Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

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mild, milde, adj. und adv.

mild, milde, adj. und adv.
munificus, mitis, lenis, mollis u. ähnl.
1)
goth. mildeis (nur in den zusammengesetzten pluralformen friaþva-mildjai φιλόστοργοι Röm. 12, 10 und unmildjai ἄστοργοι 2 Tim. 3, 3); altnord. mildr munificent, mild, gentle, graceful, schwed. dän. mild; ags. milde, engl. mild; alts. altnfr. mildi, nd. nl. mild; fries. milde; ahd. milti, mhd. milte, milde; ein uraltes gemeingermanisches, und allen deutschen sprachen bis auf heute gebliebenes, wenn auch im begriffe zum theil gewandeltes wort. eine genau vergleichbare bildung in urverwandten sprachen fehlt; mild ist auf germanischem boden entstanden, als bezeichnung der nötigen eigenschaft eines geschlechtsoberhaupts.
2)
für die ursprüngliche bedeutung gibt Ulfilas durch seine übersetzung des griechischen ausdrucks, dem der sinn der sorgenden liebe (vgl. στέργω) innewohnt, einen fingerzeig, nicht weniger der umstand, dasz in der alten sprache mildi als formelhaftes beiwort zu herscher und gott gesetzt ist: ags.
cwædon þät he wære   woruld-cyning
mannum mildust   and mon-þwærust.
Beowulf 3183;
nu ic âh, milde metod,   mæste þearfe,
þät þu mînum gæste   gôdes geunne.
Byrhtnoth 175;
alts. ne sî that imu eft mildi god,
hêr heƀan-kuning,   helpa farlîhe.
Heliand 3240;
ahd. enti dô uuas der eino   almahtîco cot,
manno miltisto.
Wessobrunner geb. 7,
wo überall die sorge für die seinen hervorgehoben wird. damit stellt sich aber unter allen etymologischen bezügen zu urverwandten worten, die verschiedentlich gegeben sind, der zu griech. μείλια liebesgaben, altslav. milowati misereri (Miklosich 367ᵇ), litt. mylė́ti lieben, russ. milo liebreich, als der sicherste dar.
3)
steht nun weiter auch im mhd. milte, milde als standesmäszige eigenschaft eines guten fürsten oder herrn, so fuszt dies noch ganz auf der alten vorstellung von der pflicht eines solchen, seinem hausgesinde, das ihm ganz zu eigen ist, auch seinerseits voll zu geben, was sie zum unterhalt bedürfen:
er (der könig) rihte swem er solte   und rach der armen anden.
er was bevollen milte   und was ein tiurer helt ze sînen handen.
Gudr. 20, 1;
vil ritterlîchen stuont sîn muot:
an im erschein niht wan guot: ..
er was getriuwe,
und milte âne riuwe,
stæte und wol gezogen.
Erec 2735;
und in diesem sinne will milde aufgefaszt sein, wenn es hier und noch später formelhaftes attribut zu entsprechenden substantiven ist: alse nu der allirmildeste furste entsub und erkante, daʒ her des legers nicht uff kunde komen mit dem lebin. Ködiz 60, 8; (der landgraf) hat zuͦ einer fürstin und frawen gehaben des milten Justinianus tochter. Ulensp. 27, s. 36 Lappenb.; vgl. auch christmilde th. 2, 625;
dô truoc der helt milte
ûf einem hermîn schilte
ine weiʒ wie manegen zobelbalc.
Parz. 18, 5;
der edel künec, der milte künec hât mich berâten,
daʒ ich den sumer luft und in dem winter hitze hân.
Walther 28, 34;
vil michel genâde,   frou Prünhilt,
daʒ ir mich ruochet grüeʒen,   fürsten tochter milt.
Nib. 399, 2;
auch zu gott und Christus, als fürsorger ihrer knechte, der ganzen menschheit (wiewol hier auch die bedeutungen 5 und 6 unten einspielen):
milter got, daʒ duʒ lîdes!
Lamprecht von Regensburg Franc. leben 121;
dâ uns der milte Jesus Christ
koufte mit sînem bluote.
tochter Syon 2631;
ach milter got, wo pist du hin chömen?
Erlauer spiele 3, 1054 Kummer.
4)
erst von solchem gebrauche aus gelangt milde zu dem begriffe freigebig überhaupt, spendend auch ohne oder über verpflichtung hinaus; es dauert in diesem sinne, nachdem die zu grunde liegende vorstellung (nr. 3) längst erloschen war: largus, milde, milter, ein gebhafter Dief. 319ᵇ.
a)
im gegensatze zu karg, geizig, sparsam:
swie kargen muot der karge truoc,
er dûhte sich doch milte genuoc.
Freidank 88, 2;
Epimenides sagt gar fein,
das gelt dem geizigen sei ein pein,
dem milden aber ists ein zier.
H. Sachs fastn. sp. 1, 84, 73;
doch tröstet mich doctor Freydank,
spricht: kein recht milter nie verdarb,
kein karger auch nie lob erwarb.
die milten auch nit all verderben,
die kargen nit all schetz erwerben.
89, 221;
der mittelweg noch ist der best.
nicht gar zu milt, auch nicht zu karg.
2, 48, 317;
ein milter und kostfreier mann
bringt oft den kargen auf die ban.
Kirchhof wendunm. 455ᵃ;
der ist ein reicher mensch, der beides wol erkiest,
und mild in rechter zeit, in rechter sparsam ist.
Opitz 2, 451;
sagt er, dasz du geizig seiest, so thu ihm alles gutes, und erweise in der that, dasz du freigebig und mild seiest. Schuppius 313.
b)
mild bezieht sich auszer auf geld und gut auf alles, was als gabe aufgefaszt werden kann: weil du denn so milde geld zugibst. Hes. 16, 35;
du, reichtumb, sei ihr (der armut) milter freund!
H. Sachs fastn. sp. 1, 34, 418;
Moechus ist ein milder mann auszer haus, und karg im bette,
Logau 2, 236, 162;
vrâget dich ieman, wes duʒ wilt,
sô wis mit rede niht ze milt.
ges. abent. 1, 175, 244;
an worten reich und mild, an werken spahrsam sein.
sei nicht zu mild,
das korn gilt.
Simrock sprichw. 377;
es heiszt mild in, an, mit, zu etwas, mild gegen einen sein: her was zuchtig an geberdin, schemig an setin, meʒig an wortin, milde am gute, freidig unde menlich kune als ein rechtir helt. Ködiz 8, 4; do wart er do noch milter gegen armen lüten, und ie me er gap, ie me guͦtes ime zuͦ handen ging. d. städtechron. 8, 389, 12; (Christus) muste jmerdar die deutunge (eines gleichnisses) auch jnen eraus sagen. wie ist er denn nu so neidisch worden, im höchsten letzten werk seiner liebe, und gibt keine auslegung den albern einfeltigen jüngern, .. und ist doch so milde an andern örten mit seiner auslegung? Luther 3, 472ᵇ; aber für den papst geld auszugeben, da ist der kaiser nicht milde. tischr. 1, 22 Förstem.; also herr Erminio der miltest mann im geben ward, der ghen Genua ie kam. Bocc. 1 (1580) 35ᵃ; wie mitleidig sind sie nicht gegen alle menschen, wie milde gegen die armen beider nationen? M. Mendelssohn bei Lessing 4, 223;
pist tugentlich, milt in erbarmen (oft erbarmend),
und bist gutwillig zu den armen.
H. Sachs fastn. sp. 1, 33, 391;
auch mit genitiv, mild eines dinges, freigebig in oder mit etwas:
si was ir guotes milte.
Wigal. 234, 31;
lêre was er undertân,
und milte des er mohte hân.
Gregor. 1078;
er ist seines guts milte, daʒ er hingibt, das in hernach gereuet. Ortolf arzneib. 1477 3ᵇ; sy weren sunst yrer guͦtthat, die sy dem onwilligen aufseilen, nit so milt. Frank weltb. 134ᵇ; weil aber der weisz seinen mund in seim herzen hat, und nicht unbedacht und on rath redt, auch die gefar so ausz unzeitigen reden kommen, weisz und erwigt, ist er kein bellender hundt, dann zu seiner zeit, und ja seins gelts milterer, dann seiner wort. sprichw. 1, 116ᵃ; er ist sein (eines gutes) so milt als s. Leonhart seins eisens, der gibt es niemandt, es stele es jhm dann ein dieb. Agr. spr. 56ᵇ; man zeucht in den herrenhöfen die jungen herren darzuͦ, dʒ sie jrer hände milt seind, und niemand die hand versagen. 167ᵇ;
solt er so milt sein seiner huld,
das er nicht nem bezalt die schult?
Dedekind miles act 1, sc. 2.
c)
namentlich ist es auch freigebig mit bewirtung, gern zehrung gebend, schon ahd. milti hospitalis Graff 2, 725; wa ein alter milter wirt was, bei dem was er nit gern zuͦ zerung. Ulenspiegel 21, s. 28 Lappenb.; darumb wilt du so milt sein und eine masz wein kaufen, so wend (wollen) ich und mein tochter auch eine bezalen. Wickram rollw. 65, 16 Kurz; dich als einen milten auszgeber (freihalter). 65, 26;
schaff mirs bargelt, obt anders wilt!
wann ich bin ehrentreich und mild.
mit meinem theil wil ich mich halten
kostfrei bei jungen und bei alten.
H. Sachs fastn. sp. 1, 84, 76;
ob du gleich etwas darauf wagst,
und pist deim freunt kostreich und milt.
2, 14, 79.
d)
es geht selbst in die bedeutung verschwenderisch über: milde mit uberigem geben, prodigus. voc. inc. theut. n 7ᵇ; prodigus milde, milt, und mit beisätzen milde in torheit, allzit ze milt in torheit, zu milte, altze mild Dief. 462ᶜ;
auch ist er so kostfrei und milt,
dasz er oft kochen leszt und praten
ob zimmetrören und muscaten.
H. Sachs 3, 2, 41ᵈ.
e)
endlich überträgt sich dieses mild auf dinge, die freigebig und reichlich geliefert werden (das liegt auch schon im ahd. miltinamo cognomen Steinmeyer-Sievers 1, 90, 9, ein name, den man drüber, zu bekommt):
mein liebgen vergafft sich in milden geschenken:
wer lustig spendiret, der beiszet mich aus.
Chr. Weise cur. ged. v. versen s. 415;
in dem sinne reichlich, ausgibig, stark: du scholt nâch miltem weinlesen wênig trinken und nâch klainem weinlesen trink paʒ und milticleicher. Megenberg 350, 28; daher ein mildes jahr, in welchem alles reichlich wächst: haben sie (die eichäpfel um Michaelis) spinnen, so kommt ein bös jahr, haben sie fliegen, ein milds. Fischart groszm. 116; bei den Schlesiern des 17. jahrh. meint mild noch stark, dicht, völlig:
was (euch, einem neuvermählten paare) von auszen kummen soll, kumm euch auch mit mildem haufen,
leben, gnügen, freude, trost, segen, hülle, völl und taufen.
Logau 3, 86, 53;
er liegt ertränkt in mildem blut.
A. Gryphius (1698) 1, 395;
o des herben thränenrinnens!
mit dem die mutter wird das milde blut abwaschen!
396.
f)
daher adverbial, reichlich, der zahl nach (vgl. dazu mildiglich):
für schmerzen so viel zäher flossen,
das jm sein angsicht nasz begossen,
so mild, als ob es wer geharmbt (geharnt).
B. Waldis Esop 2, 60, 51;
und viel, stark, dem grade nach: hetten sie auch gesagt, sy wern yre knechte und musten nach yrem willen verslahen, darane hetten sie zu milde bericht (zu viel gesagt, sich zu stark ausgedrückt). Spittendorff denkwürdigk. s. 108 Opel; sie sind von der sache zu mild berichtet worden (wann man nicht sagen will, es sei ein herr belogen oder mit falschen angebungen hintergangen worden), nimis libere relata sunt. Frisch 1, 663ᵇ;
'zudem hab ich verstanden
und wills auch glauben fast,
dasz du in fremden landen
ein ander lieblein hast.'
ach nein, mein schatz auf erden,
du bist zu mild bericht:
kein lieber soll mir werden,
glaub allen leuten nicht.
Vilmar handbüchl. 171, 3.
5)
mild, mit besonderer betonung der gesinnung, aus der solche freigebigkeit flieszt, wie gütig, gnädig, willig.
a)
von personen: hilaris milt Dief. 277ᵇ; hilarem enim datorem den milten kebare keuuisso. Steinmeyer-Sievers 2, 234, 23 (nach 2 Cor. 9, 7, Luther einen frölichen geber, Ulfilas hlasana giband); auch jetzt noch ein milder geber, ein milder schenker, nun aber erst aus unten d wieder erflossen; während Hagedorn mild in solchem sinne noch von Philemon als gütigen gastfreund braucht, mit anklang an 4, c (vgl. dazu unter dem fem. milde 1):
die fremden besser zu erfreuen,
umsteckt der milde wirth den tisch mit dichten meien,
sucht seinen witz hervor, der, nach des landmanns art,
mit worten spielt, und kein gelächter spart.
2, 101;
aber auch vom stein der weisen, als gütigen spender gedacht:
man pflegt den milden stein der weisen
uns, als ein wunder, anzupreisen,
man lehrt, er mache mehr, als reich.
2, 33;
und es sonst von der persönlich aufgefaszten natur steht:
dem die milde natur der gaben schönste, die selten
sie verleiht, ein herz zarter empfindung, verlieh.
Stolberg 1, 14;
in kurzer ausdrucksweise mildes lob, lob eines milden, d. h. gütigen und willigen:
Büsa, die königin (ward) hoch geacht,
dasz sie ausz milt speist die auslender ..
Fabius Quintus wirdt getröst,
der umb sein erb die gfangen löst.
des ist jhr miltes lob beschriebn
und bisz auf unser zeit belibn.
H. Sachs fastn. sp. 1, 92, 331.
b)
vom herzen, das erbarmend und willig zum wolthun ist: ein widerspenstiger macht einen weisen unwillig, und verderbt ein milde herz. spr. Sal. 7, 8;
gott aber schenkt, aus freiem mut
und mildem treuem herzen,
sein einges kind, sein schönstes gut.
P. Gerhard 256, 18;
wir müssen allerseits ein mildes herze loben.
doch wer nicht sparen kan, der leistet schlechte proben.
Chr. Weise zeitvertr. 2, 82.
c)
und von der gern spendenden hand als der vertreterin des willigen mannes (vgl. hand I, 4, th. 4², sp. 335):
got hât eine milde hant:
wer im icht gibet, er gildet wol.
livl. chron. 470;
milder hand nie zerrant (gebricht es nie). Mathes. Syr. 1, 90ᵃ; als thät ich meine milte hand ferner auf und fieng an, den kindern aus meinen hosensäcken nacheinander vorzulegen. Simpl. 3, 358 Kurz; dasz wir aus deiner milden hand speise, trank und kleidung haben mögen. Schuppius 434;
bist mir dennoch allzeit gar hert.
dein milte handt ist mir verspert.
H. Sachs fastn. sp. 1, 29, 248;
(der bettler) bat denselben müller fron,
er woldt sein milde handt aufthun,
und theilen jm sein almosz mit.
B. Waldis Esop 4, 47, 4;
ich lechze wie ein land,
dem deine milde hand
den regen lang entzeucht.
P. Gerhard 66, 47;
was die milde hand ausstreuet,
wird vom himmel wol ersetzt.
131, 51;
drum pflegt man itzt mit milder hand
die zarte jugend zu beschenken.
Chr. Gryphius poet. wäld. 1, 440.
d)
von dingen und zuständen, die aus solcher willigen gesinnung erflieszen: milde gaben; milde thaten, vgl. unten mildthätig; ein mildes almosen, eine milde beisteuer, eine milde stiftung; dasz sie mir armen verlassenem waiselein mit einem milden almosen wollen beispringen. Schuppius 488; da er bis auf das frühjahr eine reichliche milde beisteuer von der parochie herausgebettelt zu haben verhoffe. J. Paul Qu. Fixl. 185; was dieses gold betrift, .. so werden sie mir erlauben, dasz ich es in dem nächsten benediktinerkloster für milde stiftungen niederlege. Schiller hist.-krit. ausg. 4, 212;
weil jr von mir nichts hat genummen (kein arztlohn),
sag ich euch dank ewer milten gab.
H. Sachs fastn. sp. 1, 144, 354;
o mutter, gib dein milte stewr
mir armen fahrnden schuler hewr.
3, 126, 73;
auch milder segen:
sprich deinen milden segen
zu alien unsern wegen,
lasz groszen und auch kleinen
die gnadensonne scheinen.
P. Gerhard 20, 40.
6)
mild, mit zurücktreten seiner ursprünglichen, auf das geben bezüglichen bedeutung, heiszt gütig, barmherzig, liebreich, freundlich, aus dem grunde der nachsicht flieszend und im gegensatz zu rache oder zorn.
a)
so schon in der alten sprache, von personen: got, uuis mir milti suntîgomo (deus, propitius esto mihi peccatori). Tat. 118, 3;
sâlîge thie milte   joh muates mammunte,
thie iro muates uualtent   joh bruaderscaf gihaltent.
Otfrid 2, 16, 5 (nach Matth. 5, 4, wo vulg. mites);
euch, an die vorige bedeutung (5) noch streifend, erbarmend gegen hilflosigkeit:
sîn herze was sô milter güete,
daʒ in daʒ niht aleine müete
swaʒ einem menschen war,
er nam ouch vogele und tiere war.
Lamprecht v. Regensburg St. Francisken leb. 2936;
humanus miltêr. voc. st. Galli 155, Henning s. 16ᵇ (gleich dahinter mansuetus mitiuuâri); clemens milt Dief. 126ᵇ; pius milde, milt, guͤtig 439ᵃ; milt, guͤtig, nit bald erzürnt, placidus, mitis, humanus, natus animo leni Maaler 290ᵃ; ein milder fürst, princeps mitis, ein milder mensch, homo benignus. Steinbach 2, 61; ein milder könig, rex clemens. ebenda; milder fürsten untersaszen haben sich nie empört. Veit Weber sagen der vorzeit 4, 274;
noch vor kurzem hat ein milder könig
hier geherrscht.
Platen 324;
gern auch gütig, sanft, im gegensatz zu rauh oder wild:
er meint sie wer so wilde
gleich wie jhr namen laut (sie hiesz Wildeisin),
so fandt er sie gar milde,
er wolde sie zur braut.
Zinkgref bei Opitz 1624 s. 173;
reiszende wölf und lemle milt.
er setzt sich nider
zwischen zwei aller schönste bildt (jungfrauen),
die waren züchtig, hübsch, und milt.
Grobian. N 4ᵇ (v. 3419);
erst, weil er siegt, ihn kränzen, dann enthaupten,
das fordert die geschichte nicht von dir;
das wäre so erhaben, lieber ohm,
dasz man es fast unmenschlich nennen könnte!
und gott schuf doch nichts milderes als dich.
H. v. Kleist prinz Friedr. v. Homburg 4, 1;
auf dem throne sitzen der könig und sein gemahl:
der könig furchtbar prächtig, wie blutger nordlichtschein,
die königin süsz und milde, als blickte vollmond drein.
Uhland ged. 390 (vgl. dazu unten 11, b);
mild sein, sich mild fühlen: der gerecht aber ist barmherzig und milde. ps. 37, 21; und fühlt nicht jeglicher ein besser loos, seit dem der rauhe sinn des königs mild durch deinen göttergleichen heiligen rath sich bildet? Göthe Iphigenie s. 10 Bächtold;
ein schauer faszt mich, thräne folgt der thräne,
das strenge herz es fühlt sich mild und weich.
werke 12, 6;
mild sein einem:
R. der zeit recht achtet nicht auf jugend, schönheit, sterke.
J. ist sie denn nur bedacht, die schönste blüht zu höhnen?
R. sie ist den häszlichen noch milder als den schönen.
R. Roberthin in den ged. des Königsberger dichterkreises s. 9 Fischer;
auch war ich seither ihm nicht allzu milde.
Uhland ged. 434;
mild sein gegen einen, zu einem, mit einem, auch durch, mit etwas, in etwas: sich sehr milde gegen einem erweisen, plurimum benignitatis in aliquem conferre. Stieler 1276;
ich sage noch einmahl, dasz seelig der zu preisen,
dem gott an zorrens statt sich milde kan erweisen.
es ist doch erfahren worden, dasz die nachkömmling der apostel, entweders mit reden mild oder gravitätisch gewesen sein. Schuppius 724; er ist milde in rede und that;
Elporen kenn ich, bruder, darum bin ich mild
zu deinen schmerzen.
Göthe 40, 410;
statt der person steht das herz, die gesinnung, das gemüt: seine milde gesinnung bewahrt ihn vor hartem urtheil; milder sinn, mens benigna, facilis, suavis. Stieler 1276; er ist gar mildes gemütes, humanitate praeditus est, facilem atque omnibus obvium se praebet. ebenda; sein (Rudolfs II) charakter war mild, er liebte den frieden. Schiller hist.-krit. ausg. 8, 25;
mein herz wird mild und gut, ich hasse trunk und fluchen,
und kehre von der bahn der wilden spötter um.
ein mildes ohr, das eines gnädigen, erbarmenden:
wie manche schmachtet, hart gefangen,
in eines kerkers dunklem grund!
zu keinem milden ohr gelangen
die kläng aus ihrem zarten mund.
Uhland ged. 224;
von einem persönlich gedachten gegenstande:
und dann soll ein grab von laube
milder als dein herze sein.
b)
mild von gesichtszügen, die eine solche milde person oder mildes herz erkennen lassen: so zerflosz sein mildes auge. J. Paul Qu. Fixl. 41;
heil dir, Hesper, mit dem milden antlitz!
Hölty 126 Halm;
wölke sich ob meiner schuld
selbst die stirne milder huld!
Bürger 73ᵇ;
himmlisch mild sein blick, wie maiensonne (vgl. unten 10, b).
Schiller hist.-krit. ausg. 1, 128;
was noch übrig ist von schreck und weh,
nimmst du, o herr, durch deinen milden blick,
durch deiner worte sanften ton hinweg.
Göthe 9, 261;
thät seine lippen schlieszen
an ihren mund so mild.
Uhland ged. 409.
c)
vom reden, denken und thun eines solchen menschen: eine milde regierung; unter der herrschaft milder gesetze leben; milde sitten, mores molles, placidi. Stieler 1276; milde reden, sermonis comitas. ebenda; wan si undir in inzwei tragen, sô wil ich bewîsen welche di scrifte sint di mit der krîgeschen wârheit ubir ein tragen. und diz ist eine milde erbeit. Behaims evang.-buch, vorrede bl. 2ᵃ (nach Hieronymus: quia inter se variant, quae sint illa quae cum graeca consentiunt veritate, decernam. pius labor ..);
dein mund ist milt, dein herz darneben
stehts falsch, will wankelbar umbschweben.
das alles kennst und singst du heut
und singst es morgen eben:
so trägt uns freundlich dein geleit
durchs rauhe milde leben.
Göthe 5, 43;
sanftere
jahrhunderte verdrängen Philipps zeiten.
die bringen mildre weisheit.
Schiller don Carlos 3, 10;
wendet auch dir nicht
mildes erbarmen das herz, Olympier!
Odyss. 1, 60;
wohl bedarfs an dieser stelle
milden trostes himmelher.
Uhland ged. 290;
als adverb: mild herrschen, regieren;
greif milde drein (in die sprache), und freundlich glück
flieszt, gottheit, von dir aus!
Göthe 2, 272;
dann wandelst du (ein landgeistlicher), wie einst, durch das gefild,
und grüszest jeden schnitter freundlich mild.
Uhland ged. 115.
7)
mild, hieran rührend, von dem was im verhältnis weniger streng oder hart erscheint, namentlich von gefangenschaft, haft u. ähnl.:
dasz ich
in eurer milden haft geblieben wäre!
es ward mir hart begegnet, Shrewsbury!
Schiller M. Stuart 3, 3;
sie zu entfernen, ist das mildeste.
willst du zu diesem plan nicht thätig wirken, ..
so liegt sie todt in deinen armen!
Göthe 9, 288;
Eugenie! wenn du entsagen könntest
dem hohen glück, das unermeszlich scheint,
an dessen schwelle dir gefahr und tod,
verbannung als ein milderes begegnet.
289;
das mildeste, das dir begegnen mag,
ist, dasz man an des kerkers wand dich fesselt.
H. v. Kleist fam. Schroffenstein 1, 2;
von geschick, strafe, tadel, urtheil: ein mildes verfahren gegen säumige; er kam mit einer milden strafe davon; er hat, gegen seinen bruder gehalten, ein mildes los; Adelbert. überlaszt ihn der erde als einen verbannten von uns und verfluchten bis zur künftigen reue. Wieburg. Adelbert, es ist Hungen, über den ihr dieses urtheil sprecht. ihr werdet euch vergriffen haben, bitt euch, besinnt euch eines bessern, und sucht ein milderes. Klinger Otto 5, 14;
doch diese weisheit, welche blut befiehlt,
ich hasse sie in meiner tiefsten seele.
sinnt einen mildern rath aus.
Schiller M. Stuart 2, 3:
ein milder ausdruck; es war, ich will einen milden ausdruck gebrauchen, unschicklich; adverbial: milde ausgedrückt, milde gesagt; das war, milde gesprochen, nicht recht; sie zogen letzlich milde über den pfarrer los. J. Paul Qu. Fixl. 203; von übeln, krankheiten, gebrechen: sein altes übel zeigte sich diesen winter milder; die krankheit, die seuche trat milder auf, als früher.
8)
dasz mild zu dem sinne nachgibig im genusz, weichlich, verweichlicht vorgeschritten, ist selten: milt und meisterlosz machen, emollire Maaler 290ᵃ (vergl. dazu meisterlos sp. 1973 oben); dem wein zu gneigt und mild. Fischart ehz. 44.
9)
häufiger aber mild wie gehalten, ruhiger, von gefühlen die nicht mit voller oder roher kraft hervorbrechen: eine milde freude verklärte sein gesicht; auf seinen zügen lag milde trauer; ihre (der Deutschen) anmaszung ist hart und herb, ihre anmuth mild und demüthig. Göthe 49, 53;
dich sah ich, und die milde freude
flosz von dem süszen blick auf mich.
1, 75;
wie? hat auch eurer freuden milden
genusz die weisheit mir vergällt?
Gotter 1, 450;
adverbial: als es (das herz) sich nun endlich im acht und zwanzigsten jahre öffnen und lüften durfte: da ergosz es sich leicht und mild und wie eine warme überschwellende wolke unter der sonne. J. Paul uns. loge 1, xxxi.
10)
mild endlich von dem, was sanft und einschmeichelnd auf die sinne wirkt.
a)
so von klang und ton, und hier schon frühe gebraucht: man sol die kinder uben ze schlafen ... mit gesang, wann die milt stimm erfreilt es im herzen. anz. des germ. mus. 1865, sp. 108 (15. jahrh.); nicht mit dem donner oder klapf, sondern milt und still. Paracelsus opp. 2, 98 C; wie noch jetzt: die milden töne einer harfe; der milde klang seiner stimme;
ihrer rede mildes wehn
ward in mir zu sturmestoben.
Uhland ged. 254.
b)
dann vom licht, der farbe: mir ist die morgenröthe der jugend noch nicht untergegangen, ist ihre farbe auch nicht mehr so glühend, so ist sie im so sanfter und milder. Klinger 11, 86; schien es ihr, als wenn sie in einen ganz hellen doch mild erleuchteten raum hineinblickte. Göthe 17, 302;
der äuglein milder plitz,
gott Amors sein geschütz.
wenn das milde abendroth
die hügelspitzen malt.
Hölty 120 Halm;
sternelein funkeln,
mildere sonnen
scheinen darein.
Göthe 12, 75;
schön ist des mondes
mildere klarheit
unter der sterne blitzendem glanz.
Schiller braut von Messina v. 260;
es blitzt der abendstern so milde heut!
Platen 229;
das lichte, das du dort gesehn,
umglänzt dich mild auf finstern wegen.
Uhland ged. 3;
ich bin so hold den sanften tagen;
wann ihrer mild besonnten flur
gerührte greise abschied sagen,
dann ist die feier der natur.
14.
c)
von feuer, der wärme, dem wetter: ein milder tag, milde luft, mildes wetter, ein milder winter; die milde jahreszeit, der frühling; milt wetter, temperies. voc. inc. theut. n 8ᵇ; guͦter milter winter, der nit ze streng und ze rauch ist, clementia hyemis. Maaler 290ᵇ; wie aber die flüsse ... oft auch durch rauhe gebirge und wildnüsse fortlaufen, bis ihnen widerüm eine mildere luft begegnet. Butschky Patmos, einführ. 4ᵃ;
so hab ich, gilts auch mir, dem himmel zwar zu danken,
dasz dessen milde gluth mein kaltes herz bewegt.
du suchtest sächsisch blut, und woltest doch dabei,
dasz dessen hitze noch in etwas milder sei.
458;
milder wehen Zephyrs flügel,
augen treibt das junge reis.
Schiller klage der Ceres;
sein ehrgeiz war ein mild erwärmend feuer.
Wallensteins tod 3, 3;
da kaum der fried entblühte,
der ihm des wirkens wohlverdiente frucht
nach tagesgluth am milden abend biete.
Göthe 11, 334;
(im sommer) sind die tage lang genug,
da sind die nächte mild.
Uhland ged. 30;
wohl blühet jedem jahre
sein frühling mild und licht.
37;
bald blüht der frühling, bald der goldne friede
mit mildern lüften und mit sanftrem liede.
146;
nur ein wehn!
ein lüftchen reich und mild!
Freiligrath dicht. 2, 223;
milder regen, milder thau; und wenn die bäume nicht in der that bewegt werden und ihren milden thau, als ob es geregnet hätte, herabträufeln lassen, so sind sie von holz, und alles, was uns die dichter von ihnen sagen, ein bloszes liebliches märchen. H. v. Kleist Käthchen v. Heilbr. 2, 1; und selbst milder schnee, der nicht kältet, nur schützt:
du (grab) bist doch nichts als milder schnee,
das mich belebend deckt.
Burmann ged. 175.
d)
von dem, was sich sanft und weich fühlt: jüngling, dein blut ist rosenroth — dein fleisch ist milde geschmeidig. Schiller Fiesko 3, 1;
wenn solch ein fleischchen weisz und mild
im kraute liegt, das ist ein bild
wie Venus in den rosen.
Uhland ged. 65;
namentlich von weichen, leicht zu bearbeitenden, oder leicht zergehenden erzen: mildes erz (von geringer festigkeit, leicht gewinnbar). Veith bergwb. 338; milde bergart ist, welche gebrechig, schmierig und sich anleget. mineral. lex. 386ᵃ; mildes metall (kupfer). Jacobsson 3, 66ᵃ;
prüft mir das gemisch,
ob das spröde mit dem weichen
sich vereint zum guten zeichen.
denn wo das strenge mit dem zarten,
wo starkes sich und mildes paarten,
da giebt es einen guten klang.
Schiller glocke v. 89;
wegen der ungleichheit seiner körner ist dieser nicht völlig so milde als jener marmor. Winkelmann 3, 35; aus einer lava, welche die allermildeste ist und am leichtesten verwittert. Göthe 37, 209; mild, im österreichischen bergbau, in der aufbereitung fein, zäh, z. b. schlamm. Gätzschmann 53; milde leder, bei den schustern, die die rechte gare haben, coria molliora, bene praeparata. Frisch 1, 663ᵇ; von weichen eszwaaren: milde äpfel, mitia poma. Frisch 1, 663ᵇ; mild, reif werden, mitescere. ebenda; tirolisch mildes fleisch, eine milde kost, mildes obst. Schöpf 438; ärzte nennen sonst eine milde kost die nicht stark gewürzt ist, vgl. das folgende.
e)
von dingen eines nicht herben oder scharfen geschmacks: milter wein, der nit rauch ist, vinum molle, lene vinum Maaler 290ᵃ; niemand ist, der vom alten trinket, und wölle bald des newen, denn er spricht, der alte ist milder. Luc. 5, 39 (goth. þata faírnjô batizô ist, ahd. thaʒ altâ ist beʒira. Tat. 56, 10, nach der vulg. vetus melius est, griech. ὁ παλαιὸς χρηστότερός ἐστιν); adverbial: die speisen nur mild würzen; eine mild gesalzene suppe; vgl. ostfries. dat hed so'n milden smâk ten Doornkaat-Koolman 2, 601ᵇ.
f)
von dingen eines nicht scharfen geruchs: wohlriechendes wasser mit einem sehr milden geruch; die blume hat einen milden duft; adverbial:
(ich lag) von blumen ganz verborgen
in einem schönen thal.
sie dufteten so milde.
Uhland ged. 53.
g)
mild nennt man den pinsel eines malers, dessen behandlung fein, markig und zärtlich ist. Jacobsson 3, 66ᵃ; milde presse, bei den tuchmachern, eine kalte presse, der ganz feine tücher nur acht und vierzig stunden ausgesetzt werden. ebenda.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 12 (1884), Bd. VI (1885), Sp. 2201, Z. 42.

milde, f.

milde, f.
das mildsein; in verschiedenen bedeutungen des adj. ausgebildet.
1)
in der älteren sprache (nach mild 3) die liebevolle fürsorglichkeit eines herrn für sein gesinde:
er was der nôthaften fluht,
ein schilt sîner mâge,
der milte ein glîchiu wâge.
a. Heinrich 66;
die gütige, gnädige gesinnung, die sich in geben und wolthun ausspricht (vgl. mild 4 und 5): miltî largitas, hilaritas Graff 2, 726;
er schepfet waʒʒer mit dem sibe,
swer âne vrîe milte
mit sper und mit dem schilte
ervehten wil êr unde lant.
des fürsten und des küniges hant
muoʒ offen z' aller zîte stân,
der grôʒiu dinc wil ane gân.
troj. krieg 18549;
von gott: ich lob dich schöpfer der natur,
und wunder mich der creatur,
dj du ausz nichten hast gebilt,
dabei ich brüf dein macht und milt.
und noch bei Hagedorn (vgl. dessen gebrauch des adj. mild 5, a):
schütze mich vor eitelm stolze, der sich bei dem gut erhebet,
das dem sterblichen besitzer deine milde nur geliehn.
1, 3;
als formelhafte bezeichnung einer königlichen eigenschaft, wie heute gnade:
Damon, sitz auf den trone mein,
heut den tag solt du könig sein.
gebeudt und straf als was du wilt
ausz meiner königlichen milt.
H. Sachs fastn. sp. 4, 117, 118;
zu zeigen, dasz ich nicht unwerth des ordens,
den meines königs milde mir verlieh.
Tieck Octavian. s. 413;
freigebigkeit überhaupt:
swes ieman an si gerte,   des wâren si bereit.
des gestuont dô vil der degene   von milte blôʒ âne cleit.
Nib. 1310, 4;
später durch mildigkeit (s. d.) zurückgedrängt, obwol nicht vergessen: eines milde spüren, lenitate alicujus agnoscere, it. liberalitate alicujus frui. Stieler 1276; in der neueren sprache hie und da wieder hervorgetreten: zuviel milde ist verthan. Simrock sprichw. 377;
vor ihm (dem guten reichen) verlieren sich die zähren banger noth.
die milde seiner huld entfernt (schiebt auf) der greisen tod,
zieht ihre kinder auf, die väter zu verpflegen.
Hagedorn 1, 20;
(ich) sollt
es wohl mit ansehn, dasz verschwendung aus
der weisen milde sonst nie leeren scheuern
so lange borgt, und borgt, und borgt, bis auch
die armen eingebornen mäuschen drinn
verhungern?
Lessing 2, 256;
nur darum eben leiht er keinem,
damit er stets zu geben habe. weil
die mild ihm im gesetz geboten; die
gefälligkeit ihm aber nicht geboten: macht
die mild ihn zu dem ungefälligsten
gesellen auf der welt.
240.
2)
milde (vgl. mild 6) die gütige, erbarmende, nachsichtige, sanfte gesinnung; ahd. miltî:
lerne hiar thia guatî   uuio unser druhtîn dâti,
sînes selbes miltî   joh muates mammunti.
Otfrid 3, 19, 12;
mhd. milte:
diu keiserlîchen ougen sîn
von rehter milte wurden naʒ.
Silvester 1038;
hie sol ich nu gedenken zuo,
alsô daʒ ich den kinden tuo
milt und erbarmunge schîn.
1164;
nhd. zumal in der neueren sprache wieder verwendet; gern vom weibe, im gegensatz zur strenge, rauheit, wildheit: in neuer zeit wird überhaupt, ungeachtet der alten, der bibel und Rousseaus, den weibern statt der milde mehr die wilde angerathen und angelehrt. J. Paul vorsch. der ästh. 3, 143; die weiber haben gesellige milde, die männer gesellige wildheit. ebenda;
auf einmal steht vor ihm ein göttergleiches weib,
im groszen auge des himmels reinste milde,
der liebe reiz um ihren ganzen leib.
Wieland 22, 129 (Oberon 3, 58);
der eignen milde folge du getrost.
nicht strenge legte gott ins weiche herz
des weibes.
Schiller M. Stuart 2, 3;
furchtbar ist deine rede, doch dein blick ist sanft ..
o bei der milde deines zärtlichen geschlechts
fleh ich dich an (Montgomery zu Johanna).
jungfrau von Orleans 2, 7;
der Ungarn königin, die strenge Agnes,
die nicht die milde kennet ihres zarten
geschlechts.
Tell 5, 1;
vom manne, die sanftere gesittung hervorhebend:
der weisen weisestes, der milden milde,
der starken kraft, der edeln grazie
vermähltet ihr in éinem bilde.
Schiller die künstler v. 210;
von fürsten, in bezug auf ihre nachsehende art:
Eug. des königs milde sollte milde zeugen.
herz. des königs milde zeugt verwegenheit.
Göthe 9, 269;
da war kein ansehn der person, es hielt
die milde nicht den arm des rechts zurück.
164;
milde, personificiert, humanitas:
denn nirgends baut die milde, die herab
in menschlicher gestalt vom himmel kommt,
ein reich sich schneller, als wo trüb und wild
ein neues volk, voll leben, muth und kraft,
sich selbst und banger ahnung überlassen,
des menschenlebens schwere bürden trägt.
67;
sah ich aus ihren augen die englein unschuld, sanftmuth und milde blicken und zu mir überflattern. Veit Weber sagen der vorzeit 3, 429.
3)
milde, nach mild 10, das sanfte der töne, farben, des wetters u. ähnl.: die milde des tones (einer geige); die lage der stadt, die milde des klimas kann nie genug gerühmt werden. Göthe 28, 69;
(er) trinkt die milde der abendluft.
Hölty 113 Halm;
leicht und erquicklich athmet sich die luft,
und ihre milde schmeichelt unsern sinnen.
Schiller Macb. 1, 12 (the air nimbly and sweetly);
der prächtgen stoffe gold und farbenglanz,
der perlen milde, der juwelen strahl
bleib im verborgnen!
Göthe 9, 296;
so such ich wieder dich, mein thal.
empfange dann den kranken sänger
mit solcher milde noch einmal!
Uhland ged. 44.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 12 (1884), Bd. VI (1885), Sp. 2208, Z. 51.

milde, f.

milde, f.
die pflanze atriplex, s. melde sp. 1991.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 12 (1884), Bd. VI (1885), Sp. 2210, Z. 7.

mildigkeit, f.

mildigkeit, f.
das mildesein; bereits im mhd. neben das einfache fem. milde getreten, im 15. jahrh. dieses zurückdrängend, und sich bis ins 18. jahrh. behauptend, zu welcher zeit das alte milde wieder auflebt, um heute beinahe alleinige anwendung zu finden; mildigkeit klingt uns veraltet. es steht nach den verschiedenen bedeutungen des adj. mild: die miltigkeit, guͤtigkeit, lenitas, benignitas, humanitas, lenitudo, facilitas, mansuetudo, placabilitas, clementia Maaler 290ᵇ.
1)
nach mild 3, liebende fürsorge für die seinen: zu dem leztin zoch der milde furste ein vingirlin uʒ siner taschin, da mete her pflag sine heimelichen brife zu vorsegiln und wiste iʒ siner betrubetin wertinne und sprach uʒ groʒir mildekeit sines herzin zu or alsus ... daʒ sal dir ein warzeichin si, bi weme ich dir daʒ sende, dem soltu genzlich gloubin. Ködiz 57, 24;
weil Ludwigs mildigkeit die kirchen wohl verpflegt,
wird billig ihm das lob des frommen beigelegt.
Caniz 75;
von gott: got in ewigkeit, nôch sinre groszen miltikeit, der wolte ime alleine nüt behalten sinen schatz der ewigen wunne und fröude die alle zit von ime flieszent. d. städtechron. 8, 233, 1;
allain sein (gottes) güt und mildigkait
söll wir zu lernen sein berait.
o groszer gott von that! schau, wie die arme erd
von deiner mildigkeit noch einen wunsch begehrt!
Opel und Cohn 197, 7;
doch hier später auch mit entschiedenem bezug auf mild 6: diese gnadenzeit, die dir die göttliche mildigkeit verleihet. Simpl. 3, 425 Kurz;
unträglich ist dein zorn, den du den sündern dräuest.
doch deine mildigkeit, die du hierbei verleihest,
ist mäszig ohne masz.
2)
nach mild 4, a. b, freigebigkeit: miltigkeit, largitas, liberalitas, legalitas. voc. inc. theut. n 7ᵇ; die mildigkeit und freigebigkeit der alten Hamburger. Schuppius 330; wenn der mensch weder in tugend, güte, mildigkeit noch wolthat sich thätig erzeiget. pers. rosenth. 7, 12;
sô mûʒ (wenn ein karger guten wein trinkt) sîn karkeit sinken,
daʒ er durch grôʒe trunkenheit
eine kleine miltikeit
underwîlen doch begêt.
d. Wiener meerf. 691;
weil Stapolenses saget frei,
die miltigkeit im mittel sei.
du bist zu milt und der zu karg.
H. Sachs fastn. sp. 1, 96, 464;
so willst du, geizhals, länger scharren?
so willst du mit der mildigkeit
bisz auf die letzten stunden harren?
Chr. Gryphius poet. wäld. 2, 326;
doch wer die mildigkeit als eine tugend übt,
der sehe, was und wie, ja wenn und wem ers giebt.
Chr. Weise zeitvertr. 2, 81;
nicht nur den lebenden nützt ihre mildigkeit;
o nein! sie weis sich auch die todten zu verbinden.
wenn wird ein kind zur gruft gebracht,
um dessen sarg ihr kranz sich nicht verdient gemacht?
Gellert 1, 33;
das beste war, in seiner neuen haut
den jungen herrn (als geschenk der götter) stillschweigend anzunehmen,
und sich der mildigkeit der götter nicht zu schämen.
Wieland 18, 168;
gastfreiheit (mild 4, c): mit dem werk hat gott uns exempel gegeben, und gepreiset die mildigkeit, das wir gerne herbergen sollen, und den frembdlingen guts thun. Luther 4, 104ᵇ;
eur miltigkeit dank wir euch gern (herold zum wirt).
fastn. sp. 566, 21;
mildigkeit im gegensatz zu verschwendung: ihr mitleiden ist allzu empfindlich, und hindert beinah die gerechtigkeit, und ihre mildigkeit ist beinah verschwendung. M. Mendelssohn bei Lessing 4, 223;
wenn dus also verschwenden wilt
on not, on nutz, zum uberflusz,
so sagt dir Marcus Tullius:
es sei kein rechte miltigkeit,
sonder ein lauter verwegenheit.
H. Sachs fastn. sp. 1, 96, 487;
aber auch in den sinn verschwendung (vergl. mild 4, d) übergehend: liberalitas mildikait l. liederlichait Dief. 326ᶜ.
3)
an die vorige bedeutung angeschlossen, aber mit entschiedenerer hervorhebung der gesinnung, die solche freigebigkeit erzeugt; güte, willigkeit, barmherzigkeit (nach mild 5): pei dem vogel (laurus) verstên ich ainen gedultigen menschen, der seinr tugent niht vergiʒʒet in glück und in ungelück. der fleugt in dem glück und praitt die flügel seinr miltichait über arm läut. Megenberg 203, 22; dis (siebente) gebot hat auch ein werk, welches gar viel guter werk in sich begreift, und vielen lastern wider ist, und heiszt auf deudsch miltigkeit, welchs ist ein werk, das von seinem gut jederman willig ist zu helfen und dienen. Luther 1, 253ᵇ; die erfullung des siebenden gebots. armut des geistes, mildikeit, willikeit seiner guther zu leyen und geben. krit. gesamtausg. 1, 255, 10; des hern Christus wolthätigkait und miltikait. Melanchthon hauptart. d. h. schrift verdeutscht 5;
ihr musen! ist es nicht ein unverdienter lohn,
den eure mildigkeit um haar und scheitel windet.
4)
mildigkeit (nach mild 6), güte, freundlichkeit, sanftmut: miltigkeit, lenitas, lenitudo, humanitas, clementia Dasyp.; er kan durch seine mildigkeit iedermann gewinnen, omnium animos comitate sibi conciliat, seu devincit. Stieler 1276; den mördern von barmherzigkeit und mildigkeit predigen. Schuppius 520; die unbegreifliche geduld, womit die meisten völker des erdbodens sich zu allen zeiten von einer kleinen anzahl von Isfandiarn und Eblissen haben misbrauchen lassen, ist der stärkste beweis der ursprünglichen mildigkeit der menschlichen natur. Wieland 7, 53; ich weisz, was meine mutter ausgestanden hat, von der unbestechlichkeit, unerschütterlichkeit meines vaters. endlich, leider nach ihrem tod, ging ihm eine gewisse mildigkeit auf. Göthe 21, 168;
ein herr, der wie er will, ohn alles ansehn handelt,
sein ausspruch musz geschehn, und seine tyrannei
wird durch kein kläglich thun in mildigkeit verwandelt.
untreue wird durch mildigkeit erzeugt.
kein alter spreche künftig, kein geschlecht,
zur schonung eines schuldigen, das wort.
Göthe 7, 243;
in ungewöhnlich knappem ausdruck:
wenn meines standes mildigkeit mir auch
der schonung süsze pflicht nicht auferlegte (Domingo zu Philipp).
Schiller don Carlos 3, 4,
= die mildigkeit, die mein stand heischt.
5)
mildigkeit, nach mild 10, d: seit einigen jahren haben sich in den marmorbrüchen zu Carrara adern und schichte aufgethan, die dem parischen marmor weder an feinheit des korns, noch an farbe und mildigkeit weichen. Winkelmann 3, 35; die eine eigenschaft ist dessen (des parischen marmors) mildigkeit, das ist, er läszt sich arbeiten wie wachs (gegenüber sprödem carrarischen marmor). 5, 100.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 12 (1884), Bd. VI (1885), Sp. 2213, Z. 44.

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Zitationshilfe
„mildigkeit“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/mildigkeit>.

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