Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

türke, m.

türke, m.,

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angehöriger eines über weite gebiete Vorderasiens und des Balkans verbreiteten volksstamms; in neuester zeit immer stärker auf die bewohner des osmanischen reichs, der Türkei, eingeschränkt. zur etymologie vgl. die nachweise bei Karl Lokotsch etym. wb. (1927) 165ᵃ. erst mit den kreuzzügen (1095-1291) treten volk und wort in den gesichtskreis der Europäer; zur bekanntschaft des alten nordens mit dem Türkennamen bei Ari und Snorri s. zs. f. d. altert. 78 (1941) 49/50. die bezeichnung 'der Türken könig' um 1150 lautet Tyrkja conungr PBB 69 (1947) 473. seit dem fall von Konstantinopel 1453 und dem vordringen der Türken nach Mitteleuropa zu beginn des 16. jhs. gewinnen sie für die Deutschen unmittelbare bedeutung. von der ersten belagerung Wiens 1529 bis zur zweiten 1681 beherrschen sie durch den besitz Ungarns infolge der bedrohlichen nachbarschaft anschauung und denken der Deutschen besonders im politischen und religiösen bereich aufs stärkste; vgl. Burhaneddin Kâmil d. Türken i. d. dt. literatur (Kiel 1935); Bistra Dontschera d. Türke im spiegelbild d. dt. literatur u. d. theaters (München 1944). ihr kultureller einflusz wirkt intensiv darüber hinaus weiter und hat sich in zahlreichen festen bezeichnungen für verschiedenste sachinhalte niedergeschlagen; s. unter 2.
1)
der angehörige turko-tatarischer stämme; fast stets ohne genaue scheidung von anderen vorder- oder zentralasiatischen völkern; Türck, Turca, Saracenus, Muselmannus, Muhamedanus Weismann lex. bip. (1725) 2, 417ᵃ:
ouch die grâven von Meideburc
dâ valden manigen frechen Turc
(1301) kreuzf. Ludwigs 3116 Naumann;
in gestalt widder die Turken zu ziegen (1466) Limburger chron. 115, 18 Wyss; zwo huebsche hohe seulenn ... auff einer ist S. Marcus, auff der anderen S. Theodorus mitt einem Tuercken, so er getödett hatt (nach 1491) bei Röhricht pilgerreisen 174; ich han ... vil gelts wider die Turken sehen samelen (1521) bei Schade sat. u. pasqu. 3, 50; vom kriege widder die Türcken Luther 30, 2, 107 W. im 16. und 17. jh. wird die einzahl in kollektivem sinn zur bezeichnung des gesamten volkes mit einer an ausschlieszlichkeit grenzenden vorliebe verwendet: sy gebent dem Türckenn auch tributt (1483) bei Röhricht pilgerreisen 133; die christenheit vor dem Turken zu retten (1521) bei Schade sat. u. pasqu. 3, 50; Paulus bracht yhn ynn Kriechen land. hyn ist auch hyn, nu haben sie den Türcken (1524) Luther 15, 32 W.; ebda 50, 80; der Türke ist populus irae dei ders. tischr. 6, 354 W.; Matiasco, der künig in Hungern, der fuͦrte vil grosser krieg wider den Türcken und die Osterreicher J. Frey gartenges. 26, 12 Bolte; disen gebrauch ... hat der Türck noch Lorichius päd. principum (1595) 373; die arme bauren für den Türcken bezahlen müssen Moscherosch gesichte 1 (1650) 400; wie mit denen, so vom Türcken gefangen Grimmelshausen Simpl. 53 Scholte; manchmal sogar artikellos wie ein eigenname: der fromm keyser Carl hette gern friede vnnd ruhe gesehen, weyl Türck auff Deutschland mit heereskrafft zuzoch Joh. Mathesius ausgew. w. 3, 329 Loesche. später tritt diese kollektive einzahl, die bei anderen völkernamen mehr gelegentlich begegnet (der Jude, der Franzose), nur noch mit historischer beziehung in bewuszt archaischer sprachgebung auf: unsere vorfahren zogen fleiszig wider den Türken ... freylich begreiffe ich wohl, dasz ein feldzug wider den Türken nicht halb so lustig seyn kann, als einer wider den Franzosen Lessing 2, 187 L.-M.; ich will eine contribution von geld und mannschafft wider den Türcken Göthe I 39, 79 W.; die ... geistlichkeit hielt das haus blockiert, wie der Türk den Russen anno eilf am Pruth W. Raabe s. w. I 6, 449.
a)
in formelhafter zusammenordnung mit den namen anderer östlicher völker:
Türken unde Sarrazîn,
wie wâret ir sô zagehaft!
Heinrich v. d. Türlin crone 384 lit. ver.;
Zôkel und Walachen ...
Sirven unde Niugære,
Turken und Tâtrære,
Râzen, Pozzen und Krawâten,
ihr hêrschaft die herren hâten
z'Ungern von dem kunic rîch
Ottokar österr. reimchron. 7397 Seem.;
ich hette szorge, wir wurden eins sein undereinander, wie wir eins sein mit den Turgken, Boemen und Sarracenern (1522) Egranus ungedr. pred. 79 Buchw.; denn solche leute sind die aller gifftigesten und schedlichsten menschen auff erden, das auch widder Türcke noch Tatter so schedlich sein können Luther 30, 2, 61 W.; verheeren und verderben ... durch die Sarracenen und Türcken ebda 41, 113; soll der Türck, Moscowiter, der Persianer und alle Croaten mich deszwegen mit krieg überziehen Rebhu Pokazi (1679) B 2ᵃ.
b)
von der christlich bestimmten sicht des abendlandes her wird der Türke nicht so sehr als vertreter eines fremden volkes denn als prototyp des das Christentum aufs schwerste gefährdenden Islam, als Moslem gesehen; weil er nicht-Christ ist, wird er gering gewertet und verachtet: do de pelegrime quemen an dat gebirge, ... de heidenen Turken weren uppe den bergen unde wolden in den wech weren (um 1230) sächs. weltchron. 233 Weiland;
der gut Sant Michael
hat uch geleitet her,
behut vor grosser swer
als ietz der heiden dribt
den man den Durcken schribt
und auch ein keyser nent
meister Altswert 232, 16 lit. ver.;
welchs doch der vater darumb thut,
das wir nicht sampt der Türcken blut,
ewig verdammet werden
Ringwaldt handbüchlin (1586) C 6ᵃ.
daher in der festen reihe mit den anhängern anderer nichtchristlicher glaubensformen geradezu 'Mohamedaner': da fint man koflut uss allen orten der welt ... heiden, cristen, Turgen, Tattan und dryerlay juden (um 1480) bei Röhricht pilgerreisen 107; juden, Turcken und heyden (1520) Luther 6, 82, 27 W.; als wen ich glaub, das war sey, was man vom Turcken, teuffel, hell sagt ebda 7, 215; du glewbest, wie die Turcken, juden und der teuffel glewbt ebda 14, 16, 8 W.; erst seit der aufklärung in objektiver feststellung: die menschen würden auch dann noch juden und christen und Türken und dergleichen sein Lessing 6, 34 Olsh.;
ist's Türk', ist's heide, den er (für das theaterspiel) kleiden soll?
Göthe I 16, 133 W.;
er sei gleich Krist, Türk oder heide Th. Mann d. erwählte (1951) 225. in der leidenschaftlichkeit des konfessionellen kampfes wird die negative einschätzung der Türken benutzt, um im vergleichenden nebeneinander die abwertung des katholischen gegners zu unterstreichen: der Turck lessit doch gleubenn wer do wil, der bapst wil niemant lassen gleuben (1520) Luther 6, 627 W.; ebda 10, 1, 2, 112; ich halt warlich mer auf den Türken dann auf die münch (1525) bei Schade sat. u. pasqu. 3, 218; in fast formelhafter zusammenbindung von papst und Türk(e): das der bapst der Endchrist sey mit dem Turcken, ist myr keyn tzweyfel mehr Luther 10, 1, 1, 148 W.;
erhalt uns, herr, bey deinem wort,
und steur des bapsts und Türcken mord,
die Jhesum Christum, deinen son,
wolten stürtzen von deinem thron
Luther 35, 467 W.;
secht solchen schatz und reichtum grosz ...
hat uns der römisch Türk (d. papst) enzogen
mit seiner ler falsch und erlogen
(1525) bei Schade sat. u. pasqu. 2, 208.
diese verbindung ist im zeitalter der glaubenskämpfe so festgewachsen, dasz sie lange, besonders in historischen darstellungen, weiterwirkt:
wenn mich politsche mäckler stören,
sich wieder Türk und pabst verschwören
Chr. F. Weisze scherzh. lieder ²63;
da doch der papst, der antichrist,
ärger als Türk' und Franzosen ist
Göthe I 5, 1, 195 W.;
man bat gott tagtäglich, uns vor dem pabst wie vor dem Türken zu beschützen Holtei vierzig jahre (1843) 1, 128.
c)
der Türke als der gefürchtete politische gegner im 16. und 17. jh.:
jetz sint die Türcken also starck
das sie nit hant das mer alleyn
sunder die Tuͦnow ist jr gemeyn
vnd duͦnt eyn jnnbruch, wann sie went (wollen)
S. Brant narrenschiff (1494) r 4ᵃ;
ist es kein wunder, das wir verlieren vnd vnder ligent, fliehen von dem Türcken vnd von andern J. Pauli Keisersbergs narrensch. (1520) 195ᵇ; wir ... wissen, dasz sehr grosse gefahr der gantzen christenheit wegen desz Türckens zustehet Dan. Schaller theol. heroldt (1604) 62; dem allgemeinen christenfeind, dem leidigen Türcken anatome joco-seria conscientiae antiquae (1667) 29. historisch weiterwirkend: man hatte ihm oft wiederholt, dasz sie (die krone Frankreich) nebst dem leidigen Türken der erb- und erzfeind von Deutschland sey Nicolai Seb. Nothanker (1776) 1, 9; denken sie noch an den Türken, den erbfeind? A. v. Arnim s. w. 8 (1840) 95. daher in älterer zeit geradezu zu 'erzfeind' ohne beziehung auf den asiatischen volksstamm entwickelt: das ein nachbuer den andern würd Türrckes gnuͦg sein, ob schon kein Tarter oder machomatischer in dise land kem Gebweiler lob Marie (1523) 43ᵃ. diese bedeutung als 'ärgster feind' wirkt lange nach: nach einigen wochen brach die brustwassersucht völlig bei ihr aus, und seitdem habe ich ein leben gehabt, wie ich es keinem Türken gönnen möchte (1845) A. v. Droste-Hülshoff br. 2, 377 Sch.-K.
d)
er gilt im allgemeinen als barbar, der leben und kultur unbarmherzig und rücksichtslos zerstört und die menschen grausam quält; vgl. R. Ebermann d. Türkenfurcht, ein beitrag z. gesch. d. öffentl. meinung in Deutschl. während d. reformationszeit (diss. Halle 1904):
er (Karl von Burgund) ist der Türk im occident,
der die cristenhait also schendt
(1475) histor. volkslieder 2, 54 Liliencron;
wen der Turck stedt, landt und leut vorterbet, kirchen vorwustet (1520) Luther 6, 241 W.; man furcht sich fur Türcken und kriegen und wassern, denn da verstehet man, was schaden und frumen sey ebda 15, 30 W.; bey dem allem wol abzunemmen, das die Türcken mehr verwüsten, dann sie wider erbawen: deszhalben sie recht Türcken, das ist souil geredt, alsz verhörger, verderber, mit dem namen vnnd werck genennt werden Rauwolff aigentl. beschr. (1582) 328. daher kann geradezu definiert werden: Turca vastatorem significat, einen verherer, verwüster, zerstörer B. Faber thes. (1587) 895ᵃ. auch diese auffassung wirkt jahrhundertelang nach: ich werde nuhn alle tage besser. sie haben wie die Türquen mit meinem cörper gewirtschaftet (1747) br. an Fredersdorf (1926) 115 J. Richter; sie wären wert, von einem Türken beherrscht zu werden Hauff w. 2, 357 Mendh.; vor wirklichen Türken würde sie sich ohne zweifel mehr gefürchtet haben Kügelgen jugenderinn. (1870) 171; das sind wilde, sagt sie, Indianer und Türken Bürgel 100 tage sonnenschein (1940) 152. sogar mundartlich: he geit as 'n Türk. er wüthet wie ein Thürk Kern u. Willms Ostfriesl. (1869) 14; dreinhaun wia-r-a T. wild um sich schlagen; rauk'n als wia-r-a T. maszlos rauchen M. Schuster altwienerisch (1951) 170. für ein äuszerstes an unmenschlichkeit gern zu vergleichender veranschaulichung gewählt: machens also, das der Türk erger nit wol thun könnte Zimmer. chron. (²1881) 1, 50 Barack; welche (kaiserl. soldaten) ärger als Türcken vnd Tattern mit den elenden einwohnern ... verfahren A. Mengering kriegsbelial (1633) 246; unmüglich wäre es, einen mänschen ausz den banden desz ehestands zu erlösen ... seye also ein böser heyrath ärger als der Türck selbsten, von dem man doch endtlich erlöset zu werden noch könne hoffnung haben Moscherosch gesichte (1650) 1, 126; kein Türke sollte so unbarmherzig gegen dich seyn, als ich seyn wollte dt. schaubühne 6 (1745) 129 Gottsched. sogar übertragen möglich: indem der gedanke wie ein gewaffneter ihn ergriff .. er unterlag diesem Türken von gedanken Hippel s. w. (1828) 8, 78; ich unglücklicher mann! der Türke von weinhändler will mich durchaus pfänden lassen Fr. L. Schröder dram. w. (1831) 2, 400. er gilt als kulturlos und amusisch: eigentlich heiset oder bedeutet Turca einen bauren oder ungeschickten menschen Sperander (1727) 763ᵃ; ich will nicht sagen, dass unser Haydn den Apollo gemacht hat wie ein Türke Caroline 2, 167 Waitz; ist nicht die kreuzabnahme in der Frauenkirche zu Antwerpen für 'nen Türken verständlich? (1875) W. Busch 70 briefe (1908) 16; als ungezügelt und sittenlos:
der wider mich das crütz hat geben
als fieret ich des Türcken leben
Murner luth. narr. 198 Scheible;
(der freitag,) an welchem der verhurete Türcke seinen sabbath hält Prätorius phil. colus (1662) 155;
kanst du dir in jener stadt nicht ein gröszer lob auswürken,
als dasz ich vernemen musz, dasz du fluchest wie die Türken?
Joh. Grob (1678) 144 lit. ver.
ebenso als unterwürfig: dann aber fuhr er auf und fragte, ob wir denn Türken oder schranzen, oder was wir wären, dasz wir uns für unsern vortheil maltraitieren lieszen Kügelgen jugenderinn. (1870) 216.
e)
als fluch und schimpfwort: Türck soll so viel heissen als ein zerstörer, ... darumb nemen sie es gar für übel auff, wann man sie nennt Türck Schweigger reyszbeschr. (1619) 140; gott's Türken, Mohren, Tartaren und päpste Holtei erz. schr. (1861) 13, 227; vgl. Pansner schimpfwörterb. (1839) 71ᵇ. so zu beurteilen sind wohl anführungen in mundartl. wbb. ohne weitere erläuterung: Ottenheimer ma. in PBB 13, 237; Flemes Kalenberg 108 nachtr. 2; vgl. türkisch 2 c.
f)
zu festen kompositionen mit Türke als grundwort sind zusammengewachsen:
grosztürke
m., der türkische sultan, vgl. oben teil 4, 1, 6, sp. 512. zunächst noch getrennt:
der grosze Türk ist kumen her,
der Kriechenlant gewunnen hat
fastnachtsp. 1, 288 Keller.
auf dem wege der zusammenrückung: souer (sofern) der grosz Türck von anderen feinden hart angefochten wurde Rauwolff aigentl. beschr. (1582) 171. dann feste verbindung: (Griechenland,) das von dem grosztürken beherrscht und von christen bewohnt wird Harsdörffer gr. schaupl. lust- u. lehrr. gesch. (1651) 1, 114; der grosztürke ... wenn der aufs freien wollte, so schickte er vorher sein schnupftuch an das junge frauenzimmer Storm s. schr. (1868) 7, 175. —
hoftürke m.:
übrigens war dem Ritter jetzt Schoppe gerade so lieb wie der erste beste hoftürke Jean Paul s. w. I 8, 23 akad.; er wollte ihn zum hoftürken, zum generalissimus ... machen Cl. Brentano w. (1914) 3, 128 Preitz.
kümmeltürke m.:
in Halle bezeichnung der aus der umgegend stammenden studenten, da um Halle herum sehr viel kümmel gebaut wird und 'kümmel' das burschikose nahrungsmittel wurde, das solche studenten von daheim erhielten; vgl. Gombert zs. f. d. w. 3, 316 und Kluge studentenspr. 9; Lokotsch etym. wb. (1927) 165ᵇ; vgl. teil 5, sp. 2592. studentisch gleich philister: sein (Augusts) heidelbergischer aufenthalt (ist mir) lieber als sein jenaischer: es kommt schon etwas kümmeltürkisches in ihn (1810) Göthe IV 21, 222 W.; da sagte einer: es ist ein meerochse ... ein kümmeltürke Cl. Brentano w. (1914) 3, 125 Preitz.
malztürke m.,
offenbar nur scherzhafte gelegenheitsbildung Luthers, s. teil 6, sp. 1517.
2)
durch die fast zwei jahrhunderte währende enge berührung mit den Türken wird verschiedenes, zum teil unmittelbar von ihnen übernommenes kulturgut mit ihrem namen bezeichnet.
a)
hundename: der Dürk Seiler Basel 92; 1504 in Zürich bezeugt: festschr. f. E. Ochs (1951) 220. entstanden in übertragung der auffassungen 1 c und d (entsprechend sultan 3; teil 10, 4, sp. 1049f.); also ursprünglich nur für den bissigen hof- und wachhund; literarisch erst mit der hinwendung zum alltag der wirklichkeit faszbar: Türk, dein haushofhund J. H. Voss s. ged. (1802) 6, 107;
Türk sitzt dabei ...
die pfote in des jagdherrn schoosz
gemeinnütz. unterhaltungen f. d. j. 1804, 2, 102;
das ist der Türk gewesen, der ist noch nicht ausdressirt und faszt noch an E. Hoefer vergangene tage (1859) 41; halloh, rief sie; Tartar, Türk! die hunde lieszen von mir ab Storm s. schr. (1868) 11, 39; Türk, Türk, du mordshund! ebda 12, 17. kennzeichnend für die schlieszliche ablösung von der ausgangsvorstellung ist das miszverständnisz: 'merkenswerth ist die eigenthümliche volksironie, den doch so lieben hund nach verhassten menschen zu benennen, z. b. Türk oder Sultan' Wackernagel ges. schr. 3, 84 und die verselbständigung der bedeutung, die besonders in der verkleinerung zutage tritt: der Türkle, ein rother wolfshund Auerbach dorfgesch. 5, 14.
b)
pferdename; aus ganz anderer sicht: ursprünglich bezeichnung für ein pferd türkischer herkunft; zurückgehend auf afrz. turc 'türke' vgl. Littré dict. gén. s. v., wo frz. turc in der bedeutung 'türkisches pferd' belegt ist, s. Suolahti frz. einfl. a. d. dt. sprache 8 (1929) 269:
dô kom ûf einem türken der kleine nâch geriten
Ortnit 312 Amelung; vgl. 310;
Teurdank auf den braun türken sasz,
reit eilunds auf der rechten strasz
Teuerdank 145 Goedeke;
der stallknecht sagte, er habe sich auf seinen tollen türken geschwungen, mit dem pferde wie mit seinem freunde gesprochen F. M. Klinger w. (1809) 1, 75.
c)
'mais', s. unten türkenkorn; türkisch korn; türkischer weizen unter türkisch 3 a; frz. blé de Turquie, it. gran turco; auf das südlichste Deutschland beschränkt, vgl. Schöpf Tirol 776; im Chiemgau bereitet man dies mus aus waitzen oder dem hier viel gebauten 'türk' Bavaria (1860) 1, 440. dazu zahlreiche zusammensetzungen:
türkenbecken vb.,
'kleine löcher in die erde stupfen, in welche die maiskörner gelegt werden' Schöpf Tirol 35; —
türkenbrot n.,
'maisbrot, mit oder ohne zusatz von roggen, auch weizenmehl' schweiz. id. 5, 987; —
türkenbutz m.,
'vogelscheuche in mais- (türkenkorn-) äckern' ebda 4, 2009; —
türkenfahne f.,
diminutiv: -fän(e)li 'die männlichen rispen am blühenden türggen, d. i. mais' ebda 1, 831; —
türkenmantel m.,
'blatthülle am maiskolben' ebda 4, 343; —
türkenmehl n.,
maisbrei: seine karge nahrung aus türkenmehl Häusser dt. gesch. (1854) 3, 349; polenta aus goldgelbem türkenmehl Steub drei sommer in Tirol (1895) 2, 435; —
türkenmus n.,
'maisbrei' schweiz. id. 4, 494; 'mehlbrei von wasser und mehl von türk. weizen sehr dick gekocht' Nicolai österreich. id. 138; Schöpf Tirol 446: bey uns gibts viel und hart z'arbeiten, wann wir's türkenmus fett gnug essen wollen Ayrenhoff w. (1814) 3, 281; —
türkenpult m.,
'maisbrei, in wasser gesotten' schweiz. id. 4, 1222; —
türkenribel m.,
'speziell für ein gericht aus (mais)mehl' ebda 6, 52; —
türkentschillen pl. f.,
die dürren blätter des maises Schöpf Tirol 767, gleichbedeutend mit türkenkolben.
d)
edelstein im mittelalter: in deme man vint di edile gesteyne di do turchin sint genant Marco Polo 8 Tscharner; das ist das rich do man vint genuc der perln unde der turchin ebda 32; vgl. türkel, m., sp. 1856; türkis, sp. 1862.
e)
gefechtsübung gegen einen angenommenen feind; eingedrilltes parademäsziges vorexerzieren bei militärischen besichtigungen; vgl. Th. Imme soldatenspr. (1917) 79; surnom de l'exercice à fond pour l'inspection René Delcourt (1917) 168ᵇ; dort wurden immer die 'türken' ausgeführt, wie die offiziere die taktischen ideen und manöver nannten, die während des exerzierens geübt wurden Ompteda Sylvester v. Geyer (⁵1900) 2, 31; es entstanden dort die kleinen trabanten zu den groszen exercitien, die unter dem beinamen der 'türken' die taktische erfindungsgabe der bataillonskommandeure herausforderten Schlichting Moltke u. Benedek (1900) 140; mit dieser siebenten kompanie war ich später viele male ... auf den groszen exerzierplatz marschiert und hatten den 'türken' a, b und c geübt, die umgehung rechts und links und das einschwenken gegen plötzlich anreitende kavallerie qu. v. j. 1938. in der wendung einen türken stellen im sinne von 'bei besichtigungen jemandem etwas vormachen' in die heutige umgangssprache gedrungen. vielleicht erklärt sich diese eigenartige bezeichnung aus der vielfach eingerissenen übung, eine unter ausnutzung der verbreiteten Türkenfurcht für einen heereszug gegen die Türken ausgeschriebene steuer für andere, vielfach eigennützige und der allgemeinheit abträgliche zwecke zu verwenden; vgl. Türkensteuer, -bruder, -geld, -schatzung a. alphab. st.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 12 (1952), Bd. XI,I,II (1952), Sp. 1848, Z. 71.

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„turkenmantel“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/t%C3%BCrkenmantel>.

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