Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

würde, f.

würde, f.

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herkunft und form. ahd. wirdî (zur möglichkeit einer zweiten bildung ahd. wurtî, f., s. u.; ein ahd. wirdigî, f. [frühmhd. wirdige, f.] s. unter A 1 a β), mhd. wirde, (md.) werde, ags. wirþu. in mnd. werde, f., mnl. werde, f., nl. waarde, f. sind ahd. werd, n. und ahd. wirdî, f., also dt. wert, m. und würde, f., zusammengefallen. — wirdî ist femininabstrakt zu wert, adj. (s. d.). der wechsel des stammvokals von -i- zu -ü- scheint durch den lautlichen zusammenfall von i und ü in vielen deutschen mundarten erklärt, s. Paul dt. gr. 2, § 72. Karstien s versuch in PBB 48, 488 ff., den wechsel auf eine bereits ahd. doppelbildung von wurtî (auf grund von eruurti in der Benediktinerregel in: kl. ahd. sprachdenkm. 221, 25 Steinm.) neben wirdî, d. i. urgerm. *wurþí neben wírþī, zurückzuführen, ist angesichts der singulären bezeugung von wurtî und des enormen zeitabstandes zwischen ihm und den ersten -ü-zeugnissen in würde wenig beweiskräftig. immerhin gehören die ersten -ü-formen nicht erst ins 17. jh., sie stellen etwa ein drittel der belegbaren zeugnisse bereits im 16. jh. (Luther freilich scheint nur wirde zu kennen) und reichen bei würdig und würdigkeit (s. d.) bis ins 14. und 15. jh. zurück; dazu: würde Steinhöwel Äsop 5 lit. ver.; im 17. jh. bleiben die -i-formen weit zurück, jünger sind sie nur noch auf mundartlichem boden möglich: wirden (1716) österr. weist. 4, 46; (1736) ebda 5, 180. an älteren abweichenden schreibungen vgl. im übrigen, z. t. mit langem vokalwert, wierde österr. weist. 1, 265; 3, 38; 5, 458; wierd Lobwasser calumnia (1583) A 5ᵇ; pfarrer v. Kalenberg 30 ndr., dazu auch mhd. wierde bei Lexer 3, 926; wyerde Schwarzenberg Cicero (1535) 47 neben wyrde Friedrich Wilhelm sprichwörterreg. (1577) ii 1ᵃ; W. Spangenberg ausgew. dicht. 11 Martin; Wieland I 2, 104 akad. ohne umlautsbezeichnung: wurde Knebel chron. v. Kaisheim 5 lit. ver.; bei Luther tischr. 4, 286 W.; Forster fr. t. liedl. 6 ndr. u. ö. im 16. und frühen 17. jh. begegnet eindeutig schwache flexion nicht ganz selten, vgl. z. b. in glicher wyrden Judas Nazarei v. alten u. neuen gott 33 ndr.; von groszer würdin Montanus schwankb. 55 lit. ver.; von seiner würden Bech Agricolas bergwerckb. (1621) 3.
bedeutung und gebrauch. seinem ursprungswort gegenüber verfolgt würde deutlich eigene wege. trotz anfänglicher oder späterer engster berührung mit wert, m. zieht würde, viel stärker als wert, den relativen, auf vergleichender beziehung beruhenden bedeutungen absolute wie 'rang, stand', 'amt', 'ehre, ansehen, geltung', 'ehrung' vor und zeigt darüber hinaus besonders in jungem gebrauch entschieden die neigung, alle blosz allgemeinen, uncharakteristisch wertenden anwendungen in ihrem aussagewert zu spezifizieren, zu präzisieren und zu vertiefen. zunächst tritt würde am entschiedensten als bezeichnung für sozialen rang und stand und die aus ihnen resultierende geltung und ehre hervor (A), sowohl in der beziehung auf gesellschaftliche ämter und funktionen (A 1), wie seit dem mhd. in der allgemeineren bedeutung 'ansehen, geltung' mit zahlreichen, z. t. langlebigen verbindungen (A 2), wie endlich in der aktivischen bedeutung 'ehrung', die vom ahd. bis ins älternhd. reicht (A 3). daneben tritt, ebenfalls mit breitem ahd. ansatz, eine eng an lat. meritum angelehnte bedeutung 'verdienst', die sich aber schon im mhd. auf formelgebundenen gebrauch zurückzieht und nhd. nur in der einzigen formel nach würden kräftig fortlebt (B). die schon hier fast berührte eigentliche wertvorstellung entfaltet sich nach verschiedenen richtungen, aber mit vergleichsweise geringer stoszkraft (C), vom ahd. bis etwa 1800 im sinne innerer und geistiger, aber unspezifischer wertung (C 1), als bezeichnung für materiellen qualitätswert, also im eigentlichsten geltungsbereich von wert, nur in ziemlich engen und, wie es scheint, regionalen grenzen (C 2). der fühlbarste einschnitt in der bedeutungsgeschichte von würde fällt in die mitte des 18. jhs., von wo an die bedeutungen A bis C sich zurückziehen oder doch modifizieren. im zuge der aufklärung, tiefer noch unter der wirkung des sittlichen und ästhetischen idealismus namentlich Kantischer und Schillerscher prägung, erreicht würde, mit ausgangspunkt in A sowohl wie in C, den rang eines scharf bestimmten, spezifisch kennzeichnenden wortes (D), das, in vielgliedriger ausprägung und in der anwendung auf personen wie auf sachliche werte, gehalt und norm des inneren seins und handelns (D 1) und ihren sinnfälligen ausdruck in erscheinung und verhalten (D 2) bezeichnet. charakteristisch für die verschiedenen bedeutungsbereiche des wortes ist der gebrauch des plurals. er wird in A bevorzugt und herrscht in B fast ausschlieszlich; in C schränkt er sich auf den ihm auch sonst sehr günstigen formelgebundenen gebrauch ein, in D fehlt er ganz. die mundarten kennen das ausgesprochen hochsprachliche wort, wenn überhaupt, so nur im rahmen formelhafter, älterem schriftsprachlichem gebrauch entlehnter wendungen, s. dazu und zum verhältnis von hd. würde und nd. werde unten C 2, bes. b.
A.
als bezeichnung für stand, rang und amt sowie für das mit ihnen verbundene äuszere ansehen, älter auch für die ihren trägern zuteilwerdende ehrerweisung; von der vorstellung einer rangordnung der werte auch auf unpersönliches und gegenständliches ausgedehnt: auctoritas, dignitas, honor; reverentia; häufig in pluralischem gebrauch. seit dem ahd., im älternhd. in sehr breiter geltung, seit der mitte des 18. jhs. zugunsten von D zurückweichend. schon langobardisches wirdibora u. ä. v. j. 643 in: edictus Rothari cap. 222 Beyerle und v. j. 729 in: Liutprandi leges cap. 106 Beyerle weist als 'trägerin der würde (einer freien)' deutlich in richtung einer bedeutung '(hoher) stand, rang'; vgl. Franz Beyerle gesetze d. Langobarden (1947) 508; Carl Meyer sprache u. sprachdenkm. d. Langobarden (1877) 309; v. Helten in: PBB 27, 405 ff.
1)
sozialer stand, gesellschaftlicher oder hierarchischer rang, amt oder funktion im öffentlichen leben.
a)
allgemein, ohne konkreten oder spezifischen bezug.
α)
prägnant 'hoher rang, hohe gesellschaftliche stellung, hohes öffentliches amt': noh taz ir heizent rîhtûom, noh taz ir heizent keuualt, noh taz ir heizent uuirde (diuitie̜ ... potentia ... dignitas) Notker 1, 107, 18 P.;
swelhe man ie chrone tragin
in disin kunicrichin sach,
den man der hohsten wirde jah:
die nennich und ir namen, ir lant
Rudolf v. Ems weltchron. 3378 Ehrism.;
in daucht sy (die dame) von grossen wirden vnd eren wer Arigo decameron 63 lit. ver.; eines grossen mans son, welchen ich seiner wirde vnd hoheit halben nit nennen darff Musculus hosen teuffel 14 ndr.; es haben damahls auch hohe standespersonen ihre getichte ... andere singen oder auch lesen lassen, die urtheil von allem ansehen ihrer würde zu befreyen Morhof unterr. v. d. dt. spr. (1682) 1, 377; denn indem die bürgerlichen einen rühmlichen fleisz anwenden, durch talente den mangel der geburt zu ersetzen; so bestreben sich jene (die adligen), mit rühmlicher wetteiferung, ihre angeborne würde durch die glänzendsten verdienste zu erhöhen Göthe I 8, 35 W.
β)
seit alters auch neutral und erweitert, für jede gesellschaftliche stellung und für 'stand' überhaupt (vgl. die entsprechende bewegung in umgekehrter richtung bei stand), hier aber meist in einer zum formelhaften neigenden anwendung. ahd. ist diese bedeutung zwar nicht für wirdî, aber für wirdigî bezeugt: sô geskihet taz ter der sih kûoti geloubendo mennisko neist sô er ze gotes uuirdigi chomen nemag ze tîere uuirt (cum in diuinam conditionem transire non possit uertatur in beluam) Notker 1, 251, 31 P.; wirdige (für ordo) noch bei Wackernagel altdt. pred. 12, 78; man sol dem man nach sinen wirden büezen ... nieman sol den liuten geliche buze erteilen, daz man dem knehte büeze alse dem herren, und dem eigen alse dem frien Schwabenspiegel landr. kap. 92 Gengler; vgl. 201 Laszberg; das sie alle nach jhren wirden vnd stenden bestattet würden Barth weiberspiegel (1565) H 8ᵃ; die nebenpersonen (einer oper) ... reden ... nur nach dem character ihres standes, ihrer würde Scheibe musicus (1745) 231; er vertheilte den schatz nach amt und würden an seine armen gäste (eine spanische schiffsbesatzung) Eichendorff s. w. (1864) 3, 290. hierher die bis ins 17. jh., namentlich in der gesetzes- und verordnungssprache geläufige formel (von) was stands (wesens) und würden jemand sei o. ä., die ebenfalls bei ahd. wirdigî vorbereitet scheint: so huuelihes so des altres ... dera uuirdigi (cuiuslibet etatis aut dignitatis sit) kl. ahd. sprachdenkm. 273, 25 Steinm.; dorumb gebieten wir allen und yglichen mannen rittern knechten hauptluten steten und allen andern, in welcherleye adel eren wirden oder wesen die sein (1378) lehns- u. besitzurk. Schles. 2, 492 Grünh.-M.; das hinfüro niemands, was würden, standts oder wesen der sey, den andern beuheden (befehden), bekrigen, berauben (solle) abschiedt d. reichsztags z. Augspurg (1555) 5ᵇ; das in craft dits offnen mandats mit rechtem ernst mainende kainer wosz würden oder wesens er sei sich hinfüro mit ainicher gotslesterung im erzstüft nit vermerken losse (17. jh.) österr. weist. 1, 132; vgl. 125; 254.
γ)
in der korrespondenz von amt und würde (s. auch δ), die über verbindungen mit stand, wesen u. a. dominiert, scheint, soweit eine begriffliche trennung überhaupt statthaft ist, amt auf institution und funktion, würde mehr auf das mit ihnen verbundene ansehen zu zielen, oder aber amt das besoldete, würde das ehrenamt zu benennen, vgl. dazu: würde zeigt nicht sowol ein amt selbst, als nur die mit dem amt verbundene berechtigung zu hoher ehre und ansehnlichem range an; und wird daher auch von solchen erhöhungen gebraucht, mit welchen gar kein amt verbunden ist Heynatz synonym. wb. (1795) 1, 120ᵇ und unten b α: nesihest tu dârana na, uuaz unerôn ambaht unde uuirde gebên dien ubelên? (uidesne quantvm dedecus malis adiciant dignitates?) Notker 1, 146, 1 P.; das verdrosz ettlich ander treffenlich bürger, die vor jm zuͦ den ampten vnd wyrden nit kommen mochten Carbach Livius (1514) 59ᵇ;
kan auch ein hohes ampt mir meine tugend mehren?
wird meiner laster zahl durch würden zugedeckt?
Opitz opera (1690) 3, 286;
das recht des obersten befehlshabers im staate geht auch 1) auf vertheilung der ämter, als mit einer besoldung verbundener geschäftsführung; 2) der würden, die, als standeserhöhungen ohne sold ... blos auf ehre fundirt sind (1797) Kant w. (1838) 5, 162 Hart.; als seine Gretl und der lehrer Schulz festgenommen wurden ..., nahm man ihm alle ämter und würden O. M. Graf unruhe (1948) 448. aber auch tautologisch: ornare mit einem ampt oder wirde eeren, einen fürderen, oder, eim fürhelffen Frisius dict. (1556) 930ᵃ; vgl. 210ᵃ.
δ)
für jüngeren gebrauch charakteristisch ist ein kollektiv gemeinter plural, der sich auf die bedeutung 'ehrenämter, ehrenränge' einengt oder doch mit der wahl des wortes den blick auf das auszeichnende, erhöhende von ämtern und stellungen lenkt: dasz sie nemlich ... bey solchen würden einer privatperson leutseligkeit behalten kan (ist zu loben) Opitz teutsche poem. 225 ndr.; ein mensch, den irrdische titel und würden bezaubern anmuth. gelehrs. (1751) 5, 797 Gottsched; den platz im schifferstuhle hatte er sich errungen; jetzt schwebten höhere würden, denen er nichts vergeben durfte, vor seinen sinnen; denn auch die sitze im magistratscollegium, wenn sie auch meist den gröszeren familien angehörten, waren mitunter von dem kleinen bürgerstande aus besetzt worden Storm s. w. (1899) 6, 6; Sulla ward ... seines commandos und seiner sonstigen ehren und würden entsetzt Mommsen röm. gesch. 2 (1881) 316. gelegentlich so auch singularisch: ich (habe) dir alles was den menschen das angenehmste ist, würde, rang, öffentliche belohnungen und ehrenzeichen ... zugetheilt Wieland Lucian (1788) 1, 86. in gleichem sinne wird in der jungen formel in amt und würden (sein) der gedanke des beruflichen versorgtseins durch das zweite glied der formel gefärbt: zu meiner zeit liesz sich keiner mahlen, der nicht in amt und würden stand Kotzebue s. dr. w. (1827) 18, 6; ein mann in amt und würden ist allemal eine respektsperson Fontane ges. w. (1905) I 6, 36; in amt und würden bin ich gewesen, Pistoris — früher und ehrenvoller als mancher andere (sagt ein pfarrer) Ina Seidel Lennacker (1938) 164.
ε)
im rahmen der obigen bedeutungen und anwendungen, besonders im anschlusz an γ und δ, gerät würde leicht in kritische, ja abwertende sicht. schon ahd., nach lat. vorbild, im blick auf den möglichen widerspruch zwischen äuszerer und innerer berufung zu einem hohen amt, zwischen äuszerer und innerer ehre, äuszerer auszeichnung und innerem unwert: unde uuirde, dîe uuir heizên hêrscaft, ubelên ze handen brâhte nemachônt sie nîeht uuirdige, nube sîe meldent sie mêr uuesen unuuirdige unde daz ougent sie (et dignitas collata improbis non modo non efficit dignos, sed prodit potius et ostentat indignos) Notker 1, 107, 3 P.; vgl. 145, 10 ff. und oben γ; woͤlcher mensch ... suͦchet eer vnd wirden der macht sich vnwirdig vnd ist zuͦ verachten A. v. Eyb spiegel (1511) A 7ᵇ; ehren und würden ändern die sitten nicht Körte sprichw. (1837) 75. unter anderen gesichtspunkten einschränkend: wein, weiber vnd hohe würden, endern den gantzen menschen Lehman floril. polit. (1662) 1, 198;
wie die säule des lichts auf des baches welle sich spiegelt,...
so beleuchtet der würden glanz den sterblichen menschen,
nicht der mensch, nur der platz, den er durchwandelte, glänzt
Schiller 11, 43 G.
namentlich in der durch den gleichklang von würde und bürde bestimmten richtung: würd, bürd Seb. Franck sprichw. (1541) 1, 127ᵇ; ist selten eine höhe ohne wehe, selten eine würde ohne bürde Abr. a s. Clara w. 1, 170 Strigl;
will er zu hohen ehren und würden,
bück er sich unter die goldnen bürden
Schiller 12, 53 G.
b)
spezifisch und in konkreter benennung, für bestimmte ämter, ränge, ehrentitel und funktionen. auf die enge beziehung des wortes zu amtsbezeichnungen deutet bereits: infule̜ uuirdi (R) ahd. gl. 1, 199, 1 St.-S.
α)
blosz unter dem gesichtspunkt des mit amt und funktion verbundenen ansehens oder gesellschaftlichen ranges, besonders bei priesterlichen, adligen und akademischen würden:
bizeinta thaz sin wirdi (die des hohepriesters) zi niwihti scioro wurdi,
joh scolti werdan ital thiu sin era ubar al! (beim verhör Christi) (sacerdotalem gloriam perdidisse)
Otfrid IV 19, 45 Erdm.-Schr.;
alsus wart im genomen abe
ewarten reht, wirde und habe,
du daran mit grozer richeit lag,
deme der da ewartin amptis pflag
Rudolf v. Ems weltchron. 32 008 Ehrism.; vgl. 13 966;
pontificatus des obristen priesters amt vnnd würde Calepinus XI ling. (1598) 1112ᵇ; landt. vnnd pfalzgrafen in Bairn. das was selbiger zeit die nechste wurde nach dem herzogthumb (15./16. jh.) Brandis landeshauptl. v. Tirol (1850) 11; ernennung zum hofrath, dem nach und nach ... der reichsfreiherr und andere würden nachfolgten Justi Winckelmann (1866) 1, 84;
darumb die vniuersithet
mit würdin uns begabet hett (doktorwürde)
Murner narrenbeschwör. 130 Spanier;
durch verleihung der würde eines doktors der philosophie G. Keller br. u. tageb. 3, 20 Ermat.; Kajetans akademische würden Doderer dämonen (1956) 609. vereinzelt geradezu 'titel': allen königsnamen wird die würde sai oder zai vorgesetzt Ritter erdk. (1822) teil 1, 329. singulär auf die gesellschaftliche einstufung eines ganzen standes bezogen: hingegen war die ehre, ein soldat zu werden, den gemeinen knechten und sclaven nicht einmahl erlaubet, weil sie (die Römer) die würde eines soldaten viel zu hoch schätzten, als dasz sie von solchen geringen leuten profaniret werden solte Fleming d. vollk. t. soldat (1726) vorber. 10. älternhd. bei fürstlichen würden als formel der versicherung: wir loben vnd versprechen auch bey vnnsern fürstlichen wirden vnd treuen, alles dasz stet zu halten vnd ze volfirnn (1403) bei Lori samml. d. bair. bergr. (1764) 19; auch (haben wir) ain ieder bei unsern fürstlichen wierden und worten ... (den vertrag) zu halten und zu volziechen abermals an einander versprochen (17. jh.) österr. weist. 1, 265.
β)
die vorstellung der amtsausübung einschlieszend, auf öffentliche funktionen verschiedenster art, aber durchweg hohen oder doch gehobenen ranges bezogen: hetten si sorg, wo der (jetzt gefangene) kaiser wider an sein wird käm, so müesten si's mit der haut bezaln Aventin bayer. chron. 2, 182 Lexer; er wer ein oberster über etlich hundert Araber, zu welcher würd keiner künt kommen er köndt dann ein hundert mörd beweisen Schweigger reyszbeschr. (1619) 286; der feldwaibel antwort: ... indessen sehe ich aber wol, dasz uns die thüren, zu ein und anderer würde (militärischem rang) zu gelangen, durch den adel verschlossen gehalten werden Grimmelshausen Simpl. 50 Scholte; dasz mancher bürgemeister nicht bey seinem geehrten amt und titul ruhig sitzen kan, sondern mit verkleinerung dieser schönen würde, wohl gar ein niedrig ämtgen bey hofe bittet Riemer polit. maulaffe (1679) vorr.; als nun Ismael II. in königlichen würden sasz Olearius persian. reisebeschr. (1696) 334ᵃ; einige aus den äbten selbst erlangen die bischöfliche würde Schiller 7, 110 G.;
die speisen trug der pfalzgraf des Rheins (beim krönungsmahl),
es schenkte der Böhme des perlenden weins,
und alle die wähler, die sieben,
wie der sterne chor um die sonne sich stellt,
umstanden geschäftig den herrscher der welt,
die würde des amtes zu üben
ebda 11, 382;
vom ephorat ... und einer andern akademischen würde dispensirt W. v. Humboldt br. an Welcker 28 anmerk. Haym; nun traten die consuln ... ihre würde am ersten quinctilis an Niebuhr röm. gesch. (1811) 3, 305; mit den unreifen söhnen solcher familien wurden häufig auch die militärischen würden der städte besetzt G. Freytag ges. w. 20 (1888) 311. ungewöhnlich im sinne von 'oberhoheit, herrschaftsbereich': zu dem jüngsten macht er (Pompeius) es (Armenien) durch vil pluetvergiessen undertan römischer wird Füetrer bayer. chron. 6 Spiller.
γ)
als personale benennung für einen amtsträger, in und auszerhalb der anrede, wohl nach dem vorbild von lat. dignitas; vom 14. bis ins 17. jh., dann historisierend. neben würde hier häufig apokopiert würd, aber auch würden, im schw. sg. oder im pl.besonders königliche würde für den könig selbst in der verantwortlichen ausübung seines amtes, s. die z. t. vergleichbare anwendung von krone II 5 e, teil 5, sp. 2375f., auch Schmeller-Fr. bair. 2, 992. im ersten beleg nicht ganz eindeutig:
lieber herre mîn (anrede an den könig) ...,
das uͤwer wird mich ruoche wern
der bete, der ich wil biten hie
Kunrat v. Ammenhausen schachzabelb. 2314 Vetter;
it. wurd die kuͦnigklich wird gen Muͦnichen kommen (Augsburg 1489) städtechron. 25, 344; die köngliche würde Maximilian (ist) vor Prage ankomen S. Hüttel chron. d. st. Trautenau 166 Schles.; ewer königliche würden wöllen sich desz vnverschämpten gegentheils vngestümmiges schreyen nicht verjrren lassen Jac. Ayrer processus jur. (1600) 124; wir werden aus der kron Schweden in vertrauen verwarnt, ob sollte die königliche würde daselbst eine secrete schickung in Polen gethan haben (1655) urk. u. aktenst. z. gesch. d. kurf. Friedr. Wilh. v. Brandenburg 4, 112 Erdm. seltener für andere hohe standes- oder amtspersonen, behörden u. ä.: wirdigen hochgelerten edlen ... fürnemen vnd wysen lieben herren. der dritt ... teil dis wercks ... sye üwern wirden vnd wyszheit ... zebesehen vnnd in sinen gebrechen trüwlich zuͦuerbessern, vaͤtterlich angenaͤm Riederer rhetoric (1493) t 6ᵃ; vgl. a 2ᵃ; das ich eyniger armer mensch mich unterstanden, fur ewrn hohen wirden zu redenn (vor dem kaiser und dem reichsadel) Luther 6, 405 W.;
min gnädiger herr vnd landtuogt,
ich wil üwer würdi bätten han
schweiz. schausp. d. 16. jhs. 3, 70 Bächtold.
archaisierend:
seine würden (der schwedische kanzler) meynt,
wenn ich dem kaiser, der mein herr ist, so
mitspielen kann, ich könnt' das gleiche thun
am feinde
Schiller 12, 219 G.
in vergleichbarer, aber wohl spontaner verwendung: mehr grollend als zornig warf er dem könige vor ..., dasz er ihn, die erste militärische würde Frankreichs, daneben in unthätigkeit und nichtachtung lasse Laube ges. schr. (1875) 2, 30. häufiger in der benennung höherer geistlicher, auch in der anrede; im 16. jh.: hab ich dasselb ... mit seyner wirde (dr. Staupitz) geredt ..., das myrs nit lieb were, e. f. g. vngelympf vber seyne wirden Luther br. 1, 120 W.; herr bruder ich will ewer würde (dem bischof) uf morn guten beschaid ... geben (vor 1572) Tschudi chron. helvet. (1734) 1, 7; der (kutscher) wolt ewer wirde gerne sehen. last jhn herein, sagt doctor Mathesius Luthers leben (1576) 211ᵃ. als seiner würden (a. sg.) wohl in falscher analogie zu apokopiertem euer würden: man lasse gleich ... schnell seiner würden (den patriarchen) ein Schiller 15, 2, 491 var. verkürzt für das heute übliche hochwürden: entschuldigen s', würden, geistlicher herr! Anzengruber ges. w. (1890) 5, 90.
c)
über den unter b gegebenen rahmen hinaus erweitert, aber nicht in gleicher dichte des gebrauchs.
α)
in religiöser beziehung, sowohl für rang oder funktion göttlicher personen wie für qualität und stellung des menschen vor gott: es ist also gewisz, dasz Johannes Christum mit dem vater in gleiche würde setzt, und dasz er also mit ihm gleich ewiger gott sey Jung-Stilling s. schr. (1835) 3, 27; die würde Jesu als des fleischgewordenen logos D. Fr. Strausz ges. schr. (1876) 4, 152; erst ist es (das szepter) unter der arbeit des Vulkans; nun glänzt es in den händen des Jupiters; nun bemerkt (bezeichnet) es die würde Merkurs Lessing 9, 98 L.-M.; wir waren diese auserwählten des herrn; aber unser verbrechen hat uns diese würde geraubt slg. v. schausp. (1764) 1, 4; allg. dt. bibl. (1765) anh. zu bd. 53/86, 40.
β)
auf funktionen, ehrenstellungen und auszeichnungen übertragen, die auszerhalb der groszen öffentlichen institutionen liegen und sich in den privaten, zwischenmenschlichen beziehungen oder den kleineren gesellschaftsformen auswirken, in bestimmten rollen oder aufträgen auch den charakter des einmaligen oder improvisierten tragen; besonders in jungem gebrauch verbreitet: da doch sonsten viel gröszere gewachsene gesellen vorhanden waren und diese würde (bei bürgerhochzeiten eine jungfrau zu führen) nicht bekommen mochten (16. jh.) Schweinichen denkwürd. (1878) 22;
keiner (der geistlichen) wird der sekelmeister (kassierer), wären sie schon noch so reich,
denn sie förchten, diese würde mache sie dem Judas gleich
J. Grob dichter. versuchg. (1678) 97;
denn diese würde (Gottscheds freundin zu sein) wünschet sich bis ins grab zu behaupten jhre Kulmus L. A. Gottsched br. (1771) 1, 82 Runkel;
ach, er möchte gern entfliehen
solchem auftrag, solcher würde;
einen helden zu erziehen
wird centauren selbst zur bürde
Göthe I 3, 124 W.;
dasz eben du als die jüngste zu dieser würde (der groszmutter vorzulesen) erkoren bist A. v. Droste-Hülshoff br. 1, 25 Schulte-K. auf niederer sozialer stufe freilich nur so, dasz die beziehung auf eine höhere gegeben ist, die es zu vertreten gilt; darauf deutet auch die verbindung zeichen der würde: obwohl der ratsbote bei jedem satze mit dem zeichen seiner würde (dem langen amtsstabe) aufstiesz Kolbenheyer Paracelsus (1926) 3, 251; es gab kein anderes zeichen der würde für einen herrschaftlichen kutscher (als seine peitsche) E. Wiechert missa sine nomine (1950) 124. für natürliche ordnungen: dasz die ehen nicht unauflöszlich; ein ehweib auch nur ein wort der würde, nicht der vergnügung wäre (sagt frivolisierend Varus zu einer germanischen fürstin, die er liebt) Lohenstein Arminius (1689) 1, 14ᵃ; dasz er (Jupiter) den ziegen bärte, das signal ihrer männlichen würde, verschenckt habe discourse d. mahlern (1721) 3, 48. besonders aber von naturgegebenen beziehungen innerhalb familiärer gemeinschaft, dies unter dem einflusz des aufklärerischen menschenbildes (s. u. D 1 a α) und von der zu D 2 d; f gehörigen vorstellung des alters und der autorität nicht unberührt:
(heil dem weib, das) die würde
des muttertitels fühlt!
Pfeffel poet. vers. (1812) 1, 5;
vater, die würden des staats haben sie gehindert, der edelsten würde froh zu seyn. geben sie ihm seine flittern zurück, um frei und mächtig zu fühlen: — 'ich bin ein geliebter vater!' Iffland theatr. w. 9 (1844) 116; sie fragte mich, ob ... sie andern alten frauen in ihren ansprüchen auf die groszmütterlichen würden und freuden nachstünde Hebbel w. 8, 153 Werner; (die frau) musz sich ihrer würde als gebärerin erst wieder bewuszt werden Kahlenberg Eva Sehring (1901) 61.
2)
'(äuszere) ehre, ruhm, ruf, ansehen', im bereich öffentlicher geltung, aber ohne unmittelbaren gesellschaftlichen bezug.
a)
als ein dem menschen von auszen zugesprochenes und zuerkanntes prädikat, als der hohe oder doch gute ruf, in dem er steht. in häufiger verbindung mit synonymen, vorzüglich mit ehre.
α)
neben lop, prîs, êre als typisches wort der früh- und hochhöfischen sphäre, wenn auch in der bildung wirdikeit (s. würdigkeit 2 a) so noch weit gebräuchlicher, von der geltung, dem ansehen des ritterlichen menschen als einem seiner wichtigsten lebensgüter:
volget mir ir vursten hêre,
sô behalte wir wirde unde êre (bei der eroberung einer burg)
Münchener Oswald 1663 Baesecke; vgl. 953; 2920;
künc Artûs, du stüent ze lobe
hôhe dînn genôzen obe:
dîn stignder prîs nu sinket,
dîn snelliu wirde hinket,
dîn hôhez lop sich neiget,
dîn prîs hât valsch erzeiget (durch Parzivals aufnahme in die tafelrunde)
Wolfram v. Eschenbach Parzival 315, 4; 509, 18;
vor allen den, die in den tagen
konden hôhen prîs bejagen
und die mit ritterlîchen siten
lop unde hôhe wirde erstriten
Heinrich v. Freiberg Tristan 2000 Bernt.
seltener auszerhalb dieser sphäre:
nach irer grozen achperkeit
so merte sich ir lastir breit,
ir (Jerusalems) wirde ist verkart darzu
in smelichez betruben nu
Maccabäer 1581 Helm; vgl. 9504.
β)
in allgemeiner verwendung behauptet sich im nhd. die bedeutung bis in neuere zeit, verliert aber mehr und mehr an boden: so sein wir eu auch von gotlicher gesaze und vaterlicher treuen wegen schuldig, das wir eur wirde nuz und fromen stäticlich betrachten (herzog Ernst v. Bayern an seinen sohn) (1435) bei Steinhausen privatbr. 1, 38; welche sünde (abgötterei) aber die, so im lehre- und predigtamt sind, frei und ungescheuet strafen sollen, ungeachtet ihrer (der papisten) hohen dignität und würde bei Luther tischr. 6, 61 W.;
kühne faust und blancker degen
künnen würd und ruhm erregen
Logau s. sinnged. 386 lit. ver.;
einem unehrlichen seine leumde und würde wieder geben rimettere un infame nel pristino suo grado di honore M. Kramer t.-ital. 2 (1702) 1405ᵇ; (leute, die philosophen äuszerlich nachahmten,) schändeten (durch ihr leben und betragen) die würde der übernommenen rolle Wieland Lucian (1788) 1, 429; durch das abschreiben (der familienchronik) lernte Albertus erst ansehen und würde der familie kennen, aus welcher er abstammte G. Keller ges. w. (1889) 2, 123. älter vereinzelt in einem für den modernen gebrauch des wortes (s. unten D 1 a γ δδ) bezeichnenden zusammenhang: thuͦn das einem weysen mann nit wol zimpt vnd nit anstadt, oder abträtten vnd weychen von der wirde oder von dem ansehen eines weysen manns discedere a dignitate sapientis Frisius dict. (1556) 417ᵇ. für die ehre gottes nicht über das älternhd. hinaus:
hört, wie in dem hundert-und-virden
David die herrlikeit und wirden,
gottes almechtikeit, erzel
Hans Sachs 18, 401 lit. ver.
herre, welchem alle ere uͦnd wirde zuͦgehœret Schede psalmen 104 ndr.
b)
als 'ansehen, geltung, gültigkeit, gewicht, bedeutsamkeit', durchweg in auszeichnendem sinne auf gegebenheiten unpersönlicher art bezogen. z. t. weist hier der gebrauch auf die vorstellung 'rang' (s. ob. 1) zurück oder auf 'wert' (s. unten C 1 c) voraus, so dasz der eindruck des mehrschichtigen entsteht:
und (dasz) man der kristenheite ûf tuo
diu münster und der kirchen tor ...
der tempel wirde sî gelegen
und werde grôz der kirchen reht
Konrad v. Würzburg Silvester 2237 Gereke;
das ich darumb wölle den ackerbaw verkleinern, unnd etwas von seiner würden abbrechen Ph. Bech Agricolas bergwerckb. (1621) 3; dieser begehret ein lied auff eines andern weib, jenem hat von des nachbaren magdt getrewmet ... mussen wir also entweder durch abschlagen (ihrer bitte) jhre feindschafft erwarten, oder durch willfahren den würden der poesie einen mercklichen abbruch thun Opitz buch v. d. dt. poeterei 11 ndr.; redensarten, die in unsern tagen seltsam und lächerlich klingen würden, aber damals ihre bedeutung und würde noch nicht gänzlich verloren hatten Wieland Agathon (1766) 2, 183; die ... werke des gröszten dramatikers, der fast allein die würde ihrer (der deutschen) bühnen aufrecht erhalten musz O. Ludwig ges. schr. (1891) 5, 48. deutlich vor dem hintergrund einer rangordnung von gröszen und werten: (er) setzt der geschrifft syne gesatz in glicher wyrden, eeren vnd krafft Judas Nazarei v. alten u. neuen gott 33 ndr.; derhalben ist es nicht billich, das man sie (die metalle der erde) von jhrem standt vnnd wirden, die sie vnder denn guten habendt, abstürtze Ph. Bech Agricolas bergwerckb. (1621) 15; die beywörter gelangen bisweilen zu der würde der hauptwörter, wenn man dem ungewissen geschlechte einen artikel vorsetzt Gottsched sprachk. (1748) 345; vgl. 395; die physiologie kennt indesz solche aesthetischen rangunterschiede nicht. ihr ist die nierenabsonderung ein wissenschaftlicher gegenstand von ganz gleicher würde mit der erforschung des auges oder herzens du Bois-Reymond üb. d. grenzen d. naturerk. (1873) 37. gelegentlich mit der wertvorstellung selbst verknüpft, s. C 2 a: tertia auctoritas (dem smaragd), sagt Plinius, nachdem er die erste würde dem diamante, und die zweyte der perle ... zuerkannt hatte Lessing 10, 303 L.-M.; vgl. Tieck schr. (1828) 1, 354.
c)
in einer reihe fester, vor allem verbaler verbindungen, die zum formelbestand namentlich des 16. jhs. gehören, aber noch lange fortleben, verdichtet sich der gebrauch 'ehre, ansehen, geltung' sowohl in der beziehung auf personen wie, häufiger und stärker verzweigt, auf unpersönliche gröszen. würde begegnet hier meist im plural.
α)
in verbindungen wie in würde(n) (und ehren) halten u. ä. (s. anders unten C 2 b) bleibt würde selbst in den grenzen der bedeutung 'ansehen, ehre', während die ganze verbindung den aktiven sinn 'ehrerweisung' ausdrückt, den würde für sich erst unter 3 annimmt: Saulo Plebeo sere wert und in hochen wirden von allenn Römern gehalten was Arigo decameron 327 lit. ver.; die wiedertäufer sind in ihren irrthum aus keiner andern ursach willen kommen, denn dasz sie gottes wort und werk nicht in ehren und würden halten bei Luther tischr. 2, 280 W.; das fleisch der hechten wirdt nit sonderbarlich in mächtiger wirde gehalten Herold-Forer Gesners thierb. (1563) 3, 176; welche ... nicht weniger die bücher als ihre waffen in hohen ehren und würden halten Rist d. friedewünsch. Teutschland (1647) 25; dasz diejenigen, so solches lesen, nicht allein den, von welchem solche schrifft-würdige, löbliche thaten und tugenden gerühmt werden, in grossen ehren und würden halten Butschky Pathmos (1677) 5.
β)
in würde(n) sein, bleiben, schweben u. ä. 'anerkannt, angesehen sein, in hohem ruf stehen': er (gott) gibt einem jeden lande seine zeit zu wachsen und zu steigen, da es an reichthum, macht, ehre und gewalt zunimet und ... in ehren und wirden schweben möge Luther 16, 5 W.; wie alt nun dise kunst sey ..., in was ansehen vnd wirden sy etwan pey den Kriechen vnnd Römern gewest sey Dürer 4 bücher v. menschl. proportion (1520) A 2ᵇ; süsse sachen, nur einmahl gegessen, bleiben in ihren würden Olearius pers. rosenthal (1696) 61ᵃ; eine erfindung die auch nach verbesserung der dioptrischen fernröhre bei ehren und würden geblieben ist Göthe II 2, 170 W.; wenn Jenny ... es machte wie madame Bruchhausen und die doktorin Gräver, die doch deshalb niemand mit gemeinen nähterinnen verwechselt, so würde sie wahrscheinlich ihr gutes brot haben ... ich glaube, sie hofft noch irgendwo unterzukommen und so in ihren würden zu bleiben A. v. Droste-Hülshoff br. 1, 455 Schulte-K. nd. mundartlich noch möglich, vgl. dazu noch unten C 2 b ende: hê steid recht in würde un ansên Doornkaat-Koolman ostfries. 3, 582ᵃ. vereinzelt analog zu zu ehren kommen: es sollte wieder zu würden kommen, denn es ist ein mahnwort für die geniale jugend W. H. Riehl d. dt. arbeit (1861) 280.
γ)
bei (seinen) (kräften und) würden bleiben (lassen) u. ä., in der sprache des älteren rechts, der weistümer und urkunden formelhaft die rechtsgültigkeit umschreibend, vgl. auch mnl. werde 2 bei Verwijs-Verdam 9, 2164 f.; in spuren literarisch weiterlebend. hier, wie noch bei δ und ε, wäre auch die wertvorstellung C als ausgangspunkt denkbar, vgl. bes. C 2 b: fürs erst solle der ... gemainschaftsbrief ... durchaus bei wirden und kreften pleiben (ca. 1509) österr. weist. 5, 458; vgl. 775; was (an privilegien) ... sei gegeben dem closter, das sol in seiner wirde vest onversert stan und pleiben (Augsburg 1528) städtechron. 23, 211; die contracten iedoch ... bleiben in ihren vollen würden (1685) bei R. Schück Brandenb.-Preuszens kol.-politik 2, 263; im übrigen aber sollten die alten zwischen den königen von Ungarn und den erzherzogen von Österreich errichteten verträge bey ihren kräften und würden bleiben M. I. Schmidt gesch. d. Deutschen (1778) 4, 306. entsprechend: ain ieder soll alle paurechten ... in guet würden halten (ca. 1570) österr. weist. 5, 714; ihr setztet mich an die spitze der wächter dieser gesetze, und ich habe sie bey meiner anwesenheit in ihrer würd und kraft erhalten Klinger neues theater (1790) 2, 28; zal desse breff dan in den puncte allene machtloes ende van gynre werde syn, vnd in den andern puncten van werde vnd in synre vuller macht blyuen (1452) Münstersche urk.-samml. II 6, 31 Niesert; vgl. Schmeller-Fr. bair. 2, 992; Fischer schwäb. 6, 983;
so soll mein eid verbleiben ohne würde,
und ganz unbündig sein
Chamisso ged. ⁸129.
δ)
von γ her in allgemeinerer anwendung, aber in den gleichen oder leicht abgewandelten verbindungen, soviel wie 'unangetastet, unangezweifelt lassen, gelten lassen'; hier auch jünger noch verhältnismäszig häufig: das werck lassen wir gehen und bleiben jnn seinen wirden, aber das solt soviel schaffen als Christus wort, das wenn ichs hörete und darnach lebete, dadurch selig wurde, da sagen wir nein zu Luther 28, 103 W.; vgl. 32, 81; der zehende artickel von dem abendmal, ist auch nicht inn seiner würden blieben Heilbrunner v. d. Augsp. confession (1598) 76; was ersprieslich, nützlich und ergetzlich, lasse man ... in seiner würde, gebrauch und stande Schottel friedenssieg 13 ndr.; ich will ihn in seinen würden lassen will ihm seine vorzüge nicht absprechen Adelung vers. 5 (1786) 305; was die theologen gnadenwahl nennen, kann auch meine psychologie ruhig in seinen würden lassen Heyse kinder d. welt (1915) 123; eins mans rede, ist von keiner wirde. eins mans red ist eine halbe red. man sol die part verhören bed Seb. Franck sprichw. (1541) 2, 165ᵇ; alle eure weitläufftige reden sind von keinen würden ollapatrida 52 Wiener ndr.
ε)
wieder anders 'offen lassen, unentschieden lassen': utranque consuetudinem bonam appello, welche aber beszer ist, lasz ich in seinen wirden (1519) Egranus ungedr. pred. 9 Buchwald; ob sie es nu gehalten haben oder nicht, das lasse ich an seinem ort und wirden bestehen Luther 28, 714 W.; vgl. 24, 157; diese historia lassen wir in jhren würden stehen, ob dieselbe also ergangen oder nicht Binhardus thüring. chron. (1613) 128. jünger in der bedeutungsnuance 'auf sich beruhen lassen'; vgl. gleichbedeutendes in seinem wert lassen bei Luther br. 8, 274 W. und jünger: dass du deine ... französische wörter ... in ihrer würde allein lassen, und unsere folkomneste muttersprache damit nicht aus-flikken sollest Zesen verm. Helikon (1656) 1, 200; während ich die strenge, oft dürre scholastik der paragraphen in ihren würden liesz, war ich den excursen ... um so dankbarer Heyse jugender. u. bekenntn. (1900) 330.
ζ)
hierher auch formeln des 14. und 15. jhs., die ein besitzrecht umschreiben, iura dominii et proprietatis, quibus possessor fundi declaratur dignior et potior aliis, vgl. Haltaus gloss. (1758) 2138 und acta imperii selecta 2, 565 ff. Böhmer mit historischen belegen: mit aller ander gewaltsami, wirdi, nutzen und rehten (1385) bei Fischer schwäb. 6, 983.
3)
die sehr frühe, vorwiegend vornhd., aber doch bis ins älternhd. nachwirkende bedeutung 'ehrung, ehrerweisung, reverentia, veneratio' (s. auch mnl. werde 8 bei Verwijs-Verdam 9, 2166) beruht auf einem ursprünglichen verbalabstractum zu wirden 'honorare, venerari' wie unwirdī 'indignatio' zu unwirden 'indignari'; doch sind schon im ahd. die ursprünglich (so got.) getrennten typen der adjectivabstracta auf -īn- und der verbalabstracta auf -in̄i- vollständig zusammengefallen. pluralischer gebrauch tritt hier vergleichsweise hinter singularischem zurück. lexikalisch selten verzeichnet, doch s. noch würde ... reverentia, cultus, observantia Stieler stammb. (1691) 2508.
a)
im ahd. mit verhältnismäszig breitem ansatz in frühen und späteren glossen: reuerentia uuirthi (K), uuirdi (Ra) ahd. gl. 1, 240, 28 St.-S.; (debitam reuerentiam) de (ge)scolotun irdi (= virdi) (9. jh.) ebda 2, 150, 17. hierher auch, im sinne von 'auszeichnung, anerkennung': priuilegium suntriktóm vel suntrik uuirdi (10. jh.) ebda 2, 328, 24 und, in umfassenderer bedeutung, religio werdi (12. jh.) ebda 4, 217, 29. dann im religiösen und höfischen bereich in mehrfacher beziehung, bes. im mhd. auch die vorstellung des aufwandes, etwa dem gast gegenüber, einschlieszend:
sî buten deme gaste
volleclichen vaste
alsô grôz êre ...
dâ was mit volleclîcher kraft
wirde unde wirtschaft
Hartmann v. Aue Iwein 6554 Ben.;
sibenstunt an dem tage sol
dir lop von mir erklingen:
diu wirde zimt dir, herre, wol
lobges. a. Maria 54, 11 in: zs. f. dt. alt. 4, 533;
do beliben si (die ritter) des nahtes   bî in (den jungfrauen) ûf dem sê.
diu ungewonheite   tete den kinden wê.
hæten siz vür wirde (hätten sie darin eine auszeichnung erblickt),   sô diuhten si mich wîse
Kudrun 116, 3 M.;
formelhaft:
und swaz er zuo dem male
zir wirde und zir eren
siner koste mohte keren,
da hæte er spate unde vruo
als inneclichen willen zuo
Gottfried v. Straszburg Tristan 5733 R.;
czu eren würden und frommen dem allerdurchleuchtigsten fursten und herren hern Wenczlar (1402) lehns- u. besitzurk. Schles. 1, 19 Grünh.-M.;
eür yeder mir den (groschen) morgen opffer
czu einer besunderen wierde
und eüch zu ewiger zierde
pfarrer v. Kalenberg 30 ndr.
mit würde(n) etwas tun, nicht 'in würdiger weise', sondern 'mit auszeichnung, ehrerbietig, andächtig':
daz sîn mit wirde næmen war (ihn ehrenvoll behandelten)
al die frouwen wol gevar
Wolfram v. Eschenbach Parzival 599, 29;
gegen deme reinen kinde (Christus)
viel er mit grozer werde
langes hin vf die erde
vnd bete in an als im gezam
pass. 38, 81 Hahn; vgl. 53, 50; 297, 41;
man muoz in (den edelstein) tragen gar mit wirden (cum omni reverentia) Konrad v. Megenberg b. d. nat. 468, 36 Pf.; da enpfieng Marcianus vnsers herren leichnam mit andacht vnd mit grosser wird d. heyligen leben summerteil (1472) 4ᵇ; wurd er also empfangen mit grosser ehre unnd würden, ein yeder nach sinem stand V. Schumann nachtbüchl. 314 B.;
o jhr dünnen wolcken fliehet,
haltet jhren (der sonne) gang nicht auff,
jenem solches liecht entziehet,
der nicht achtet jhren lauff.
der mit rechten würden nicht,
recht beehret solches liecht
Venusgärtlein 209 ndr.
b)
fest in den besonders mhd. verbalverbindungen würde (ent)bieten, tun u. ä. für die verschiedenen formen der ehrung in wort, gebärde und behandlung:
diu edele küniginne hêre
enbiutet dir wirde unde êre
Münchener Oswald 1370 Baesecke;
man schancte im unde pflac sîn sô, ...
man bôt im wirde und êre
Wolfram v. Eschenbach Parzival 228, 27;
danket mir Dârîus
der grozen wirde die ich hân
sînen vrouwen getân,
daz tuot er vil gar âne nôt.
mîn zuht den willen mir gebôt
Rudolf v. Ems Alexander 11 503 Junk;
dornach küssen sie dann den prieff (den geleitbrief des sultans) und entpieten dann dem gast grosz ere und wird Schiltberger reiseb. 69 lit. ver.;
und was uns nützlich ist, dem tun wir würden an
P. Fleming dt. ged. 126 lit. ver.;
ă sácki mehl, ă wenigs brot;
hánd laută schlechte brockă ̃.
es îs zwar wahr, mit unserm g'schenk
g'schiat enk ă schlechte würden (dem Jesuskind von den hirten)
(salzburg. anf. 17. jhs.) volksschausp. 96 Hartmann.
B.
in der bedeutung 'verdienst' und in der kennzeichnung dessen, was jmd. oder eine sache verdient, was ihnen angemessen ist, d. h. im eigentlichen anwendungsbereich von lat. meritum, schlägt würde früh und kräftig wurzel; aber schon bald engt sich die anwendung auf wenige formeln, praktisch auf eine einzige ein, die nhd. zwar sehr gebräuchlich ist, über die mitte des 19. jhs. aber nicht fortzuleben scheint. der gebrauch nähert sich der bedeutung 'wert' (s. C), ohne sie doch ganz zu erreichen.
1)
selbständige und freie anwendung kennt nur das ahd., im sinne von 'verdienst, guttat' in religiöser und moralischer beziehung:
mit sines selbes wirdin   irlosta (Christus) unsih thera burdin (der bösen taten)
Otfrid IV 25, 12 Erdm.-Schr.;
also an dirro diffinitione skînet taz nobilitas ist chomen lob fone dero forderôn uuirden (... ueniens de meritis parentum) Notker 1, 159, 10 P.; vgl. 767, 16; 2, 323, 10; sunda sint dîn, uuirde sint gotis (tva peccata svnt, merita dei svnt) ebda 2, 280, 10 gl. P.; vgl. 330, 25. der gebrauch bricht früh ab. ein scheinbar hierher gehöriger singulärer fall wie der folgende steht wohl in analogie zu ohne verdienst und würdigkeit (s. würdigkeit 4 b β):
ohne würden und verdienst,
nur weil es das glück gewollt hat
Rückert ges. poet. w. (1867) 1, 626.
2)
auch die neigung zu präpositionalen formeln tritt schon ahd. hervor; in ihnen hat würde selbst, als blosze umschreibung eines angemessenseins, neutralen wert und empfängt erst durch seine jeweilige beziehung positiven oder (seltener) negativen sinn.
a)
zunächst in der form noch schwankend:
wir warun io firlorane joh suntono biladane,
druagun bi unsen wirdin thero ummezlicha burdin
Otfrid IV 5, 12 Erdm.-Schr.;
âne mîne uuirde skeinda er (gott) mir sunderlicha genâda Notker 2, 637, 22 P.;
frouwe, sît irs uns bereit,
Obylôt wil bezzer kleit.
si dunket si's mit wirde wert,
sît sô werder man ir minne gert
Wolfram v. Eschenbach Parzival 374, 17.
b)
fest wird die verbindung nach würden, durchgehend in der beziehung auf verben: jmd. oder etwas so behandeln, wie sie es verdienen und wie es angemessen ist; ganz im hauptanwendungsgebiet des wortes würdig (s. d. A, bes. 6). mhd. noch in singularischer form:
dêswâr mirn ist nâch werde niht gelungen.
hêt ich nâch gote ie halb sô vil gerungen (wie um die geliebte),
er nême mich hin zim ê mîner tage
Heinrich v. Morungen in: minnes. frühl. 136, 22 Kr.
auch nhd. begegnet sie noch, z. b. nach der würd rühmen bei Fischer-Tümpel ev. kirchenl. 2, 156; solche geschichte ihrer würde nach zubeschreiben Chemnitz schwed. krieg 1 (1648) widm. s. 4; (einen brief) nach verdienst und würde beantworten Lichtenberg br. 2, 81 L.-Sch. meist in positiv wertender beziehung 'gebührend, angemessen, ausreichend' und mit der neigung zu verben bestimmter bedeutung: der allmechtige herr, hat sie (seine werke) zu gros gemacht, vnd alle ding sind zu gros nach wirden zu loben Jes. Sir. 42, 17;
das man es für dem jüngsten tag
nach wirden nicht beschreiben mag
Ringwaldt christl. warn. (1596) B 7ᵇ;
o wer wird dieses stück nach würden preisen können!
Gryphius trauersp. 397 lit. ver.;
möchte mir ein lied gelingen,
sie nach würden zu besingen
Gottsched sprachk. (1748) 415;
(wir) schätzen das schöne talent der verfasser ... nach würden Göthe I 48, 121 W.; vgl. IV 10, 172; 28, 342; 39, 222; um noch vor dem schlafengehen einen brief an dich abzuschicken, was du mir hoffentlich nach würden danken wirst Pückler briefw. (1873) 2, 195. doppelgliedrig: dasz die leistungen Mozarts weder ihrer künstlerischen bedeutung noch dem gewinne ... gemäsz nach verdienst und würden honorirt worden sind O. Jahn Mozart (1856) 3, 227. in gewissen verbindungen ist einflusz von würde A her möglich, so dasz man die formel auch oder zugleich im sinne von 'dem rang, dem ansehen entsprechend, standesgemäsz' auffassen kann: lieben herrn (zwei junge mönche), ihr kommet ietzund in ein kalte kuchen, ich weisz euch nit nach wirden zu tractieren Kirchhof wendunmuth 1, 492 Ö.;
den angelangten gast (den preuszischen könig) nach würden zu begrüssen
König ged. (1745) 211;
doch besuchen ihn manchmal dergleichen heilige, götter und abgötter, die denn auch nach würden ihre verehrung finden Göthe IV 29, 8 W. nur vereinzelt in die eigentliche wertvorstellung einbiegend, 'nach wert':
fanden dich einsam bei schafen oder bei rindern
räuber, und schleppten dich fort zu den schiffen, und boten im hause
dieses mannes dich feil, der dich nach würden bezahlte? (ὁ δ' ἄξιον ὦνον ἔδωκεν)
J. H. Voss Odyssee 283 Bernays.
die beziehung auf negativ gewerteten zusammenhang ist möglich, tritt aber ganz zurück: maynestu auch das ich lesterwort ausgöbe, wenn ich diese untrew und betrieg, nach ihrer wirde mit geburenden wortten handelte? Bugenhagen mainung v. d. sacrament (1523) A 2ᵇ;
wo Chach das recht lässt schlaffen
und nicht disz mordstück eilt nach würden abzustraffen
Gryphius trauersp. 247 lit. ver.;
heraus bube! damit ich dich nach würden züchtigen kann Schiller 14, 184 anm. G.
C.
im vorstellungsbereich des wert seins, der werthaftigkeit und werthaltigkeit tritt würde in deutliche konkurrenz zum worte wert selber, wenn auch nicht so ausgeprägt, wie entsprechendes für das verhältnis der adjektiva würdig und wert gilt. von dem formelgebundenen gebrauch 2 b abgesehen, fast nur im sg. angewendet.
1)
würde benennt hier vor allem personale werte, und zwar die im wesen einer person selbst begründete oder bestimmten menschlichen eigenschaften oder leistungen eignende vortrefflichkeit, nicht aber, wie unter A 2, aus der umwelt zugesprochene äuszere ehre und geltung.
a)
mit bezug auf den ganzen menschen, vor allem vornhd., mit freilich nur schmalem frühmhd. ansatz im religiösen: heiligu moͮtir ... hilf mir umbe din sun. daz er dur dine wirdi und dur dine undirchunft mine sele und minin lichamin gireine geb. u. bened. v. Muri 552 in: denkm. dt. prosa d. 11. u. 12. jhs. Wilhelm. mhd. mit ausgesprochen höfischem bezug, wie in der vergleichbaren beziehung unter A 2 a α und wie dort hinter würdigkeit (s. d. 5 a) zurücktretend; für die im ritterlichen leben erworbene innere bewährung und die im minnedienst gewonnene steigerung des selbstwertes, in zusammenfassendem, nicht in spezifizierendem urteil:
hôhiu minne reizet unde machet
daz der muot nâch hôher wirde ûf swinget
Walther v. d. Vogelweide 47, 9 Kr.; vgl. 96, 2; 12; 15; 18.
in betont ethischem zusammenhang:
hazzen unde niden
daz muoz der biderbe liden:
der man der werdet al die vrist,
die wile und er geniten ist.
wirde unde nit diu zwei diu sint
reht alse ein muoter unde ir kint
Gottfried v. Straszburg Tristan 8399 R.;
ir fürsten, tugendet iwern sin mit reiner güete, ...
sît milte, fridebære, lât in wirde iuch schouwen:
sô lobent iuch die reinen süezen frouwen.
schame, triuwe, erbermde, zuht, die sult ir gerne tragen
nachklingend:
sie (eine frau) ist meister über all zucht,
von rechter art ein kiusch frucht.
sie ist aller wirde genoz,
recht tuon sie nie verdroz
meister Altswert 98 Holland-Keller.
die vollkommenheit äuszerer erscheinung einbeziehend:
an ir (Juno) sô ganziu wirde lac,
daz si gestalt nâch wunsche was
Konrad v. Würzburg troj. krieg 1196.
mhd. wirde kann von diesen personalen anwendungen her geradezu die höfische wertwelt (in ergänzender gegenüberstellung zur christlichen) als ganzes bezeichnen:
Franzoyser die besten
hânt ir (der geschichte von Willehalm) des die volge lân,
daz süezer rede wart nie getân
mit wirde und ouch mit wârheit (dem christlichen glaubensinhalt)
Wolfram v. Eschenbach Willehalm 5, 11.
im nhd. tritt diese allgemein wertende beziehung auf bestimmte einzelne menschen zurück, wofür mindestens in jüngerer sprache wohl der sehr viel spezifischere gebrauch D verantwortlich zu machen ist, doch vgl. noch: mit ir verweenten (vermeintlichen) geistlikeit vnd würdi Hedio chron. germ. (1530) vorr. 3ᵇ; graf Bückeburg ... ward mir durch zeitgenossen in aller seiner würde und wunderlichkeit bekannt Göthe I 41, 2, 112 W.; vgl. 46, 62.
b)
im engeren sinne einer auf schätzung und vergleich beruhenden wertbestimmung, hier nicht von einem einzelnen menschen, sondern von menschlichen gattungen, gemeinschaften und gruppen. die um die mitte des 18. jhs. sich sehr charakteristisch herausbildende beziehung auf den menschen schlechthin, die menschheit (s. u. D 1 a α) erscheint älter gelegentlich schon hier, wenn auch noch kaum im anschlusz an die von Pico della Mirandola so benannte, tiefer ansetzende dignitas hominis, die im deutschen sprachgebrauch jener zeit keine spuren zu hinterlassen scheint:
dirre grozin ere,
mit der got alse sere
das mensche hate geret (bei der schöpfung)
und mit wirde gemeret
sine werdekeit uber alle geschaft
Rudolf v. Ems weltchron. 342 Ehrism.;
dj wyerde menschlicher natür (specimen naturae) söll ausz der zyere, zaychen vnnd aygenschafft, eines aller pästen (vnnd nicht nach aynem gemaynen menschen) erkännet vnnd verstanden werdenn Schwarzenberg Cicero (1535) 47ᵃ; von würde vnd hochheit dess weiblichen geschlechts (es folgen beispiele weiblicher helden, gelehrter, künstler etc.) Guarinonius grewel (1610) 263; der gute officier ... sprach ohn end und ziel von der überwiegenden würde eines preuszischen soldaten ... dasz er mit drey mann drey tausend schlagen könnte Hippel lebensläufe (1778) 3, 2, 321. jüngere anwendungen ähnlicher art bleiben von der spezifischen bedeutung D nicht ganz unberührt: würde der frauen (gedichtüberschrift) Schiller 11, 32 G.;
wie frommte mir ein wohlverborgner ort! ...
da will ich (der frauen gegenüber schüchterne) verehren
die würde der frauen,
im geiste sie schauen,
im geiste verehren
Göthe I 2, 33 W.;
welche würde hat ein kind!
sprach das wort doch selbst die worte:
die nicht wie die kinder sind,
gehn nicht ein zur himmelspforte
Brentano ges. schr. (1852) 1, 165.
c)
sittlichen werten und eigenschaften oder geistigen schöpfungen und leistungen im sinne allgemein auszeichnender, nicht spezifisch charakterisierender wertung zugeordnet: ten du aber sahîst uuîsen, mahtîst tû den ahtôn unuuirdîgen êrhafti unde selbes sînes uuîstûomes? minime. nein du. inest enim uirtuti propria dignitas. tuged habet an iro selbûn eigene uuirde Notker 1, 146, 27 P.; die aposteln haben Abrahams glauben nicht so gepreiset und ausgestrichen nach seiner würde und grösze bei Luther tischr. 1, 474 W.; ein solcher, der die würde der wollthaten seines alten herren nicht beobachtet hat, wie wird er dir rechtschaffen dienen können? pers. baumgarten (1696) 25ᵇ Olearius;
in laster wandelt sich selbst tugend, falsch geübt,
wie ausführung auch wohl dem laster würde giebt (and vice sometime's by action dignified)
Shakespeare (1797) 1, 62.
vereinzelt geradezu prägnant 'innere ehre' in ausdrücklicher unterscheidung von ehre als äuszerer ehre:
die ehre (eines tugendlos gewordenen ritterlichen geschlechtes) wird zur schande,
die ohne würden ist. der hohn wächst mit dem stande
P. Fleming dt. ged. 136 lit. ver.
nur vereinzelt scheint würde, in der reihung mit anderen begriffen, selbst ein nicht näher zu bestimmender sittlicher wert: (Deutschland,) ein wohnhausz vnd herberg der ehren, tugend, würden, herrlichkeit, vnd der edlen vnschätzlichen freyheit Zinkgref apophthegm. (1628) vorr. **3. in gegenständlicherer beziehung auf geistige werte und lebensgüter: von dem gebrauch dieser meiner meistentheils geringen vnd schlechten arbeit (welche aber die würde der viel schönen texte ... nicht wenig zieret) Königsberger dichterkreis 69 ndr.;
der jüngling fühlt es selbst, er kennt der freundschaft würde,
ein leben ohne freund hält er für eine bürde
Giseke poet. w. (1767) 53.
bei Göthe innerhalb solcher beziehungen die in ihren gliedern tautologische verbindung wert und würde: jene schöne zeit, in welcher der jüngling den werth und die würde des vortrefflichsten, es sei erreichbar oder unerreichbar, in sich fühlt I 36, 319 W.; ich wüszte wirklich nicht was für ein stück von werth und würde man jetzt hier leidlich geben könnte ebda IV 12, 261; 37, 269; I 16, 240.
d)
würde als innewohnender wert scheint gelegentlich auch im sinne von 'wirksamkeit, wirkungskraft' aktiviert gedacht zu sein; vgl. ein ahd. an dero uuirde für merito mit der präpositionalfunktion 'dank, kraft' und folgendem genitiv: ter mennisko gote gelîchêr an dero uuirde sînero rationis (animal merito rationis diuinum) Notker 1, 94, 11 P.; die tugend ausz jrer wirde abwendet den muͦte des menschen, von wollust zuͦ groͤsserm guͦt A. v. Eyb spiegel (1511) A 3ᵇ; dasz ihm gott (nicht) von wegen desz verdiensts krafft und würde der gesprochenen wort desz gebots, hilff beweise Widmann Faust 54 lit. ver. vielleicht noch: das mark sollte endlich die wichtigste function verrichten, die weiblichen geschlechtstheile und eine zahlreiche nachkommenschaft hervorbringen. die zweifel, welche man gegen diese grosze würde des markes erregt, ... sind auch mir wichtig Göthe II 6, 87 W.
2)
in den bereich materieller güter und rechnerisch bestimmbarer werte, also in das eigentliche anwendungsgebiet des wortes wert, erfolgen von würde her nur schmale, zeitlich begrenzte einbrüche, anscheinend mehr innerhalb des (auch jung mundartlichen) nd. und des omd. als des wmd. und obd. sprachgebietes. in mnl. werde, f., fallen, wie in mnd. werde, f., würde und wert zusammen, vgl. Verwijs-Verdam 9, 2164, während nl. waarde sich auf die bedeutung 'wert' einengt und die übrigen bedeutungen des dt. wortes würde der bildung waardigheit (mnl. werdicheit, s. würdigkeit) vorbehält.
a)
als qualitätswert, auf gegenständliches bezogen. schon mhd.:
sîn schilt von manger zirde,
sîn kovertiur in wirde
was von rîchem gelfe erdâht
Ulrich v. Eschenbach Alexander 9388 Toischer; vgl. 8184; 19 986;
denn wo ... der geytz wanst hie gewar wird, das man seyne wahr haben mus odder der keuffer arm ist und seyn darff, da macht ers yhm nutz und theuer, da sihet er nicht auff die wirde der wahr odder auff den dienst seyner muhe und far Luther 15, 295 W.; alsdann ein jeglicher guldiger gang ..., wiewol wenig golds im gestein oder der erden gefunden wird, so vergleicht er sich doch der würde nach, mit anderen metallen, die sehr schwer vnnd gewichtig seindt Ph. Bech Agricolas bergwerckb. (1621) 80; in der würde, güte und gewehrschaft, wie solches (salz) von denen pfiesel- und stoszstetten herkommet (1615) bei Lori baier. bergr. (1764) 398; ein rubin ... von so grosser würde, dasz niemand denselben bezahlen können pers. baumgarten (1696) 10ᵃ Olearius. auf dieser linie wohl noch: die lage, die natürliche würde des königreichs Böhmen Göthe I 42, 1, 20 W.
b)
zur vorstellung eines qualitätswertes gehören wohl auch verbale formeln des 14. bis 17. jhs. wie in würde(n) (er-) halten, bleiben u. ä., die die schaffung und besonders die erhaltung eines wertbestandes umschreiben, allenfalls aber, zumal angesichts ihrer in den maszen von C ungewöhnlichen verbreitung, auch als bedeutungsvariante zu den unter A 2 c begegnenden gleichlautenden verbindungen verstanden werden können: (den hof) in guten würden vnd ehren also nach vns ligen lassen besehmet, ohn alle wustung vnd vrbaw (1333) bei Haltaus gl. (1758) 2138; weyl solch hufen in wirden gehalten und gantz kein retardat der zinsz hinderstellig sein Luther br. 8, 445 W.; empfienge diese hauszsteuwer, dasz sie es unverletzt bey guter wyrden wider überantworten zu seiner zeit ihren söhnen Fronsperger kriegsb. (1578) 3, 203ᵃ; alte wege vnd alte freunde, sol man in wirden halten Friedrich Wilhelm sprichwörterreg. (1577) A 1ᵃ; gassenmist ... der ist gering vnd helt kaum ein oder zwey jahr den acker in würden J. Coler hausbuch 3 (1617) 71; (die älpler) seint schuldig ... alles mülchgeschirr ... in gueten würden zu erhalten (1607) österr. weist. 4, 274; vgl. 216 u. ö.; im alter reiszt die äuszerste (schale) etwas auf, die darunter befindliche zähe schale hingegen bleibt in ihrer würde und befestigt den stamm Döbel jägerpract. (1754) 3, 21ᵃ; man sagt von einem gebäude, dasz es sich in baulichen würden befindet, wenn kein theil desselben baufällig ist Helfft wb. d. landbauk. (1836) 36. mundartlich noch lebendig, vgl. Schmeller-Fr. bair. 2, 992. auffallend ist die verbreitung dieser formeln in nd. mundart, wo sie neben dem hiersonst beheimateten werde, f., fast den einzigen gebrauch des hochdeutsch-schriftsprachlichen wortes würde darstellen, doch s. noch c ende; ob. A 2 c β: dat land kumd nu êrst recht wër in de würde dat't wat upbrengt Doornkaat-Koolman ostfries. 3, 582ᵃ; dat es ût sinen würden kuəmen 'ist abgenutzt, verdorben' Woeste westfäl. 330ᵇ; weiteres ebda und bei Mensing schlesw.-holst. 5, 754. hierher auch etwas ist unter aller würde 'unter aller kritik': der ackerboden ist hier unter aller würde Waldau nach d. natur (1850) 2, 222.
c)
sporadisch und in lebendigem gebrauch auf die zeit etwa von 1500—1700 beschränkt in der bedeutung 'preis, geschätzter wert', auf waren und handelsgüter bezogen, vgl. noch würde ... pretium Stieler stammb. (1691) 2508; wirde pretium ... dicitur etiam wert, quod idem Wachter gl. (1737) 1915: er hett auf heutigen tag wol umb 300 000 gulden kupfer an dreu oder vier orten ligen, davon er seydt dem jungsten kupfferkauff gar wenig verkauft hett, der hoffnung, er wolt das kupfer zu höhern wirden bringen, dann es je gewesen wär (1515) stud. z. Fugger-gesch. 3, 390 Jansen; ist aber an dem vieh etwas vnreines, so sol mans lösen nach seiner wirde, vnd drüber geben den fünfften, wil ers nicht lösen, so verkeuffe mans nach seiner wirde 3. Mose 27, 27; als den 1. sept. versetzten i. f. g. ein hutband vor 15 thlr., war seiner würden über 80 thlr. werth (1579) Schweinichen denkw. 220 Ö.; und bezahlt man sonst ordinaire bei der ausfuhr (schlesischer leinwand) 2 creutzer von jeden thaler ihrer würde Marperger beschr. d. hanffs u. flachs (1710) 77. noch mundartl. nd.: he hett mee̹hr för de kaat baden, as se an würden is 'wert ist' Mensing schlesw.-holst. 5, 754.
d)
ebenso begrenzt als bezeichnung für den metallgehalt oder den kurswert von münzen, vgl. noch: alloy der zusatz in der müntze, oder der halt und würde derselben Spanutius lex. (1720) 146: vortmer so schal men schriven an alle munte, dat wy willen slaan penninghe van VI vnde van III vnde hole penninghe, also dat nemant uppe de werde desser vorbenomeden munte sla (1420) bei Schiller-Lübben 5, 673ᵇ; anderer leutt geldt gilt nicht gelt, so sie doch eines korns, güte, wirde vnd schlages sind J. Agricola sprichw. (1534) F 3ᵃ; in der wirde und korne, wie die jetzige (münze) ist S. Grunau preusz. chron. 1, 744 Perlb.; vgl. Kantzow chron. v. Pommern 345 Gaebel. in übertragenem zusammenhang: kan doch ein yeglicher wol silbs ein eigen büchlin vol lieder zusamen bringen. und das unser fur sich alleine lassen ungemehret bleiben ... denn wir woltenn ia auch gerne unser müntze ynn yhrer wirde behalten, niemandt unuorgünnet fur sich eine bessere zu machen Luther 35, 476 W.; dasz die selbst erdichte verdienstwercklin seien die rechte reichsmünz, darmit man gott bezale ... und dasz Christus allein derjenige seie, der die pfenning gangbar vnd von würden machet Fischart binenkorb (1586) 102ᵃ.
e)
mathematisch fachsprachlich für den potenzwert in der potenzrechnung, entsprechend lat. dignitas bzw. potentia: die anfängliche zahl ist die stammzahl (numerus elevandus). die nach und nach entstehenden mehrzahlen sind die würden (potentiae, dignitates) der stammzahl. die stammzahl selbst wird für die erste würde (prima potentia) gerechnet Bürja gröszenlehre (1799) 27; vgl. 36.
D.
um die mitte des 18. jhs. und im zusammenhang mit geistesgeschichtlichen wandlungen, der aufklärung und dem idealismus, erfährt die bedeutungsgeschichte von würde insofern einen tiefen einschnitt, als das bis dahin verhältnismäszig unspezifische, im sinne von A äuszerlich rangbestimmende oder innerlich im sinne von C 1 unbestimmt auszeichnende und wertende wort mit sehr spezifischen inhalten aufgefüllt und durch sie vertieft wird. in diesem ganzen anwendungsbereich bleibt der plural ausgeschlossen.
1)
würde als wesen und gehalt wie als maszstab und innere norm des seins und handelns. der neue ton des wortes, vor allem den auf äuszeres gerichteten anwendungen unter A gegenüber, klingt in den bis 1800 verhältnismäszig häufigen verbindungen innere, sittliche, moralische, wahre würde deutlich durch, deren das wort später entraten kann. lexikalisch so freilich erst um die mitte des 19. jhs. erfaszt, vgl. Krünitz öcon. encycl. 240 (1857) 121; doch s. dazu noch unter 2.
a)
persönlich bezogen als jenes sein und jener habitus geistig und sittlich autonomer wesen, in denen sich ihr innerer wert ebenso kundtut wie ihr anrecht auf selbstachtung und auf achtung seitens der umwelt.
α)
im sprachgebrauch der aufklärung und ihres menschenbildes würde des menschen, der menschheit u. ä., auf die menschheit als gattung bezogen. zunächst als bezeichnung des hohen ranges und wertes, die dem menschen als vernunftbegabtem wesen in der stufenordnung der geschöpfe zukommen; vgl. frühe, ungewichtigere ansätze in dieser richtung oben C 1 b sowie Pico della Mirandolas oratio de dignitate hominis (um 1490) mit ihrer freilich anders begründeten konzeption:
zur seligkeit erschaffen, dem bilde gottes gleich,
betrat der erden könig, der mensch, sein neues reich,
mit tugend ausgerüstet, vollkommen ohne mängel,
an würd ein herr der schöpfung, an heiligkeit ein engel
Dusch verm. w. (1754) 100;
gegenwart gottes. würde der menschheit. thierischer greuel Lavater verm. schr. (1774) 2, 60; (es ist) ganz und gar gegen die würde der menschheit, wenn man ... annehmen wollte: der mensch hätte das singen von den vögeln gelernt, oder musik sey nachahmende kunst ... auch hier zeigt sich der mensch in der hohen würde, die ihm der schöpfer anschuf. die sieben töne liegen zwar auch in der kehle der vögel; aber was hat der mensch aus diesen sieben tönen gemacht! Schubart tonkunst (1806) 3. schon bald unter deutlicher prävalenz des sittlichen, so bei dem moralisten Gellert: dasz die wahre würde des menschen in der genauen beobachtung seiner pflichten bestehe (1767) s. schr. (1839) 10, 169; die tugend, als die wahre würde, ist und bleibt allezeit ein werk des aufgeklärten verstandes, allezeit ein werk des freyen willens ebda 171. durch Kant tiefer und nachhaltiger begründet, vor allem in der grundleg. z. metaphysik d. sitten (1785) und in der metaphysik d. sitten (1797) selbst, wo würde, im unterschied zu relativierend gemeintem preis, den absoluten inneren wert des menschen als eines personhaften, sittlich autonomen menschen benennt, mithin auch der menschheit als ganzer gattung, da ihre bestimmung eine sittliche ist, würde zugesprochen wird: also ist die sittlichkeit und die menschheit, sofern sie derselben fähig ist, dasjenige, was allein würde hat. geschicklichkeit und fleisz im arbeiten haben einen marktpreis; witz, lebhafte einbildungskraft und launen einen affectionspreis; dagegen treue im versprechen, wohlwollen aus grundsätzen, (nicht aus instinct,) haben einen inneren werth Kant w. (1838) 4, 60 Hart.; der mensch im system der natur ... ist ein wesen von geringer bedeutung, und hat mit den übrigen thieren, als erzeugnissen des bodens, einen gemeinen werth (pretium vulgare) ... allein der mensch als person betrachtet, d. i. als subject einer moralisch-praktischen vernunft, ist über allen preis erhaben; denn als solcher ... ist er ... als zweck an sich selbst zu schätzen, d. i. besitzt eine würde (einen absoluten inneren werth), wodurch er allen anderen vernünftigen weltwesen achtung für ihn abnöthigt ebda 5, 267; vgl. 301; es giebt privilegirte geister ..., die unbesudelt von der schlechtigkeit, die sie umgiebt, durch ihr beyspiel an die grösze und würde des menschen erinnern Klinger w. (1809) 4, 12; die moralische würde des menschen ebda 8, 148; ebenso enthält die sittengeschichte der völker stillschweigend die beste begründung einer höheren würde der menschheit (gegenüber dem tier) Peschel völkerk. (1874) 6; echte demut dagegen widerspricht weder der würde des menschen noch dem berechtigten stolz N. Hartmann ethik (1950) 433; jede tat, auch die folgenlose, setzt dem brutalen realismus der fakten die autonomie des menschlichen bewusztseins entgegen. darin bestätigen sich die würde des menschen und seine freiheit G. Blöcker d. neuen wirklichkeiten (1957) 271. seltener und jünger aus dieser noch allgemeinen bestimmung ins engere und spezifische gezogen, im sinne der selbstbeherrschung, selbstzucht und inneren freiheit: (die stoische ethik versucht,) ihn (den menschen) ... im höchsten grade der würde theilhaft zu machen, welche ihm, als vernünftigem wesen, im gegensatz des thieres zusteht (und kraft deren er über leid und schmerzen triumphieren soll) Schopenhauer w. 1, 139 Gr.; keinen besseren weg ... gaben die götter dem menschen, seine würde zu zeigen, als den der geduld Feuchtwanger d. falsche Nero (1947) 110. bei Schiller auch aus dem ästhetischen vermögen und der bestimmung zur kunst begründet:
der menschheit würde ist in eure (der künstler) hand gegeben
Schiller 6, 278 G.
in einer verbindung existentieller und ästhetischer aspekte: welch eine ungeheure erhöhung des begriffs von menschlicher würde bedeutet Dürers passion gegen die spieszbürgertragik des 15. jahrhunderts oder der leidende titan Grünewalds gegen den verschüchterten sanften menschenfreund Schongauers! Dehio gesch. d. dt. kunst 3 (1926) 14. auch in verbindungen wie würde des geistes, des lebens, der menschlichen natur bleibt der blick ganz allgemein auf wesen und bestimmung der menschlichen gattung gerichtet: der ursprünglichen würde des menschlichen geistes, der nicht sowol die spielwerke der kunst, als die hohen talente der kunstlosen natur bewundern sollte, ... angemessener Gerstenberg schlesw. lit.-br. 14 lit.-denkm.; wild verachtet er (der mensch) alles gesetz; lieblos entweiht er die würde seiner natur Fr. Schlegel pros. jugendschr. 1, 24 Minor; der mensch stellt seine geistige würde in conventionellen formen des anstands dar. er zeigt durch ein zurückhalten, ein ansichhalten und verhüllen, dasz er nicht blose natur ist Vischer aesthetik (1846) 1, 359. im spiel mit A: Nataliens doppelte würde des standes und des herzens Schiller br. 5, 15 Jonas.
β)
als innerer besitz eines einzelnen menschen, sein sittlicher wert. auch hier zunächst noch meist als allgemeine qualität: von seiner (Christi) menschlichen natur, von ihren liebenswürdigen eigenschaften, von der moralischen würde und hoheit derselben J. A. Cramer nord. aufseher (1758) 1, 456; was hat der held den eine thrähne auszer sich bringt an inner[er] würde für dem weibe voraus, das vor einer spinne auffährt Leisewitz Julius v. Tarent 74 lit.-denkm.; wenn du das in dir pflegst, was geistig adelig ist, deine würde, deine güte, offenheit, den mut zur wahrheit Musil d. mann o. eigenschaften (1931) 871. bestimmter und spezifischer für eine durch selbstzucht und selbstbeherrschung geprägte innere haltung: die würde des christen im schmerz, sein muth im tode, sind (in Klopstocks Messias) mit farben geschildert, die dem himmel abgeborgt zu seyn scheinen (1769) Schubart br. in: D. Fr. Strausz ges. schr. (1876) 8, 142; die ruhige, in sich gefaszte würde einer tüchtigen persönlichkeit O. Ludwig ges. schr. (1891) 1, 200; (Gunthers) bruder ist heftiger, und seine kampflust nicht gebändigt durch würde Scherer lit.-gesch. 123. gelegentlich auch auf bestimmte einzeltugenden bezogen, deren besitz würde verleiht: ich hab auch eine würde, die würde der ehrlichkeit und des fleiszes Nestroy ges. w. (1890) 2, 280; die reinlichkeit ist die letzte würde des menschen, die ihm übrig bleibt, wenn alles verloren ist Werfel Bernadette (1948) 73; zugleich (war) mit dem bewusztsein der schuld die würde der sühnebereitschaft verbunden Zillich d. urlaub (1933) 32.
γ)
in der vorstellung einer der gattung wie dem individuum zugesprochenen würde tritt von anfang an (und mehr oder weniger schon unter α, β spürbar) ein moment hervor, das den jungen gebrauch des wortes in den verschiedensten zusammenhängen immer spezifischer bestimmt: würde als eigenschaft und innerer besitz ist zugleich verbindliche norm des handelns, und in dieser eigenschaft voraussetzung der persönlichen selbstachtung, des selbstgefühls, der persönlichkeit überhaupt: daraus, dasz wir einer solchen inneren gesetzgebung fähig sind, dasz der (physische) mensch den (moralischen) menschen in seiner eigenen person zu verehren sich gedrungen fühlt, (folgt) ... erhebung und die höchste selbstschätzung, als gefühl seines inneren werths (valor), nach welchem er für keinen preis (pretium) feil ist, und eine unverlierbare würde (dignitas interna) besitzt, die ihm achtung (reverentia) gegen sich selbst einflöszt (1797) Kant w. (1838) 5, 269 Hart.; vgl. 297; 438. sprachlich findet dieser wichtige aspekt seinen deutlichen niederschlag.
αα)
in verbindungen wie gefühl, bewusztsein der würde: der ... Spanier zeigt in seinem öffentlichen und privatbetragen eine gewisse feierlichkeit, und selbst der bauer gegen obere, denen er auch auf gesetzliche art gehorsam ist, ein bewusztsein seiner würde Kant w. (1838) 10, 355 Hart.; inniges bewusztseyn ihrer selbst, ihrer kräfte und ihrer würde, giebt dann auch jeder unverdorbenen seele, in dieser unruhe, die edelste richtung Zimmermann üb. d. einsamkeit (1784) 3, 148; nur fehlt ihnen (den Tirolern) ganz und gar das gefühl von der würde der persönlichkeit. der Tiroler hat eine sorte von lächelndem humoristischen servilismus ... sie geben ihre persönlichkeit preis, ihre nationalität H. Heine s. w. 3, 236 Elster.
ββ)
prägnant in der bedeutung 'selbstgefühl, gefühl des selbstwertes, selbstachtung', d. h. gefühl und bewusztsein dessen, was man sich schuldig ist, was man tun musz bzw. nicht tun darf, wenn man seinen wert als person nicht mindern oder einbüszen will: ich habe allzeit gesundes und reinliches gesinde ... durch die achtung gebe ich ihnen eine würde, welche sie zur rechtschaffenheit leitet (1766) J. Möser s. w. (1842) 1, 132; hier (in meiner brust) fühle ich etwas, das sich regt, das mir sagt: Rameau, das thust du nicht. es musz doch eine gewisse würde mit der menschlichen natur innig verknüpft sein, die niemand ersticken kann Göthe I 45, 29 W.; vgl. 67; in demselben augenblicke legte ich mir das gelübde ab, mein selbstgefühl, möcht es auch für alle liebe gekränkt werden, zu beherrschen, keine würde gegen dich geltend zu machen Bettine in: Pückler briefw. (1873) 1, 126; er (der fahrende schüler) kennt keine persönliche würde; er ist ein unverbesserlicher sünder Scherer lit.-gesch. 74. seltener auszerhalb des ethischen: eben darin besteht die pflicht, das verdienst, die würde des echten künstlers, dasz er das kunstfach in welchem er arbeitet, von andern abzusondern, jede kunst und kunstart auf sich selbst zu stellen ... wisse Göthe I 47, 22 W.
γγ)
deutlich in verbalen verbindungen, die bewahrung, bedrohung oder verlust der würde als dessen, was man sich schuldig ist und worin die innere ehre gründet, umschreiben (mit anderem ausgangspunkt s. δ ββ). auf das persönliche im weiteren wie auf das sittliche im engeren sinne bezogen: ein mann, der über seine würde hält, nicht negotiirt, sondern befiehlt, kan sich der mühe überheben, die weibliche politik zu ergründen ... meine frau kennt ihre pflichten, und argwohnt nicht, dasz es ein recht in der welt giebt (1778) dt. erzähler d. 18. jhs. 9 Fürst; (Selicour:) an dem fremden hofe, wo er (der gesandte) sich aufhält, suche er sich beliebt zu machen. (Narbonne:) ja! aber ohne seiner würde etwas zu vergeben. er behaupte die ehre des staats, den er vorstellt, und erwerbe ihm achtung durch sein betragen Schiller 14, 208 G.; glaubt nun einer, es schade seiner würde, er tue etwas gemeines, wenn er nicht stillschweige, so preis ich ihn seelig, blosz weil ers glaubt W. Grimm an Savigny 108 Schoof; ich halte und schätze die mamsell Hornborstel für eine höchst respektable und ingenieuse person, welche ihrer würde niemalen etwas vergeben haben kann, und welche noch heute sich nicht das mindeste bieten läszt W. Raabe s. w. I 6, 378 Klemm;
ein jedes wort von euch beleidigt mich,
und eure blicke kränken meine würde
Schnitzler d. grüne kakadu (1899) 16;
fuszfälle, schwüre, inständige bitten und sklavisches wesen, solche gereichten dem liebenden nicht zur schande, sondern er erntete vielmehr noch lob dafür. so war des betörten denkweise bestimmt, so suchte er sich zu stützen, seine würde zu wahren Th. Mann d. tod in Venedig (1954) 48; dem edlen ist das unbedenkliche eintreten für ehre und würde der fremden person genau so selbstverständlich wie für die eigene N. Hartmann ethik (1950) 364.
δδ)
speziell unter der würde sein, unter der würde halten von dem, was mit dem gefühl der persönlichen, geistigen und sittlichen selbstachtung nicht für vereinbar gehalten wird (von anderem ansatzpunkt her unter δ γγ): diese arbeit (eine übersetzung des Apollonius) ist eben so wenig über ihre (Chr. G. Heynes) kräfte, als unter ihrer würde (1764) Lessing 17, 211 L.-M.; die frauen haben eine gewisse zurückhaltung aus bescheidenheit, die ihre gröszte zierde ist ... sie können das äuszerste dulden, ehe sie diesen stolz beseitigen, sie finden es unter ihrer würde, einem manne zu zeigen wie sehr sie an ihm hängen Göthe I 9, 160 W.; es ist unter meiner würde, mich über solche kanaille zu alteriren Hauff pros. u. poet. w. 9, 83 Hempel. gern in kritisierendem, ironisierendem ton: dasz alle institute zur beförderung der schönen literatur und kunst wenig eingang bei männern finden, die es unter der würde eines mannes halten, sich laut für etwas in diesem fache zu erklären Schiller br. 1, 189 Jonas; es gibt kluge leute, welche es unter ihrer würde halten, an inspirationen zu glauben W. Raabe s. w. I 6, 10 Klemm; (bereits avancierte zeitungsschreiber durften nicht) nach brocken (artikeln) schnappen, die bereits unter ihrer würde lagen Doderer d. dämonen (1956) 334.
δ)
unter dem aspekt der selbstachtung erfolgt eine erneute, aber spürbar vertiefte annäherung an die alte bedeutung 'äuszere ehre': ehre in diesem sinne tritt nun nicht nur vor der umwelt, sondern auch vor sich selbst mit dem anspruch einer fordernden instanz auf.
αα)
in der beziehung auf menschliche gemeinschaften und auf institutionen und funktionen, die an personen gebunden sind: welche edle nation läszt sich theilen? die spanische, damals noch ganz im gefühl ihrer stärke und würde, ertrug den gedanken nicht Herder 23, 26 S.;
so lang ich das commando führe, werde
ich seine würde zu erhalten wissen
Immermann w. 17, 99 H.;
eine majorität ..., welche der wichtigkeit des gegenstandes, dem ansehen des landes nach auszen und der würde dieses hauses entspricht Moltke ges. schr. u. denkw. (1892) 7, 119; es war, als ob jeder von ihnen (den klerikern) die verletzte würde der römischen kirche zur schau trüge vor dem versammelten laienvolke A. Sperl söhne d. herrn Budiwoj (1927) 385; am nächsten morgen im lehrerzimmer sprach der taube professor zu Unrat einige beschwörende worte über die würde des erzieherstandes H. Mann d. blaue engel (1950) 130; ihr gelöbnis, die würde des ordens, die gottesliebe, ihre ganze berufung standen zwischen ihr und mir Carossa d. tag d. j. arztes (1955) 67.
ββ)
in entsprechenden verbindungen wie unter γ γγ, die wahrung oder kränkung der persönlichen ehre umschreiben; ernsthaft oder, unter dem gesichtspunkt falscher, übertriebener selbstachtung, ironisch: sie fühlte sich durch diese anrede in ihrer elfjährigen würde gekränkt Storm s. w. (1898) 3, 71; seine würde war verletzt, das allgemeine gelächter schnitt ihm durch die seele, ob er sich gleich durch einen tapfern juchheschrei wieder in den gang zu bringen suchte A. v. Droste-Hülshoff ges. schr. 2 (1878) 295;
nicht frommt es, einem wohlgesinnten mann
durch rauhen grusz die würde zu versehren
G. Freytag ges. w. (1886) 3, 126;
die bedienung war ... säumig, was ihn (den förster), weil er eine verkennung seiner wichtigkeit und würde darin erblickte, sofort heftig ärgerte Fontane ges. w. (1905) I 6, 15.
γγ)
wie oben γ δδ unter der würde sein, unter der würde halten, hier aber, statt an sittlichen, an maszstäben des ranges, der äuszeren stellung, des öffentlichen ansehens gemessen; in den für αα und ββ geltenden beziehungen: bisweilen wird auf den landtagen ein polizeygericht niedergesetzt. dieses geschieht, wenn fälle vorkommen, die zu entscheiden unter der würde der republik wäre Klopstock gelehrtenrepubl. (1774) 27; (dies) sind einmischungen der obrigkeitlichen gewalt, die unter ihrer würde sind; weil sie sich dabei, als einem schulgezänke, auf den fusz der gleichheit mit ihren unterthanen einläszt (1797) Kant w. (1838) 5, 162 Hart.; jung und alt sollte es (das schlittschuhlaufen) treiben und nicht unter seiner würde halten Fr. L. Jahn w. 2, 9 Euler; wenn sie mich (der baron den schulmeister) näher zu beobachten nicht unter ihrer würde gehalten hätten Immermann w. 2, 114 H.; (der unbemittelte offizier) kommt in verbindungen, die unter seiner würde sind und vernachlässigt sich im dienst Meinecke Boyen (1896) 1, 69. leicht ironisierend: welcher (der professor) es nicht unter seiner würde hielt, mit der verwandtschaft seines lieblingsschülers eine strecke weit zu gehen W. Raabe d. hungerpastor (1864) 1, 169; Ernestine hatte sich geweigert, die grube hinter dem hause auszuschöpfen; diese art beschäftigung sei unter ihrer würde, erklärte sie Polenz Büttnerbauer (1895) 319.
b)
in sachlicher beziehung stark eingeschränkt und nur auf solche werte anwendbar, die durch den menschen als lebendiges wesen, seine inneren kräfte und empfindungen oder sein geistiges wirken bestimmt sind.
α)
rang und wert solcher erscheinungen benennend, die gewicht, bedeutung und bedeutsamkeit haben, die achtung verdienen und sie sich, im sinne von a γ; δ, gewissermaszen selber schuldig sind; insofern gegen die ähnlichen sachbeziehungen unter A 2 b und C 1 c deutlich abgehoben: (die philosophie ist) die wissenschaft von den letzten zwecken der menschlichen vernunft. dieser hohe begriff gibt der philosophie würde, d. i. einen absoluten werth (ca. 1765) Kant w. (1838) 1, 346 Hart.; der grosze begriff, dasz hier (im Hamlet) ein ganzes königliches haus durch innere verbrechen und ungeschicklichkeiten zu grunde geht, wird nicht in seiner ganzen würde dargestellt Göthe I 22, 164 W.; eine parteischrift, die alles ideale ins gemeine herabziehe und alle symbole ihres höhern sinnes entkleide. 'jede idee verliert, wenn sie real wird, ihre würde' derselbe, gespräche 5, 95 W. v. Biedermann; man hat aus dem mord die adelige tugend der tapferkeit machen können, aber es erscheint mir fraglich, ob mit dem (kaufmännischen) rechnen etwas ähnliches gelingen wird; es ist keine rechte güte darin, keine würde, keine tiefe natur, das geld macht alles zum begriff, es ist unangenehm rational Musil d. mann o. eigenschaften (1931) 868. geläufig in der verbindung mit abhängigem genitiv, der solche gröszen benennt, denen würde in diesem sinne wesensmäszig, als notwendiges merkmal zugehört. vorwiegend von den groszen wertgebieten des geistigen lebens: nichts könnte die würde und nutzbarkeit des geschmackes besser darthun, als diese seine verwandtschaft mit dem gewissen Ramler einleitg. (1759) 1, 254; eine solche unterweisung ist der würde der philosophie auf keine weise gemäsz Kant 3, 81 akad.; ein gefühl für die würde ... der wissenschaften ist in seine kleinsten und gröszesten aufsätze verbreitet Herder 17, 30 S.; das tief eingeprägte gefühl von der ursprünglichen würde der sprache und der rede Fr. Schlegel s. w. (1846) 1, 10; der mann miszfiel mir immer mehr und zuletzt muszte ich ihm ... das zeugnisz geben, dasz er noch keine ahnung von der würde der kunst habe R. Schumann ges. schr. (1854) 1, 249. geradezu 'eigenrang, eigenrecht': als er ..., ausgehend von dem sprichwort 'lügt wie ein genealogist' und mit humor und witz die würde seiner wissenschaft verteidigte W. Schäfer erz. schr. (1918) 2, 85. auch in der wertwelt des religiösen, des sittlichen und des menschlichen überhaupt: bey der würde des männlichen wortes (versichernd) Fessler Marc Aurel (1793) 2, 142; wer nicht gegen die würde der offenbahrung, der sieht wenigstens ein attentat gegen die menschenwürde darin (in der Darwinschen theorie) D. Fr. Strausz ges. schr. (1876) 6, 131; denn du sollst meine briefe nicht vor deiner braut verstecken müssen, dazu habe ich euch beide zu lieb und einen viel zu hohen begriff von der heiligkeit und tiefen würde der ehe A. v. Droste-Hülshoff br. 2, 187 Schulte-K.; die würde des gesetzes, auf die des kurfürsten handlungsweise basirt ist Hebbel w. 9, 44 Werner.
β)
würde eignet als unveräuszerliches, wenn auch verletzliches merkmal bestimmten lebensgebieten und erlebnisbereichen, deren atmosphäre im sinne des ernstes, der feierlichkeit, der erhabenheit und grösze geprägt ist. so namentlich im bereich der religion und des kultus, des todes und des totenfestes, der tragischen und der ernsten feier sowie des durch alter und geschichtlichen abstand ehrwürdigen: es ist nicht genug, eine strafbare entheiligung der verehrungswürdigen geheimnisse unseres glaubens mit einer guten absicht zu entschuldigen. nie war es mehr unsern zeiten nöthig, die religion in ihrer ganzen erhabenen würde zu zeigen Gerstenberg recensionen 15 lit.-denkm.; der choralgesang in den hallen des majestätischen münsters hat eine feierlichkeit, eine würde, die das kälteste herz erschüttert Schubart leben 2 (1793) 75;
dasz unsers haders wild ausbrechende
gewalt des festes (einer totenfeier) würde nicht verletze
Schiller 14, 70 G.;
die einfache würde der erhabenen trauerceremonie Cl. Brentano ges. schr. (1852) 5, 64;
edler seelen erhebung,
ernst und würde des alterthums (der antike)
J. H. Voss s. ged. (1802) 3, 200;
wenn er (Tell im drama) nun in einem sturme den geängstigten zuruft: fürchtet euch nicht, ich kann schwimmen ... wird er, wie überall, wo der charakter mit den verhältnissen in widerspruch steht, komisch erscheinen, und eine wirkung hervorbringen, die der ernsten würde der tragödie schädlich ist Börne ges. schr. (1829) 2, 57; die würde der orgel werde durch einen leidenschaftlichen ausdruck profaniert Töpfer lehrb. d. orgelbauk. (1855) 10;
sträuben sollen wir uns wider das eisenjoch,
dem der gewohnheit schmutz würde des alters lieh
mod. dichtercharaktere (1885) 203 Arent-C.-H.;
dem worte reich haftet etwas feierliches an, eine religiöse würde, die allen ihm nur teilweise synonymen ausdrücken fehlt Klemperer l. t. i. (1949) 124. hierher: etwas mit würde verrichten (s. auch oben A 3 a, unten 2 f) es geschieht so, wie es hoheit und bedeutung des gegenstandes verlangen, der vergleichbaren wendung nach würden gegenüber (s. B 2 b) in spezifizierender steigerung: hier sind doch auf keiner einzigen seite die groszen und trostvollen wahrheiten des evangelii mit der würde und anständigkeit, die ihnen gebührt, vorgetragen allg. dt. bibl. (1765) 1, 1, 226;
als Luthers fest, mit gläubiger schar,
im vorigen herbst gefeiert war,
dacht ich es brauche hundert jahr
um es mit würde zu erneuen
Göthe I 4, 24 W.;
dasz diese handlung (die wahlhandlung) mit kraft und würde begangen wird G. Keller ges. w. (1889) 4, 205.
γ)
in gleichen oder ähnlichen sachbeziehungen wie unter α und wie dort im sinne von 'gewicht, bedeutung, innerer oder geistiger rang', aber nun nicht mehr als notwendig zugehöriges, sondern als akzidentielles, von seinem gegenstand ablösbares merkmal gedacht, das den wert desselben erst konstituiert: es kann nicht fehlen, dasz der vers meinem Carlos sehr viel würde und glanz geben wird Schiller br. 1, 208 Jonas; das deutsche (wort) sinnbild hingegen ermangelt jener bedeutungsvollen würde (die dem wort 'symbol' eignet) gänzlich Creuzer symbolik (1810) 1, 75; modekomponisten ..., die umgekehrt mit plumpen operneffekten alle würde der kammer- und hausmusik ertöteten W. H. Riehl musik. charakterk. (1899) 1, 360. in ausdrücklicher steigerung gegenüber wert: indem sie (eine falsche ästhetik) worte und begriffe gebraucht, die auf einem andern felde werth, ja würde haben Grillparzer s. w. I 14, 166 Sauer. auch hier oft unter dem gesichtspunkt der geschuldeten achtung und der selbstachtung, die dann gleichsam in die dinge hineingedacht wird: das meiste wird darauf ankommen: was das trauerspiel für leidenschaften erregt. in seinen personen kann es alle mögliche leidenschaften wirken lassen, die sich zu der würde des stoffes schicken Lessing 17, 65 L.-M.; sie (eine weltkunde Cottas) erinnert mich an die Schubartische chronik und hat weder geschmack noch würde Göthe IV 13, 13 W.; der kunst ... ernst und würde ... zu verschaffen, darauf dringen wir derselbe I 48, 56; der Franzose (Chrétien) ist rücksichtslos in seinem darstellungstrieb. wo er scharf bezeichnen will, kennt er keine würde des gegenstandes (im gegensatz zu Hartmann v. Aue) Scherer lit.-gesch. 161.
2)
würde als ein in haltung, erscheinung, äuszerung und gebaren sichtbar und sinnfällig werdender ausdruck. zunächst und bis heute ganz vorwiegend als ausstrahlung einer inneren wesenhaftigkeit im sinne von 1, dann auch, mehrfach abgestuft, mit geringerer oder keiner rücksicht auf innere entsprechung, ja im gegensatz zu einer solchen, und dann auch abwertendem gebrauch ausgesetzt. meist in der beziehung auf personen, seltener, in einer art übertragung, auf sachliche gegebenheiten (s. unten g). der innerhalb von D, als ausdruck eines inneren, eher sekundäre gebrauch wird lexikalisch früher festgehalten als derjenige unter 1, bei Adelung vers. 5 (1786) 305 freilich noch ganz von dem alten gebrauch A her miszdeutet als 'die eigenschaft, da etwas den vorzügen der obern classen in der bürgerlichen gesellschaft gemäsz ist, hoher grad der anständigkeit', während Campe 5 (1811) 790ᵇ den soziologischen bezug zurücktreten läszt, ohne freilich die tieferen bezüge zu sehen.
a)
in Schillers abhandlung 'über anmuth und würde' (1793) tritt diese seite der wortbedeutung zwar nicht zum erstenmal, aber sehr nachhaltig hervor; hier in besonders tiefer und genauer entsprechung von psychischem und physischem, von vernünftig-sittlichem und dem von dort her geprägten körperlichen. die durch das thema gegebene spezifizierung des wortgebrauchs entspricht nicht durchaus Schillers sonstiger anwendung des wortes: beherrschung der triebe durch die moralische kraft ist geistesfreyheit, und würde heiszt ihr ausdruck in der erscheinung 10, 110 G.; die ruhe im leiden, als worinn die würde eigentlich besteht ... (wird) darstellung der intelligenz im menschen und ausdruck seiner moralischen freyheit ebda 112; so wie die anmuth der ausdruck einer schönen seele ist, so ist würde der ausdruck einer erhabenen gesinnung ebda 105; vgl. 122. die verbindung anmut und würde begegnet schon vor Schillers abhandlung, vgl. auch den Neumark-beleg unter g: sie (Susanna) voll anmuth und würde, stehend, mit edlem unwillen auf den lippen, mit einem groszen blick der verachtung in den reizenden augen J. G. Forster ansichten v. Niederrhein (1791) 1, 218. nachher wird sie schnell gängig, verliert aber von der in ihrer scharfen begrifflichen abgrenzung verborgenen spannung: dem mann gebührt, sagt man, würde (dignitas); dem weibe anmuth (venustas) (1800) Herder 22, 229 S.; dasz natürliche anmut und würde auch im geringsten kleide sich dem auge nicht verhüllen Hauff s. w. (1890) 1, 37; es war in ihr (seiner gelassenheit) soviel menschliche anmut wie männliche würde Flex ges. w. (1927) 1, 82.
b)
für ein äuszerlich wahrnehmbares verhalten und gebaren, das natürlicher ausdruck eines durch selbstzucht, selbstgefühl und selbstkontrolle bestimmten charakters ist, das hoheit ausstrahlt, abstand wahrt und achtung erzwingt; die rücksicht auf das, was jemand sich selber schuldig zu sein glaubt, spielt hier besonders deutlich mit: in ihrer gestalt und ihren gemälden, in ihrer rede und ihrem wandel, ist überall nur ein ton herschend; nämlich sanfte jungfräuliche würde Sturz schr. (1779) 1, 33;
beseligend war ihre nähe
und alle herzen wurden weit,
doch eine würde, eine höhe
entfernte die vertraulichkeit
Schiller 11, 197 G.; vgl. 1, 64;
ich suchte allerlei kunstgriffe mich ihr zu nähern, aber vergebens: sie hielt mich durch eine gewisse würde zurück, der ich nicht widerstehen konnte Göthe I 25, 1, 133 W.; vgl. 24, 343; die gefängniszwärter selbst waren über seinen stoischen muth betroffen — keine klage entschlüpfte seinem munde, und jedes verlangen, jede forderung war von einer würde begleitet, deren der freie mann am wenigsten dann vergessen darf, wenn ihn die sclaven in fesseln halten bei J. Kerner bilderb. (1849) 87; selbst in der äuszersten armut büszte diese art eine gewisse würde nicht ein Polenz Grabenhäger (1898) 1, 97. in dieser tieferen auffassung auch im anwendungsbereich A 1 b und im spiel mit der dort geltenden bedeutung: in seiner audienz bei dem papste behielt er alle würde eines deutschen protestantischen fürsten Eschenburg beispielsamml. (1788) 8, 2, 163; (auch in der knechtschaft) wahrt sie (Gudrun) ihre königliche würde. sie vollführt jeden befehl, aber sie tut es mit trotz. nie hört man sie lachen Scherer lit.-gesch. 136; vgl. 138. dort, wo nicht ein natürlich und frei ausströmendes gesamtverhalten, sondern, in äuszerlicherem sinne, eine bewuszt angenommene und situationsbezogene haltung gemeint ist, ist der besonders für d und e charakteristische abwertende ton nicht notwendig mitgegeben: ich liebte doch ein gewisses geseztes wesen, und bestrebte mich, im geselschaftlichen leben eine gewisse würde zu behaupten. er hingegen ... affektirte, ein mensch zu seyn, der sich um die ganze welt nicht bekümmerte und überall nur seiner laune folgte. er behandelte alles ... mit spott und schekerei K. F. Bahrdt gesch. s. lebens (1790) 2, 5; so ging er (Friedrich Mergel) gerade auf sein verkümmertes spiegelbild (seinen jämmerlichen schützling Johannes) zu, seinerseits mit einer haltung bewuszter würde und selbstständigkeit A. v. Droste-Hülshoff ges. schr. 2 (1878) 275; Martin, beide herren hatten es bemerkt, hatte den schutzwall seiner würde aufgegeben, liesz einen näher heran Feuchtwanger geschw. Oppermann (1948) 164; vgl. 166.
c)
für ein aus der körperlichen gesamterscheinung oder körperlichen einzelmerkmalen sichtbar ausstrahlendes. auch hier vorwiegend als zusammenklang von seelisch-geistigem und körperlichem empfunden: der einkleidung an sich selbst (in den 'renommisten' von Zacharias) fehlet nichts, als die würde und hoheit ihres körpers Dusch verm. krit. u. sat. schr. (1758) 15; obwohl seine züge die kennzeichen eines Mongolen trugen, so gab doch seine muntere seele seiner ganzen person ein leben und eine würde A. v. Haller Usong (1771) 8; auf seiner stirn lag eine imponierende würde E. T. A. Hoffmann s. w. 10, 45 Gr.; zwei märkische bauernmädchen, pfiffige frauen mit einer würde, die ihnen keineswegs blosz das gewand und die nonnenhaube verlieh, sondern ein selbstbewusztsein E. Langgässer märk. Argonautenf. (1950) 282; er konnte der vater all dieser lümmel sein, die jetzt vielleicht seine haare rissen, in sein altes bauerngesicht hineinspuckten, das seine würde selbst dann nicht verloren hatte, wenn er nicht mehr bei verstand zu sein schien A. Seghers d. siebte kreuz (1950) 73. daneben, aber seltener, für eine durch eine augenblickssituation bestimmte erscheinung ohne die entsprechende innere voraussetzung: er hatte nicht zeit gehabt, seine miene zu ruhe und würde zu befestigen Th. Mann d. tod in Venedig (1954) 44.
d)
wesensart und haltung bestimmter völker oder gewisser stände und berufe kennzeichnend: die Bamberger Maria ist 'griechischer' als die Reimser! in dieser spürt man schöne, volle römische würde W. Pinder d. Bamberger dom (1927) 69; ein paar coupés, aus denen verschiedene personen ausstiegen: zunächst ein alter geistlicher von besonderer würde Fontane ges. w. (1905) I 5, 107; Turgany aber ... fuhr in nachahmung richterlicher würde fort: so müssen wir denn zu den stärksten mitteln greifen derselbe, ges. rom u. nov. (1890) 7, 53. gerade hier bezeichnet das wort gern ein künstliches, übertrieben würdiges äuszeres gebaren, das durch falsche rücksicht auf stand und beruf oder durch selbstüberschätzung hervorgerufen wird, so dasz der eindruck des lächerlichen entsteht: X., jetzt magnificus, geht recht darauf aus, so magnific als möglich zu seyn und kann sich kaum rühren vor würde Solger nachgel. schr. (1826) 1, 169; 'ärztliche verordnung!' brummt der weise (professor) und lächelt herauf zu mir, so gut es würde und hypochondrie erlauben W. Raabe s. w. I 1, 5 Klemm; gegen alle soldatische würde langten in hastiger atemlosigkeit die beiden herren in der behausung des gouverneurs an ebda 6, 466; gegenstände, ... von denen ... Wille mit der etwas pastoralen würde sprach, die ihn nie verliesz Mühsam namen u. menschen (1949) 46; wie er (der schloszportier) da mit der ganzen würde seines reichgeschmückten bauches stand Renn adel im untergg. (1947) 25.
e)
am ehesten im anschlusz an d, wo er sich schon vorbereitet, begegnet vereinzelt ein prägnant abwertender gebrauch des wortes: bis endlich der alte Gundolskirchen, ein hausbackener Steiermärker, einer von denen, die mit reiterstiefeln zur welt kommen, an die stelle der ihr (der gräfin) angeborenen magyarischen grazie die deutsche würde vulgo schwerfälligkeit gesetzt habe Fontane ges. w. (1905) I 4, 142. während für prägnant abwertenden gebrauch sich das fremdwort gravität (s. dort 1 c) bedeutend anfälliger zeigt, bedarf es bei würde im übrigen ausdrücklicher beifügungen: aus der affectirten würde (wird) steife feierlichkeit und gravität Schiller 10, 123 G.; (man kann) oft in den cabineten der minister, und in den studierzimmern der gelehrten ... die falsche würde studieren ebda 124; gegen stockende pedanterei, kleinstädtisches wesen, kümmerliche äuszere sitte, beschränkte kritik, falsche sprödigkeit, platte behaglichkeit, anmaszliche würde Göthe I 36, 322 W.
f)
an der hier wie an anderen stellen (s. ob. A 3 a; D 1 b β) geläufigen verbindung etwas mit (seltener in, ohne) würde tun ist die abgestufte wandlung im verhältnis von innerlich begründetem und äuszerlich wahrnehmbarem deutlich abzulesen. in der wendung etwas (schicksalhaft schweres) mit würde tragen liegt der ton noch ganz auf dem inneren des vorgangs: (die fürstin) trug ihr unglück mit würde, und wuszte sich über den verlust eines thrones durch die stillen freuden der einsamkeit zu trösten Zimmermann v. d. einsamkeit (1773) 29;
(ritter Paulet:) ihr wünschtet heut gewiszheit eures schicksals,
gewiszheit bringt euch seine herrlichkeit,
milord von Burleigh. tragt sie mit ergebung.
(Maria:) mit würde, hoff ich, die der unschuld ziemt
Schiller 12, 428 G. (Maria Stuart I 7);
dann erbarmte es den freiherrn Amadeus dieser stillen, fast lautlosen würde, mit der hier vor seinen augen ... die last eines schweren irrtums getragen zu werden schien E. Wiechert missa sine nomine (1950) 440. ähnlich: schwurst du darum bei allen heiligen des himmels, eher durch diese dolchspitze mit würde! der sohn, der erstgeborne Gherardescas! von hinnen zu scheiden, als dich unter die verbrecherische willkühr dieses verhasztesten aller tyrannen zu schmiegen? Gerstenberg Ugolino 255 H.; die antwort an Schönheider, welche mit wärme und würde geschrieben ist Lessing 18, 339 L.-M.;
zu jubeln ziemt nicht: kein triumf wird sein,
nur viele untergänge ohne würde
Stefan George d. neue reich (o. j.) 30.
oder das verhältnis von innen und auszen erscheint ausgewogen: noch steht der mann in der würde vor mir, die ihm die frömmigkeit gab Schubart leben 1 (1791) 53;
mit welcher würde stand er da vor mir,
indes der mantel seine strebende
gestalt mit mühe nur verbarg. es ist
was edles, wohlgefälliges in ihm
Platen w. 9, 257 H.;
(ein zudringlicher kellner:) 'mit einem wort, es ist mir beschieden, vor Werthers Lotte ...' 'dem wird wohl so sein, mein freund', entgegnete die hofrätin mit ruhiger würde Th. Mann Lotte (1946) 15. vor allem in der verbindung mit verben des sagens und sich bewegens wechselt der akzent deutlich auf das äuszere des vorgangs hinüber, um ein menschliches verhalten, je nach situation und zusammenhang, im sinne von 'feierlich, ernst, nachdrücklich, gemessen, zurückhaltend' zu charakterisieren: (der wahre redner) wird durch die richtigkeit des verstandes, die reinigkeit der rede und die würde, mit der er spricht, gefallen J. A. Cramer nord. aufseher (1758) 1, 37; der tragische dichter (umgibt) ... die festen umrisse seiner handelnden figuren mit einem lyrischen prachtgewebe, in welchem sich, als wie in einem weitgefalteten purpurgewand, die handelnden personen frei und edel mit einer gehaltenen würde und hoher ruhe bewegen Schiller 14, 9 G.; so oft er etwas rauschen hörte, setzte er sich in positur, um seinen gegner mit würde zu empfangen Göthe I 23, 7 W.; 'ich bin republikaner', erklärte er nicht ohne würde und kraft H. Mann mutter Maria (1927) 25. hier gern von den durch stand, beruf oder lebensalter gegebenen voraussetzungen aus: während er sich mit behaglicher würde in den etwas erhöhten präsidentensessel niederliesz Storm s. w. (1899) 4, 106; mit ehrerbietung trat er vor den unglücklichen general, der mit der würde seines standes und seines alters dastand Moltke ges. schr. u. denkw. (1892) 1, 69. würde bezeichnet auf dieser linie auch eine haltung, die abstand wahrt und befremdung auslöst: (äuserst stolz und mit würde) (bühnenanmerkung) Schiller 3, 77 G.; vgl. 1, 315;
zitternd dankt ihm Hildegunde
und der graf mit kühler würde
Fr. W. Weber Dreizehnlinden (1907) 98.
mit abwertendem tone dort, wo zwischen dem äuszeren gebaren und seinen inneren voraussetzungen ein miszverhältnis empfunden wird: der grosze theologe ... begann jetzt mit salbung und würde seine eigene meinung zu entwickeln Hauff pros. u. poet. w. 7, 39 H.; 'ich bin der letzte meines geschlechts', erwiderte der barbier nicht ohne würde G. Keller ges. w. (1889) 5, 69; 'machen se det wieder rin!' sie sprach es nachlässig, mit der ganzen würde, die das bewusztsein eines solchen brillanten gibt Cl. Viebig d. vor d. toren (1949) 99.
g)
nur in einer art von übertragung, namentlich von b und c her, kann auch nicht persönlichem würde als ausstrahlende eigenschaft zugesprochen werden. in diese richtung deuten bereits einige ins 17. jh. und noch zu C 1 c gehörige belege: aldieweil die teutsche sprache eine solche pracht, würde, bewegligkeit und liebliche art an sich hat Schottel haubtspr. (1663) 17; die teutsche sprache ist mit solcher majestät, würde und holdseeliger ahnmuth begabet Neumark fortgepfl. lustwald (1657) 1, ):( ):( 4ᵃ. deutlicher: in dieser verfassung musz alles in ihrem (der epopöe) munde eine hoheit, eine würde über seine natürliche beschaffenheit (hinaus) annehmen Ramler einleitg. (1758) 1, 190; die antike mäszigung und würde der sprache (in der 'braut von Messina') G. Schwab Schillers leben (1841) 594; die sinnliche anschaulichkeit dieser (symbolischen) handlungen ist es, was äuszerlich das recht in bestimmter gestalt festhält, und ihr ernst und ihre würde entspricht der bedeutsamkeit der rechtsverhältnisse selbst Savigny v. beruf uns. zeit (1814) 10. besonders die von bestimmten räumen und gebäuden ausstrahlende wirkung kennzeichnend, deutlich von c her, aber auch an das atmosphärische unter 1 b β erinnernd:
schaur umfaszt
und stille würde den palast
Gerstenberg ged. e. skalden 359 lit.-denkm.;
o! möge dieses raumes (des renovierten theaters) neue würde
die würdigsten (schauspieler) in unsre mitte ziehn
Schiller 12, 5 G.;
da bewahrte sie (die baukunst) gerade in den palastbauten eine vornehme und strenge würde Justi Winckelmann (1866) 1, 258; auch in der rohesten form hatte der steinbau einen unersetzlichen vorrang (gegenüber dem holzbau) in bezug auf sicherheit und monumentale würde Dehio kunsthist. aufs. (1914) 7. in vergleichbarer beziehung auf landschaftliches und auf natureindrücke:
der den mond in stiller würde,
der die sterne hiesz aufgehn
Schubart s. ged. (1825) 1, 50;
die krümmung der gewässer, das auf- und absteigen des erdreichs, eine üppige vegetation geben der stelle (an der ein monument steht) lieblichkeit und würde Göthe I 33, 9 W.; vgl. 24, 69; der graublaue schimmer des schiefers, der die dächer bekleidet, gibt ihr (der stadt Goslar) ein aussehen ernster würde Ric. Huch im alten reich (1927) 305.
E.
zusammensetzungen mit würde als erstem wortglied, seit dem mhd. belegt, erreichen erst im 18. und 19. jh., obwohl fast durchweg spontanbildungen, eine gewisse häufigkeit. den fügungen mit dem sg. würde-, die meist an den blosz singularisch möglichen jungen gebrauch würde D anschlieszen, stehen solche mit pluralischem würden- an zahl nur wenig nach; doppelformen bei ein und derselben bildung sind nicht selten. vereinzelt bleibt apokopiertes würd- vor vokalischem anlaut des zweiten wortgliedes, so in würdanmuth (1798) Caroline br. 1, 226 Waitz.
typen bilden sich im anschlusz an nur wenige bedeutungen des bestimmungswortes.
1)
die überwiegend mehrzahl der komposita gehört zu A 1 als bezeichnung für rang, amt, hohe stellung und funktion:
würdeabzeichen
Alten hdb. f. heer u. flotte (1909) 3, 173,
würdeband
würdenband Glasbrenner verb. lieder (1844) 130,
würdebezeichnung
würdenbezeichnung Fr. L. Jahn w. 1, 292 Euler,
würdefolge
würdenfolge Kluge Kortüm (1938) 113,
würdefolger
würdenfolger allg. dt. bibl. (1765) 86, 118,
würdegleich
Herder 25, 14 S.,
würdekram
würdenkram G. Freytag br. an A. v. Stosch 59 Helmholt,
würdekult
würdenkult Jentsch wandlungen 2 (1905) 61,
würdename
D. Fr. Strausz ges. schr. (1876) 3, 283; würdennahme Adelung lehrgebäude (1782) 2, 290,
würdepracht
würdenpracht Harsdörffer Diana (1646) 3, 240,
würdereihe
würdenreihe Simmel soziologie (1908) 744,
würdeschlepper
würdenschlepper Liliencron s. w. (1896) 9, 65,
würdeschmuck
W. Jordan in talar u. harnisch (1899) 35,
würdeschwer
(anders s. unten 3 b): würdenschwer Langheinrich an d. leben (1907) 65,
würdestand
wirdenstand Schütz hist. rer. pruss. (1592) 1, N 3ᵃ,
würdestelle
Göthe I 41, 2, 318 W.,
würdestufe
Raumer Hohenstaufen (1823) 6, 7.
2)
zu A 2 'ruf, ehre, ansehen, geltung', durchweg in vornhd. und älternhd. bildungen:
würdeblume
würdenbluhme E. Francisci traursaal (1665) 1, 171,
würdehaus
wirde hus (ehrenhaus?) Johann v. Würzburg Wilhelm v. Österreich 16 987 R.,
würdekrone
würdenkrone (von grauen haaren) Dannhawer cat.-milch (1657) 5, 1136,
würdeletze
wirdeletze (ehrberaubung) jüng. Titurel 5004 Hahn,
würdepreis
(dignitas) Stieler stammb. (1691) 1477,
würdeschein
wirde schin Johann v. Würzburg Wilhelm v. Österreich 3436 R.,
würdestrahl
ehren- sive würdestral (splendor dignitatis, apex honoris) Stieler stammb. (1691) 2186.
3)
im bereich D gibt es nur junge bildungen.
a)
von würde als innerem habitus her nur vereinzelt, zu D 1:
würdevergessend
Uhland ged. (1898) 2, 213,
würdeverletzend
J. Fr. Krug leben d. blind. Zacharias (1827) 20.
b)
häufiger in bildungen, die würde als ein in haltung, gebaren und erscheinung ausstrahlendes meinen, entspr. D 2:
würdeatmend
G. Keller ges. w. (1889) 5, 92,
würdebauer
Stehr heiligenhof (1918) 2, 34,
würdebewuszt
G. Falke ges. dicht. (1912) 2, 116,
würdeblick
Harries Thomsons jahreszeiten (1796) 30,
würdegebärde
Poppenberg maskenzüge (1912) 323,
würdegestalt
Rosegger wildlinge (1906) 255,
würdegreis
Weigand d. ew. scholle (1927) 586,
würdehaltung
würdenhaltung Th. Mann Lotte (1946) 435,
würdeschwer
(anders s. ob. 1) Kolbenheyer Paracelsus (1926) 3, 33,
würdestelzig
Poppenberg maskenzüge (1912) 328.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 13,14 (1960), Bd. XIV,II (1960), Sp. 2060, Z. 67.

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Zitationshilfe
„wurdestelzig“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/w%C3%BCrdestelzig>.

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