Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

väterlich, adj.

väterlich, adj.,
dem vater eigen, dem vater gemäsz, ags. fæderlîc, neuengl. fatherly, altn. föđurligr, schwed. dän. faderlig, ahd. faterlih, mhd. vaterlich, meist mit umlaut veterlich, mnd. vaderlik, in den glossarien der übergangszeit vaderlich, vederlich, vaterlich, veterlich, väterlich, vätterlich, vatterlich vetterlich Dief. 168ᵇ. 416ᶜ. 417ᵃ; letztere formen auszer vaderlich finden sich auch nhd.
1)
dem vater zugehörend, zustehend: damit er sich darbei .. des unterscheidts zwischen den französischen kriegstractamenten und seiner väterlichen küche täglich erinnern könte. Simpl. 4, 343 Kurz; herr Esau, unser nachbahr, der erbe zum väterlichen königreiche und priesterthum. Weise comödienpr. 80; er ist des marquis sohn, den jugendliche ausschweifungen aus dem väterlichen hause vertrieben. Lessing 7, 77; besonders von innern eigenschaften und empfindungen: (die weisheit) fand den gerechten .. und lies jn feste sein, wider das veterlich hertze gegen den son. weish. Sal. 10, 5; derhalben vielgeliebter sohn mein ernstlich vätterlich begeren und ermanen an dich ist. Fischart Garg. (1590) 410; also machet es auch die unbesonnen jugend, wann sie sich nicht mehr unter der ruthe der vätterlichen zucht, sondern ... in der lang erwünschten freiheit befindet. Simpl. 2, 146, 17 Kurz; wie schlimm er sein väterliches gewissen verwahren würde, wenn .. Weise erzn. 82 neudruck; ich vermache diese väterliche liebe ihnen und Arabellen. Lessing 2, 87; meine ehre und mein ganzes väterliches ansehen beruht darauf, dasz sie nichts davon erfährt. 2, 462; die gesetzgebende, richterliche und vollziehende macht, die drei hauptzweige der väterlichen gewalt. Wieland 25, 247; ist das kindliche dankbarkeit gegen väterliche milde? Schiller hist.-krit. ausg. 2, 22; ich habe grosze lust mein väterliches züchtigungsrecht an dir noch einmal auszuüben. Kotzebue theater (1840) 10, 235;
darumb ich fürgenumen hab
meim erstgebornen sun zu gebn
dem Esaw vetterlichen segen ...
H. Sachs 1, 20 (1, 93, 4 Keller);
so auch von gott gegenüber Christus:
got sune zart   von edler art
aus väterlichem hertzen.
Wackernagel kirchenl. 2, 850;
du väterliches liechtes glantz (abglanz des väterlichen lichtes).
3, 121ᵃ.
2)
vom vater stammend und (durch erbschaft) in meinen besitz übergegangen: patrimonium, das vätterlich erb Dasyp. 173ᵈ; väterlich erbgut Stieler 931; die keiserlich majestad hette daruber ... ine von der lantvogtije zu Elsas, sin vetterliche erbe ... entsatzt. Janssen reichscorr. 2, 269; wir wollen ehe sterben, denn etwas wider unser veterlich gesetz handeln. 2 Macc. 7, 2; o wolt gott das du entledig von der ehre ... ettwan von einer pfrund oder deinem vetterlichen erb dich halten mochtist. Luther sendschr. 7 neudr.; so grob und unbesunnen hab ich jn nicht gehalten, das er sein veterlich wapen ... solte dem narren in seinen rotz und schnodel drucken. werke 6, 31; Schimmers bruder hatte die väterlichen güter allbereit angenommen. Felsenburg 1, 364; weil er ein mittel sieht, ihnen wieder zu dem gröszten theile ihres väterlichen vermögens zu verhelfen. Lessing 1, 238; flüchtete sich und seine kunstsachen auf sein väterliches landgut. Thümmel 6, 197; mittel, die ihm erlaubten seinen antheil an dem kleinen väterlichen vermögen zum gröszten theile noch der mutter anheimzustellen. Gutzkow ritter³ 1, 134;
als aber unsre faust
mit könig Bochars hülff im väterlichen reiche
den räuber überfiel.
Lohenstein Sophon. 6, 167;
(das buch) ist ja so
der tochter ganzes väterliches erbe.
Lessing 2, 335;
ich will ihn schlagen
oder nicht sitzen auf dem väterlichen thron.
Tieck 1, 247;
und der müde landmann eilt der ruh
seiner väterlichen hütte zu.
Matthisson (1825) 1, 47;
in ähnlicher weise von dingen, die der vater zwar nicht als eigenthum besessen aber doch benutzt, genossen hat und die auf mich übergegangen sind, väterlich ist hier oft gleich vaterländisch (vgl. lat. patrius): alles entzückt mich an ihm und vor allem der entschlusz, in seinen väterlichen thälern sich selbst zu leben. Lessing 2, 133; und endigte zuletzt mit dem entschlusz, seine lage auf einmal und so ganz zu verändern, dasz er nicht blos das väterliche haus, sondern auch die väterliche stadt verliesze. Engel Lor. Stark 39; nur einen guten morgen vom angesicht der väterlichen sonne. Göthe an frau v. Stein (von Frankfurt aus) 1, 240;
(mein kopf) ist ein bessrer, für
den väterlichen himmel mehr gemacht;
das spür ich ja.
Lessing 2, 285;
es (das weib) liesz sich ehedem in väterlicher stadt
und hier zu Grosz Berlin im eignen wagen fahren.
Karschin ged. 172;
mit heiszen thränen wirst du dich dereinst
heim sehnen nach den väterlichen bergen.
Schiller hist.-krit. ausg. 14, 310.
3)
übertragen, der handlungsweise des vaters vergleichbar.
a)
vom verhältnisse älterer zu jüngeren: er hat gar nahe mer freuntlichs willens, dann bei seinen allernechsten, so im wenig mit sipschaft verwandt, befonden, insonderheit bei graf Eitelfriderrichen von Zollern. der hat im allen vetterlichen willen erzaigt, hat sich sein auch wamit er künde angenomen. Zimmer. chron. 3, 39, 8; (ein pfarrer sagt dem Simplicissimus) mein getrewer und väterlicher raht wäre. Simpl. 1, 326 Kurz; ich verwandle die liebe, die ich gegen das tugendhafte fräulein hegte, in eine väterliche zärtlichkeit. Rabener sat. (1752) 3, 321; versagen sie mir, gnädiger herr, bei diesen zweifelhaften umständen ihren väterlichen rath nicht. 3, 294.
b)
häufig vom verhältnisse höherstehender zu niedrigstehenden, z. b. vom fürsten zu den unterthanen: ew. kurfürstl. gn. wolten ein auge veterlicher sorge auff diese sache haben. Luther 1, 7; eine regierung, die auf dem prinzip des wohlwollens gegen das volk als eines vaters gegen sein kind errichtet wäre, d. i. eine väterliche regierung, wo die unterthanen ... sich blos passiv verhalten sollen, .. ist der gröste denkbare despotismus. Kant 5, 384;
wil von den sorgen singen,
von väterlicher treu, die euer hertze trägt.
Opitz 3, 91.
c)
gern von gott oder Christus gesagt: ain liecht der vetterlichen glori. Keisersberg granatapfel (1511) F 4ʰ; ach vätterliche lieb, was sol ich thon, empfach ich dich nit, so wee mir. E 2ᵃ; hilff, das dein veterlicher name nicht umbsonst oder felschlich uber uns genennet werde. Luther 1, 326ᵇ; hie sehen wir die veterliche trew, das er uns ja nicht lesset, ob wir gleich sünder sind. 4, 30;
er fraget nach des armen blut
und helts in vätterlicher hut.
H. Sachs 1, 54 (1, 230, 13 Keller);
ach gott, ist des unglücks kein end
ausz deiner vätterlichen hend.
2, 1, 5 (6, 38, 19 Keller);
und nun dein vatterliche gnad
versprochen hat uns allen
dy edlen wuniclichen stat.
Wackernagel kirchenl. 2, 1167;
du schepffer aller dinge,
du vetterliche krafft.
3, 46ᵇ;
der höchste lebet ja, es wallet sein gemüthe
noch für barmherzigkeit und väterlicher güte.
Opitz 1, 1;
gott entbrennet im gemüte
nie so hefftig auff ein land,
dasz nicht väterliche güte
stets dabei werd eingewandt.
S. Dach 656 Öst.;
(gott) der endlich unser joch zerschmeist
und dessen väterliche zucht
die wohlfahrt unsrer seele sucht.
Gönther 1, 11.
d)
adverb, sehr häufig in dieser bedeutung: aber das ist eine überschwengliche gnade, wenn er so freundlich und veterlich redet. Luther 4, 144; allen in gemein vätterlich zusprechen. Fronsperger kriegsb. (1596) cxliᵇ; ich konte greiffen, wie mich der liebe gott hiebevor .. vor diesem unmenschen nicht allein väterlich bewahret ... Simpl. 1, 438 Kurz; wir dancketen gott im himmel, dasz er uns so vätterlich erhalten und ans land gebracht hatte. 2, 222, 19; dasz er mich so väterlich vor andern viel 1000 menschen versorget. 2, 238, 30; wenn der pfarrer aus dem nächsten dorfe .. sich des zerlumpten buben nicht väterlich angenommen. Spielhagen 17, 150;
wiewol dich got hat durch sein wort
so väterlichen heimgesucht.
H. Sachs 1, 53 (1, 229, 12 Keller);
wie väterlich er noch behüt
sein volck durch sein grundlose güt.
1, 59 (1, 251, 7 Keller);
der du die sünd und missethat,
die dein volk vor begangen hat,
hast väterlich verziehen.
P. Gerhard 8, 5 Gödeke.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 1 (1886), Bd. XII,I (1956), Sp. 32, Z. 26.

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Zitationshilfe
„vaterlich“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/v%C3%A4terlich>.

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