Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

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runde, f.

runde, f.
rundsein, kreis, rundgang. im sinne von rundsein begegnet runde bei Luther und später, daneben mit umlaut ründe (belege s. unter 1). auf dieses wahrscheinlich auf deutschem boden entstandene wort wirkte das franz. ronde f. ein, so dasz bezüglich der weiteren bedeutungsentwicklung nicht festzustellen ist, in wie weit dieselbe auf das heimische oder auf das fremde wort zurückgeht. das umgelautete ründe findet sich selten anders als im sinne von rundsein: das wagenrad gehet in der ründe fort. Stieler 1648; der flusz geht die ründe üm die stadt herüm. ebenda;
dieser blätter hat sie viele,
in der ründ', um ihrem stiele.
Brockes 9, 132.
die französische form des worts bezeichnet die militärische runde (ganz vereinzelt in anderem sinne: aus dem graziösesten ringelreihen in die täppischste und barockste ronde überplumpsend. H. Heine 6, 486 Elster), daneben aber auch schon vom 17. jahrh. ab als runde (belege unter 3, a. b). in der heutigen sprache des heers ist ronde das übliche.
1)
das rundsein, zustand des runden.
a)
in sinnlicher bedeutung: weil sie sagen, es (das brot beim heil. abendmahle) sey kein brot, sondern allein gestalt des brots, das heiszen sie accidentia, als farbe, schmack, dicke, lenge, breite, runde, geruch, gehör etc. Luther 6, 322ᵃ; darnach solt man mit der zeit auch den geruch verbieten, und allein die farbe und runde lassen sehen, darin auch der gantze Christus empfangen werden müste. ebenda; die ründe, rotunditas. Stieler 1648; dieselben (sind) nicht völlig walzenförmig geblieben, sondern haben eine ungleiche und höckerigte runde erhalten. Winckelmann 2, 100; einige abkürzungen aber tragen zur schönen form der griechischen cursivschrift bey und geben derselben eine runde, eine freyheit und verbindung. 123; eine oder die andere kastanie von mehr feuer und ründe. Bode Trist. Shandy 4, 179; die ganze bildung behält eine ründe, denn das fett hat ruhe in seinen zellen. Schiller 1, 171.
b)
übertragen: jede nation lieferte die vortrefflichsten meisterstücke der poesie, ehe sich noch die prose von jener getrennet und zu ihrer runde ausgebildet hatte. Herder lit. u. kunst 1, 160; in so kurzer zeit giebt man vielerlei themata an und führt keines aus, und so vielerlei man auch rege macht, kommt doch wenig zur runde und reife. Göthe an Schiller 108.
2)
kreis, runde form, runder körper: umbo, die runde, schiltrand. Frischlin nomenclator (1586) 266ᵃ; ründe, forma globosa, figura circularis, orbiculata, rotunda. Stieler 1648; hernach siehet man das wappen, die buchstaben G. B. oder namen und werth in drei runden, die doch nicht vollig zu gehen, unten aber, und auszer den runden, des münzmeisters namen. Dewerdeck Silesia numismat. 705;
als euch (die himmel) der schöpfer ausgerecket,
und in die ründ gebogen.
Spee trutzn. 114, 24 Balke;
freier:
das reckt nun, es will sich ergetzen sogleich,
die knöchel zur runde, zum kranze.
Göthe 1, 229.
wie kreis, gesellschaft von personen (vgl. das schon mhd. tafelrunde, table ronde):
rückt dichter in der heilgen runde.
Arndt (1840) 302;
da sitz' ich in der groszen runde.
W. Müller 1, 7 Müller.
in sätzen wie: alle riefen mit lauter stimme ein gleiches, der becher gieng in der runde herum. Schiller 7, 200; kommen sie nun und zehren mich (meine vorräthe) auch auf, und so geht es dann weiter in die runde herum. Göthe 17, 257;
man trinkt in die runde schon dreymal und vier.
1, 227,
gelten die ausdrücke in der runde, in die runde von einem kreise von personen, doch werden sie auch freier ganz im sinne von 'rund umher, im umkreise' gebraucht. die belege zeigen in die runde vorzugsweise bei verben der bewegung, doch nicht ausschlieszlich (Göthe 8, 47, s. unten): er durchschwärmte Deutschland in die runde. Schiller räuber schausp. 2, 2; vierzig gebürge brüllen den infernalischen schwank in die rund herum nach. 2, 3; Bamberg, und zehn meilen in die runde, entbieten euch ein tausendfaches: gott grüsz euch! Göthe 8, 47; da schlagen die hähne an, von ort zu ort in die runde bis Mittelheim. Bettina briefe 1, 243;
und herrchen krauskopf ist ein närrchen,
fängt mit dem klaffer händel an,
greift fix nach steinen in die runde,
und schleudert, was er schleudern kann.
Bürger 32ᵇ.
in der runde: o, es ist ein tüchtiger kerl! ein jäger, der funzig meilen in der runde, durch wälder und moräste, alle fuszsteige, alle schleifwege kennt. Lessing 1, 546;
leer stehen alle dörfer in der runde.
Schiller Wallenst. tod 3, 5;
gröszere lust giebt's nicht zehn meilen weit in der runde.
Körner 2, 187;
jener hund,
dessen knurriges gebelle
wiederhallet in der rund'.
H. Heine buch d. lied. 301.
bildlich:
entfernt von dir, entfremdet von den meinen,
führ' ich stets die gedanken in die runde.
Göthe 2, 10.
3)
rundgang, bewegung in die runde.
a)
der rundgang einer oder mehrerer damit beauftragter militärpersonen zur prüfung der wachen und posten, franz. ronde: ja ein gefangener hat es noch besser und ist weit glückseliger; dann er darff weder wachen, runden gehen, noch schildwacht stehen. Simpl. 1, 389, 12 Kurz; runde gehen. Stieler 1648; die runde thun oder gehen, circuire vigilias. Frisch 2, 137ᵃ; es sind die spanischen patrouillen, die ihre runde halten. Schiller 15², 37; in französischer form:
schildwacht stellen, ronden gehn.
Grob versuchg. (1678) 88.
b)
dann auch der oder die mit diesem rundgang beauftragten: runde sive ronde, circitores, circuitores. Stieler 1648; vigiliarum recognitores. Frisch 2, 137ᵃ; einige menschen gehen mit handlaternen über den plaz; darauf die rund und patrouille. (bühnenanweisung) Schiller 3, 135; dort seh' ich wieder eine runde antreten. Göthe 8, 246; alle täglichen runden sind beordert, zur bestimmten zeit an verschiedenen plätzen einzutreffen. 247;
wer da?
rond.
was für rond?
haupt - rond.
steh rond.
Keil d. studentenlieder des 17. u. 18. jahrh. 106;
der waffen dumpfes rauschen unterbrach,
der runden ruf einförmig nur die stille.
Schiller Wallenst. tod 2, 3;
schickt runden aus.
4, 7.
c)
wie rundgang, bewegung in die runde im allgemeinen gebrauch:
schwebe noch einmal die runde
über flamm- und schaudergrauen.
Göthe 41, 114;
was winseln die hunde
beim schlafenden herrn?
sie wittern die runde
der geister von fern.
Matthisson (1811) 2, 104;
wehe! wehe! welche gluth
loht um uns in wilder runde!
Körner 2, 206;
in des abends feierstunde
führt mich die gewohnte runde
immer zu den bäumen hin.
W. Müller 1, 62 Müller.
dann übertragen auf dinge: nach geendigter runde erhielt ihn (den aufsatz) der verfasser zurück. Göckingk leben Nicolais 91. freier in dem wol der studentensprache entstammenden ausdruck eine runde bier, d. h. bier für alle theilnehmer der gesellschaft u. ähnl. die runde machen: die beiden paare fanden sogleich ihre nachlolger und bald genug wechselte Eduard, indem er Ottilien ergriff und mit ihr die runde machte. Göthe 17, 157; ich (will) die runde durch Genua machen. Schiller Fiesco 3, 5;
was giebt es? wer macht doch
dort unten noch rund'?
Fr. Müller 1, 327;
macht mir schnell die ganze runde
des schlosses.
Göthe 10, 238.
von dingen: der becher macht die runde im kreise der zecher. beim kartenspiel noch eine runde machen, noch einmal im kreise herum spielen, d. h. so dasz jeder noch einmal giebt. die runde gehen:
hierauf gingen die rund' ein braunes gemeng' und ein weiszes,
feine rague genannt.
Voss 2, 228.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 8 (1891), Bd. VIII (1893), Sp. 1507, Z. 51.

runden, verb.

runden, verb. intrans.
vom adj. rund.
1)
rund sein, werden:
die sonn fährt in das westen-thal,
der wachsam mon fangt an zu runden.
Rompler (1647) 191.
2)
rund gehen, die runde machen, so von der militärischen runde: runden, rundieren, vigilias vel excubias orbiter lustrare, circumire. voc. von 1735 bei Schm. 2, 119; aber auch in allgemeinerem gebrauch: braune krüglein .. rundeten im familienkreise. Göthe 43, 268;
so kan ich eine ein tanzweis leren,
das ir der ars nit kan gefern
und wirt die fuesz dan runden laszen,
sam wolt sie zwei locher in himel stoszen.
fastn. sp. 240, 25;
im bilde:
also, gleichwie das jahr, weil sein end und anfang
in sich umbwendet, rund, sich niemahl gar kan enden,
mög ewer lob endlosz mit rundendem umbgang
sich über die welt stehts mit newen thon umbwenden!
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 8 (1891), Bd. VIII (1893), Sp. 1510, Z. 24.

runden, ründen, verb.

runden, ründen, verb. trans.
vom adj. rund. zuerst in der participialform gerunt nachgewiesen aus einer quelle von 1496 bei Lexer mhd. handwb. 2, 538. der factitiven bildung entsprechend, eigentlich umlautend; die umlautlose form findet sich jedoch schon früher ziemlich häufig (s. die belege) und ist heute die regelmäszige geworden.
1)
im allgemeinen transitiven gebrauch.
a)
sinnlich:
schaf und rinder nun verschnaufen
auf den wiesen wolgerüst,
da der schöne säugend haufen
ründet seine flache brüst.
Spee trutzn. 240, 40 Balke;
du halfst dem ewigen den teig der monden runden.
bist du ohne bedacht nicht oft bei mondschein gekommen,
grau, im dunkeln sürtout, hinten gerundet das haar?
Göthe 1, 267;
schon wird der platz gerundet, wo mein könig,
als oheim, sie an seine brust geschlossen.
9, 321;
wer es (das feuer) entzündete,
sich es verbündete,
schmiedete, ründete
kronen dem haupt.
40, 382;
schon erhebt
der neue mensch sein antlitz von der erde,
voll leichter kraft, die scheinbar ihn belebt,
die arme schwellt, die breite brust ihm ründet.
A. v. Schlegel Prometheus im musenalmanach von 1798. 55.
seinen landbesitz runden: der pabst hatte zwey herrn ... gegen einander getrieben, um einige herrschaften in dem tumult zu fischen, die verlassenschaft des heiligen vaters zu ründen. Klinger 3, 19; er rundete seine güter durch ankauf und tausch. Schlosser weltgesch. 6, 452;
nun steht das reich gesichert wie geründet.
Göthe 13, 259.
b)
bildlich: alles friedliche und freundliche wird in einen leichten frohen kreis gerundet. J. Paul bei Campe unter zerrbild;
der den bund der weltseiten bündet
und das rund der jahreszeiten ründet.
Rückert (1882) 11, 399.
eine summe runden, sie zu einer runden machen (vgl. rund II, 5): das herz klopfte ihm vor freude, die summe seines schatzes zu runden. Klinger 3, 198. die sprache ründen, sie glätten, zu gröszerem ebenmasz erheben (vgl. rund II, 6):
gelehrte deutsche manner, ...
sie reichen sich die hand,
die sprache zu ergründen,
zu regeln und zu ründen
in emsigem verband.
Uhland 75.
ähnlich: er ründet auch im umgange seine perioden. Sturz 1, 2; ein gedicht, ein kunstwerk runden; es ist recht löblich ein polnischer jude seyn, der handelschaft entsagen, sich den musen weihen, deutsch lernen, liederchen ründen. Göthe 33, 41; das worauf ihr euch soviel zu gute thut, ein theaterstück so zu lenken und zu ründen, dasz es sich sehen lassen darf, ist ein talent, ja, aber ein sehr geringes. 281. eine seele runden: wenn körper seelen ründen und herzen gatten. J. Paul flegelj. 2, 128.
c)
technisch: der maler rundet seine figuren, wenn er ihnen durch vertheilung von licht und schatten u. s. w. die natürliche rundung zu geben sucht. Jacobsson 3, 470ᵃ (vgl. rund II, 7, b).
2)
reflexiv.
a)
sinnlich: an der calla entwickeln sich sehr bald die blattrippen zu blattstielen, ründen sich nach und nach, bis sie endlich ganz geründet als blumenstiel hervortreten. Göthe 55, 103;
und die rauhen stämme runden
zierlich sich in ihrer hand.
Schiller 11, 297.
freier:
wenn am gebirg der morgen sich entzündet,
gleich, allerheiternde, begrüsz' ich dich,
dann über mir der himmel rein sich ründet,
allherzerweiternde, dann athm' ich dich.
Göthe 5, 200.
b)
bildlich:
schon hat sich still der jahre kreis geründet.
Göthe 3, 101;
der kranz des daseins musz sich blühend runden.
Rückert ges. ged. 1, 326;
eh es sich ründet in einen kreis,
ist kein wissen vorhanden;
solang nicht einer alles weisz,
ist die welt nicht verstanden.
2, 377.
von künstlerischer vollendung: unmittelbar darauf werden die wahlverwandtschaften in die druckerey gegeben, und indem diese fleiszig fördert, so reinigt und ründet sich auch nach und nach die handschrift. Göthe 32, 45. der schall rundet sich zum ton:
jeder höret gern den schall an
der zum ton sich rundet.
Göthe 5, 21.
die seele rundet sich:
jede seele, die als ganzes sich harmonisch rundet, haszt!
Platen 272.
sich schlieszen und runden: ich habe diese zeit wieder viel studirt und die epoche, auf die ich hoffte, hat sich geschlossen und geründet. Göthe 29, 302. sich zum ganzen runden: man geht gar so weit, zu behaupten, sie (die neuere geschichte) ründe sich durchaus zu keinem ganzen, leite zu keinem bestimmten zwecke. Klinger 12, 146; nehmt die französische geschichte ... und seht zu, ob sie sich nicht zu einem ganzen rundet. 148;
es soll sich sein gedicht zum ganzen ründen.
Göthe 9, 112.
sich zur gestalt runden: schnell und üppig wechseln züge auf züge (in Kleists frühling), aber ohne sich zum individuum zu concentrieren, ohne sich zum leben zu füllen und zur gestalt zu runden. Schiller 10, 471.
c)
technisch (vgl. 1, c): sobald er (der maler) aber dessen (licht und schatten) bedarf, wie bei ästen und zapfen, die sich körperlich hervorthun, weisz er mit einem hauch, mit einem garnichts nachzuhelfen, dasz die körper sich runden, und doch eben so wenig gegen den grund abstechen. Göthe 39, 236.
3)
das part. prät. kommt im gebrauch oft dem adj. rund nahe.
a)
in sinnlicher bedeutung: der grosze geründete bogen schlägt tönend auseinander. Lessing 6, 463; alle meine dukaten sind schön und wohl gerundet. Klinger 1, 130; Lianens ihre (lettern) glichen nicht den gallischen sudel-protokollen, sondern der reinlichen geründeten handschrift des Britten. J. Paul Tit. 2, 55; denke nicht, dasz ich jetzt alle meine tuschschalen um mich stellen und dir das kunstlose gerundete thal durch das quadrat der kunst abzeichnen werde. Kampanerthal 18; gerundete stirn, wangen u. dgl.;
im tiefen boden
bin ich gegründet;
drum sind die blüthen
so schön geründet.
Göthe 3, 54.
b)
im bildlichen gebrauch:
... wo die liebe wirkt und gründet,
da wird die kraft der tugend offenbar,
das glück ist sicher und geründet.
Göthe 13, 312.
4)
eigenthümlich absolut erscheint das part. präs. in folgender stelle gebraucht:
jetzo brach sie gespross von der myrtenstaud' an dem fenster,
band es ründend mit seid' und kränzte dich, edle der jungfraun.
Voss 1, 136.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 8 (1891), Bd. VIII (1893), Sp. 1510, Z. 43.

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Zitationshilfe
„runden“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/r%C3%BCnden>.

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