Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

schulfuchs, m.

schulfuchs, m.
1)
cathedrarius philosophus, homo de schola Stieler 1722, volpe di scuola, cioè puntiglio e zelante sulle bagatelle grammaticali, e del resto ignorante nelle cose reali; pedante, pedagogo presontuoso, pazzo ed arrogante Kramer dict. 2 (1702), 680ᵇ, literator insulsus Steinbach 1, 517, schulfuchs, nennen einige ungelehrte soldaten - köpfe auch einen gelehrten, der in seinem ort bleibt, und sich nicht im krieg den kopf einschlagen läszt, homo umbraticus Frisch 2, 231ᶜ, pedantischer gelehrter, pedant Adelung: gleiches schrots, sagt Zabata, ist auch gewesen ein Puglienser pedant oder schulfuchs. G. F. M. A. (Georg Fridr. Messerschmid Argentoratensis) die lust. narrh. (Straszb. 1622?) 8; unsere herren schulfüchse (etliche meine ich, aber nicht alle) sind der gäntzlichen meinung, dasz dieses herrliche buch (Terenz) ja so fleiszig, ja auch wol fleissiger als der catechismus oder die evangelien und episteln in die jugend müsse geblauet .. werden. Rist Parnasz vorber. b 11ᵃ; allein wo man stehet unter einem hauffen schulfüchse, welche ein hauffen dubia moviren und nicht solviren, welche keine resolution fassen können, da ist hopffen und maltz verloren. Schuppius 19; ich sehe, dasz der grossen herrn kinder nicht recht aufferzogen werden, sondern wachsen auff, entweder im frauenzimmer, inter adulationes et delicias muliebres, oder unter einem hauffen schulfüchse, welche sie anführen, als ob sie auch nothwendig müsten magistri werden! 81; in ansehung dieselbigen (die französischen gelehrten) durch die magnificentz des königs und die hochachtung derer grossen bei hofe angefrischet ins gesampt embsig bemühet sind, anmuthige und nützliche wissenschafften fortzupflantzen, und die ohnnöthigen grillen derer schulfüchse auszutilgen und aus dem lande zu jagen. Thomasius von nachahmung der Franzosen 13, 6 Sauer; man hat gegenwärtige einpfropfung der gesunden vernunft schon an einem kleinmeister versucht, der den discours des Helvetius über den geist des menschen für ein meisterstück ausgab, und an einem schulfuchs, der das system seines lehnspatrons dem kanonischen rechte vorzog. Hamann 2, 184; Diogenes lachte über die schulfüchse, welche sich so emsig um die leiden des Ulyss bekümmern und von ihren eignen nichts wissen. Bode Montaigne 1, 262 (se mocquait des grammairiens); andre, schlechtere gesellen, ahmten den französischen witz nach, und so entstand jene zunft schulfüchse, die nicht nur beide sprachen erbärmlich mengten, sondern auch um sich ihren ältern brüdern gefällig zu machen, galant wie Voiture, affectirt wie Balzac, erhaben wie Corneille schrieben. Herder briefe zur beförderung der humanität 9, 111; er (der die form mädel tadelt) ist ein schulfuchs, der blos worte sieht, aber nicht fühlt. Bürger 132ᵃ; das sind nur die classischen schulfüchse, die so etwas klügeln. 178ᵇ; wenn du mir die flinte zurecht bringst, dasz mir der schulfuchs (der magister, der sie verwahrlost hat) nicht gleich einfällt, wenn ich sie ansehe, sollst du ein gut trinkgeld haben. Göthe 15, 66;
ho! herr Fratz, was bedeuten doch
schmorotzer, blacken und bacchanten,
die so verhasset von dem koch,
als schulfüchs, penalen, pedanten?
ein schulfuchs, der den kopf voll griechscher würmchen trägt,
brod, käse, buch und kiel in eine schachtel legt,
die esels-brücke tritt, die kinder römisch nennet,
und recht rabbinisch thut, wenn er die frau erkennet.
alles konnt ich nach und nach, so zu reden, spielend fassen,
was die knaben sonst bewegt, dasz sie buch und feder hassen,
weil der schul-fuchs lust und liebe mit der ruthe niederschlägt,
und durch so viel tolle regeln auf die strengste folter legt.
856;
ist Krauf, mein informator, toll,
dasz ich latein soll lernen?
er denkt mit guten worten wohl,
der schulfuchs! mich zu körnen?
Göckingk 3, 30;
musz sie (die berühmte frau) auf diligencen, packetbooten
von jedem schulfuchs, jedem haasen
kunstrichterlich sich mustern lassen.
Schiller 6, 28;
in beziehung gesetzt zu fuchs, vulpes: ich weisz nicht was grosser herren kinder für ein sonderliches unglück haben, dasz sie gemeiniglich pedante zu praeceptorn bekommen, welche sie lehren subtile garn stricken, welche zu nichts anders nütz sind, als dasz man lateinische hasen und schulfüchs damit fange. Schuppius 81; der zeitige prinz hätte ihn (den hofmeister) als den nachgesetzten nur für den schulfuchs gehalten, dessen meister Reinecke der gouverneur wäre. J. Paul Levana 2, 160;
ein schulfuchs hofft mit dürren gründen
den beyfall aller welt zu finden:
allein, er wird geprellt.
Hagedorn 3, 32.
2)
ein spott-wort, das die hoffärtigen studenten von denen gebraucht, die noch auf schulen sind, oder erst davon herkommen, welche keine studentische freyheit haben, sondern in ihr schul-loch als füchse kriechen, und im verborgenen stecken. Frisch 2, 231ᶜ. Adelung (ohne die erklärung); schüler, gymnasiast, student vor der immatriculation Kluge studentenspr. 124ᵃ (belegt aus quellen des 19. jahrh.):
ihr Pierinnen lacht,
weil ein gelehrter sich an einen schul-fuchs macht,
der, wie die miszgunst spricht, der ruthe kaum entgangen.
3)
Richey 244 stellt das wort unter berufung auf die niederd. wendung schulen als een vosz mit dem (besonders nd.) verbum schulen, lauern zusammen (vgl. dies oben), so dasz es eigentlich einen in seinem loche lauernden fuchs bedeutete, was er in längerer ausführung wahrscheinlich zu machen sucht. es müszte dann aber doch wol eine nd. entsprechung schulvoss zu erweisen sein, die nicht begegnet. ebensowenig überzeugt die erklärung durch anecdoten von universitätslehrern, die, früher an schulen thätig, sich durch pedanterie verhaszt machten und von ihrem zufällig mit fuchspelz verbrämten mantel den spottnamen empfingen. vgl. Wander 4, 381. 382. eher liesze sich an eine derartige entstehung denken, wenn ein solcher mantel eine besonders bei schullehrern übliche tracht gewesen wäre. vielleicht kommt Frisch mit der bemerkung 'in ihr schul-loch als füchse kriechen' der wahrheit am nächsten. der sache nach trifft das mit Richeys ansicht fast überein. die bezeichnung erklärt sich dann leicht in ihrer doppelten anwendung. sowol der lehrer als der schüler kann spottend bezeichnet werden als einer, der versteckt, abgeschlossen in der schule sitzt wie der fuchs in seinem bau. vgl. übrigens fuchs 7 oben th. 4, 1, 338 und hase 2, b th. 4, 2, 529.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 11 (1897), Bd. IX (1899), Sp. 1944, Z. 47.

Im ¹DWB stöbern

a b c d e f g h i
j k l m n o p q r
s t u v w x y z -
schuldung schutzland
Zitationshilfe
„schulfuchs“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/schulfuchs>.

Weitere Informationen …


Weitere Informationen zum Deutschen Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)