Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

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sinnig, adj.

sinnig, adj.
wer oder was sinn hat; ahd. sinnig sensibilis, ingeniosus (besonders bei Notker, kaum früher). Graff 6, 123; mhd. sinnec, sinnic. Lexer handwb. 2, 932; mnd. mnl. sinnich. Schiller-Lübben 4, 213ᵇ f. vgl. Weigand 2, 720. es ist auffällig, dasz das wort im nhd. während des 17. und 18. jh. in der schriftsprache ganz zu fehlen scheint. Kramer dict. 2, 818ᵃ und Steinbach 2, 609 kennen das simplex gar nicht (nur -sinnig als zweiten theil von compositen), ebenso sagt Frisch 2, 279ᶜ: sinnig, ist veraltet. noch Adelung kennt es nur aus der alten sprache und in zusammensetzungen. dem entspricht es, dasz litteraturbelege zwischen H. Sachs, Pauli einerseits und Göthe, Bürger, Voss andrerseits fast vollständig fehlen. (eine stelle aus den Simpl. schr. s. unten 6.) bei den zuletzt genannten dichtern begegnet es jedoch sehr häufig, allerdings meistens in einer veränderten bedeutung. aus ihnen hat es Campe übernommen. in lebenden mundarten ist sinnig weit verbreitet, wenn auch nicht überall. so ist es besonders für das tirol., hess., thür. und nd. bezeugt, fast ohne besonderheiten der form (sinneg Zingerle 51ᵃ. cimbr. wb. 231ᵃ; thür. seniγ Hertel sprachsch. 228; westfäl. sinnîge als adv., s. unten), aber in bedeutungen, die von der schriftsprache abweichen.als zweites glied von zusammensetzungen (z. b. tiefsinnig, tiefen sinn habend, u. ähnl.) ist sinnig überaus häufig.
1)
in der ältern sprache gewöhnlich von menschen, wer sinn, verstand, hat, besonders wer bei verstande, bei gesunden sinnen, geistig normal ist, compos mentis, im gegensatze zum geisteskranken, verrückten, narren u. s. w.
a)
so schon ahd.: der sinnig ist, qui mente consistit. ih uuard sinnig. dero sinnigûn sêlo, animae cognoscentis. Graff 6, 231; et recepi mentem ad cognoscendam faciem medicantis. unde uuard ih sinnig, sia zebechennenne! taz si lâchanarra uuas. Notker 1, 17, 25 Piper. vergl. ferner: sensatus hd. synnig, ein synnig mensche, eyn sindig man, vol synnick, wol besinnig .. nd. wol by sinne; unsinnich (aus ein sinnich) mensche, sundich mensch. Dief. gloss. 527ᵃ; synnig nov. gl. 335ᵇ.
b)
häufig als gegensatz zu unsinnig: da kam ein unsinniger in das münster und wütet und toubet, das niemant vor im sicher was, der ward ouch tzu hand gesund und sinnig. heiligen leben (Augsb. 1472) 40ᵃ; sy was wider als synnig worden als ob sy nye unsinnig gewesen were. dial. Gregor. papae (Straszb. 1476) 53 bei Scherz-Oberlin 1502; was ich mich forsche, ob ich sinnig sy oder unsinnig. Terent. deutsch (1499) 63ᵃ; aber dise zornigen menschen ... brauchen jr vernunfft wenig des tags ... so ist er den tag meer unsinig weder sinnig. Keisersberg 7 schwerter aa 6ᵃ; sprichstu, ja ich müszt unsinnig werden, solt ich schweygen ... ich antwurt und sag dir, das du nichtz dester sinniger würdest vom geschwätz, die unsinnikait geet dir nit darumb ab. 7ᶜ; dadurch sie beid für narren und unsinnig leut geacht wurden; also ward beruft ein arzet, der sie sinnig machen solt. Albr. von Eyb Men. argum.;
ich merck, das du unsinnig seist.
legt sie in kercker untert erdt,
bisz das sie wider sinnig werdt.
H. Sachs 3, 2, 75ᶜ;
so auch:
die blinden ougen gwunnen.
sinnec wurden d' unversunnen.
Alex. A 1116 Maszmann.
c)
mit synonymen: und diser (narr) was augenblicklichen sinnig und witzig worden. Pauli schimpf u. ernst s. 36 Österley (c. 36); de rechte holden alle minschen sinnich und vernunfftig. ostfr. landr. 1. buch, 27. kap., s. brem. wb. 4, 791;
sinnic unt gesunt er wart.
Servatius 3174.
d)
sinnig sein, bei sinnen: bistu sinnig? wie sichst mich an? Terent. (1499) 63ᵇ; des jars im herbst erhieng sich Endres messingslaher, ... solt nit sinnig sein gewesen. d. städtechron. 11, 576, 26; am eritag nach Letare da sprang Hornung in seinen prunnen und ertrank. man sprach, er wer nit wol sinnig, er [was] unterweiln vor an der keten gelegen. 661, 10; do Xanthus des gestankes enpfand, sprach er: du süntlicher kopff, waz ist das? bist du nit sinnig? Steinhöwel Esop s. 50 Österley;
ⁱn dûchte ân alle swêre,
wie er wol sinnec wêre
und aller tobesuht erlân.
pass. 33, 16 Köpke;
sag, was bedeut disz kleide dein?
bist sinnig oder nit das sag?
H. Sachs 5, 218ᵈ.
sinnig werden: und wart der juingling synnig, und kennet den Antonium. qu. bei Scherz-Oberlin 1502; dasz ain reiche burgerin zuͦ Regenspurg wär von sinnen komen ..., da hetten sie ire fraind gen Unser Lieben Frauen gehaissen, die ist in ainem tag wider sinnig worden. d. städtechron. 25, 132, 1; da nam der siech von dem selben artznei yn, das er wider recht sinnig ward. Pauli schimpf u. ernst s. 222 Österley; dasz N. wider zu sinnen keme; als baldt sye das gethan hatten da ward er sinnig. qu. s. Alemannia 16, 229ᵇ. machen: es ist kein bessere artznei den narren zuͦ hilff zuͦ kumen, und unsinnig lüt sinnig zuͦ machen, dan einem den kopff uff zuͦthuͦn. 37. milder:
he was ein dêl bedovet.
nu is he sinnich geworden.
Theoph. 2 (Stockh.), 878.
e)
selten von thieren, nicht sinnig, toll(?): im schadet auch nit, ab ein thir, das nit sinnig werr in beist. versehung leib sel er vnnd gutt. (Nürnb. 1489) c. 1.
2)
klug, verständig: ingeniosus .. zinnich. Dief. gloss. 298ᵇ; sinniger, wicziger. nov. gl. 216ᵃ.
a)
so gewöhnlich im mhd. und ältern nhd.:
ir ist und ist genuoc gewesen
vil sinnec unt vil rede rîch.
Tristan 4723;
und bist dû rehte sinnic,   dû solt nimmer imʒ vergeben.
Wolfdietr. A 130;
doch merke eʒ, swer dâ sinnic sî.
Karsie sinnic unde kluoc.
620;
Augustinus ouch pflac
zû sîner (Ambrosius') predigâte kumen.
er hete von im vernumen,
daʒ er vil sinnec (sinnreich) wêre.
pass. 419, 9 Köpke;
der künic was ein sinnec man.
Heinr. v. Neustadt Apollon. 2109;
hietestu niht hôheu puoch gelesen,
du enmöhtest niht sô sinnec wesen.
16794;
der sinnige man
sô ordenlich began
daʒ dinc ane vâhen.
Ottokar reimchron. 23638;
der herzog het in sînem her
meister genuoc,
die sinnic wârn und kluoc.
31077;
he is ein sinnigen man,
ein bischopdom kan he wol vôrstân.
Theoph. 2 (Stockh.) 17;
von person, vernunft und anschlägen ein sinniger, trefflicher herr, s. d. städtechron. 2, 399, 13; darumb hab ich dir gesant Hyram, den schmid, meinen vater, einen sinnigen mann und einen witzigen. bibel 1483 198ᵃ (virum prudentem et scientissimum. 2. chron. 2, 13); uber das alles hat er (Luther) solche revocation nicht than ..., sonder das gantz abgeschlagen und mit dergleichen ungebürlichen wortten und geberden, die keynem sinnigen und reguliertten geystlichen ... gezymen, offentlich gesagt, er woll ... nicht ein wort endern. Luther 15, 264, 28 Weim. ausgabe (1, 459ᵇ).
b)
in ähnlichem sinne ('verständig') findet sich das wort wieder in der ersten zeit seines auftauchens: im gasthof zu Wernigerode angekommen liesz ich mich mit dem kellner in ein gespräch ein, ich fand ihn als einen sinnigen menschen, der seine städtischen mitgenossen ziemlich zu kennen schien. Göthe 30, 223;
ruhe gebot der wirth und sinnige freunde.
1, 311;
eilig streckte gewandt der sinnige jüngling den arm aus,
hielt empor die geliebte.
40, 320 (Herm. u. Dor. 8);
wie vor dir die sinnige (περίφρων) Penelopeia
schwindet an holder gestalt.
Voss Od. 5, 217;
dasz er botschaft melde der sinnigen Penelopeia.
15, 41.
c)
so auch noch in lebenden mundarten, s. Schm. 2, 294. Zingerle 51ᵃ. cimbr. wb. 231ᵃ, nd. Danneil 192ᵇ (verstand, nachdenken verratend).
3)
zuweilen findet sich in der zeit des wiederauflebens auch die bedeutung 'sinnend, in gedanken vertieft':
sinnig sitz' ich oft und frage.
Bürger 44ᵇ (elegie);
so still und so sinnig!
es fehlt dir was, gesteh es frei.
Göthe 3, 256;
schaut doch, wie sinnig sie geht, die freundliche schöne Rebecka.
Voss 2, 235 (idylle 14, 1);
denn bald so sinnig,
bald schlotternd spinn' ich.
4, 149;
sinnig sasz ich da im düstern.
Müllner 2, 12 (die schuld 1, 2).
4)
ähnlich ist die jetzt herrschende bedeutung von sinnig, nur dasz sie nicht einen vorübergehenden zustand, sondern eine dauernde eigenschaft bezeichnet, 'zum sinnen, zu nachdenklicher und gemütvoller betrachtung, zum deuten und suchen eines innern sinnes geneigt': Juliette, die sinnige gute, .. hatte geheirathet. Göthe 23, 200; wir gelangten ... nach Pempelfort, dem angenehmsten und heitersten aufenthalt, wo ein geräumiges wohngebäude ... einen sinnigen und sittigen kreis versammelte. 26, 293; dasz ... der letzte redacteur und sinnige abschreiber (der homer. gedichte) getrachtet habe ein ganzes nach seiner fähigkeit und überzeugung herzustellen. 32, 192; wir wünschen sinnigen lesern glück zu dem genusz dieser chöre wie der übrigen dichtung. 38, 305; dasz mein sinniger ausleger, dem die wunderlichen besonderheiten jenes winterzuges keineswegs bekannt seyn konnten, dennoch, durch wenige andeutungen geleitet, die eigenheiten des verhältnisses, die wesenheit des zustandes und den sinn des obwaltenden gefühls durchdringlich erkannt. 45, 315; nur durch solch tiefes anschauungsleben ... entstand die deutsche märchenfabel, deren eigentümlichkeit darin besteht, dasz nicht nur die tiere und pflanzen, sondern auch ganz leblos scheinende gegenstände sprechen und handeln. sinnigem, harmlosem volke ... offenbarte sich das innere leben solcher gegenstände. Heine 3, 32 Elster (harzr.); Houwald, der sinnige, zarte Houwald! Grabbe 1, 394 (scherz, sat. 1, 3);
seegst du den sinnigen minschen, de mank dem gestrüke vœran bald
slenderde, bald nasleek, un tolest an dem boome wat upschreef?
Voss 2, 162 (id. 10, 118).
einige der stellen aus Göthe lieszen sich vielleicht auch zu 2 ziehen. jetzt ist diese bedeutung die einzige, in der sinnig von personen gesagt wird; doch ist diese verwendung überhaupt seltner geworden. am häufigsten noch sinniges gemüt u. ähnl.: er ist ein tüchtiger mann ... von sehr ausgebreiteter sprachkenntnisz .. und ein sehr sinniges, ernstes und kräftiges gemüth. Brentano 9, 189. zuweilen geht es in die bedeutung des sanften über: früher warst du fromm und sinnig, wie ein lamm! Hebbel (1891) 9, 22. — substantiviert: ein deutscher maler hätte vielleicht hier in der kopfbildung des kamels das sinnige, das vorweltliche, ja das alttestamentalische hervortreten lassen. Heine 6, 395 Elster.
5)
von dingen und abstracten, theilweise in erweiterung der gebrauchsweise 4: seine sinnige gegenwart lehrte mich ihn noch höher schätzen. Göthe 32, 179; sie (Fauriels analyse der tragödie Adelchi) wird allen freunden einer sinnigen, entwickelnden, fördernden kritik auf jede weise willkommen seyn. 38, 298; seit gedachtem jahre habe ich von zeit zu zeit in ruhigen stunden fortgefahren sinnige blicke ins vergangene leben zu werfen. 60, 303; mit dem herzog hab ich eine sehr sinnige unterredung gehabt. briefe 5, 132. häufiger mit verschiebung, was zum sinnen, zu solcher betrachtung anregt, wobei sich allerlei denken läszt, oder einfach, tiefen sinn enthaltend, sinnvoll, sinnreich: am schönsten ... tage einmal auf dem wege, hielt man einen sinnigen flurzug um und durch das ganze. 21, 140; in der darstellung im tempel findet sich auch eine art von parallelism ... eine geistige symmetrie, so gefühlt und sinnig, dasz man angezogen und eingenommen wird. 43, 420; so viel man übrigens die noch stehen gebliebene architectur beurtheilen kann, so ist sie zwar nicht in einem strengen, aber doch sinnigen style gedacht und ausgeführt. 44, 145; obgleich die gaselen des grafen Platen nicht für den gesang bestimmt sind, so erwähnen wir doch derselben gern als wohlgefühlter, geistreicher, ... sinniger gedichte. 45, 313; zu alten, sinnigen bräuchen fügte sie (d. kirche) neue. Freytag bilder 1, 19;
dich drängt' es, eine Hermannsschlacht zu schaffen,
ein sinnig denkmal deutschen heldenthums.
Uhland ged. (1864) 128;
sinnreich: allein die wahrheit ist oft sinniger, als die erdichtung. Hebel 3, 145. ähnlich schon mhd. vereinzelt:
wâ sprüche sam die rosen clâr,
wâ sinnic satz, wâ vündic sin?
mit feinem sinn ausgeführt:
kaum hat sein werk der spinne fleisz vollendet,
zerstört ein tritt das sinnige gerüste.
Platen 75ᵇ (gas. 51).
6)
adverbial, verschieden nuanciert. verständig, mit überlegung: darumb fahret sinnig und bedenckt kurtz, was ihr thut! Simpl. schr. 4, 38, 8 Kurz; weise, kunstvoll:
o leser, hast du je betrachtet die
stechpalme? — sieh'
ihr glattes laub, wie eine weise hand
es zum gewand
dem baume gab, so sinnig, dasz daran
des atheisten klugheit scheitern kann.
Freiligrath⁵ 2, 64.
von handlungen, worin sich ein feiner sinn zeigt, tactvoll: so schön und gründuftig und einladend er dergleichen stellen auch colorirt, so sinnig hat er doch unterlassen hier mit weidenden heerden zu staffiren. Göthe 22, 139; das element der lüsternheit in dem er (Sterne) sich so zierlich und sinnig benimmt, würde vielen andern zum verderben gereichen. 282. sinnig sprechen, mit feinem verständnis: in manchem werke über deutsche literatur ist so ehrenvoll als sinnig über ihn (Wieland) gesprochen. 32, 240; als zeichen der aufmerksamkeit auf das allerbesonderste brachte ich durchzeichnungen von bildern aus einer alten handschrift des Sachsenspiegels kennern und liebhabern in die hände, welche ... die symbolik eines ... kindischen zeitalters gar sinnig und überzeugend auslegten. 83. mit aufmerksamkeit und nachdenken: schiffer .., menschen, die ein gefährliches, bedenkliches handwerk, wo jeder augenblick sinnig beachtet werden musz, ihr ganzes leben über sorgfältig betreiben. 43, 265. worin ein besonderer sinn liegt, sinnvoll, zum sinnen anregend:
der saum von grünen palm- und lorbeerzweigen
sprach, ruhm und frieden sinnig zart bezeichnend,
aus, was der dichter braucht und was ihn lohnt.
Grillparzer⁴ 3, 156 (Sappho 1, 3);
schalk, ich sah ja das M, das du unten im wellichten sande
sinnig schriebst, und schnell, wie ich kam, mit erröten durchkreuztest.
Voss s. 92 Sauer (Elbfahrt 9).
sinnend, in sinnen, gedankenvoll:
vom hosannagetön harfender seraphim
schlich, ihr freundliches kind im arm,
deine schwester sich oft sinnig zur palmennacht.
195, 3.
bedachtsam (?):
gott dacht' ein weiser innig,
und sah ein kind am strand.
was schöpfst du, kind, so sinnig? —
ged. (1802) 5, 45.
ernst, nachdenklich, still: als er ernsthaft sagte: 'mit dem lieben gott', so kam seiner frau fast das augenwasser und sie sah ihn gar sinnig an. Gotthelf Uli d. knecht s. 14 neudr.; sinnig und ernst waltete es im hause; vielleicht hatte es noch nie so wenig geredet als an diesem tage. 436. — unbestimmter, als gegensatz zu sinnlich, also die geistige oder gemütliche seite des menschen bezeichnend: der musiker, wenn er sonst sinnlich und sinnig, sittlich und sittig begabt ist, genieszt im lebensgange grosze vortheile, weil er dem lebendig-dahinflieszenden und aller art von genüssen sich mehr assimiliren kann. Göthe an Zelter 542.
7)
besondere bedeutungen finden sich in mundarten.
a)
aus der bedeutung 'mit überlegung, bedachtsam' ergiebt sich weiter der sinn 'besonnen, bedächtig, langsam, still', den die heutigen nd. mundarten zumeist aufweisen, s. Strodtmann 211 (bedachtsam, stille, nicht übertrieben). brem. wb. 4, 791. Dähnert 424 (bedachtsam, nachdenklich, vernünftig). Danneil 192ᵇ. Stürenburg 247ᵃ. ten Doornkaat Koolman 3, 186ᵃ (besonnen, überlegt, verständig, behutsam, nett, sanft). Schambach 192ᵇ (sittsam, bescheiden, still). Woeste 237ᵇ. so auch hess. s. Schmidt 218. Kehrein 1, 377. so een sinnig minsk 'ein mensch, der bei seiner arbeit stille ist, und alles mit bedacht thut'. Strodtmann 211, een sinnig man, ein vernünftiger, bescheidener mann. brem. wb. a. a. o. zuweilen nhd.: sinnig, der mit bescheidenheit handelt unnd nicht bollert, un homme moderé, de raison. Hulsius 299ᵃ. besonders als adverb. sinnig fahren. Strodtmann 211; hê wêt d'r so recht sinnig mit umtogân; dat gung all' gans sinnig un ân föl gedrü̂s to. ten Doornkaat Koolman a. a. o.; sinnig to gaan laten, die pferde nicht übertreiben, überhaupt bedächtig und langsam verfahren. brem. wb. 4, 791, vergl. Wander 4, 575, laot de pä̂r man sinnig to gaon. Danneil 192ᵇ; von einem ruhigen regen, der in feinen tropfen fällt, staubregen. ebenda, hess. es regnet sinnig. Kehrein 1, 377, sinniger regen. Pfister 277 (bei Kassel und bei Mainz). — abweichend sinnig spreken, bedachtsam, bescheiden, brem. wb. 4, 791; dat sut sinnig uut, läszt ehrbar. 792. — das westfäl. hat eine besondere form für das adv., sinnige mit besonnenheit, vorsicht, sachte, leise, s. Woeste 237ᵇ. Frommann 4, 270, 36 (märk.), bez. sinnigen, sanft. nd. korrespondenzbl. 13, 84.
b)
hess. ein sinniger mann gut, sanftmütig. Vilmar 385. Pfister 277 (durch das ganze gebiet); thür. senig verträglich. Hertel sprachsch. 228.
c)
abweichende bedeutungen hat das tirol. sinnig od. sindle', nämlich 1) sehnlich, sinnig dreinschauen, mit verlangendem blick; 2) zornig, erbost (vgl. sinn II, 8, h); 3) sehr, ungemein: es schmöckt mar reacht sinnig guat. Schöpf 676.
8)
zuweilen begegnen in ältern und neuern dialecten ganz verschiedene verwendungen, in passivem sinne zu sinnen.
a)
sinnlich wahrnehmbar, so ahd. ein sinnig ding, substantia sensibilis. Graff 6, 231. ferner mnd. (des ghantzen synnyghen unde ghesichtighen hemmels) s. Schiller-Lübben 4, 213ᵇ.
b)
erinnerlich Danneil 192ᵇ. Schambach 192ᵇ. häufiger sinnlich, s. daselbst 5, b.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 7 (1901), Bd. X,I (1905), Sp. 1179, Z. 63.

sinniglich, adv.

sinniglich, adv.,
mhd. sinneclîch(e), -en, verständig s. Lexer handwb. 2, 933:
dû hâst dich sinneclîch bedâht.
Winsbekin 43, 1;
nu het ouch sinneclîch bedâcht
der wîse cluoge Curvenal.
Heinr. v. Freiberg Tristan 1590;
sie .. schreip daran in widerpot
sinneclîche und âne spot.
Heinr. v. Neustadt Apollon. 2086;
und daʒ wir phaffen sullen ahten
unde sinniclich betrahten,
waʒ ze tuon sî daʒ best.
Ottokar reimchron. 45620.
nhd. sinniglich handeln, mit vernunfft unnd ohne boldern etwas thun. Hulsius 299ᵃ; ingeniose, acute. Steinbach 2, 610;
thu sie mit nassen augen
ganz sinniglich anschauen!
wunderhorn 2, 37 Boxberger;
die blümlein neigten die köpfe zart ...
ich sie anschaute sinniglich.
311.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 7 (1901), Bd. X,I (1905), Sp. 1184, Z. 30.

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Zitationshilfe
„sinnig“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/sinnig>.

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