mindern, sondern zu mehren. Galmy 124; diser wind meret die sinnlicheit. Frank weltb. 3ᵃ; wer kan seine grosze barmherzigkeit erzelen? man kan sie weder wehren noch mehren. Sir. 18, 5; ein fröud meeren, cumulare gaudium. Maaler 285ᵈ;
edl und unedel thut nach mir (dem fürwitz) dürsten.
ich machs berhümbt in groszen ehren;
thu jn jr freud und wollust mehren.
H. Sachs fastn. sp. 1, 100, 68;
und pist deim freunt kostreich und milt,
so dw ie freuntschaft meren wilt.
2, 14, 80;
jeder augenblick
mehret da mein glück.
Mildheim. liederb. nr. 219, 1;
kan mein dulden ihre ruhe mehren.
Gökingk 3, 211;
zwar weist du endlich, wo ich bin.
doch heiszt das nicht die neugier mehren?
was liegt am ort?
1, 73;
denn über alles glück geht doch der freund,
ders füblend erst erschafft, ders theilend mehrt.
Schiller Wallensteins tod 5, 3;
dichter lud ich auch herbei,
unsre lust zu mehren.
Göthe 1, 153;
einem die forcht meeren, opinionem timoris augere. Maaler 285ᵈ; sorg und angst meeren, curas accumulare. 286ᵃ; den zorn meeren, oder am zorn zuͦnemmen, aggerere iras. ebd.; man mehret nur den schmerzen, wenn man dran gedenket, majores facimus dolores commemorando. Stieler 2372; alte leute mehren ihre schwachheit mit vielen sorgen, senectus per se gravis curam duplicat. ebenda;
si sprach zuo Rüedegêre:   wie habe wir verdienet daʒ
daʒ ir mir unt dem künige   mêret unser leit?
Nib. 2085, 1;
weh mir! meinen gram zu mehren,
muszt Hermione gebähren,
und dahin auf ewig meine ruh!
Schiller hist.-krit. ausg. 1, 314;
strafe, lohn mehren:
den päsen (bösen) wendt er (der tod) jren mut,
das sich jr straf nit meren thuͦt.
den (frommen) würt gemert di ewig cron.
134ᵃ;
vgl. mhd.: des truogens ouch die krône
rîterlîcher êren,
die ietweder wolde mêren
mit dem andern an dem tage.
Iwein 6954;
den segen mehren:
da er auch seinen segen gibt
und mehret alle stunden.
P. Gerhard 11, 25;
glauben, wissen, gutes u. s. w. mehren:
mehre meinen kleinen glauben,
und wehr allem, das da will
dieses schatzes mich berauben.
P. Gerhard 323, 65;
mehre, herr, ach! mehr in mir
meinen glauben für und für.
Schuppius (1701) 206;
kein tag verstrich, der nicht mein kleines wissen mehrte,
mit dem der junge geist sich stopfte mehr als nährte.
Lessing 1, 192;
gegenwart des herrn
mehrt jedes gute, steuert möglichem verlust.
Göthe 40, 413;
du nur, genius, mehrst in der natur die natur.
Schiller votivtafeln.
5)
mehren mit unterdrücktem object: friede mehrt, unfriede zehrt. sprichwort;
ans erhalten denkt er zwar,
mehr noch, wie er mehre.
Göthe 1, 135;
denn nur wenige samen vertraut er der nährenden erde,
wenige thiere nur versteht er, mehrend, zu ziehen.
40, 278;
denn welcher lehrer spricht
die wahrheit uns direct ins angesicht?
ein jeder weisz zu mehren wie zu mindern,
bald ernst, bald heiter klug, zu frommen kindern.
41, 100.
6)
mehren reflexiv, nach transitivem mehren 1, sich räumlich ausdehnen, wachsen: den mäusen wechset die leber in vollem mônn, reht sam etleich mertier sich mêrent und abnement nâch dem mônn. Megenberg 153, 12; von wort und sage, sich ausbreiten: das wort gottes aber wuchs und mehret sich. ap. gesch. 12, 24;
es mehrt sich das gerücht:
das schiff, das diese beiden hergebracht,
sei irgend noch in einer bucht versteckt.
Göthe 9, 80;
im sinne des transitiven mehren 3: da sich aber die menschen begunden zu mehren auf erden. 1 Mos. 6, 1; darumb thet gott den wehmüttern guts, und das volk mehret sich, und ward seer viel. 2 Mos. 1, 20; und ich wil mich zu euch wenden, und wil euch wachsen und mehren lassen. 3 Mos. 26, 9; sich mehren, auch von dem kinder zeugenden einzelnen (wie einen mehren oben sp. 1890): sei fruchtbar und mehre dich, völker und völkerhaufen sollen von dir komen. 1 Mos. 35, 11;
aldus so meirt sich dit geslaichte,
nu is ir eilf, e was ir eichte.
d. städtechr. 12, 72, 1753;
durch zuzug u. s. w.: do begundent die cristen von tage zuͦ tage zuͦnemen und ufgon und sich meren. d. städtechron. 9, 728, 8; ich sahe, wie sich die zahl der narren alle augenblick mehrte. Philander 1 (1642), 124;
swer daʒ mære bevant
der reit dar, oder er gienc,
wand er die liute wol enphienc.
des mêrten sich sîne geste.
Amis 321;
wir werden unsz bald sterker meren.
Murner luth. narr 1707;
von thieren, besitz, einkommen: und gott segenet sie (fische und vögel), und sprach, seid fruchtbar und mehret euch, und erfüllet das wasser im meer, und das gevogel mehre sich auf erden. 1 Mos. 1, 22; das .. deine rinder und schafe, und silber und gold, und alles was du hast, sich mehren. 5 Mos. 8, 13; im lande das du unsern vetern gegeben hast, zu essen seine früchte und güter, sihe, da sind wir knechte innen, und sein einkomen mehret sich den königen, die du uber uns gesetzt hast. Neh. 9, 36; die weil die pferd bei einander sein, mehret sich die stuͦdt (das gestüte), wo sie aber einander beiszen und schlagen, so muͦsz die stuͦdt zergehn. Agr. spr. 178ᵃ; unterdesz haben sich ochsen und küh gemehret, die treib ich zu mark, lösz viel gelt. Garg. 225ᵇ;
mehrt sich durch mich der herrschaft gut:
so lohnt mirs gott, wenn sies nicht thut.
Mildheim. liederb. nr. 483, 3;
nach transitivem mehren 4: die küngel habent die art, daʒ sich ir vil besament in ain hol winterszeiten, dar umb, daʒ diu klain hitz in dem klainen leibel sich von der schar mêre. Megenberg 184, 32;
da thut sich erst dein unrhu mehrn.
H. Sachs fastn. sp. 1, 92, 354;
wie mehrte sich im umgang das verlangen,
sich mehr zu kennen, mehr sich zu verstehn!
Göthe 9, 179.
7)
intransitives mehren, gröszer, zahlreicher, stärker werden, der ältern sprache geläufig:
wan si hât kunst, dâ von ir wîsheit mêret.
Bartsch deutsche liederdichter nr. 34, 77;
läszt sich für später nicht sicher mehr aufstellen, da in den folgenden beispielen zur vermeidung der häufung gleichartiger redetheile das pronomen unterdrückt sein wird: ich will dich wachsen lassen und mehren, und wil dich zum haufen volks machen. 1 Mos. 48, 4; ich kann nicht eine (meiner ideen) aufgeben, .. und täglich fühl ich sie mehren, täglich die alten feuriger, stärker und fester werden. Klinger theater 4, 156.
8)
mehren, nach dem neutrum mehr sp. 1887 f., abstimmen, durch mehrheit bestimmen oder wählen: meeren, das meer im radt machen oder an der gemeind, suffragia ferre. Maaler 286ᵃ; dem volk zuͦ meeren und zuͦ erwellen den gewalt nemmen, privare populum suffragiis. ebenda; mit einem meeren, oder die hand aufheben, ire in suffragium. ebenda; sunder sich gebürt das söllich gemain kost und bursz, auch ander gemain notturft, durch ainmütig gemain oder gemeret stimm gehalten werd. anz. des germ. mus. 1867 sp. 334 (Augsburger kaufleute, von 1474); item dasz man im anhengenden bericht die tanngrotzen, die als ein ufruͤrisch und parthyisch zeichen mit dem landfriden abgestellt, widerumb one straf ze tragen zuͦ Schwyz offentlich gemeret und erloupt. Bullinger in Bächtolds Hans Salat (1876) 236, 2;
der wird mit gmeiner hand gemehrt (durch handmehr gewählt),
von allen für ein künig geehrt.
B. Waldis päpstl. reich 4, 8;
auch durch handaufheben annehmen und beschwören, von kriegsartikeln: es soll auch diese bestallung und artikel zur zeit der ersten musterung öffentlich den gemeinen reutern im freien felde unter fliegenden fahnen fürgelesen, darauf durch sie gemehret werden, wie von alters gebräuchlich. hess. reiterbestallung von 1570 bei Adelung. mehren ist noch jetzt schweizerisch ein gewöhnliches wort: mehren, stimmen, votiren, die mehrheit der stimmen für oder wider etwas suchen; vorzüglich bezeichnet es die handlung, wodurch das volk seinen willen durch aufhebung der rechten hand zu erkennen gibt. Stalder 2, 205; mehra, eine sache in abstimmung bringen und die vota sammeln. Tobler 314ᵃ; die gemeinde rathschlagte, mehrte. Joh. Müller 2, 204. vergl. abmehren, ermehren.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 10 (1882), Bd. VI (1885), Sp. 1889, Z. 37.

mehren, verb.

mehren, verb.
ein schiff am ufer befestigen; ein rheinisches wort. Kehrein 277; in Aschaffenburg das schiff anmeren, es am land befestigen, abmeren es losbinden (auch figürlich: die stiefkinder abmeren, ihnen ihren theil herausgeben). Schm. 1, 1641 Fromm.; in Straszburg den flosz anmeren, ligna alligare ad littus. Frisch 1, 659ᶜ; ehe dieselben (schiffe) gar ankamen, und anmehreten, liefe er jnen entgegen. Messerschmid sapiens stultitia (Straszburg 1622), vorrede 8ᵃ; auch niederl. meeren het schip, navem continenti alligare, navem sistere in portu, navem deducere ad portum, appellere. Kilian; es ist das alte merren, merwen, festhalten, anbinden, welches nicht erst seit späterer mhd. zeit schifferausdruck geworden:
sin schiff merte er zuo stade
und ylte snelliglichen heim.
Keller erz. aus altd. handschr. 355, 16;
da schon ahd. marstekko, marstec den pfahl zum anbinden des schiffes bezeichnet (gramm. 3, 439), bei Otfrid gimieran landen:
selben kristes stiuru   joh sîneru ginadu
bin nû zi thiu gifierit,   ze stade hiar gimierit.
5, 25, 2;
und das wort früh in die romanischen sprachen übernommen zu sein scheint: span. portug. amarrar, franz. amarrer ein schiff festbinden, franz. démarrer ein schiff losbinden, amarre schiffsseil zum anbinden. Diez wb. der rom. spr. 1, 18. Littré 1, 122ᶜ. 1043ᶜ.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 10 (1882), Bd. VI (1885), Sp. 1893, Z. 7.

mehren, verb.

mehren, verb.
herumrühren, wühlen, für mähren sp. 1468 (wie mehrde für mährte): rheinisch mehren, backmehl mit sauerteig mischen zur gährung, um brotteig zu bereiten. Kehrein 277, dem bairisches merren entspricht (welches den ursprünglich kurzen vocal des wortes sich erhielt): im kot, schlamm, geld herummerren, den taig einmerren, den sauerteig in das backmehl rühren, mengen. Schm. 1, 1640 Fromm.; sprichwörtlich der merhit dir yn dem munde (behandelt schnöde was du sagst). Rothe dür. chronik 374, s. 292; das sie doch so gar schendlich jnen lassen im maul mehren, trumpeln und effen. Luther 8, 244ᵃ.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 10 (1882), Bd. VI (1885), Sp. 1893, Z. 31.

Im ¹DWB stöbern

a b c d e f g h i
j k l m n o p q r
s t u v w x y z -
mattvergoldung meierblume
Zitationshilfe
„mehren“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/mehren>.

Weitere Informationen …


Weitere Informationen zum Deutschen Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)