Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

Es wurden mehrere Einträge zu Ihrer Abfrage gefunden:

schwierig

schwierig
(in älterer schreibung schwürig), adj., mhd. swiric, ulcerosus mhd. wb. 2, 2, 810ᵇ. Lexer mhd. handwb. 2, 1381; vgl. oben schwär sp. 2181, schwären 2182, schwäricht 2283; die bedeutungsentwicklung des adj. im nhd. erklärt sich daraus, dasz man das wort zu schwer, gravis, difficilis in beziehung setzte, zum theil trennte man schwürig, ulcerosus und schwierig, difficilis.
1)
erhaltung der alten bedeutung: ulcerosus, swirig und mit anderer ableitung swirleich Dief. nov. gloss. 384ᵃ; schwürig, exulceratus Schottel 1412; exulcerare, schwürig machen Corvinus fons lat. (1660) 742ᵇ; schwürig, exulceratus, suppuratus; schwürig machen, exulcerare Stieler 1988; schwürig, schwärig, ulceroso; ein schwüriger finger, schaden, eine schwürige wunde, schwürige augen Kramer deutsch-ital. dict. (1702) 2, 699ᵇ; schwierig, suppurans Steinbach 2, 553; eigentlich sollte es heiszen schwärig, andere sagen schwierig, weil sie geschwier für geschwär brauchen; andere schwürig. man gebraucht aber dieses adjectivum von schwären selten. Frisch 2, 242ᶜ; schwürig ist so viel als schwierig, exulceratus. 252ᵃ; schwürig, im gemeinen leben für schwärend oder geschworen. einen schwürigen finger haben .. billig sollte es hier schwärig, oder auch schwierig lauten, von ich schwäre, du schwierst. Adelung; ein schwieriger finger. Campe (die schreibung schwürig verwirft er). schwürig, schwerig, eiterig Spiesz 232; schwîrich, eiterig Kramer Bistritzer dialect 122 (in der Zips schwürich); vgl. auch oben geschwürig th. 4, 1, 2, 4013; dann davon werde der krebs verhindert, dasz er nicht schwürig werde. Tabernaemontanus kräuterb. (1664) 782ᵇ; es begibt sich auch jemalen, dasz andere kinder ein dermassen erhitzt mäulein haben, dasz die brust - wärzen davon schwihrig werden. Mauriceau der schwangern hülffleistung (1681) 502; so ein bös wort geht wie ein splitter in's fleisch, anfangs spürt man nichts, erst nachher wirds schwürig. Mosenthal sonnwendhof 115 (1857).
2)
die vorstellung der bösen, eitrigen veränderung, krankhaften reizung, schwellenden entzündung wird auf innere zustände übertragen: schwirig, ulcerosus, item irritabilis. voc. von 1618 bei Schm. 2, 645; ein schwieriges gemüthe, animus exulceratus Steinbach 2, 553; in besonderer wendung bei H. Sachs:
zum dritten het das weib allein
auch eins teils natur von dem schwein,
das zu dem wollust wer begirig,
so wer auch inbrünstig und schwirig (von brennender, reizbarer neigung)
zu mancherley wollust das weib.
21, 145, 38 Keller-Götze.
sonst entwickelt das wort seine übertragene bedeutung in entgegengesetztem sinne, schwierig heiszt unzufrieden, zum widerstande geneigt, in älterem nhd. besonders aufrührerisch, später gemildert zu empfindlich, leicht aufgebracht, schwer zu behandeln, widerstrebend, weigernd u. ähnl., zunächst von personen, dann freier: turbulenta tempora, schwürige zeiten Corvinus fons lat. (1660) 697ᵇ; schwürige böse zeiten Schottel 1412; schwürig, iratus, exulceratus animo, seditiosus, turbulentus. voc. von 1663 bei Schöpf 662; schwierig werden, moleste, aegre ferre, deficere, desciscere, rebellare; schwierig sein, stomachari, murmurare; einen schwierig machen, ad defectionem sollicitare Stieler 1972; ein schwüriger kopf, una testa turbulenta, schwürige leute, gente inquieta, furiosa, mutinosa, die schwürigen gemüter wieder stillen, schwürige zeiten, schwürig seyn über etwas, das volck wird schwürig, die bienen werden schwürig. Kramer deutsch-ital. diction. (1702) 2, 699ᵇ; schwierige zeiten, tempora dura, die soldaten sind schwierig, milites ad seditionem proclives sunt Steinbach 2, 542; schwürig, ad seditionem pronus, aufrührisch Frisch 2, 252ᵃ; schwierig, unzufrieden mit etwas Adelung; bei Campe schon in bemerkenswerter abweichung: ein schwieriger mensch, welcher bei jeder sache schwere und bedenkliche umstände zu sehen glaubt oder sie macht. er ist so schwierig, sich dazu zu entschlieszen, seine erlaubnisz dazu zu geben; er versucht, wie man sieht, die erklärung von der uns gewöhnlichen bedeutung von schwer aus. uns'r herr, der is a bisz'l a schwieriger, ein strenger herr Hügel 147ᵃ, vgl. Schöpf 661; derohalben sie (die Deutschen) allerdings wider schwürig wurden, jhn (Varus) und die seinigen uberfielen, erschlugen. Zinkgref apophth. 1, 398 (1639); da erhube sich abermahl ein gemürmel, dan es rieffen etliche schwirige gemüter. Spee güldnes tugendbuch (1649) 50; es stehet auch nicht zu besorgen, das, durch begnadung eines fürnehmen rebellanten, vilen andern unruhigen und schwirigen köpffen, anlasz und gleichsam ein zeichen gegeben werde, übels zu tuhn. Butschky Pathm. 855; worüber die bürger in der stadt schwürig worden, wäre auch eine allgemeine aufruhr entstanden. Abele seltzame gerichtsh. (1712) 124; er besorget, dasz diese nachricht das volk schwierig machen möchte. J. E. Schlegel 1, 481; die feinde würden also untereinander selbst schwürig werden. Heilmann Thuc. (1760) 196; Perikles, welcher die gemüter über den gegenwärtigen zustand der sachen so schwürig, und bei so nachteiligen gesinnungen fand. 199; die Lacedämonier waren .. sehr schwürig auf den Agis, dasz er ihnen Argos nicht unterwürfig gemacht. 714; die schwürige bande steht wieder ihn (Karl Moor) auf. Schiller 2, 357; die wenigen truppen schon längst über die zurückgehaltene zahlung schwürig. 7, 180; wir sind doch ihres gleichen, das fühlen sie und werden schwürig. Göthe 8, 138; das volk wird höchst schwierig werden. 222;
blutig, mördisch und rachgirig,
aufrürisch und vol neides schwirig.
H. Sachs 3, 1, 247ᵈ (1561);
versamblet gehen früh und spaht
(gansz schwirig doch geheimb) zu raht.
Weckherlin (1648) 3;
wie sein verstand scharpf, schwürig, schnell
ein unglick auf ein unglick gründet.
36;
als alles schwierig war und voller aufruhr steckte.
Hagedorn 3, 26 (1771);
der bauer in waffen — alle stände schwierig.
Schiller Piccolom. 1, 3.
weigernd, widerstehend, unlustig, empfindlich, schwer zu behandeln, schwer beweglich, langsam zum entschlusse u. ä.: so sind heutiges tages der meisten menschen herzen und kasten; zu nehmen sind sie sehr begierig, zu geben sehr schwürig. Scriver andachten (1721) 955; wie ihm auch die schwierigsten leser zu gestehen werden. Lessing 10, 29; dasz man sich nicht sonderlich schwierig bezeigt, gründe, die nur einigen schein der tüchtigkeit haben, als tauglich durchgehen zu lassen. Kant 1, 106; vortheil der auch dem schwierigsten und unlustigsten lehrlinge solcher transcendentalen nachforschung begreiflich ... gemacht werden kann. 2, 238; ich hätte euch nicht so schwierig geglaubt. Göthe 36, 67; wo er verwehrte, war ich nicht schwierig. Rückert (1882) 11, 450;
aber,
wenn du so schwierig seyn willst, junger mann:
so werd' auch ich ja wohl auf meiner hut
mich mit dir halten müssen.
Lessing Nathan 4, 4;
keine ferne macht dich schwierig,
kommst geflogen und gebannt.
Göthe 5, 26.
3)
von unpersönlichem, der bearbeitung, erledigung widerstrebend: ergiebiger boden zieht nicht genies, sondern schwieriger. Hippel lebensl. 2, 143; je ergiebiger das land, je unaufgeklärter das volk, je schwieriger das land, je erleuchteter das volk. briefe 14, 106; durch diese freundschaft wurde das schwierige verhältnisz der beiden häuser ein wenig gemildert. Freytag handschr. 1, 46;
die schwierigsten artikel sind bereits
berichtigt.
Schiller M. Stuart 2, 1.
dann allgemein für schwer, mit beschwerlichkeit, mühe verbunden, difficilis; Adelung bezeichnet diesen gebrauch (z. b. eine schwierige sache) als ungewöhnlich im hochdeutschen; Campe belegt ihn ohne weitere bemerkung: eine schwierige sache, schwieriger zugang. diese jetzt gewöhnliche bedeutung tritt bei schwierigkeit früher auf, als beim adj. (s. unten): die aufgabe der freiheit wird mit der zunehmenden menge des verbundenen schwüriger. Schiller briefe 3, 278; sie machten schwierige concerte und lasen sich schreckbare aufsätze vor. Schiller 5, 97. adverb.: sie konnte nur schwierig gedrucktes lesen. 1, 60; und er stand auf rührig — doch dann hockt' er sich nieder schwürig. Rückert (1882) 11, 319.
4)
zu trennen von diesem adj. ist nd. swîrig (s. schwier, schwieren); pomphaft, prächtig: dat tüg sitt wol so swirig, so fein und zierlich als möglich; je slüriger je swiger, je nachlässiger in kleinigkeiten, desto vornehmer. brem. wb. 4, 1125; sich zierlich schwingend, wendend: sê löpt d'r so swirig hen as'n jung dral meisje. ten Doornkaat Koolman 3, 384ᵃ; leichtsinnig, locker lebend, liederlich Schütze 4, 238.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 14 (1898), Bd. IX (1899), Sp. 2620, Z. 50.

schwirrig, adj.

schwirrig, adj.
zum vorigen, unruhig, lärmend, geräuschvoll. Fulda bei Campe. vgl. schwierig 4 oben sp. 2642. von unruhigem, schwärmendem leben (vgl. 5, b des vorigen): und da sie selbst finden, dasz ihnen die ordnung besser bekömmt, als die unordnung, so bleiben sie hübsch bey der ordnung, und lassen sie selbst meinen besuch keine gelegenheit geben, sie in das schwirrige leben wieder hinein zu setzen. Eva König bei Lessing 13, 353.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 15 (1899), Bd. IX (1899), Sp. 2721, Z. 24.

Im ¹DWB stöbern

a b c d e f g h i
j k l m n o p q r
s t u v w x y z -
schwengbaum schwäherschaft
Zitationshilfe
„schwierig“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/schwierig>.

Weitere Informationen …


Weitere Informationen zum Deutschen Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)