Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

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senne, m.

senne, m.
alpenhirt. das wort ist dem oberd. sprachgebiete (vgl. u.) eigenthümlich, scheint indessen altgerm. erbgut zu sein. es ist wahrscheinlich eine ableitung (eine art nomen agentis) zu sahne (vgl. das. th. 8, 1663; got. *sanja zu *sana), s. Frisch 2, 149ᵇ. J. Grimm z. gesch. d. d. spr. 1002. Weigand 2, 699. Kluge⁴ 326ᵇ. darüber hinaus läszt sich über die etymologie nichts sicheres sagen; einen versuch weiterer anknüpfung (zu idg. sa(n)- herstellen, erwerben) macht Karsten bei Paul-Braune beitr. 16, 564. — das wort begegnet schon ahd. in den Schlettst. glossen 4, 65: oppilio senno vel scafhirte. zschr. f. d. alterth. 5, 326ᵇ. Steinmeyer-Sievers ahd. gl. 2, 687, 53; vgl. J. Grimm zschr. 7, 469 (kl. schr. 7, 253). trotzdem findet es sich in der ganzen ahd. und mhd. litteratur gar nicht bezeugt (wol aber senne, f., vgl. das. und Lexer hwb. 2, 886), vermutlich wegen seines mundartlichen characters. es taucht zuerst auf in den tirol. weisth. des 15. — 16. jh.: um ein senn sollen die albmeister schauen, wie von alters her, damit die gemain versorgt werde. 3, 202, 5 (vom j. 1564); zwen alpbürgen .., die schuldig sein, ... sennen, raider und hürten, zu dingen und zu bestellen. 212, 21 (vom j. 1583); dieselben albpirgen sollen schuldig sein, umb ainen senn auf der alben zu schauen. 223, 34; so der senn und das alpvolk gewar wurden, dass böse, schädliche, wilde thiere vorhanden wären. 275, 18, vgl. 25; wo der senn die hirten hinfahren haiszt waiden, sollen sie das thuen. 4, 37, 42; item derselb albmeister sol dann bestellen ain sennen oder sennin, ain kessler, zwen hirten zun küen und ain zun gaissen. 57, 33 (vom j. 1462), s. ferner 36, 32. 37, 10. 18. 20. 24. 38, 8. 23. 27. 42. 39, 7. 9. 12 und sennin. auch bei Stumpf Schweitzer chron. 492: wann die sennen oder vieh-hirten ire beschissene schuh in dieses brünnlein stossen, s. Frisch a. a. o. seit Göthe gehört senne der nhd. litteratursprache an. belege:
ihr matten lebt wohl,
ihr sonnigen weiden!
der senne musz scheiden.
Schiller Tell 1, 1.
im nom. gern zu senn gekürzt (nach oberd. weise): derjenige, welcher mit seiner heerde während der guten jahreszeit ins gebirge hinauf zieht, ist ein senn. Berlepsch alpen s. 332; ein junger senn, an eine schöne falbe kuh gelehnt, schaut sich um. Keller nachl. 229;
und der senn steht angsterfüllt
vor dem strausz der elemente.
Reithard gesch. aus d. Schweiz 290.
in den andern casusformen ist die schwache flexion stets deutlich gewahrt: sein' tage hat er nicht so oft nach den sennen gesehn, als neuerdings. Göthe 11, 7 (Jer. u. Bät.); chor der sennen. 36; bei sennen einkehren, im ländlichen wirthshaus übernachten. Vischer auch einer 2, 343; denn es entstand ein geräusch und gedränge im mittleren gange, herrührend von zwei sennen aus dem Entlibuch, die sich durch die menge schoben. Keller 6, 329;
seht dort den melkenden sennen, den fischer hier im kahn.
Grün der letzte ritter 127;
sennen nennt man die eigner (der sennten), der ringsum weidenden älpler
höchste; genügsame, freie, der welt unkundige menschen.
Baggesen 1, 190 (Parth. 7, 14).
wenn derselbe sich den genitiv des senns erlaubt (Parth. 11, 87, s. werke 1, 233), so zeigt sich darin das mangelhafte sprachgefühl des ausländers (doch steht diese form auch Jacobsson 4, 143ᵃ s. v. sennhütte). — lexicalisch gebucht ist das wort schon von den schweizerischen wörterbüchern des 16. jahrh.: die sennen Frisius (1556) 750ᵃ, s. Weigand a. a. o.; sennen, milchköch, lactarij Maaler 370ᵇ; sänn (die) pecuarius. vychhirt. 341ᵃ. dann taucht es erst wieder bei Frisch 2, 149ᵇ auf: senn, ein vieh-hirt, sonderlich auf den alpen. (mit citat aus Stumpf und Maaler.) ferner: senn, heisset ein Schweitzerischer kuhmelcker, oder ein solcher mann, der einer heerde vieh vorgesetzet ist, mit welchen er des sommers fleiszig zu alp fähret, fleiszig auf sie achtung giebet und von ihnen butter, käse und zieger sammlet, dafür auch dem besitzer des viehes entweder einen gewissen .. zins giebet, oder aber rechnung davon thut. öconom. lex.² 2717, ebenso Jacobsson 4, 142ᵇ. auch Adelung und Campe bezeichnen senn als schweizerisch. in der that ist es (mit seiner sippe) nicht im ganzen oberd. gebiete in gleicher weise gebräuchlich, besonders in Österreich und Schwaben tritt dafür schweige mit seinen ableitungen ein, s. dieses th. 9, 2422 und J. Grimm gesch. der d. spr. 1014. senn dagegen herrscht in der Schweiz, s. Stalder 2, 371. Hunz. 239. Tobler 421ᵇ (1. oberkuhhirt, 2. eigenthümer eines sennthums). Bühler Davos 2, 15; in Baiern (Schm. 2, 288) und Tirol Höfer 3, 139. Frommann 4, 61. — vielfach sind daneben oder dafür weiterbildungen in gebrauch, s. senner, sender und sen(n)te.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 4 (1900), Bd. X,I (1905), Sp. 598, Z. 63.

senne, f.

senne, f.
1)
zu senne, m. gehörig.
a)
alpenweide und daselbst betriebene milchwirtschaft, vgl. Weigand 2, 699. so schon mhd. Lexer hdwb. 2, 886: dreyssig pf. geltes in den sennen ze Turckheim. els. urk. (von 1361) bei Scherz-Oberlin 1487; darumb heiszent sie (die Schweizer) noch die berg senn. d. städtechron. 3, 104, 13 (Meisterlin Nürnb. chron. vom jahre 1488, im lat. text: unde et hodie 'senn' dicuntur pascualia montana aput eos. 214, 34). nhd. saͤnn, ist besonders in der Schweitz gebräuchlich, pecuaria. Frisch 2, 149ᵇ. auch nach Adelung nur in der Schweiz üblich, doch scheint das wort mehr der litteratursprache als den mundarten anzugehören (vgl. sennte). belege: deszgleichen ... ubergeb ich jhm die freye erbnutzung der meyerey zu Gaggenpfill, oben an den Regenbach, unten auff die junckherrn von Adelstoll stossend, und zur seiten auff Fritzenlippen matten, und schultheissen Lentzenpopp senne. Garg. 218ᵃ; eines sonntags im sommer wollte sie die senne ihres sohnes besuchen. Grimm sagen 93;
drausz' auf den sennen springen g'nug (lämmer) herum.
Ebert ged.³ 597.
bildlich: mit zugebundnen augen wurde der unwissende jüngling von der senne seiner jugend herabgeführt, und aus dem hirtenthale seiner ersten liebe hinweg. J. Paul Tit. 4, 58. aus dem deutschen stammt vermutlich sloven. séne 'topographische benamung eines alpenantheils'. Schm. 2, 288. — neben dieser gewöhnlichen bedeutung finden sich andere:
b)
'eine herde zahmes viehes, besonders rindviehes, welche sich unter der aufsicht eines sennen den sommer über auf den alpen aufhält'. Adelung. Campe.
c)
alpenhütte Schm. 2, 288, wohnung eines senners auf den alpen, vgl. senn(er)hütte. Campe; s. auch sennte.
2)
davon ist wol ganz abzutrennen senne in der bedeutung 'haide'. so nach art eines eigennamens die Senne, ein groszer, viele meilen langer haidestreifen, der sich südlich am Teutoburger walde entlang bis gegen Paderborn zieht und durch sein halbwildes gestüt, die sennepferde, berühmt ist. Eickhoff weist im nd. korrespondenzbl. 18, 40 ff. als ältere formen saltus Sinithi (Verdener heberolle, ebenso in einer kaiserurk. von 965), Sinidi, Sinedi (1001) nach und schlägt (die gerade angesichts dieser belege kaum haltbare) ableitung aus *sin-hêthi vor. belege: und es begab sich, dasz der könig einsmahls jagte in der grossen Senne. Möser patr. phant. 3, 248; mir wird's öde zu sinn, als würde mein kopf trocken wie unsre sandige Senne, doch ohne von ihren wilden pferden belebt und aufgestäubt zu sein. Grabbe 3, 596 (Hermannsschl. 3, nacht 2). — hierzu wol 'in die senne schicken, wird gebraucht von bienen, wenn man die bienen, welche nicht so viel gesammlet, dasz sie den winter über davon leben können, ausstöszt, um Bartholomäi herum'. öconom. lex.² 2718. Jacobsson 4, 142ᵇ. — senne, halbwildes gestüt in der haide (vgl. oben und senner 2): man pflegt gemeiniglich in andern gestüten alte, steife, abgenutzte und zur zucht untüchtig gewordene hengste zu wählen, welche sich aber nicht für die senne schicken, weil diese gerade die entgegengesetzten eigenschaften besitzen müssen. Rohlwes thierheilk. (1822) 1, 221.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 4 (1900), Bd. X,I (1905), Sp. 599, Z. 66.

senne, f.

senne, f.
für sehne, s. dieses sp. 148 ff. noch bei Campe als besonderes wort aufgeführt; s. auch Weigand 2, 699. nachträge zu den belegen:
1)
senne am körper:
und rafft er auch einmahl sich auf und will
seyn was er war in Hektors heldentagen,
so fühlt er bald die sennen ihm versagen.
Wieland 5, 243 (d. verkl. Amor 3, 206);
aus den schranken schwellen alle sennen,
seine ufer überwallt das blut.
Schiller 1, 210;
(wie) zukt jede senn — und jeder muskel pochte
wollüstig in die flut!
249;
auch gewisz für mein geschäfte
ist ein platz auf einer tenne,
dort zu brauchen meine kräfte
und des armes müsz'ge senne.
Rückert ged. 233.
vergl. auch: sennen der glieder, nervi, nerbi, legamenti delle membra, v. flächse, haarwachs. ochsen-senne, f. nervo di bue, durengo. Kramer dict. 2, 771ᵇ.
2)
senne des bogens, vgl. öconom. lex.² 2717 f. Jacobsson 4, 142ᵇ: armbrust senne, corda Dasypodius; nervus, amentum, die senn. Frischlin nomencl. (1586) 267ᵃ (cap. 169); endlich aber gebrach dem pfeile die mitgetheilte kraft der schwellenden senne. Lessing 1, 166 (fabeln, der riese); ein groszer fehler den wir begehen ist, die ursache der wirkung immer nahe zu denken, wie die senne dem pfeil den sie fortschnellt. Göthe 50, 124;
o ich hab jn sehr hart gestreckt,
das jm sein leib dent gleich einr sennen.
H. Sachs 3, 2, 60ᵇ (Fortunat 7);
weil sie am bogen bald erblickt,
das er mit keiner senn verstrickt.
Rollenhagen froschm. Bb 8ᵃ;
sieh den diamantnen bogen
mit gespannter senne blitzen!
Overbeck ged. 131;
die senne schwirrt, der pfeil erklirrt
und musz im herze sitzen.
Geibel 1, 90.
bildlich: da er (Acken) aber gegen Baile schreibt, und zu sehr epanorthisiret, auch übrigens David nicht zum groszen Israeliten-könige .., sondern zu einem glaubens- und lebenshelden machen will, so schwirrt die zu straff angezogene senne öfters über. Herder 10, 91 Suphan.
3)
anderes: drechsler- ò drehe - senne, corda del tornitore. trummel-senne, f. corda del tamburo etc. Kramer dict. 2, 771ᵇ.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 4 (1900), Bd. X,I (1905), Sp. 600, Z. 40.

sehnen, sennen, verb.

sehnen, sennen, verb.
zu sehne, f. gebildet, mhd. senewen, senwen, senen mhd. wb. 2, 2, 252ᵃ. Lexer mhd. handwb. 2, 880: ein hülzen instrument mit zweien hagken als die armbroster brauchen die bogen zu sennen (zu spannen). Braunschweig chir. (1498) 99ᵇ. gesembdeu armbrust, mit der sehne bezogne, gespannte, zum schusz fertige armbrust. quelle bei Schmeller 2, 287; ebenda gesenigt und gesennet. aus dem häufig gebrauchten part. perfectum wol entwickelt sich schweiz. senden, die armbrust spannen, schieszen (s. senden). einfaches sehnen ist im nhd. ungebräuchlich, vgl. aber besehnen, mit einer sehne beziehen; zu sehne 1 gehört aussehnen: ausgesehntes fleisch, aus dem die sehnen entfernt sind.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 1 (1899), Bd. X,I (1905), Sp. 154, Z. 47.

sennen, verb.

sennen, verb.
das geschäft eines sennen (vgl. daselbst) ausüben, käse bereiten (eigentlich wol 'die milch abrahmen', wenn zu sahne gehörig und nicht erst denominativ von senne, m.); in oberdeutschen (schweiz., tirol.) mundarten, s. Stalder 2, 371 (auch senntnen). Hunziker 239 (senne). Frommann 4, 329, 9 (Walser mundart). Schöpf 670. Schm. 2, 288. vgl. auch J. Grimm gesch. der d. sprache 1014. Weigand 2, 699.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 4 (1900), Bd. X,I (1905), Sp. 601, Z. 9.

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Zitationshilfe
„senne“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/senne>.

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