Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

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volle, m.

volle, m.,
schwach flectierend, vollen, m., vollheit, fülle, vollständigkeit, genüge mhd. wb. 3, 363ᵃ; Lexer 3, 446; Schmidt elsäss. wb. 408ᵇ;
iuch endûhte niht der volle   an der grôzen nôt
Nib. 2267, 1 L.
wan vor der sintfluͦt hettent die menschen und ein ieglich tier den vollen an spisen und an frühten Jac. Twinger v. Königshofen in d. städtechron. 8, 244; damit ward dem unruͦwigen popel der vollen gethan (genüge geleistet) Stumpf Schweizerchr. (1606) 741ᵇ; soviel wie überdrusz:
und han auch nit den follen
zu spielen mit den kegeln
pilgerf. d. träumenden mönchs 12097 B.;
den vollen wird im mhd. adverbial gebraucht, in fülle zur genüge:
wâfen unde kleit
vuorten si den vollen   durch der Beire lant
Nib. 1114, 3 L.
andere beispiele s. a. a. o. nach dieser klaren verwendung des accus. von volle, sw. m. darf man das adv. follon bei Otfrid als acc. sw. m. ansehen und daher für das ahd. ein m. follo ansetzen; weiteres s. unter vollen, adv. das m. ist in der Schweiz als vollen, m., fülle, überflusz erhalten schweiz. idiot. 1, 784; der voll, schw. flectierend die volle ladung des salzschiffes Schmeller-Fr. 1, 839; vollen, m., überflusz, fülle Follmann 169ᵇ; schweiz. vollen, m., frisch gemähtes gras ist nicht deutschen ursprungs, schweiz. idiot. 1, 786.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 4 (1932), Bd. XII,II (1951), Sp. 617, Z. 62.

volle, f.

volle, f.,
got. fullo, πλήρωμα, ahd. volla, sw. f., fülle Graff 3, 483; mhd. volle; st. u. schw. flectierend mhd. wb. 3, 363ᵃ; Lexer 3, 446; Scherz 2, 1883; volli der unsewberkeit oder volli des stancks, fetulentia, fetoris plenitudo voc. von 1482 m m 1ᵃ; muscositas, volle der fliegen Diefenbach 373ᵃ; vinolentia, folle des winsz 620ᵇ; ich wyl yhm freunde die volle geben Luther 34, 1, 270 W.; volle, krankhafte aufblähung des viehs Tobler appenzell. sprachsch. 199ᵃ (s. völle). volle, f. oder volle, vollen, m., musz eine art des nähens, stopfens bezeichnen, s. vollen, verb.ein anderes f. schweiz. vollen, trichterförmiges gefäsz zum seihen der milch ist nicht deutschen ursprungs, schweiz. idiot. 1, 786. — volle, schleier, kopftuch der nonnen, franz. voile Hönig 196ᵃ; Müller-Weitz Aachen. 56.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 4 (1932), Bd. XII,II (1951), Sp. 618, Z. 16.

völle, f.

völle, f.,
unorganische bildung zu voll nach fülle, in der bedeutung dieses wortes; in der heutigen schriftsprache gemieden, in der umgangssprache gelegentlich gebraucht: es war gestern eine völle im theater, dasz man kaum platz fand; dagegen ist das wort im älteren nhd. auszerordentlich häufig: folli neben fulli Graff 3, 484; plenitudo, völle Diefenbach gloss. 442ᵃ; abundia, völli nov. gloss. 5ᵃ; plenitudo, völli 295ᵃ; völle, ubertas, foecunditas, plenitudo; maszleidigkeit, fastidium Dasypodius 449ᵇ; genüge, überflusz, völle Schöpper synonyma 53ᵇ ndr.; völle, die, ersettigung, saturitas, hubertas, foecunditas, plenitudo; abundo, uberflüssig und völlig seyn, ein völle und gnüge haben Frisius dict. (1556) 12ᵇ; völle, pienezza Hulsius dict. (1605) 1, 155ᵃ; völle, völligkeit, vollheit; seine rechte völle haben Kramer 2, 1211ᶜ (1702); Steinbach bezeichnet völle als veraltet: völle, die, hodie fülle ..., ubertas 2, 903; ebenso Campe; erhalten im schweiz., s. schweiz. idiot. 1, 839; vgl. Fischer schwäb. 2, 1627; Unger-Khull 246ᵃ.
1)
völle, das gefülltsein, im gegensatz zur leere: und gleichwol allwegen sovil ander wasser oben ins fasz zugehe, dasz es in stetter völl bleibe Ercker mineral. erzt (1580) 122ᵇ. mit menschen gefüllt sein: hören sie, das war eine völle (im theater), das kann ich ihnen nicht sagen Raimund w. 3, 448 Gl.-S. geistig: aus der völle desz hertzens laufft der mund uber Paracelsus op. (1616) 2, 386 H.
2)
vom monde: die völle des monds, il pieno della luna Kramer teutsch-ital. dict. (1702) 1211ᶜ; der monde sey ein ebenbild der menschen, in dem beyde ... gestern in der v., heute in nichts bestehen Lohenstein Armin. 1, 271ᵇ;
ist das silber auch ein monden, wie chimisten etwa meinen,
wie dasz mir dann dieser monden nie wil an der völle scheinen?
Logau 238 E.
(im wortspiel, s. voll 9):
warum mein lieber mond, sieht er
so hoch und kalt auf mich daher?
doch wol nicht seiner völle wegen?
o da bin ich ihm überlegen:
denn er, mein lieber, weisz er wol?
ist einmal nur im monat voll
Boie d. säufer an den vollmond bei Weinhold Boie 363).
3)
vom körper und körpertheilen, gefüllt, gerundet, aufgetrieben sein: völle der brüsten, uberflusz der milch, so ein weyb wol säugt; hubertas mammarum Maaler 471ᵃ. — so du das eyngweid von disem vogel einem zuͦ ässen gibst, wirt er von v. zerspringen Herold-Forer Geszners thierb. (1563) 2, 157. — völle kann dann auch dicke, feistheit bezeichnen, die bedeutung geht über in die vorstellung des in fülle vorhandenseins (s. voll 2, a): dasz vil von völle und desz leybs feiszte zum krieg und allen arbeitsamen übungen untüchtig werden Stumpf Schweizerchron. (1606) 291ᵃ. — dagegen wieder im eigentlichen sinn von der schwangerschaft: völle mit jungen, graviditas Maaler 471ᵇ.
4)
völle bezeichnet krankhafte körperliche zustände und ist in diesem sinne mundartlich noch im gebrauch: schweiz. völli, krankheit des rindviehs, das blähen, auflaufen, trommelsucht schweiz. idiot. 1, 785; Fischer 2, 1627; krankheit beim menschen, überfüllung der blutgefäsze, plethora ebenda; Schmeller-Fr. 2, 839; Höfler d. krankheitsnamenb. 767ᵇ; für die völlin, wann eim kind eng umb das hertzlin ist Gäbelkover artzneybuch (1596) 2, 127; dienet für allerley fieber, ... gelb- und wassersucht und völle der brust Hohberg georg. curiosa (1682) 1, 249.
5)
besonders für das gefülltsein mit speise und trank: wie die concordantzen zusammenstimmen, als kalt mit warmem, feucht mit trucknem, die v. mit auslärung, nüchterne mit anfüllen Paracelsus opera (1616) 1, 2 H.; erwehlt sie (die sau) nicht im stall ein besonderes plätzlin ... darauff nach der völle (nachdem sie sich sattgefressen hat) zu ruhen Kirchhof wendunmut 264ᵇ. gewöhnlich zur bezeichnung des übermaszes im essen, besonders des trinkens, nicht nur den zustand des gefülltseins, sondern auch das fressen und saufen bezeichnend; im engeren sinne für trunkenheit: von einer völle in die andere gehen S. Franck paradoxa 100ᵇ; von wegen seiner völle und trunckenheyt theatrum diabolorum (1569) 237ᵇ; die jüngling aber, nach verworffener völle, erkennen ihre fehler Schupp 762;
vor völle kant ich dkarten nit
H. R. Manuel weinspiel 3096 ndr.;
kümmt rausch vom rauschen her? berauschte sind nicht stille,
im giszen rauscht der trunck, der magen auf die völle
Logau 302 E.
schweiz. erhalten, s. schweiz. idiot. 1, 785.
6)
das in groszem masze zur genüge vorhanden sein, ebenso wie fülle in reicher anwendung, gegensatz: mangel, dürftigkeit, s. schweiz. idiot. a. a. o.; Fischer 2, 1627; also ferner, wenn unser nachsinnen etwa gerichtet auf eine v., menge, vielheit Schottel haubtsprache 96;
natur ist ohne streit die gröste künstlerinn.
wer kann nun ihre werk in solcher völle zeigen,
als meine (der malerei) kinder thun?
Chr. H. Postel bei Weichmann poesie d. Nieders. 1, 155.
fülle an gütern des lebens: wo alle völle ist, kann eine sau hausen schweiz. idiot. 1, 785; die v. des herbsts Keisersberg schiff d. penitentz 116; dö wier aber gan P. in die Schlesien kamen, do was alle v., io, so wolfeill, das sich die armen schuͦler überaszen Th. Platter 20 B.; der allerley köstlichs dinges die v. und genüge vor ihm hette W. Spangenberg anm. weiszh. lustgarten (1621) 757; gestern in der völle, heute in nichts Lohenstein Armin. 1, 271ᵇ; holte aus dem schiff die völle der speisen Immermann 13, 124 B.; dann auch in fernerem sinne: sein (Christi) gerechtigkeit hatt gedienet unseren sünden, sein völle unser gebrechlicheit Luther 10, 3, 233 W.; (dasz du) dich ab solcher v. der ertheilten gnaden höchlich verwundern würdest Spee güld. tugendbuch (1649) 190; was der v. seiner unermäszlichen liebe gemäsz und würdig sey Lohenstein Armin. 2, 532ᵃ; vollkommen ist das, was zu seiner v. gekommen, oder was gänzlich ohne mangel und überflusz das ist, was es seyn soll Sulzer theorie d. schönen künste 4, 688;
in des menschen brust
liegt der welten völle,
liegt des himmels lust
und die qual der hölle
Rückert w. (1867ff.) 7, 289.
7)
die völle, wie den vollen, in adverbialer anwendung: darinn findet man korn, habern und rindtfleysch die völle Seb. Franck weltb. (1534) 211ᵇ; wollte ich anderst nicht mehr hören, ich gönne ihm nicht, was wir die v. umsonst hätten Grimmelshausen 2, 236, 16 Kurz;
es ist ja fried und ruh im lande gantz die völle
Logau 6 E.;
nach, mit der völle, vollauf: ob gleichwol brodts genug ist, und der zungen aller lust nach der völle Paracelsus op. (1616) 2, 467 H.; man habe ihnen wohl auch zugeführt doch nicht mit aller völle J. v. Müller (1810ff.) 26, 162.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 4 (1932), Bd. XII,II (1951), Sp. 618, Z. 31.

völle, f.

völle, f.,
asche, aus favilla entstellt Lexer nachtr. 397.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 4 (1932), Bd. XII,II (1951), Sp. 620, Z. 9.

vollen, m.

vollen, m.,
s. volle, m.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 4 (1932), Bd. XII,II (1951), Sp. 620, Z. 15.

vollen, verb.

vollen, verb.,
vollmachen und voll werden; ahd. follon, irfollon in transitivem sinne Graff 3, 493; mhd. vollen in trans. und intrans. sinne mhd. wb. 3, 364ᵃ; Lexer 3, 449; Scherz 2, 1884; allmählich, sichtlich sich füllen Fischer 2, 1627; ebenso schweiz. idiot. 1, 784; ein anderes vollen, die milch seihen, ist von volle, f., abgeleitet 1867; vollen, heu in die scheune einlegen Stalder 1, 390, s. volle, m., am ende. gevollet, ich volle, impleo Steinbach 2, 904; in den dingen volletan im sinü ogen und enbrast an ein weinen Seuse deutsche schr. 69 B.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 4 (1932), Bd. XII,II (1951), Sp. 620, Z. 16.

vollen, verb.

vollen, verb.,
eine art des künstlichen nähens: strich- oder stricknahd, ist eine kunst und wissenschafft mit weiszen zwirn in ein gestrick entweder nach alter art nach dem so genannten dupff mit lauter vollen und wiefel oder nach der neuen mode nach dem risz, ... welche auf papier entworffene und mit mahlertusche schattirte risse unter das in rahm gespannte gestricke geleget, der zeichnung nach mit faden umzulegen, zu vollen, zu wiefeln Amaranthes frauenz. lex. 1913. — die herkunft ist unklar, zusammenhang mit fr. fouler, nld. vollen, walken (Verwijs-Verdam 9, 864) ist kaum anzunehmen.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 4 (1932), Bd. XII,II (1951), Sp. 620, Z. 27.

vollen, adv.

vollen, adv.,
s. vollends.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 4 (1932), Bd. XII,II (1951), Sp. 620, Z. 38.

völlen, verb.

völlen, verb.,
unorganische bildung nach der analogie von füllen; Fischer 2, 1627 bezeugt es für das schwäbische. völlen, füllen, vollmachen, emplir Hulsius-Ravellus (1616) 386ᵇ;
lauffet her, ir meine Deutschen! völlet eure schauplatzbühnen
Birken ostl. lorbeerhäyn (1657) xiiᵃ;
oft bei Logau:
was ihr (der welt) gevöllter wanst zur zeit getraumet hat
sinngedichte 62 E.;
die noch wieder hungern werden, musz man sich nur völlen lassen
330.
s. völler, völlerei.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 4 (1932), Bd. XII,II (1951), Sp. 620, Z. 39.

vollens, adv.

vollens, adv.,
vollends; von Campe aus der gleichzeitigen literatur belegt; an sich kann das adverbien bezeichnende -s ebenso an vollen wie an vollend angetreten sein, wahrscheinlicher aber beruht die form auf lässiger aussprache von vollends: (du hast) mir vollens uff den kopff understanden zestygen Tschudi chron. helvet. (1734) 1, 25ᵇ; er empfand vollens die nacht hindurch unsägliche schmertzen Prätorius Blockesberges verrichtung (1668) 260; weber hats genug. vollens welche wie ihr seid G. Hauptmann die weber 1, 1;
der jäger in den wäldern
ist vollens eine lust
Rückert w. (1867 ff.) 1, 598.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 5 (1933), Bd. XII,II (1951), Sp. 641, Z. 5.

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Zitationshilfe
„vollen“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/v%C3%B6llen>.

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