seit mhd. zeit ist die spr. von zahllosen ausdrücken durchsetzt, die als auf persönlicher vorstellung des unglücks (
ähnlich wie bei glück, heil, selde, unselde)
beruhend gedeutet werden können; der sprechende braucht davon im augenblick kein bewusztsein zu haben und die grenzen zwischen blosz übertragenem und personificierendem gebrauch können in jedem falle verschieden verlaufen. z. b.
ouch was ir einiu drunder von Galizen lant,
die hete ir ungelücke von Portugâl gesant
Gudrun 1008, 2;
sît mir mîn ungelücke bî mînen friunden niht ze wesen gunde
1053, 4;
es well dann ungelück walten,
so komen mir auch und springen enpor
gr. Neidhartspiel, fastnachtsp. 419, 5 K.; 490, 27;
das dein ungelück wald!
passionsspiele aus Tirol 13 Wackernell;
th. 13, 1380;
diese fügungen hat die n. spr. veralten lassen, doch lenkt (
Rückert 3, 67), führt (
Göthe 22, 30, 21
W.), will
das u. (u. will mich nit lassen
Hätzlerin 49ᵃ; ein u. wil geselschafft haben
Morhof ged. 248; wenn das unglück will, wer kann dar wider!
ollapatrida 30, 8
ndr.; das unglück wollte, dasz er eben nicht zu hause war
Eichendorff 2, 230;
Ruckert 187, 14, 15;
nl. wb. 10, 1621, 1). u. geht und kommt
J. Grimm myth. 3⁴, 267; schreitet schnell
Schiller glocke 146;
Strodtmann Osnabr. 265; frewd und leyd sind so nahe nachbawren als glück und u.; alsz wenn glück im hausz ist, so wart das u. vor der thür
Lehman florileg. 1, 233;
Tappius (1545) C b α;
hist. volkslieder 175, 7
Liliencron; Petri F 7ᵃ;
th. 11, 460
f.; es hat gesellen (
geharnschte Venus 4
ndr.), gefolge (
Mommsen röm. gesch. 5, 129),
u. s. w., mit glück und u. musz man hausen (
Fischer schwäb. wb. 3, 1274;
Staub-Tobler 2, 622;
Meyr aus d. Ries 3, 67;
vgl. ackermann a. B. 1, 4),
man braucht ihm keinen boten zu schicken, es kommt von selber (
Wander 4, 1446, 191
u. a.),
ungerufen (
vgl.unsent)
Wander 4, 1449, 255; 1450, 311;
so acht auf eines freundes lehren
und rufe selbst das unglück her
Schiller 11, 232 (ring des Polykrates).
sein u. suchen
Arigo 58, 13. dat ungelucke suͤt und hôrt nouwe
Tunnicius 962;
Wander 4, 1440, 54; 1450, 301; schläft nicht
Zedler 49, 1539;
Spreng Il. 290ᵃ;
Kern sprichw. (1718) 51;
Wander 4, 1449, 274, 278; wenn en unglücke slöpt, mot man et slâpen lâten
eine schlimme sache musz man ruhen lassen Schambach 243ᵃ;
th. 9, 286; u. wacht
th. 13, 39, erwacht (
Neidhard Fuchs 2487),
wird erweckt (
Sachs 18, 213, 4
G.)
oder erweckt selber (
th. 3, 1048); hat sehr ein breiten fusz
Mathesius bei J. Grimm myth. 3, 267,
Wander 4, 1448, 325; hat breite füsse
Faber thesaurus (1587) 477ᵃ;
Petri K k 7ᵇ;
Schottel 1113;
Kirchhofer schweiz. sprüchw.
157;
Wander 4, 1442, 132; hat wollen socken an
Petri V v 3ᵃ; überläufft auch einen haasen
Hoffmann polit. Jesus Syrach 44;
Wander 4, 1449, 281
u. ä. gewählter und individueller sind die literarischen personificationen; z. b.
da mich des unglücks hand in kummer-lauge wäscht
Günther 588;
die hand des unglücks liegt schwer auf mir
Kotzebue 2, 69;
Raabe hungerpastor 1, 224;
vgl. unglückshand;
gewöhne mich auch an des unglücks stimme
Körner 130ᵃ;
wo unglück geuszet ein glocken,
darf man das gsind nit lang locken
Kirchof wendunmuth 2, 321;
B. Neukirch ged. 176;
J. E. Schlegel 1, 11;
unglück bildet den menschen
Göthe 4, 120 W.; Wander 4, 1450, 307;
deine braut heiszt qual — den segen
spricht das unglück über euch!
Lenau 12.
wieder biblisch (
Hiob 15, 35) mit u. schwanger gehen (
Schede psalmen 29
ndr.; J. G. Neukirch anfangsgründe 128;
Wander 4, 1441, 71;
vgl.unglücksschwanger); das u. gebiert nur zwillinge
Hebbel tageb. 2, 71; kind, sohn des unglücks
th. 5, 724,
Gotter 2, 367,
Matthisson 4, 20,
Kotzebue 8, 292,
Spielhagen 1, 10;
vgl. unglückskind, -sohn.
ein ungluk daz ander reyt
H. v. Wittenweiler ring 53, 24;
vgl. II 1;
Wander 4, 1441, 78
ff.; Hesekiel 7, 5;
es kombt allein kein ungelück,
eins bringt das ander auf dem rück
Sachs 17, 94, 7 G.; 6, 36, 5 K.;
nun ist noch ein u. auf das geseszen
Meisterlin städtechron. 3, 97, 24; ein u. das ander thut jagen
Eyering 1, 32; beut dem andern die hand
Spanutius 527; ladet das andere zur kirmes
Aler 2, 2091ᵇ
u. s. f. reich durchgebildet ist die vorstellung des unglücks als feind: u. geht, ficht, trabt einen an (
Luther 14, 133, 14
W., W. Spangenberg Alcestis 1959,
Hecuba 110,
Petri H 3ᵃ; ansprung der widerwerticheit oder unglückes
Arigo blumen der tugend zs. f. d. phil. 28, 462, 476, des unseligen pösen gelücke
decameron 664, 6), treibt einen um (
Petri B 8ᵃ), schlägt, überwindet einen (2
ält. katechismen 25
ndr., Knebel chron. v. Kaisheim 109, 31), be steht einen (
Waldis Esop. 4, 80, 94,
Fr. Wilhelm sprichw. register d α 58,
Schellhorn sprichw. 108;
heute umgekehrt besteht man das u.
E. M. Arndt 5, 316, übersteht es
P. Fleming 1, 105, widersteht ihm
Caroline Schlegel 1, 49
Waitz), bringt um (
Petri M 6ᵇ), gebraucht sein tück (
ebda; von ungelückes tücke
Logau 49, 180), verfolgt wie auf der ferse (
Gerstenberg litbr. 162, 34
ndr.), ereilt mich (
Göthe 22, 11, 15
W.), trat dem könige in die wege (
Laube 4, 154), droht (
Schiller br. 5, 276)
u. s. w.; man entgeht ihm (
Arigo 171, 17;
Jerem. 11, 11), flieht es (
Schulze bibl. sprichw. 48), ringt danach (
th. 8, 1007); das u. musz man überböszen
Schellhorn 157;
th. 11, 2, 147; u. kommt mit hauffen
Scheit Grob. 3474;
eselkönig 324;
so kommt doch bald mit hauffen
das ungelück gelauffen
Zesen verm. Helikon 2, 64;
vgl.
↗
unglückshaufen, -heer. es kommt nicht allein
Keisersberg evangelibuch (1515) 7ᵇ;
Luther 18, 495, 22
W.;
Wander 4, 1444, 129, 1446, 183.
in n. spr. wird vieles dieser art eben nur noch allgemein bildlich empfunden. vgl. III.