Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

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fürsatz, m.

fürsatz, m.
1)
ein zu beharrlichem streben in den sinn gefasztes, ein zur ausführung oder erreichung fest in den sinn gefasztes. ahd. noch nicht vorhanden, man sagte dafür foracasezzida (gl. hrab. 967ᵃ), forakisezida (Diut. 1, 513ᵇ = 1 kön. 18, 24). erst mhd. findet sich vürsaz, fürsaz. Ben. 2, 2, 344ᵇ. nhd. fursatz oder gantzer wille, prositum, proposito. voc. theut. v. 1482 i 7ᵃ; fursatz oder bedenckung, de industria .i. (= i. e.) deliberatione vel proposito. ebenda. finis, eyn ziel oder fürsatz. Dasypodius 74ᶜ und danach Serranus dict. h 7ᵃ. fursatz, propositum. Alberus dict. HH iijᵃ. dasz die persone usz keynem boszhafftigem fursatz solich geld gehabt. (ungedrucktes) rechenbuch der stadtcasse zu Frankfurt a. M. von 1495; das (dasz) er allen seinen fleysz an ker und sein conscientz ersuͦch, wie er sich in todtsünden schuldig weisszt, dz er die trüwlich bycht und dornoch ein fürsatz hab, nymmerme wöllen sünden, echter tödtlich und ursach der sünden zefliehen. Keisersberg post. 2, 113ᵇ; gleych sollichen lon meinem vermögen nach wirdt ich dir geben, wa du in disem deinem fürsatzs wirdst verharren. Wirsung Cal. (1520) A 6ᵇ; besser unnd hailsamer wer jm, dasz ich hinein gieng, jm zuͦ sprech und in uber wunde in seinem aygensinnigen fursatz und jn (ob ich möcht) tröstet. A 7ᵃ. wir wissen aber, das (dasz) denen, die gott lieben, alle ding zum besten dienen, die nach dem fursatz beruffen sind. Röm. 8, 28, = nach gottes rathschlusz, wie schon mhd. fürsaz sich findet in dën êwigen fürsaz vollebringen bei Berthold (Pfeiffer) 199, 9; in gleichem sinne steht das wort in durch welchen wir auch zum erbteil komen sind, die wir zuvor verordnet sind, nach dem fursatz des, der alle ding wircket, nach dem rat seines willens. Ephes. 1, 11; eben so in der uns hat selig gemacht und beruffen mit einem heiligen ruff, nicht nach unsern wercken, sondern nach seinem fursatz und gnade. 2 Tim. 1, 9. und das (dasz) alle so wirdiglich, mit buszfertigem hertzen unnd im glauben an Christi wort unnd gutem fürsatz, darvon (vom brot und wein) essen und trincken. Mathesius Luther (1566) 96ᵇ;
gott hailiger gaist o tröster guͦt,
behalt der kirchen frid in huͦt
und wöhr nun allem fürsatz eben,
so ketzer und der Türck angeben.
Joh. Nasus kriegs- u. sigspredig F 1ᵃ;
hierumb ward Galaor fürhabens, viel ehe zusterben, dann jhn in seiner feind gewalt zulassen, und mit diesem endlichen fürsatz nähert er sich gegen jnen (es ist von zehen rittern die rede) hinzu, liesz sein visier fürfallen und setzet under die fünff fördersten hinein. Amadis 368, 784; als gleich ob gott in seinem fürsatz hätte, dasz creaturen in der hölle sein sollen oder müssen. Jac. Böhme Aurora (Stuttg. 1835) s. 171;
dann sunst möcht sein zorn ewer pochen
und eigensinnigen fürsatz
und anschlag wider sein gesatz
nicht länger lassen ungerochen.
Weckherlin 6 (ps. 2, 14);
in unserm thun, fürsatz und wandel.
196 (ps. 20, 24);
witzlos war die fürwitz, aufsätzig der fürsatz, creutzgeitzig der ehrgeitz.
ausg. Amsterdam 1641 s. 207.
eine weitere stelle dieses dichters s. unter empfinden n.
abschlag und falscher zorn macht mich nicht lassen ab,
bis meinen fürsatz ich ins werck gesetzet hab.
Werders Ariost 1, 58, 8;
da steht sie auff vom stuhl und orth, der jhr geburt,
dem könig jhr gewerb und fürsatz zuberichten.
dessen Gottfried 17, 42;
und wann er es gerne und ausz fürsatz und nicht ausz unwissenheit gethan hätte, so könt ihn niemand absolvieren als der pabst selbst. Schuppius 608. eben so fürsatz auch bei Butschky Patmos 403. Stieler kennt kein fürsatz mehr, nur vorsatz; dagegen haben Rädlein, Dentzler, Weismann eben so wol fürsatz als vorsatz, wie sich denn auch bei Steinbach 2, 358 „für- et vorsatz“ findet, und wenn Hederich bei fürsatz ohne weiteres eingehn auf vorsatz, dann der ihm folgende Nieremberger bei fürsaz gleicherweise auf vorsaz verweist, also beide damit vorsatz, vorsaz als die geläufige form anerkennen, so verzeichnet Kirsch nur fürsatz. allein dessen nachtreter Matthiä führt schon in der ersten auflage seines lex. germ.-lat. fürsatz wie vorsatz, jedes in einem besonderen artikel, an und zwar, indem er auch neben jenes an seiner stelle s. 152ᵃ vorsatz setzt, gleichsam um das übergewicht dieses ausdruckes anzudeuten, den er dann in der dritten aufl. (1761) s. 160ᵇ selbst unter dem eben bezeichneten artikel in den beispielen überall hat, ein beweis, dasz nach der mitte des 18. jh. fürsatz schriftdeutsch als verdrängt angesehen wurde. diese beispiele lauteten noch bei Kirsch einen fürsatz fassen, der einen guten fürsatz hat und auf seinen fürsatz bleiben.
2)
ein gefäsz das vor ein anderes gröszeres gesetzt wird zum auffangen oder aufnehmen aus diesem: thu vitriol in ein kolbenglas wol beschlagen, stell jhn in ein sublimierofen in ein freyes fewer unnd setz ein helm darauff, vermache denselbigen wol, stell ein fürsatz darunder, alles von glasz. Würtz practica der wundarznei 389. vgl. fürsätzlein und fürglas.
3)
ein mit zeug bespannter rahmen vor dem untern theile des fensters, um das hineinsehen zu verhindern. gond heim in mein haus, da wert jr ein guten neuwen fursatz finden, dunckt der euch nit gut gnug sein, will ich umb einen besseren und sterckeren besehen. Wickram rollwagenbüchlein (Kurz) 157, 25.
4)
vorgeliehenes geld, vorgeschossenes geld, vorschusz. fürsatz an geld, creditum. Wilhelmi 2, 103ᵃ und danach Dentzler 2, 118ᵇ; fürsatz thun, leihen, ebenda. also schweiz., wie denn heute noch appenzell. försatz für vorschusz an geld gesagt wird. Tobler 203ᵇ. s. fürsetzen I 3). auch überhaupt: darlehn, schuld.
5)
ein für etwas zur sicherheit eingesetztes, ein pfand. aus dem mhd. in Wilhelm Wackernagels wb. zur 4. ausgabe des altd. leseb. 359ᵇ.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 4 (1871), Bd. IV,I,I (1878), Sp. 792, Z. 34.

vorsatz, m.

vorsatz, m.,

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vgl. fürsatz th. 4, 1, 1, sp. 792; im ahd. noch fehlend, das dafür im sinne von propositum ein f. foragasezzida aufweist; vgl. auch ags. foresetnes; mhd. vür-, vorsaz mhd. wb. 2, 2, 344ᵇ; Lexer 3, 607; Jelinek 887; mnd. vorsat, m., vorsate, f. Schiller-Lübben 5, 429ᵃ; mnld. voresat, m., voresate, f. Verwijs-Verdam 9, 1062, 1063; propositum vorsatz Diefenbach gl. 466ᵃ; propositio eyn foresacze ebda; propositum der vorsatz nomencl. lat.-germ. (1634) 226; vorsatz, propositum, intentio, consilium Stieler 2042; für- et vorsatz Steinbach 2, 358; vorsatz Adelung; Campe. dän. forsæt, älter forsat in der abstrakten bedeutung ist nd., daneben forsats in sinnlicher bedeutung.
1)
die in der schriftsprache gewöhnliche abstrakte bedeutung ist die ursprüngliche; wie ahd. forasezzida und mnd. mnld. foresate, f. dem lat. propositio, so ist vorsatz dem lat. propositum nachgebildet. die bedeutung kann je nach dem zusammenhange verschieden sein, es kann damit, obwohl seltener, die blosze absicht, etwas zu unternehmen, ausgedrückt sein, öfter aber bezeichnet es einen aus überlegung und seelischer bewegung entstehenden entschlusz, der nun auch für das spätere verhalten bindend sein soll, sodasz vorsatz eine selbstgegebene moralische regel darstellen kann, in diesem sinne besonders im plural, z. b. in dem aus älterer zeit nicht nachweisbaren sprichwort: der weg zur hölle ist mit guten vorsätzen gepflastert. vgl. dagegen: deshalb ist mein vorsatz, donnerstag früh von hier abzugehen Göthe IV 28, 211 W. natürlich kann aber auch der sing. in gehobenem sinne gebraucht werden.
a)
damit ich aber wieder zu meinem vorsatz kehre Hohberg georg. curiosa (1682) 1, 368; herr Wieland wenigstens verräth diesen vorsatz noch deutlicher Lessing 8, 27 M.; von diesem vorsatze voll Nicolai Seb. Nothanker (1773) 1, 29; alle tugend aus vorsatz taugt nicht viel Lichtenberg verm. schr. (1800) 2, 121; meine seele springt von vorsatz zu vorsatz Klinger (1809) 1, 13; der schädel müsse nach meinem vorsatze mit mir in die heimat zurück G. Keller (1889) 3, 182; man sollte bei allen vorsätzen wie die Türken inschallah! so gott will, sagen Moltke schr. u. denkw. (1892) 6, 105;
(der) seh zu, dasz ihm sein vorsatz nicht fehl schläget
Brant narrensch. s. 14 Z.;
so stark sonst trieb und eifer brannten,
dir auch ein nettes lied zu weyhn,
so flüchtig fällt der vorsatz ein
Stoppe Parnasz (1735) 30;
ermorden wollt ihr ihn?
das ist mein vorsatz
Schiller Wallensteins tod 4, 6;
der vorsatz (purpose) ist ja der erinnrung knecht,
stark von geburt, doch bald durch zeit geschwächt
Shakespeare Hamlet 3, 2.
b)
vorsatz verbindet sich leicht mit verwandten begriffen, oder aber es wird erster gedanke dem gefaszten entschlusz, oder dieser der tat gegenübergestellt: warhafftigen vorsatz und willen Luther 2, 59 W.; in meinung und vorsatz Rätel Curäi chron. v. Schlesien (1607) 256; vorsatz und absehen Rompler v. Löwenhalt erstes gebüsch s. reimgetichte (1647) vorrede; wunsch und vorsatz Gleim briefw. 1, 221 Körte; ein gedanke, der bald zum vorsatz ward A. G. Meissner skizzen (1778) 1, 100; ist dir dein wollen, dein vorsatz eine bürde? Göthe 13, 1, 344 W.; (leiter,) von der die ahndung zum gefühl, das gefühl zum gedanken, zum vorsatz, und dieser endlich zur wirklichkeit ... heraufstieg Tieck (1828) 8, 11; der flüchtige gedanke war rasch zum festbewuszten vorsatze gereift H. v. Barth Kalkalpen (1874) 42;
entschlusz ist vorsatz, that
Lessing Nathan 3, 3;
der flüchtge vorsatz ist nicht einzuholen,
es gehe denn die rasche that gleich mit
Schiller Macbeth 4, 5.
c)
auszerordentlich häufig sind charakterisierende attribute, von denen sich einige (z. b. gut, fest, ernst) formelhaft mit dem subst. verbinden. die ältere sprache bewegt sich freier: mit den besten vorsätzen Kerner bilderb. (1849) 101.
ich vereitelte
den blutgen vorsatz
Schiller 14, 64 G.
die andern drey haben einen bösen vorsatz Äg. Albertinus hirnschleiffer (1664) 35. — mit edlen vorsätzen Holtei erz. schr. (1861) 24, 37. — der eiserne vorsatz meines zornes Schottel friedens sieg 17 ndr.
mein ernster vorsatz ist der tod
Königsb. dichterkr. 173 ndr.
felsenfesten vorsatz Jung-Stilling (1835) 6, 14;
(dasz) ich festen vorsatz habe
walfahrtende zu ziehn nach Mecha
Lohenstein Ibrahim Sultan (1680) 28;
bleibe still und nähre
den festen vorsatz, dich und den geliebten
nicht mehr zu quälen
Göthe 11, 348 W.
wie schwach steht es um die sogenannten groszen vorsätze Immermann 2, 101 B.
dasz ja kein stich rückkehrender natur
den grausen vorsatz hemme
Herder 25, 36 S.
leyde umb dy sund zu haben mit guttem vorsaz Steinhausen privatbr. d. mittelalters 1, 321 (von 1496); gutten vorsatz erweisen Opitz poeterei 6 ndr.; ah, von oben bisz unten nichts als gute vorsäze Göthe IV 3, 18 W. — so melde ich dir doch wenigstens einen halben vorsatz IV 27, 51. — nach meinem hartnäckigsten vorsatze Kretschmann (1784) 1, 3.
und lasz dich nicht gewalt noch lust
von diesem heilgen vorsatz trennen
Canitz ged. (1727) 13.
ihren höllischen vorsatz Lohenstein Armin. (1689) 2, 611ᵃ. — mit kräfftigem vorsatz Abr. a s. Clara Judas (1686) 1, 400. — von ihrem löblichen vorsatze Opitz poeterei 16 ndr.
so ertödte den schrecklichsten vorsatz
Bürger 249ᵃ Bohtz.
der schwarze vorsatz A. v. Arnim 16, 55. — (mit) starkem vorsatz, mein leben zu bessern Schweinichen denkw. 3 Ö. — ein steiffer vorsatz, nicht zu irren Zinkgref apophth. (1628) 1, 91.
(er) läszt nicht gütigkeit, noch wohlthun, noch versprechen,
noch, was ihr nur versucht, den steifen vorsatz brechen
Gottsched dt. schaubühne 4, 14.
mit dem traumhaften vorsatz, nie wieder zurückzukehren Carossa eine kindheit (1922) 120.
(wenn die muse) den ungewaschnen vorsatz hatte,
dir durch ein lied ...
dein mühsam auge zu versäumen
Stoppe Parnasz (1735) 41.
d)
der inhalt des vorsatzes wird durch eine infinitivverbindung oder einen untergeordneten satz angegeben: (du hast) nun deine sünd berewet mit einem vorsatz, zu beichten Spee güld. tugendb. (1649) 145; (mit eigentümlicher wortstellung:) alle behertzten ihn auffzureiben den vorsatz Lohenstein Armin. (1689) 1, 20ᵇ; mit meinem vorsatze, sie zu vergessen Lessing 2, 323 M.; vorsatz, zu schaden Göthe 37, 199 W.;
mit vorsatz, sich zu schlagen
und alles vor die beut auffs letzte blut zu wagen
A. Gryphius trauersp. 206 P.;
(ich) erwog den wankenden vorsaz,
hin nach dem rauche zu gehn
Voss Od. 10, 151 Bernays.
mit folgendem satze:
mit vorsate, dat se alle êr gelt scholden vertêren
d. dodes danz 686 B.;
der könig hat uns zugeschribn,
damit zu disem vorsatz tribn,
dasz wir uns sein thetn erbarmen
Ayrer 1, 382 K.
vgl. noch: ohne vorsatz, wohin, war er aus seinem vaterlande gegangen Jung-Stilling (1835) 1, 208.
e)
mit abhängigem genit.: der vorsatz meiner busze Schmolcke trost- u. geistr. schr. (1740) 1, 36; der magister wollte ihm den vorsatz der selbststrafe ausreden A. v. Arnim 9, 149; das gewissen rächt schon den vorsatz der that O. Ludwig (1891) 5, 332;
und beim vorsatz einer sünde
flüstre mir dein geist ins ohr
Schubart ged. (1825) 1, 176.
verbindung durch präpos.: so verstehen wir auch, wie der mensch zu dem vorsatz im guten kommt Chr. Wolff ged. von d. menschen thun u. l. (1720) 102;
denn mit vorsatz zu bösen stücken
kern wir im (gott) immerdar den rücken
Kirchhof wendunm. 2, 46 Ö.
f)
im entwickelten nhd. wird es vermieden, vorsatz auf gott zu beziehen, vgl. aber: der vorsatz gottes zur gerecht-, heilig- und seligmachung seiner auserwehlten Kramer teutsch-ital. dict. 2 (1702) 787ᶜ; gleich wie eine schöne wolriechende blume aus der erden wächst, also auch gottes vorsatz Böhme schr. 4, 39; so braucht Luther fursatz Röm. 8, 28; 2. Tim. 1, 9. — von der natur: darausz mag man spüren, wie die natur in ihrem vorsatz und wirckung so krefftig ist Ruoff hebammenb. (1580) 244.
g)
einschränkung des begriffs im sinne von plan: über verschiedne epische vorsätze Göthe III 2, 202 W.
2)
auch in den verbalverbindungen erweist sich die ältere sprache als beweglicher, während später im allgemeinen sich gern bestimmte verba mit vorsatz verbinden.
a)
formelhaft geworden ist vorsatz fassen: welches seinem gefasten vorsatz ... einen anderen auszgang geben möchte theatrum amoris (1626) 55; (ich) dachte wenig mehr an meinen guten vorsatz, den ich gefast hatte Grimmelshausen Simpl. 3, 473 Keller; bessere vorsätze fassend fürst Pückler briefw. u. tageb. (1873) 1, 149;
denn nimmer werd ichs dulden, dasz dein leben
ein allzurasch gefaszter vorsatz kürze
Schiller 6, 225 G.
veraltete und seltenere wendungen: einen festen vorsatz machen Kramer teutsch-ital. dict. 2 (1702) 787ᶜ; als si ... iren vorsatz dorczu neigete, das si in reinner enthaldunge wolde leben Hedwiglegende (1504) b 6ᵃ; mach anbey ein steiffen vorsatz, dein leben ernstlich zu bessern Selhamer tuba tragica (1696) 1, 12; (als) ein gewisser mensch sich den vorsatz nahm, einen über alle maszen wilden stier anzugreiffen Stranitzky ollapatrida 340 Wiener ndr.; es reicht hiebei nicht hin jenes müszige vorsatznehmen Fichte (1845) 7, 483.
b)
veraltet ist die wendung des vorsatzes sein er ist willens, des vorhabens, des vorsatzes Gottsched dt. sprachk. (1748) 372; weil sie fast des vorsatzes waren, demjenigen beyzufallen, der das beste glück ... haben mochte Lohenstein Armin. (1689) 2, 1590ᵃ; da man ... einen karakter von verschiedenen seiten zu wenden ... des vorsatzes ist Sonnenfels (1784) 6, 192. — des vorsatzes mit abhängigem infin.: er segelte ... an den mund der Elbe; des vorsatzes, die ... Langobarden zu demüthigen Lohenstein Armin. (1689) 1, 1155ᵇ. — besondere wendung: (gleich als ob) gott in seinem vorsatz hätte, dasz kreaturen darin (in der hölle) sein sollen und müssen Böhme (1832) 2, 135.
c)
neben der fest gewordenen verbindung einen vorsatz ausführen begegnen gewähltere wendungen: diesen vorsatz auszuführen ist mir bis jetzt nicht gelungen Göthe IV 28, 22 W.
doch armuth hindert mich, den vorsatz zu vollführen
Henrici ernst-, scherzh. u. sat. ged. (1727) 1, 1.
er machte sich vorwürfe, seinen vorsatz so schlecht vollführt ... zu haben Göthe 23, 9 W. — nur musz man ... auch seinen guten vorsatz erfüllen Hebel 2, 77 Beh.;
der vorsatz bleibt doch gut, wenn wir ihn nicht erfüllen
Shakespeare sommernachtstraum 5, 1.
glücklich wir beide, wenn mein vorsaz gelungen wäre Schiller kab. u. liebe 2, 3;
wenn ich dein hohes lob zu singen angefangen
und dieser vorsatz mir etwa von statten gangen
Neukirch ged. (1744) 185;
bevor die ungeduld
den vorsatz thätig macht
Gottsched schaubühne 4 (1748) 244.
d)
häufige wendungen sind bei dem vorsatze bleiben, beharren, verharren, jemanden in seinem vorsatze bestärken, seltener stärken. dem vorsatze treu bleiben, von dem vorsatze abstehen, abweichen, ablassen, den vorsatz ändern, aufgeben, fallen lassen, einem den vorsatz ausreden, von dem vorsatze abbringen, im vorsatze wankend werden u. ä.; gewähltere und seltenere wendungen: bleiben sie auff ihren gutdüncken und vorsatz beständig Lehman floril. polit. (1662) 4, 102; jede stunde löschte den vorsatz aus Göthe 25, 58 W.; mancher vorsatz verfliegt A. v. Arnim 22, 207 Gr.;
der vorsatz ändert sich
Opitz (1690) 1, 176;
hilff, hailand! dasz ich stets in diesem forsaz bleib
Rompler v. Löwenhalt erstes gebüsch seiner reimgetichte (1647) 3;
da war der vorsatz hin
Königsb. dichterkr. 57 ndr.;
wer lieben wil und bald verzagen,
der stelle seinen vorsatz ein
Venusgärtlein 133 ndr.;
der gute vorsaz geht in wind;
ich soll im staube liegen
J. Chr. Günther 1, 209 Krämer;
nichts reiszt meinen vorsatz ein
Neukirch ged. (1744) 27;
auch hier wird oft durch tod und nacht
der schönste vorsatz unterbrochen
Gottsched ged. (1751) 1, 285.
3)
die bedeutung des wortes kann in der weise verengt werden, dasz ein besonderes gewicht auf die überlegung bei einem entschlusse gelegt wird, wobei also zufällige einwirkungen oder gefühl, leidenschaft ausgeschaltet werden (vgl. vorsätzlich); in diesem sinne ist vorsatz in der sprache des strafrechtes üblich, wobei noch ein besonderes merkmal ist, dasz bei der überlegung auch volle kenntnis aller tatbestände und ihrer rechtsfolgen vorliegt: im strafrechte schlieszt das alter unter 14 jahren den bösen vorsatz aus Alten hdb. f. heer u. flotte (1909) 1, 293; ein mit vorsatz ausgeführter wohlüberlegter ... mord Bettine dies buch gehört d. könig (1843) 1, 109. — im allgemeinen gebrauch kann die bedeutung mehr oder weniger scharf gefaszt werden, so kann vorsatz wie absicht dem zufälligen gegenüberstehen oder verhältnissen, die von dem willen des sich entschlieszenden unabhängig sind: fehler schlieszen vorsatz und tücke aus Lessing 10, 282 M.; die unordnung des schlafs erhöhte mehr als kunst und vorsatz ihre reize Göthe 22, 60 W.; (humor) ist nicht ächt, sobald man vorsatz dabei wahrnimmt Athenäum 1, 2, 64;
in der angst (wer kann es vorsaz heiszen?),
wirfft sie ihm die zitternadel zu
Schiller 1, 192 G.
a)
sehr häufig ist mit vorsatz: vorsätzlich ò mit vorsatz sündigen Kramer teutsch-ital. dict. 2 (1702) 788ᵃ; ich habs nicht mit vorsatze gethan Steinbach 2, 358; dit deden se mit vorsate dt. städtechr. 6, 32 (Braunschweig); ich übergee vyl geschichten mit vorsatz und willig Hutten 1, 39 B.; das sie mit vorsaz begeret, vertrüszlich und beschwärlich zusein Fischart 3, 137 Hauffen; mit vorsatz weltlicher und fast liederlicher priester Riemer polit. maulaffe (1679) vorrede; aus muthwillen und mit vorsatz Thomasius ged. u. erinn. (1720) 1, 32; mehr im vorbeygehen als mit vorsatz Lessing 8, 44 M.; mit wissen und vorsatz Gellert (1839) 6, 126; ich hatte bemerkt, dasz er mit vorsatz schlecht spielte S. v. Laroche frl. v. Sternheim (1771) 1, 321; man kann mit verstand und vorsatz von der harmonie abweichen Göthe 45, 312 W.; ob in der verwirrung oder mit vorsatz, ist nicht zu berichten G. Keller (1889) 5, 47;
thu izt mit vorsatz das, was erstlich neigung war
Warnecke poet. versuch (1704) 79;
mit vorsatz scheint der reichthum hier verschwendet
Göthe 4, 60 W.
b)
daneben aus vorsatz: nicht aus vorsatz, sondern aus einem allgemeinen irrthumb Chemnitz schwed. krieg 1 (1648) 34; nicht aus vorsatz oder boszheit Moscherosch ges. (1650) 2, 116; die aus vorsatz oder faulheit ihre stunden negligiren v. Fleming d. vollk. t. soldat (1726) 136; nicht so sehr aus vergessenheit, als aus vorsatz Heräus ged. (1721) 24; mehr aus langer weile als aus vorsatz Göthe 23, 67 W.
aus vorsatz hast du nie, aus leichtsinn stets gefehlt
9, 13.
c)
selten durch vorsatz: ist der schaden durch vorsatz oder grobe fahrlässigkeit ... herbeigeführt handelsgesetzb. § 430;
(wenn die vernunft)
durch vorsatz ein versehn zu einem laster macht
Dusch verm. w. (1754) 20.
d)
ohne vorsatz: besagtes alles ist ungefehr, ohne vorsatz erfunden worden Harsdörffer frauenz.-gesprächsp. (1641) 6, 162; eben hier geschah es, dasz ich die einzige beute im ganzen kriege machte, freilich ohne vorsatz Steffens was ich erlebte (1843) 8, 61.
4)
in dinglichem sinne etwas vorgesetztes, an etwas gesetztes in mannigfaltiger anwendung, besonders auch in technischer sprache: zwey kleine vorsätze als anhänglinge (an einem kupferblech) Major bevölckertes Cimbrien (1692) 67; die treppen waren leicht zu vertheidigen, sie waren zum groszen theil durch vorsätze von kisten ungangbar gemacht J. v. Hartmann lebenserinn. (1882) 2, 103.
a)
im hüttenwesen eine vorrichtung am probirofen; kupferner aufsatz des läuterungskessels bei der zuckersiederei Jacobsson technol. wb. 4, 558ᵃ.
b)
bei den buchbindern das leere papier vor der ersten lage des buches, dann auch das am ende angebrachte (vgl. vorsatzpapier) Karmarsch-Heeren techn. wb. (1876) 4, 112.
c)
zusatzstück für dünne lettern Prechtl technol. encycl. (1830) 17, 379.
d)
verdeckende vorsätze an fenstern, die verhindern sollen, dasz man von auszen hineinsieht Campe.
5)
vorsatz ist ein absatz oder stufe in der stollensohle oder beim firstenbau Veith bergwb. 232; 549; 'vorsatz stehen lassen ist, wenn ein stollen nicht söhlig fortgetrieben, sondern etwas strosse gelassen und höher angesessen wird. wird auch gespreng genannt' Minerophilus bergwerckslex. (1730) 698.
6)
etwas, das dem hauptteil eines wortes vorgesetzt ist, in älterer sprache: 'einige sprachlehrer nennen die grammatische figur, nach welcher ein wort zu anfange verlängert wird, prosthesis, den vorsatz; z. b. geseyn für seyn' Adelung; die jenigen, deren erstes wortglied ein kurtzer unabsonderlicher forsatz ist Zesen vermehrter Helikon (1656) 1, 26; die syllabe he scheinet als aus dem artikul geblieben und ein bloszer vorsatz zu sein Morhof unterricht v. d. dt. spr. (1682) 1, 125; worte ... mit vor- und zusätzen des ortes und der zeit Herder 21, 126 S.; in titeln werden ... die ehrenden vorsäze oft tieftonig gelassen: hof- oder feldmárschal, reichshófrath Voss zeitmessung d. dt. spr. (1802) 24; das t ist der Berbersprache eigenthümlich, als vorsatz oder nachsatz der worte Ritter erdkde (1822) 1, 905.
7)
nach dem syntaktischen sinne von satz statt des jetzt üblichen vordersatz (zeitschr. f. dt. wortforsch. 10, 28; 10, 84): dem langen vorsatze seinen nachsatz zu geben Jean Paul I 4, 126 akad. ausg.;
und wenn sich vorsatz, nachsatz nur ein bischen
verschiebt, man in die parenthesen fällt
bauz! liegt die ganze redekunst im dreck
Tieck (1828) 1, 291.
ferner im logischen sinne: vorsatz, propositione maggiore d'un sillogismo Kramer teutsch-ital. dict. 2 (1702) 775ᵇ; den vorsatz kann kein gottloser laugnen Meyfart himml. Jerusalem (1630) 1, 30; worinnen der vorsatz und der schlusz, einer wie der ander, bekandt sind Sturm kurtzer begriff d. physik (1713) 86. — freier, wobei mit der hauptbedeutung des wortes gespielt wird:
der vorsatz aber musz nicht ohne nachsatz seyn:
es treffe wort und sinn recht redlich überein
Zinzendorf teutsche ged. (1766) 167.
in erweitertem sinne von einem gröszeren stücke innerhalb eines vortrages, einer darlegung: dasz der vortrag in zwey stücke eingetheilt wird, das ist, in den vorsatz und nachsatz Chr. Weise polit. redner (1677) 179; drey stücke einer vollkommen neuen disposition ... den vorsatz, den fortsatz und den nachsatz Neukirch anweisung zu teutschen briefen (1709) 542. — im musikalischen sinne von satz: so wird in fugen und fugirten sachen derjenige nachsatz figürlich genennet, welcher auf dem vorsatze folget Mattheson d. vollkomm. capellmeister (1739) 367. — teil eines versmetrums: hier stimmt der vorsatz genau mit dem des ersten hauptfalles (der versbildung), dessen hintersatz blosz ins doppelte gelängt ist J. Grimm kl. schr. 4, 429.
8)
von den in der schriftsprache untergegangenen bedeutungen der alten sprache sei nur eine hervorgehoben: vorgeschossenes geld, auch wucher, dann pfand u. ä. Lexer 3, 607; Jelinek 887; Verwijs-Verdam 9, 1062. vgl. hierzu schweiz. idiot. 7, 1550; hier auch in der besonderen bedeutung erste hypothek.
9)
als erstes glied in zusammensetzungen, z. t. wechselnd mit vorsetz-:
vorsatzänderer m.
(1 a), gelegenheitsbildung:
auf eingebungen von dem schlauen teufel,
dem groszen vorsatzänderer (purpose-changer)
Shakespeare könig Johann 2, 2.
vorsatzaustausch m.:
im gemeinsamen verkehr des ideen- und vorsatzaustausches Gutzkow ritter v. geiste (1850) 6, 327. —
vorsatzblatt n.,
in einem buche vor und nach dem texte (4 b) Lueger lex. d. ges. technik (1894) 1, 209. —
vorsatzblech n.,
vor der öffnung eines ofens Krünitz ökon. encycl. 231, 440. —
vorsatzbogen m.,
wie vorsatzblatt Lueger a. a. o. 2, 746. —
vorsatzbrett n.,
vorgesetztes brett Muspratt chemie (1898) 6, 653; 704; ein teil im klavier und der orgel.
vorsatzdamm m.,
vorsatz als schutzdamm (oben 1 a):
last ja den neuen vorsatzthamm
nicht brechen noch veralten
bei Fischer-Tümpel kirchenlied 4, 316ᵇ.
vorsatzfenster n.,
im winter im innern vor das eigentliche fenster gesetzt Frischbier preusz. wb. 2, 449ᵇ; scherzhaft auch für brille.
vorsatzglas n.:
man also das vorsatzglas ... ausheben kan Paracelsus chirurg. schr. (1618) 741. —
vorsatzkuchen m.,
beim herstellen von spiegelglas, der thönerne verschlusz des schmelzofens, der entfernt wird Karmarsch-Heeren techn. wb. (1880) 4, 76. —
vorsatzlade f.,
von innen vor dem fenster angebracht nd. korr.-bl. 15, 4. —
vorsatzmauer f.,
futtermauer Mothes baulex. (1882) 4, 436. —
vorsatzmensch m.,
einer der leicht vorsätze (1 a) faszt, es aber auch dabei bewenden läszt Wander sprichw.-lex. 4, 1698. —
vorsatzpapier n.,
bei den buchbindern, vgl. -blatt, -bogen und oben 4 b, Jacobsson technol. wb. 4, 558ᵃ. —
vorsatzreich adj.
(1 a):
(damit ihm) dann des vaters lichtgestalt
vor seine vorsatzreiche seele trete
H. J. v. Collin Regulus (1802) 98.
vorsatzsilbe f.,
s. oben 6: die vorsatzsilbe un- Peschel völkerkde (1874) 124. —
vorsatzstein m.,
vor etwas gesetzter stein, auch für eine besondere art ziegel Karmarsch-Heeren techn. wb. (1876) 1, 582; Kerl thonwaaren (1907) 756. —
vorsatzstück n.:
indem das fensterlicht durch ... vorsatzstücke gedämpft war W. Alexis ruhe ist d. erste bürgerpflicht (1852) 4, 22. —
vorsatzsünde f.
(oben 1 a): (er wird) durch die scharffe buszpredigten auszreiszen alle dörner und disteln boshaftiger vorsatzsünden Kath. v. Greiffenberg zwölf andächtige betrachtungen (1678) 896. —
vorsatzwillen m.
(oben 1 a): willensfertigkeit, nicht nur des intentir- und vorsatzwillens, sondern auch des exequir- und thuewillens Weigel tugendübende rechenkunst (1687) 8. —
vorsatzwort n.
(s. oben 6): gönnen aber ist zusammen gesetzet von dem vorsatzworte ge und goth. unna D. v. Stade erläuter- u. erklärung (der von Luther gebrauchten wörter) (1711) 162; dim.: mit dem forsatzwörtlein her, hin Zesen verm. Helikon (1656) 1, 27.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 9,10 (1937,1938), Bd. XII,II (1951), Sp. 1440, Z. 8.

vorsätzer, m.

vorsätzer, m.,
inhaber der ersten, oder überhaupt einer früheren hypothek schweiz. idiot. 7, 1551; vgl. vorsatz 8.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 10 (1938), Bd. XII,II (1951), Sp. 1446, Z. 1.

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vorreizen vorstellungskräftig
Zitationshilfe
„vorsatz“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/vorsatz>.

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