Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

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vorliebe, f.

vorliebe, f.,
eine bildung der neueren sprache: die vorliebe, la prédilection Schwan nouv. dict. (1783) 2, 991ᵇ. es ist wohl dem französischen worte nachgebildet und befestigt sich im sprachgebrauche des 18. jh. die älteren wörterbücher des nhd. verzeichnen das wort nicht, es fehlt noch bei Adelung; Heynatz antibarbarus 2, 601 bemerkt aber, dasz es bei den besten schriftstellern gebräuchlich sei, Campe nimmt es ohne besondere bemerkung als allgemein üblich auf.nd. förlēfde ten Doornkaat-Koolman 1, 542ᵃ.
1)
in vor liegt die vorstellung des weiter vorn stehendem und damit der höheren wertung oder des gewollten vorzuges, der zweite bestandtheil aber nimmt im sprachgebrauch der gegenwart nicht den ganzen bedeutungsumfang von liebe auf, sondern ist im allgemeinen weit schwächer. bezieht sich v. auf personen, so kann, wenn ein persönliches verhältnis gemeint ist, ein stärkeres gefühl bezeichnet werden: die eltern haben v. zu ihren kindern Hippel lebensläufe (1778) 2, 240; je mehr er ihre v. gewann, um so mehr entzogen sie ihr vertrauen den alten anführern Niebuhr röm. gesch. (1811) 1, 300. immer aber liegt doch der nachdruck mehr auf dem vor-. anderseits kann der gefühlsinhalt des zweiten bestandtheils ganz schwinden: die chemische verbindung ... wird sich immer mit v. bilden Boltzmann popul. schr. (1905) 44.
2)
Campe definiert v. als 'eine liebe, welche man vor allen andern zu einer person oder sache hat, und welche sich gar nicht auf verdienst zu gründen braucht, eine vorgefaszte liebe'; v. kann je nach dem zusammenhange einen neutralen sinn haben oder eine ungünstigere färbung annehmen: setze nochmals leidenschaft und v. an die stelle der gerechtigkeit Klinger (1809) 2, 260; die leidenschaften, vorliebe und hasz regen sich bey jeder rezensiranstalt Tieck (1828) 4, 284; der könig musz, wie ein vater, keine v. zeigen Novalis 2, 159 Minor; damit sie nicht glauben, ich sehe durch das schmückende glas der v. Rochlitz im Göthejahrb. 1, 337; wir haben zu heiszes blut, wir haben die v., eine zu grosze rüstung für unsern schmalen leib zu tragen Bismarck polit. reden 2, 2.
3)
sehr häufig ist die verbindung mit v., in der der zweite bestandtheil von v. eine starke abschwächung erfahren kann, so dasz es etwa gleich bedeutend mit gern u. ä. wird (s. oben Boltzmann unter 1): (er) unterhielt sich über botanik mit v. Göthe II 6, 393 W.; wenn sich das ... romantische bedürfnis in diesen trüben bildern mit v. aussprach Fontane I 1, 22; rote bemalung kommt dabei mit v. zur anwendung Ratzel völkerk. (1885) 2, 144; mit v. malte sie sich aus, was aus uns würde, wenn der vater sein amt verlöre Carossa d. arzt Gion (1931) 235. — anders dagegen, wenn ein charakterisierendes attribut hinzutritt oder ein sinnverwandtes subst. coordiniert wird: mit allzugroszer v. Göthe 37, 257 W.; mit v. und achtung 40, 72; mit entschiedener v. Fr. Schlegel (1846) 2, 86; mit sichtbarer v. J. Grimm kl. schr. 4, 192; mit offenbarer v. Freytag (1886) 17, 128; mit unverdienter v. Bismarck ged. u. erinn. 1, 204 volksausg.betont durch einen gegensatz: wärme der darstellung, wie sie aus v. oder widerwillen hervorgeht Ranke (1867) 37, xi.
4)
aus v., gleichen sinnes aber ohne abschwächung: aus v. (für ein instrument) und zum schaden anderer Schubart ästhetik d. tonkunst (1806) 209; aus alter v. eilte ich zur dechanei Göthe 33, 316 W.
5)
ohne v., ohne voreingenommenheit: schreiten wir weiter und untersuchen ohne v. Göthe II 11, 80 W.; ohne inneren beruf und v. fing ich an, das erste stück zu lesen F. H. Jacobi (1812) 6, 222.
6)
der gegenstand der v. wird gewöhnlich durch für mit v. verbunden: Paris und Venedig vermindern die v., die ich für sie habe, durch den widrigen geruch Bode Montaigne (1793) 2, 390; bei seiner v. für Horaz und die römischen dichter Göthe 24, 306 W.; die v. oder das vorurtheil für das alte Klinger (1889) 8, 25; die den Juden vorgeworfene ausschlieszliche v. für den handel Schleiermacher (1834) I 5, 30; sie haben eine v. für schnurrbärte Bauernfeld (1871) 2, 221; (ich) habe eine ungemeine v. für schuster Raabe hungerpastor (1864) 14; (gott Amor) hat eine v. für den ausnahmefall Fontane I 5, 64.
vorliebe für die eignen kinder ziemt dem mann
Rückert (1867) 11, 520.
7)
gemieden wird in der sprache der gegenwart die früher häufige verbindung mit zu: diese v. zu der geschichte Moses Herder 12, 56 S.; hatte eine ganz besondere v. zu diesem bilde Nicolai reise (1783) 6, 550; meine v. zum thee G. Forster (1843) 3, 12; (wie) solche v. zum veralteten eingang fand Göthe 49, 23 W.; eine auffallende v. zu ihr A. v. Arnim 1, 222; jene v. zu der jugend und kinderzeit Gervinus gesch. d. dt. dicht. (1853) 5, 102; nach seiner v. zu den bergen Stifter (1904) 5, 1, 212.
8)
ungewöhnlich:
ich bitte sie also, demüthig bitte ich sie,
ihrer vorliebe gegen mich gränzen zu setzen
Gotter ged. 3 (1802) 78.
ganz vereinzelt steht der gegenstand der v. im genit.: eigensinn und blinde v. eines einmal erwählten wortes Kinderling reinigk. d. dt. sprache (1795) 7.
9)
der plural wird gemieden; im folgenden gestützt durch andere plurale: in vorurtheilen und vorlieben ungerecht befangen Göthe IV 40, 218 W.; alle einzelnen gefühle ... und lieben und vorlieben E. M. Arndt (1892) 1, 82.
10)
in der folgenden stelle ist vor- zeitlich, v. eine vorausgehende liebe: dieser göttlichen v. zu ehren meine, wiewol geringere nach- und wiederliebe mit meinem blut zu bezeugen Er. Francisci wol d. ewigkeit (1717) 530; vgl. vorlieb 6, vorlieben am ende.
11)
in älterer sprache dinglich, eine art abgabe: ouch vorlybe davon (einem acker) czu geben, als dy is gegeben czuvore (1395) mon. hist. Warmiensis 5, 279; vgl. mnl. vorelief Verwijs-Verdam 9, 1016.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 9 (1937), Bd. XII,II (1951), Sp. 1292, Z. 69.

vorlieben, verb.

vorlieben, verb.,
eine vorliebe zu etwas haben, 'nicht sehr gewöhnlich' Campe mit einem beleg aus Kl. Schmidt: weil der vater diese art von strafen vorliebte. von diesem wieder untergegangenen verbum begegnet vor allem das part. präs.: der vorliebende forscher (überschrift) Voss ged. (1802) 6, 326; eine vorliebende neigung für gewisse behauptungen Fichte (1845) 2, 171; aus dem übergange unserer vorliebenden neigungen von der nordischen poesie zur südlichen Gervinus gesch. d. dt. dicht. (1853) 4, 433. — sehr liebevoll: zugleich so vorliebend, so dankbar, so mild und so gut Fr. H. Jacobi (1812) 1, 32. — fürgeliebt, praedilectus: ihr wisset mein fürgeliebte, ja herzgeliebte Schwenckfeld epistolae 240.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 9 (1937), Bd. XII,II (1951), Sp. 1294, Z. 33.

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Zitationshilfe
„vorliebe“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/vorliebe>.

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