Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

rümpfen, verb.

rümpfen, verb.
in falten ziehen, runzeln.
I.
Formales. nhd. rümpfen, rümpfte, gerümpft, mhd. rümphen. Lexer mhd. wb. 2, 537, mnd. rümpen. Schiller - Lübben 3, 483ᵃ. das wort ist eine secundäre bildung zu dem alten starken, von ihm verdrängten verbum mhd. rimphen, ramph, rumphen, gerumphen Graff 2, 512. das schwache und das starke verbum tragen die gleiche bedeutung, von starken formen erhalten sich manche, so der infinitiv:
der graf sich gar bald leget an,
mit kraft was er bereit da zu dem schimpfen,
ir keiner mocht vor im bestan,
wer in bestund der must sich ob im rimpfen.
lied v. d. grafen v. Saffoy (Nürnberg o. j.);
das part. gerumpfen im älteren nhd.: sein haar was von alter grau und sein angesicht gerumpffen. Wilh. v. Österreich (1481) 23ᵃ; allermeist werd vermitten und verhüt, dasz die wunden des angesichtes nit gerumpfen werden. Braunschweig chirurgie (1498) 53ᵇ. daneben aber auch die schwache form, als gerimpft. B. Waldis päpstl. reich S 2ᵇ (s. die stelle nachher unter II, 1); als gerümpft:
ach nun verblüh ich auch, die blüht ist schon gerümpffet.
Wiedemann juni 21.
vereinzelt stehen folgende formen, theils mit, theils ohne umlaut: Jahn Clam geht ein, tregt ein brieff, sicht gar saur, raumpfft die nasen. Jac. Ayrer 306ᵈ;
stingt in was an, so reumpf die nasen.
H. Sachs fastn. sp. 2, 23, 328 neudruck.
II.
Gebrauch.
1)
allgemein, in falten legen, zusammenziehen, z. b. kleider falten:
do ich mich in das pett gelait,
die leilach (betttuch) sich zusamen rumpfen,
do gund ich in das wasser plumpfen.
fastn. sp. 116, 33;
schon weisze chorröck sie antragen,
ist köstlich leinwadt, gar on kragen,
mit kleinen falten, kraus, gerimpfft.
B. Waldis päpstl. reich S 2ᵇ;
die scheffen (vom springkraut) aber rümpffen sich eilends, als die springende käszmaden. Bock kräuterbuch 152; ritter — sporen, so an zarten langen fäden hangen, welchen lange schöttlein folgen, welche wann sie schier reiff, angriffen, aufspringen, und rumpffen sich alsbald die schöttlein. Tabernaemontanus 1254 F;
so ain paum dorrt, der hebt an
in dem wipffel. dann sicht man,
das sich rympfft die rinden.
Cl. Hätzlerin 2, 14, 527;
in mittler zeit begund zu krümpffen,
die zerung und all ding zu rümpffen,
die speisz mindert sich all tag.
B. Waldis Esopus 4, 42, 43 Kurz.
2)
in besonderer anwendung:
a)
von haut, angesicht, kinn, mund, zunge, nase, stirn: die haut rümpft sich.
b)
infolge alters und einer äuszeren veranlassung: und vach (fang) nymer am end (der wunde) zum ersten an auf das sie dester saubrer geheftet und dester minder gerumpfen werde. Braunschweig chirurgie 21ᵃ; die haut ist kein thor, wann sie alt wirt, so rümpfft sie sich. S. Franck sprichw. 29ᵃ; am geschmack ein wenig bitter, rauch, und rümpffet die zungen, als die schlöhen. Bock kräuterbuch 146;
sus kund er im mit slage die ahseln rimphen.
Lohengrin 545 Rückert;
manig haut sich rampf vor hitze.
Otacher reimchron. 439ᵇ;
sit dasz mine tutten anfiengend hangen,
wie ein lerer sack an einer stangen,
do fieng sich an mein hut zuͦ rümpfen!
Nic. Manuel 54, 591 Bächtold;
kam gohn gleich einem alten weib
und sich an einen stecken lendt,
das angsicht grumpfen und zerzent
als wer sie alters hundert jor
mit grumpfter stirn und grawen hor.
Wickram pilger bl. 77;
ach nun verblüh ich auch, die blüht ist schon gerümpffet,
weil ihre wurzel nur den safft von deiner sog.
Wiedemann juni 21.
c)
aus anlasz innerer bewegung, zum zeichen der unzufriedenheit, des hohnes, der verachtung. das kinn rümpfen:
des prangens ist kein maasz noch ziel,
bald rümpffet sie ihr kinn!
Joh. Chr. Göring liebes-meyen-blühmlein (1654);
den mund, fastidientis oris gestus Schottel 1389: wenn man ihr ein krump wort saget, das maul rumpfet, die nase spitzet, die augen funkeln, das züngelein wetzet. Mathesius Syrach 2, 99ᵇ; Babeli fand sich sehr gekränkt, aber sie rümpfte kaum den mund. Arnim kronenw. 1, 69;
und voll hohn
rümpft sie den rosenmund.
Zachariä 1, 183;
die nase, nares corrugare Steinbach 2, 316: also auch Simon .. urtheilet auch nach dem euszerlichen schein, rümpffet die nasen über der frawen. Luther 4, 505ᵇ; unser ungeistlichen rümpffen die nasen drüber, wenn man den ehestand lobet. 519ᵇ; verkehrt die augen, rimpffet die nasz, regt die stirn. Garg. 230ᵃ; die augen sehen sauer, die nasz rumpft sich. Lehmann 187; der (wirth) rümpfte die nase. Chr. Weise erzn. 247; wobey er gewöhnlich seine spitzige nase ein wenig zu rümpfen pflegte. Wieland 15, 151;
sie siht selten iemant schimpfen,
trauren, swinde, nase rimpfen.
Renner 15953;
worüber ein ekler salamander
die nase rümpfen könnte.
Wieland 4, 244 (n. Amadis 10, 33);
ein skeptisches rümpfen der nase, wobey er lauernd und scharf
dem ritter ins auge sah, die lippen überwarf,
erklärte deutlich genug, er glaube,
dasz jener in seinem bericht sich einige freiheit erlaube.
260 (11, 19);
was rümpft ihr die nasen, ihr damen und herren?
Bürger 35ᵇ;
denn die zeit ist um, nun schlendert nach haus, doch ja nicht rümpfet die nasen.
Platen 278;
und wenn sie mich sieht am mühlbach stehn,
da rümpft sie das näschen und zieht ein gesicht,
und weisz doch so zierlich dabei sich zu drehn,
dasz vor ärger und liebe das herz mir bricht.
Geibel 1, 18;
die stirn, frontem corrugare. Steinbach 2, 316: wan ein fraw gät in ir stub, die zu fast warm ist, so würt sie in ersten just betrübt, rümpft die stirn. Keisersberg trostspiegel Aa 4ᵃ; und wie er Pasquinum nennen höret, rümpft er die stirnen. der verwundete Pasquin (1543) C 7ᵃ; sie (die mönche) rümpffen ir stirn wie ein bock. Fischart bienenk. 199ᵇ; darüber ich meine stirn rumpft und hielt immer zu widerpart. Bebel 227ᵇ; wir rumpffen die stirn (wie sittenstreng), zehlen schritt und tritt, gehen und reden nach der tabulatur, schelten auf alles, was nur ein wenig uberzwerch gehet. Philander 1 (1642), 6; die augen sind halb zu, die stirne rümpft sich von allen seiten dagegen und gegen die nase hinunter. Pestalozzi Lienh. u. Gertr. 2, 294;
verker die augen, rümpff die stirn,
das zeigt in dir dein fräches hirn.
Grobian. v. 209;
wie kömt es das du die trübe stirne rümpfest.
Grob versuchg. 23;
ich gewahr', o Cassian, dasz du maul und stirne rümpfest.
R. v. Freientahl (1700) 135;
er reibt sich die gerümpfte stirne.
Wieland 10, 223.
das antlitz: thut jemand der fues wehe, ja das kleinest zehlin, so sihet das auge darnach, greiffen die finger, rümpffet sich das angesicht. Luther 1, 202ᵇ;
ir wolt den lügner nicht ansehen,
sondern rümpft und wendets gesicht
weyt ab, von dem so lügen spricht.
Rollenhagen froschm. A 4ᵇ.
d)
von personen und persönlich gedachten dingen, sich rümpfen, winden, zusammenziehen: mhd.
swenn er lachet und jener sich rimpfet.
Renner 5498;
der sich rimpfet als ein igel.
minnes. 2, 310ᵇ Hagen;
da sollen wir wohl innen werden, wie sie sich mehr rumpfen, krummen und schuttern wurden denn wir. Luther briefe 2, 57; nachdem solchen (wermutwein) unser wirt gekostet spey er etliche mal ausz, rümpffet sich grewlich. Kirchhof wendunm. 207ᵃ; sich rümpffen und krümpffen wie ein wurm. Wander 3, 1773;
kum ich zu ir und wil ains schimpfen,
so krümpt sie sich und wirt sich rümpfen.
fastn. sp. 771, 13;
als man stund prangen im gemach,
gab ich ir manchen stich,
das sie darab recht rümpfet sich.
Fischart 2, 60, 2214 Kurz;
die Rohsno lachet offt, und sauer siht die Tiber,
die Elbe rümpfft sich selbst, die augen gehen über
dem armen Priscian.
Logau 2, 68;
frei und übertragen von trotzigem auftreten: das sy also nackend winter und sommer herein tretten, rumpfen, lassen sich zuͦ prob ihrer gedult brennen. S. Franck weltb. 109ᵃ; sich rümpfen, mit miszvergnügen, unwillen, verachtung abwenden: da setzt er ihnen ein sawren schlechten wein für und dazu die mönch versuchte, da rümpfften sie sich darab. Pauli sch. u. ernst 105ᵃ; soliche menschen mügentt die güttenn büchle nit lesen, denn sie rümpfen sich seer ab dem evangelio. spiegel der blinden (1522) Bb; zuͦ dem andern so hat er ain miszfallen ab dem wasser, und rümpfft sich darab. Keisersberg schiff der pönitenz 21ᶜ; ainer der artzney ein sol nemen, der rumppft sich darab, er entbär ir lieber. sieben hauptsünden Ff 1ᵃ; solten sie (die bauern) es aber ein halb jar thun (fronen), sie würden sich darab rümpfen. evang. 106ᵃ; also thunt die narren, von denen wir bisher geret haben, die rumpfen sich ab den steinen, seint ungedultig sie achten sie nit süsz. narrensch. 218ᵇ; zum vierden das gesind ist trurig, so es also gezwungen würt von der frowen, aber die huszfrauw acht sin nit vil, und unser gesind rümpfft sich auch darab, wenn wir es underston also zuͦ regieren. bilger 9ᵈ; darumb soltu dich des nit erschrecken, oder dich darab rümpffen (wenn gott dich züchtigt) ... sunder dich des mit gantzem hertzen erfreuwen. 73ᵇ; aber die vernünfftigen (sc. bilger) thuͦnd nit also, entpfinden sie schon dʒ sie (die grünen nüsse) bitter sigend und rümpffen sich darab, noch thund sie die schalen uff, und kümmen also zum kernen. 212ᵇ; sihe da, ich wuszte wol, wo die natur solt recht thun, sie würde sich rümpfen. Luther 1, 197ᵃ; da wir aber etwas bey Christo und seinem wort wagen oder zusetzen sollen, da rümpfft sich blut und fleisch, und zaufft hinder sich. Mathesius post. 1, 114ᵃ; ob dan etwan einer oder mehr sich ob disem oder jenem, so etwan ihnen nicht gefallen wird, rümpffen werden: die wissen dasz hie nichts für den rümpffer gekocht, auch sie nicht dazu beruffen noch geladen. Philander 2, 914;
denn fallen wir in ungedult,
das sich darob fleisch unde blut
entsetzet und sich rümpffen thut
und murret offt hart wider gott.
H. Sachs 2, 1, 47ᵇ;
ob sich gleich der alt Adam reget
und sich darob rümpfft fleisch und blut,
in die alten art treten thut,
so musz ihn doch der new mensch stillen,
durch das creutz brechen sein unwillen.
4, 1, 85ᵃ.
in der neueren sprache ist der freiere gebrauch von rümpfen verkümmert, doch vergl.:
schrie mein weibchen doch entrüstet,
rümpfte diesem bunten rock.
Göthe 41, 32;
(wenn ihr wolltet) eure kleider, die euch beschimpfen,
mir als vorzug entgegen rümpfen.
13, 90.
e)
der infinitiv zum ausdruck einer schnellen zusammenziehenden bewegung; weiterhin eines ganz kleinen zeitmaszes: es ist umb ein rumpffen zu thun. randbemerkung zu quanquam hominibus mori sepelirique videantur, non tamen moriuntur, sed velut dulcissimo somno obdormiunt. Luther 4, 615, 25 Weimar. ausg.
3)
rümpfen, ein spiel: alsdann, so manicher getrunken, das er schier nichts mer gesicht, so facht das spill an. da rumpft man uf ein stunde oder zwo. Zimm. chron. 4, 374, 32; o rimpffen lehrt fein rechenen. Garg. 175ᵃ; seine gäste waren junge magistri, licentiaten, doctores so auch gerne rumpffeten, darzu auch gar fertig waren, wie sie dan sagten: ein guter rumpffer kont auch woll ein guth consilium stellen, rumpffeten also die gantze nacht. B. Sastrow 2, 638;
ich kan ein spil, heist man das rümpffen,
nemt offt den beutel zu den strümpfen.
H. Sachs 5, 357ᵇ;
die brüder, schwäger, vater, son ...
... im rümpffen, bilden, thürmn
einander nach dem gelde stürmn.
B. Ringwald lautere wahrh. 84.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 8 (1891), Bd. VIII (1893), Sp. 1494, Z. 18.

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Zitationshilfe
„rumpfen“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/r%C3%BCmpfen>.

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