Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

tinte

tinte,

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s. dinte th. 2, 1199, wozu hier einige ergänzungen kommen: tünte städtechron. 4, 287, 28 (v. j. 1362), dinth 148, 9 (1370); tincte Keisersberg narrenschiff 130ᵈ, die tindten Luther Dietz wb. X (v. j. 1535), die tincken Roth dict. (1571) Q 3ᶜ. vergl. Wattenbach das schriftwesen im mittelalter 137 ff. die mitteldeutsche schreibung dinte ist nicht mehr gebräuchlich.
zu 1: ich hatte viel zu schreiben, aber ich wolte nicht mit tinten und feddern zu dir schreiben. 3 Joh. 13; brief ... geschrieben nicht mit tinten, sondern mit dem geist des lebendigen gottes. 2 Cor. 3, 3;
ich schreib' es, deinen ruhm zu mehren,
solt auch mein blut die tinte sein.
S. Dach 753 Öst.;
mein schreiben ist verderbt, die feder ist verschnitten,
die tinte fleust nicht mehr, wie sie zuvor gethan.
Hofmannswaldau heldenbr. 157;
die dinte starrt, vergilbt ist das papier.
Göthe 41, 92 (tinte Faust 6574 Weim.);
ob er gleich meine arbeiten ... mit rother dinte corrigirte. 25, 65 (tinte 27, 66 Weim.); die stellen darin, die immer den meisten beifall erhielten, waren mit rother tinte unterstrichen. Thümmel reise 5 (1794), 123.
zu 2: das künd ich dir wol sagen .. es bleibt aber in der fedren und steckt noch mer in der dinten. Keisersberg evangelibuch (1515) 100ᵇ; mit dinten kan eine hand ein schlechten menschen erhöhen, und einen hohen vernichten. Lehmann 297, 63; ich habe ihnen auch gesagt, dasz ich viel tinte vergossen (viel geschrieben) habe, doch nicht in der ersten begierde nach groszem namen, mehr zur beschäftigung; man habe in achtzig jahren viele unbeschäftigte stunden. Bodmer Göthes gespr. 42 (1, 59) Biederm.; diese überzeugung äuszern wir hier gelegentlich, weil ein solches darstellen als himmelschreiend mit hohn von oben und gelehrter tinte begossen wird. Gotthelf schuldenb. 121;
die dinte macht uns wohl gelehrt.
Göthe 2, 237;
neuere poeten thun viel wasser in die tinte. Gotthelf schuldenb. 25, 275. 49, 120; woher mag es kommen, .. dasz so vieles der tinte entsprossenes seinen ursprung nicht verläugnen kann? alle tinte kommt vom gallapfel und aller gallenapfel vom wespenstich. Scheffel Ekkeh. 302;
ich Hutten weisz, wie viel die tinte thut,
doch mehr vermag ein dreister reutersmut!
C. F. Meyer Hutten 80;
er hat nie seine nahrung gesogen aus ... büchern, er hat nicht ... getrunken der tinte. Tieck liebes leid u. lust 3, 2; da müszte ich doch tinte getrunken (gesoffen) haben! um die möglichkeit, etwas ungeeignetes gethan zu haben, abzulehnen. Wander 4, 1207; einen in die tinte (wie in die patsche) tauchen. Frischbier² 3765; aber jetzt kommen wir in die tinte. Hermes Soph. (1776) 1, 459. 5, 609; so auf ein bloszes reden hin kann ein richter nichts machen, wohl er käme schön in die tinte, wenn er auf jedes rede hin einschreiten wollte! Gotthelf schuldenb. 25; um nicht selbst in die tinte zu gerathen. erz. 3, 82; tief in der tinte stecken, in groszer verlegenheit, in einer schlimmen lage sein. Wander 4, 1207: du bist voller sünd ... du steckst mitten in der tincten. Keisersberg narrenschiff (1520) 130ᵈ, basl. in der tinte sî. Seiler 77ᵃ; ihr könnt euch ganz leicht aus der tinte helfen, wenn ihr euch von den blutsaugern los macht. Gotthelf schuldenb. 257; das ist eine saubere geschichte — wenn ich nur diesmal noch aus der tinte komme! G. Keller ges. werke 2, 139.
zu 3: das in halbdunkeln tinten trefflich gemalte zimmer. Thümmel reise 7 (1802), 157; alle unbekleidete theile der figuren legte der maler mit tinten an, die sich im hellen sowohl als im dunkeln dem eigentlichen mitteltint (th. 6, 2412 nachzutragen) nähern. H. Meyer kl. schriften zur kunst 157, 32; für die allerstärksten vertiefungen ist eine warmbraune tinte gebraucht. 158, 14; in den halben gebrochenen tinten der weiszen gewänder. 158, 37; wenn er seine tinten und halbtinten recht symmetrisch, rings um die palette, geordnet hat. Göthe 36, 281; wenn der emailmahler ganz falsche tinten auftragen musz und nur im geist die wirkung sieht, die erst durchs feuer hervorgebracht wird, so ... 279; während die ganze untere landschaft noch (im october) grün ist und kaum einige bäume durch rothe und braune tinten das alter des jahres verkündigen. 43, 216; die schwarzblaue tinte des himmels brachte mit der blendenden weisze der schneegebirge ... vielleicht den herrlichsten unter allen kontrasten zuwege, die dem reiche der farben zu gebote stehen. Matthisson schriften 6, 135;
die fernen berge rauchen,
die tinten sind so herb.
Rückert 5, 375;
nimm wie ein chamäleon alle farben,
zeig dich in wechselnden tinten gefleckt.
Grillparzer ergänzungsband 1, 106.
bildlich: nichts ist so geschickt, die letzte hand an die bildung des jünglings zu legen, wie der umgang mit tugendhaften und gesitteten weibern, da werden die sanftern tinten in den character eingetragen. Knigge umgang³ 2, 90.
4)
zu den zusammensetzungen (eigentlich tintart, tintefasz, tintfleck u. s. w., uneigentlich tinten-)
dintenapfel
apfel wol von dunkler farbe. schweiz. idiot. 1, 378;
tintart
die (roten, grünen und blauen) autorzeichen brachten sie (meine mutter) auf die tintarten, welche sie alle .. anrichten zu können vorgab. Hippel 1, 26;
tintenfasz
das im der tyufl aufs tintnfas sitz!
Raber Sterzinger spiele 19, 114;
er brachte federn und ein klein elffenbeinern dintefasz hervor. polit. maulaffe 174; zu wünschen wehre, dasz alle dintenfässer und federn gleiches sinnes wehren, damit sie anders nichts schrieben, als was ihnen und gemeinem wesen beförderlich und verantwortlich fället. Butschky Patm. 31 (16); eine schriftstellerin, welche nachts zu schreiben pflegte, sich von ihrem kammermädchen das dintenfasz halten liesz. Göthe die guten frauen 12, 25 neudr.;
es warf einst Luther, wie man spricht,
sein tintenfasz dem teufel ins gesicht —
ach gott! wie ändern sich die zeiten!
jetzt schleudert mancher arge wicht
sein tintenfasz nach wackern leuten.
Langbein ged. (1854) 3, 319;
tintenfisch
spritz, arme sepie, wehrloser tintenfisch,
die tinte nach dem feind, und in der trüb' entwisch!
Rückert brahm. 12, 46;
tintenflasche
(ich) giesz aus dieser tintenflasche
schwarze tint' euch ins gesicht.
Herder Cid 33;
tintenfleck
sie verunstaltete das papier zuletzt mit einem tintenfleck, der sie ärgerlich machte und nur gröszer wurde, indem sie ihn wegwischen wollte. Göthe 17, 26, tintfleck Hippel 1, 211; recept, tintenflecke ohne säuren aus leinwand wegzuwaschen. Lichtenberg 5, 295 f.;
tintenglas
empörung ...
steckt in dem tintenglase!
W. Müller 2, 42;
tintenhorn
tuot er vast und stark born
mit der fedren in das tintenhorn.
teufels netz 7759;
und halt mir da mein dintenhorn.
Scheidt Grobian. v. 91;
tintenjunker
was ist ein dinten-junker?
ein reicher ohne geld, ein kahler straszen-prunker,
der etwa von Paris nur titel bringt zu haus,
den huth auf einem ohr, im beutel eine laus.
Rachel 4, 233;
tintenklecker
er hätte nach diesem bald ein mahler, bald ein priester, ... bald ein schreiber, bald ein hoffmann, bald ein dintenklecker werden wollen. Weise erzn. 106 neudr.;
tintenklecks
ein dintenklecks ein böser streich.
Göthe 2, 237;
tintenklex G. Keller ges. werke 1, 41, schlesisch tintaklex Stoppe ged. 2, 151;
tintenmeer
die schimmeldecke
über einem tintenmeere (vgl. tintensee).
G. Keller ged. 2, 210;
tintenmolch
rundgeschwollne tintenmolche.
211;
tintenschwärze
ohne weiszes papier,
ohne tintenschwärze
schrieb ich mein liebchen
mir in das herze.
A. Grün ges. werke 5, 142;
tintensee
jetzt ist die deutsche flotte wieder nichts als der federkiel, der in die tintensee sticht. Auerbach ges. schriften 14, 174;
tintenskizze
er arbeitete die wilde tintenskizze zu einer reinlichen landschaft um. Göthe tageb. 3, 376 Weim.;
tintenstrich
wie mancher dinten-strich verschonte deiner lieder,
käm nur der selbst-betrug der ersten jugend wieder!
Hagedorn versuch 89 (13, 99);
herr schulmeister, was haben sie da für einen furchtbaren tintenstrich durchs gesicht? Grabbe 2, 222;
tintenstufe
die dämmerung müszte um einige tintenstufen (s. 3) schwärzer werden. Lichtenberg 6, 71;
tintenteufel
was wunder die parteilichkeit
schamloser kritikaster? —
ihr frechen tintenteufel seid
die väter dieser laster!
Langbein ged. (1854) 4, 83;
tintentiegel
kärnt. tintentögel, tintenfasz Lexer 62.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 3 (1891), Bd. XI,I,I (1935), Sp. 502, Z. 30.

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Zitationshilfe
„tintenfasz“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/tintenfasz>.

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