Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

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semmel, f.

semmel, f.
simila, panis similagineus, umbildung des lat. simila. ahd. glossiert simila farina und erscheint auszerdem umgebildet zu simula, simela, simala, semula, semala, semele, semile, simile als glosse zu simila, similago, polenta, farina und furfur. es flectiert stark und schwach: gen. simelo, semalun, similun, dat. semalun, simalun. Graff 6, 222. mhd. ist semele, semel. simele, simel, feines weizenmehl, -brot bezeugt als starkes und schwaches fem. Lexer 2, 874. frühnhd. begegnet symel, simel, symel, siemel, simmel, simila Dief. 534ᵃ, simlen, simila Dasypodius, simmlen (die) simmelmälbrot, similagineus panis Maaler 374 und mundartlich erhält sich das i des stammes auf alemannischem sprachgebiet, simel, ins n. übergegangen, semmelmehl. Hunziker 241. vereinzelt steht seimel, simila Dief. 534ᶜ. sonst erscheint das wort im früheren nhd. sämel geschrieben. Waldis Esop 2, 31, 54 (die stelle s. unter 2, a), auch sämmel. Stieler 1679 und semel, so bei Luther (belege unter 1) und Hulsius (1616) 296ᵃ. die heute allein geltende schreibung semmel findet sich schon frühnhd., so bergreihen 88 neudruck (die stelle s. unter 2, b) und scheint von der mitte des 17. jahrh. ab zu überwiegen. schon aus dem 18. jahrh. ist keine andre bezeugt. die schreibungen mit einfachem m mögen zum theil mit landschaftlicher längung des stammvocals zusammen hängen, wie sie auch heute mundartlich vorkommt, so dür. (Salzungen) sêmel Hertel thür. sprachsch. 227, henneb. sogar mit übergang in â in besonderem sinne (s. unten 2, g) Spiesz 233. übergang ins n., wie ihn Hunziker für das aarg. in der bedeutung 'semmelmehl' bezeugt (s. oben), begegnet auch sonst mundartlich, so westerwäld. in besonderem sinne Schmidt 218 (s. unten 2, g). weit häufiger nimmt das wort männliches geschlecht an. so verzeichnet es Hulsius 296ᵃ als m. (fior della farina), Steinbach 2, 580 als m. und f. (similagineus panis), ebenso erscheint es heute landschaftlich so. Hertel dür. sprachschatz 227, in besonderem sinne westerwäldisch Schmidt 218 und hennebergisch Spiesz 223 (s. unten 2, g). vorherrschend bleibt aber immer der gebrauch als fem., wie ihn für das nhd. Schottel 1415. Stieler 1679. Kramer deutsch - ital. diction. 2 (1702), 767ᵇ. Steinbach 2, 580 (neben m.). Frisch 2, 263ᵃ. Adelung und Campe verzeichnen. bemerkenswert ist, dasz neben dem regelmäszigen plur. semmeln die pluralform semmel, die für das ältere nhd. durch die verbindung mit zwo Luther 6, 142ᵃ (die stelle s. unter 2, c) sicher als fem.-form erwiesen wird (erhaltung des mhd. starken plur.), noch in neuester zeit in der schriftsprache begegnet. Heine 3, 152 Elster (die stelle s. unter 2, d). das wort könnte aber da männlich gebraucht sein. vgl. brot wie semmel. Campe. auch mnd. semel, feines weizenmehl, -brot, kleie Schiller - Lübben 4, 186ᵇ. 187ᵃ, nachtr. 259ᵇ, nnd. semmel, semel, sämel, feines weizenbrod, weiszbrod. brem. wb. 4, 751 (besonders ein osterfladen). Dähnert 422ᵃ. ten Doornkaat Koolman 3, 173ᵇ. Mi 79ᵃ. altnord. ist simili, n. und similia, f. feines weizenmehl Fritzner² 3, 244ᵇ; schwed. simla, f. und dän. simle, en haben die gewöhnliche bedeutung von semmel. mndl. semele, nndl. zemel, f., gewöhnlich plur. zemelen heiszt kleie wie ital. span. semola, franz. semoule, die auch auf simila zurückgehen. Diez⁴ 291.
1)
feines mehl, besonders: feines weizenmehl, farina Graff 6, 222 (s. oben), pure farine de gros fourment Hulsius 296ᵃ, flos tritici, farina optima Stieler 1679 (als die eigentliche, aber nicht die gewöhnliche bedeutung bezeichnet), in neuerer zeit landschaftlich. Hunziker 241 (simel, n., s. oben). Höfer 3, 331, als ausdruck der bäckersprache Schm.² 2, 280. Schöpf 669: dieselben (eine städtische behörde von 4 bürgern und 4 bäckern) alle suln bewarn, daʒ man von lauterr semeln ain brot bache umb ainen pfenning, und von bollen ain brot umb ainen pfenning, und daʒ deu brot also gezaichent sein, daʒ man aines von dem andern erkenne. und suln auch bewarn, daʒ bolle und semel nicht zuͦ einander gemischet werden, und swelher hande brot ain maister pachen wil von den zwain melwen, der sol ahten daʒ bolle und semel von ainander gesundert werden. Nürnberger polizeiordn. 195; swer brot herein füret von Vorchaim von semeln. 196; opffer süssen geruch, und semel zum gedenckopffer. Syr. 38, 11; die kauffleute auff erden werden weinen und leid tragen bey sich selbs, das jre wahr niemand mehr keuffen wird, .. thimian, und salben, und weyrauch, und wein, und ole, und semlen, und weitzen. offenb. Joh. 18, 13;
ich wil ouch unz an mînen tôt
von wîʒen semeln eʒʒen brôt.
Wernher Helmbr. 478.
2)
gebäck aus feinem mehl, besonders: kleineres brot aus feinem weizenmehl, früher anscheinend auch collectivisch gebraucht (vgl. besonders die unter a angeführte stelle Ernst 2192), panis candidus, cribanae Schottel 1415, panis candidus ex polline Stieler 1679, similagineus panis Steinbach 2, 580. Frisch 2, 263. Adelung. Campe: in diser stat wonet en drake, deme plach men te bringinne semelen unde andere spise, de ime recht was. d. chron. 2, 121, 25 Weiland; item der pekch sol di semel lauter machen. d. städtechron. 15, 395, 26 (Mühldorfer stadtrecht); man sol auch alle semeln, die alle pecken in dirre stat pachent, vaile halten in der stat brothause bei den flaischbenken gelegen. Nürnberger polizeiordn. 197; man sol auch kaine semel zwischen frümesse und cumplet niht vaile haben an der pecken laden in ir heusern. ebenda; er schiket seinen knecht nach zweien semeln. d. städtechron. 11, 695, 10 (Nürnberg, von 1505); kompt ein gesunder zu tissche, der frisset wol vier oder sechs semel, und trinckt eine kanne (wein) oder zwo. Luther 6, 142ᵃ; desz königs Pharaonis sein mundbeck, oder oberster pfisterer, diesem hat getraumt, als trage er 3. mehl-körb auff dem kopff, in dem obersten aber trüge er lauter semmel und kipffel, die vögel aber frassen es. Abr. a S. Clara Judas 1 (1687), 122; wenn ihr ein übriges thun wollt, so schenkt dem knaben, der euch gefallen hat, ein gutfreitagsgröschel zu einem paar semmeln. Musäus volksmärchen 1, 46 Hempel; kinder drängen sich hinzu und werden mit einem eyerbrod, auch einer semmel hoch erfreut. Göthe 23, 51; er fand sie oben in der groszen stube unter einer schaar kleiner mädchen, die sie zweimal in der woche nach der schule zu sich kommen liesz, um sie in handarbeiten zu unterrichten und dann, gestärkt durch lehren der weisheit und tugend und eine tasse kaffee nebst groszer semmel, nach hause zu entlassen. Heyse kinder der welt 2 (1890), 87;
swer den met giuʒet
in ein semel, sie enmüeʒe
von dem met werden süeʒe:
swer daʒ selbe ie getet,
der weiʒ wol daʒ in dem met
daʒ brôt ist unde in dem brôte
der selbe met ie genôte.
Lamprecht v. Regensburg tochter Syon 4200;
ob man einen tôrheit lêrte,   daʒ er ûf henden gienge und füeʒʒe hete
und strô alsam ein rint fur semeln eʒʒe.
jüng. Titurel 208, 3;
daʒ fürbaʒ iemen duzel
ein semel, einen struzel,
næm ich dar umbe niht ze mir,
und wil daʒ mirs got verbir.
Helbling 8, 440;
in (dem müller und dem bäcker) ist och nit selt(z)en
simlen und mülzelten.
des teufels netz 8388 (lesart);
Sante Agatha, die brohte ein simel (: himel).
Dangkrotzheim heil. namenb. 80 Pickel;
ein mäuschen, das an einer semmel
in eines bäckers laden frasz,
versah's und nahte sich dem schemmel,
darauf der meister lauschend sasz.
Lichtwer fabeln 2, 3;
äpfel gab sie ihm (die mutter dem kinde) und semmeln.
Rückert (1882) 3, 73.
a)
die weisze der semmeln wird hervorgehoben: solt ich nicht vernemen, was das were, wenn mir ymand ein semel furlegt und sagte: nym, isse, das ist ein weis brod? Luther 19, 485, 14 Weim. ausgabe; weil sein groszvater einsmals erzehlet, sein urähne hätte vor alters dergleichen (schnepfendreck), auf weisse semeln gestrichen und in butter gebachen, von seinem junckern mit lust essen sehen und loben hören. Simpl. 4, 14, 20 Kurz;
du hâst ouch bereite
semelen di wîʒe;
also du wilt inbîʒe,
zo dîme tische
beide fleisch und viske.
Massmann d. ged. des 12 jh. 30, 2458;
dâbî (bei fleischspeisen) wîʒʒe semel lag (: mag),
vil kopfe goldîne
mit mete und mit wîne.
Ernst 2192;
gesein mich hiute eins ohsen bûch und dannoch mê
gesein mich hiut manc semel wîʒ, gar clâr und wol gebachen.
Kolmarer meisterl. 372, 17;
wir (bäcker) backen die semmeln schön braun (auszen) und weisz.
Schade handwerkslieder 3 (17. jh.).
daher vergleichend: weisz wie semmel. Campe;
da wardt ein trucken brodt sein speisz,
das war zwar nicht wie sämel weisz.
Waldis Esop 2, 31, 54 Kurz.
b)
semmeln gelten als feineres gebäck: zu denselben (leckerbissen) gehören auch die kuchen und unter diesen die semmelen, pretzelen (kringel), knapkuchen (hipen). Comenius sprachenthür (1657) 408; die semmel wäre also vor den hohen gast, das brodt aber vor die mitspeisenden einwohner (in die suppe) eingeschnitten worden. Plesse 1, 111; sodann war aber (bei einer kirchweih) auch für wecken, semmeln, pfeffernüsse und mancherlei buttergebackenes gesorgt. Göthe 43, 263; dabei trägt die frau goldene ohrringe und das kind weisz nicht, ob es eine semmel ohne butter essen will oder nicht! Hebbel 9 (1891), 165;
nâch hoves êre man in bôt
simeln unde schuʒʒebrot
unde da zu edel spîse.
Elisabeth 424 Rieger;
wîʒe semel unde vische
und edel wildbræte
und ander guot geræte,
des gap man dar mêr danne vil.
Dietrichs flucht 746;
man sihet selten semeln wîʒ
ûf sînem tische und klâren wîn;
er mac wol âne wiltpræt sîn.
Helbling 1, 48;
in hund gehört kein semmel.
bergreihen 88, 20 neudruck;
denn wöl wir launen
und gute milch und semel essen.
H. Sachs fastn. sp. 1, 125, 53 neudruck.
sprichwörtlich: wer seinen semmel früe auffjsset, der musz darnach im alter rocken brot essen. Petri 2 (1605) J ii 4ᵃ; hamm'r kehne semmel, do (so?) hamm'r doch brut (schles.). Wander 4, 540.
c)
besonders gern wurden in älterer zeit semmeln zum wein gegessen: als wenn ich ein gemein gesetze stellet, man sol zwo semel essen, und ein nösel wein trincken zur malzeit. Luther 6, 142ᵃ; so lange der wein und die semmeln vorhielten. Musäus 1, 126 Hempel;
hie ist semele unde lît.
kaiserchron. 11615 Schröder;
dû hâst semeln unde wîn.
11643;
er gap in semelen unde guoten wîn.
Oswald 127;
Penefrec was ditz hûs genant,
dâ man kein gebresten vant
unde volleclîchen rât,
vische unde wiltprât,
beide semmeln unde wîn.
Hartmann v. Aue Erec 7192;
dem gît man semeln unt den wîn.
minnes. 2, 174ᵃ Hagen,
wenn man opffert semel und wein,
fladen und feiste speckuchen,
wolt ichs credentzen und versuchen.
H. Sachs 14, 136, 14 Keller-Götze;
is und trinck, da hast semel und weyn,
welche dir heudt das weybe dein
geopffert hat zu den seelmessen.
245, 10.
vgl. zu den beiden letzten stellen Syr. 38, 10 unter 1. semmel zu würsten gegessen:
ich bring bald semel, würst und wein.
H. Sachs fastn. sp. 3, 125, 52 neudruck;
komb mit mir rein in die jarkuchen!
lasz uns die semmel und würst versuchen.
Ayrer 1683, 31 Keller,
häufig auch zu andern fleischspeisen, wie manche der oben angeführten belege zeigen.
d)
ein schusz semmeln, soviel auf einmal in den backofen geschoben wird: zum vierden sol am sonnabendt und mittwoch, ein jeder becker nachmals, wie vor diesem hergebracht, einen grossen oder kleinen schusz semmeln backen. Breslauer bäckerordn. von 1626 A 2ᵇ. eine reihe semmeln, reihenförmig gebackene, die beim essen von einander gebrochen werden, e rî sêmel Hertel thür. sprachsch. 227: der becker der jhn wol kante, schicket jhm zuzeitten ein reyhe semelen. Hennenberger preusz. landtafel (1595) 481. vergl. oben reihensemmel theil 8, 655, schichtsemmel 2642, zeilsemmeln, series similaginum Stieler 1679. andrer art sind die eck- oder ortsemmeln. öconom. lex. (1744) 2713. runde semmeln, cribanae Corvinus fons latinitat. 1 (1660), 181ᵇ, cribanae, panes similacei rotundi, cribanes mammosae Stieler 1679. vgl. rundsemmel oben theil 8, 1516. östr. a gschradi seml, die in der mitte eingedrückt ist. Castelli 255. geraspelte semmeln, die oben und unten an der rinde überraspelt sind. öconom. lex. (1744) 2714. gefult semel, unter gerichten zum nachtisch (das lest essen) genannt. altes kochbuch aus Tegernsee Germ. 9, 201. lose semmeln: eʒ sint verboten lose semeln, daʒ man der niht sol weder in dem market noch durch daʒ jar pachen. Nürnb. polizeiordn. 197. die bezeichnung geht wol auf innere beschaffenheit der semmeln. warme semmeln: allerlei schleckwerk, baurenküchlein, warme semeln. quelle von 1595 bei Birlinger 385ᵇ. da scheint eine besondere art von semmeln gemeint zu sein, die warm gegessen werden. sonst sind natürlich auch die ganz frischen, eben aus dem backofen gekommenen warme semmel. man sagt: es geht (ab) wie warme semmel, geht schnell ab, verkauft sich rasch. Albrecht 212ᵃ. Wander 4, 541: denn, ich gedachte, es (ein buch) würde wie warme semmeln weggehen, und ein sehr grosser profit davon zu nehmen seyn. Darbennime 594; seine mädel gehen ab wie warme semmel, verheiraten sich schnell nach einander. Albrecht 212ᵃ. Wander 4, 541. ebenso: neue königtümer wurden gebacken und hatten absatz wie frische semmel. Heine 3, 152 Elster. frische semmel in einem andern vergleich: der musz ... von vaterlandsliebe und von alter freundschaft recht lang und breit mit ihm conversieren bis er weich wird wie eine frische semmel. Kotzebue dramat. spiele 2, 329.
e)
vergleichend heiszt es auch volksmäszig: das ist (det is) wie bein bäcken (bäcker) die semmel, hat festen preis. Albrecht 212ᵃ. Brendicke Berliner wortschatz zu den zeiten kaiser Wilhelms I (1897) 182ᵃ.
f)
bildlich, wol mit bezug auf das brot des abendmahls, die hostie:
dû (Maria) maht wol sin der vrône tisch,
dar ûf diu lebende simele
gesendet wart von himele
der sêle zeinem eʒʒen.
Konrad v. Würzburg goldn. schmiede 551;
wan daʒ sie ûf sâhin
mît den ougen ûf zehimil
daʒ sie diu lebendigiu simil
minneclîchen spîste.
Hugo v. Langenstein Martina 84, 106.
g)
landschaftliche besonderheiten in der bedeutung: henneb. heiszt sâmel ein stollen, christstollen Spiesz 233, im bremischen hiesz semel ein osterfladen. brem. wb. 4, 751, westerwäldisch ist semmel ein hafermehlgebackenes. Schmidt 218.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 4 (1900), Bd. X,I (1905), Sp. 559, Z. 72.

sempeln, verb.

sempeln, verb.,
schweiz. (sempelen) zaudern, langsam sein, arbeiten Stalder 2, 370, ebenso in der Eifel Frommanns zeitschr. 6, 19. vgl. semmeln oben und zimpeln unten.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 4 (1900), Bd. X,I (1905), Sp. 568, Z. 18.

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Zitationshilfe
„sempeln“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/sempeln>.

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