Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

weder

weder,
partikel, die auf das fragende und indefinite pronomen ahd. (h)wedar, welcher, einer von zweien (s. wederer), zurückgeht. sie tritt in drei bedeutungen im nhd. auf, die erste verschwindet aber frühzeitig, die dritte, die sich erst zu beginn der nhd. zeit entwickelt, liegt schriftsprachlich nur noch spurweise vor, die zweite ist nach wie vor gewöhnlich. neben weder (zuweilen zum zeichen der erhalten gebliebenen kürze wedder z. b. Luther 30, ii, 568. Agricola sprichw. A 6ᵇ) steht bei Mittel- und Norddeutschen früher wider und widder. dies tritt bis 1530 bei Luther auszerordentlich häufig auf. wird aber dann von ihm durch weder ersetzt (Franke schriftsprache Luthers² 1 § 48); auch wider (briefe 2, 298), wyder (werke 2, 111, 35), wieder (9, 510, 10) kommt früher bei ihm vor. diese formen begegnen auch sonst im 16. jahrh. (anfangs z. th. in nachahmung der Lutherschriften): widder urkundenb. der klöster d. grafschaft Mansfeld 378 (1535). Wicelius annotationes A 2ᵇ. Musculus hosenteufel 3. bergreihen 17, 20, auch Eberlin 3, 3 neudr.; wider urkundenb. der klöster d. grafschaft Mansfeld 496 (1519). Schade sat. 2, 261, 22. 3, 56, 6 u. ö. Alberus barfüszer Eulenspiegel (beitr. 41, 465). Quad v. Kinkelbach t. nation herligkeit 6, 63. Ruchamer newe weldte h 5ᵃ. Kantzow 63 Gäbel. Eyering 1, 100; wieder stadtrecht v. Arnstadt bei Michelsen 63. Krüger Clawerts hist. 46. die formen mit i werden beitr. 41, 474 aus vermischung mit hd. wider (wofür in der kursächs. kanzleisprache früher weder) erklärt, da aber für das schlesische des 17. jahrh. ein gesprochenes wider gesichert ist (bei Gryphius geliebte Dornrose 1. aufz. wider ende noch uffhüren, wider zohl noch schwantz, wider gehohn noch gestochen), ist eine md. form wider neben weder anzunehmen; vielleicht hat sich das urspr. ë über geschl. e, das die meisten grammatiker des 18. jahrh. angeben (Paul d. gramm. II § 53 anm. 1, beitr. 40, 258) in i verwandelt; wahrscheinlicher ist, dasz nach der auf ahd. hwedar zurückgehenden conjunction diu hwiduru u. ä. (bei Isidor dhiu hwedheru), thohwidaro (im Tatian), quatenus, quamquam, tamen Grimm 3, 187 eine alte nebenform mit i (zunächst bei u, iu der endung — hwedru ~ hwid(a)ru — entwickelt?) anzunehmen ist, die sich im md. erhalten hat.
I.
weder als fragewort. wie lat. utrum dient das neutr. des fragepronomens 'welcher von beiden' in den wgerm. sprachen zur einleitung von direkten und indirekten doppelfragen. so wird ahd. hwedar, asächs. hweđar, afries. hweder, hoder, hor, ags. hwäđer verwendet. im hd. hat sich weder in diesem gebrauch nur bis in die ersten jahrzehnte des 16. jahrh., bei der indirekten frage sogar nur bis ins 14. jahrh., erhalten. die wörterbücher von Dasypodius und Frisius-Maaler kennen weder als adv. 'utrum' noch.
1)
siluisti pudore an stupore? weder fore scamôn alde fore erchomeni? Notker 1, 16, 9 (Boethius 1, 6) Piper; weder chumet got here zuͦ der sele, odir diu sele hin uf ze gote? d. hohe lied 117, 29 Haupt;
nû weder habt ir disen muot
von iemannes gebote?
od welt irs lôn haben von gote?
od sult ir immer hinne sîn?
Hartm. v. Aue Erec 9439;
wedr ist eʒ übel, od ist eʒ guot,
daʒ ich mîn leit verhelen kan?
Walther 120, 25;
er dâhte: 'waʒ ist mir geschehen?
weder slâfe ich oder wache?'
K. v. Würzburg troj. krieg 14071;
weder hât in wîp oder man
her ab geworfen alsô schôn?
Enikel weltchr. 13840 Strauch;
weder pin ichs oder pin ichs nit?
fastnachtsp. 433, 16;
so welz in deim muot hin und her: weder geschiht daʒ oder niht? K. v. Megenberg 463, 27; weder sol er sy ansprechen für diep oder für rauber? Ruprecht v. Freysing rechtsbuch 270, 32 v. Maurer; sag an, weder ist es nacht oder tage? weisth. 1, 333 (Kirchzarter dingrodel 1395); weder sich ich ain gespenst oder ist es an im selbs? weder hab ich dich oder wirt ich betrogen im troume? N. v. Wyle translat. 52, 12 Keller; Xanthus ward betrübt von den worten und gedacht von erst in im selber: weder gand die in die aberwicz oder ich? Steinhöwel Äsop 61 Österley; weder ist es also oder nit? Diefenbach gl. 631ᶜ (gemma 1512); herre weder meinest du aber ein geistliches sterben ... ader ein lipliches sterben? der ewigen wiszheit betbüchlin (1518) 49ᵇ; weder sint bücher e gesin oder die lút die sie hont gmacht? Tengler layenspiegel (1518) C 6ᵇ; weder ist es eüwer schuld oder unsere? utrum ea vestra an nostra est culpa? Maaler 487ᵃ. in der einfachen direkten frage findet man weder nur im falle, dasz die zweite frage, deren bejahung man für selbstverständlich hält, unterdrückt ist, so auch mnd.: do antworde eme Pylatus: wer byn ick (bin ich denn) ein jode? quelle bei Schiller-Lübben 5, 646;
ier alte weib, ir seit so gael.
weder maincz, es find ainr sein minn auf ainem steg fael?
Sterzinger spiele 6, 245 Zingerle;
sy, weder mainst, er mug stecz rueben graben?
17, 279
(weder maintz auch 17, 518. 22, 104. 123. 196); weder sein der Moren nit vil mêr gewesen dan der Syrier, die ich dir ... übergeben hab? Aventin 4, 236, 10 Lexer.
2)
vorstentit von leru, wedar fon gote si odo ih fon mir selbomo spreche Tatian 104, 5; also man ze Romo streit, weder Cartago wâre diruenda alde newâre Notker 1, 66, 13 (Boethius 2, 11) Piper; daʒ ich muge bewêren, weder du sîgest mîn sun Esau alder niht Grieshaber predigten des 13. jahrh. 159;
ich ne weiʒ waʒ mir scillet inʒ ôre ...
ich ne weiʒ wederʒ ein ros oder ein lewe det.
Vorauer Alexander 289 Kinzel;
weder er lebte od wære tôt,
daʒ was in allen unbekant.
W. v. Gravenberg Wigalois 37, 16;
weder eʒ dô nôt alde übermuot
geschüefe, des enweiʒ ich niht.
G. v. Straszburg Tristan 340;
her sal durch recht segen, weder erʒ von gelobede schuldic sî oder von erbe Sachsenspiegel 3, 41, 4 Weiske; iʒ ne stet nicht an des richteris willin, sundir an des mannis cure die da vechtin sol, wedir er haben welle dru swert odir zwei odir ein Görlitzer landrecht cap. 45 § 5; weder he sêʒe oder stunde oder wes her begunde dô, des sagen do di êwangelisten nicht mystiker 1, 6, 14 (Herm. v. Fritslar). im nd. bleibt weder (wer, auch wor) auch in der indirekten frage gebräuchlich und findet sich noch jetzt in ndsächs. mundarten brem. wb. 5, 213 (ik weet nig, weer ik idt doon schall eer nig). Schambach 290ᵇ. ebenso nfries. weddar Johansen 91. im mnd. kommt es auch (wie schon asächs.) nicht selten im einfachen fragesatz vor: de borgher wert ghevraget, wor he bi siner klage blyven wolde Lüb. chr. bei Schiller-Lübben 5, 646; dat se ... besegen de torne, wer dat so were städtechr. 26, 389, 30 (1405). auch im nfries. von Sylt ist wer als 'ob' gebräuchlich Schmidt-Petersen 162ᵃ. engl. whether.
II.
weder als conjunction, correspondirend mit noch. zu grunde liegt hier neweder ahd. ni hwedar in der neutralen form 'keins von beiden', dem einen ist das zweite mit noch 'und nicht' angereiht, weder verdeutlicht ursprünglich nur die zusammengehörigkeit. Notker hat ne weder — noh schon häufig, doch ist bei ihm ne weder noch als pron. zu nehmen, da er darnach eine interpunction setzt, auch z. th. schon das erste mit noh anführt, z. b. ter ne zimberoe neweder, noh an dero hohi des perges, noh an demo grîeʒe des stades 1, 87, 9 (Boethius 2, 26) Piper. seit dem 11. jahrh. liegt neweder — noch als conj. vor (z. b. Willeram 35, 3. Exodus, fundgr. 2, 100, 28), häufiger mit abgefallenem ne blosz weder — noch; das seit dem 14. jahrh. allein üblich ist.
1)
im satze ist das verb. ursprünglich negirt (mir ensmecket weder luft noch sê G. v. Sraszburg Tristan 12013); auch später kann noch ein negatives wort den negativen sinn des weder — noch hervortreten lassen, doch ist es jetzt ungewöhnlich, dasz es der verbindung nachfolgt:
a)
vrô enwas dâ niemen,   weder wîp noch man.
Nibel. 1005, 2;
es ist niemand in der welt ohne angst und trübsal, weder könig noch bapst Joh. Arnd nachfolge Christi 30; 'und jetzt wird niemand den willen haben', sagte Anton bekümmert, 'weder uns zahlung zu leisten, noch deckung zu geben' Freytag 4, 407.
b)
der stein alsulhe herte hât,
daʒ er sich niht snîden lât
weder îsen noch den stâl.
H. v. Krolewiz vaterunser 1220;
(sie) lieszen nichts überigs von narung in Israel, weder schaf, noch ochsen, noch esel richter 6, 4; weder in seinem äuszern, noch in seiner conversation hatte er gar nichts von einem gelehrten Zimmermann über die einsamkeit 1, 80; an sich ist nichts weder gut noch böse (nothing either good or bad); das denken macht es erst dazu Shakespeare Hamlet 2, 2; denn man wuszte dazumal noch nichts, weder von dem namen noch von dem wesen des modernen traktätlein - konservatismus G. Keller 1, 15.
c)
weder ûf lant noch in dem mer
gesach ich rotte nie gevarn.
W. v. Eschenbach Parz. 663, 26;
ihr habt nie, weder seine stimme gehöret, noch seine gestalt gesehen Joh. 5, 37; gönner habe ich nie weder gehabt noch gesucht Strausz leben Jesu 3, XV.
d)
der tiuvel hât dekeinen muot
weder ûf lîp noch ûf guot.
Freidank 28, 8 Grimm;
er fünde allda kain pfärd, weder umb lon noch in ander weg Steinhöwel Äsop 41 Österley; es hat weder das gesetz, sünde, noch der tod uber diese unschüldige ewige person (Christus) ... kein gewalt gehabt Luther 36, 76, 30 Weim. ausg.
e)
diu brustwere darf aver niht sîn
weder horn noch stein.
Vorauer sündenklage 759 Waag;
ein wunderwerk ...
das weder frost, noch glut, noch trüber zeiten lauf
nicht könte reiszen hin.
Fleming 1, 44 Lappenberg;
du solt an deinem bruder nicht wuchern, weder mit geld noch mit speise 5. Mos. 23, 19; dasz sie sich ... weder offensive noch defensive nicht gebrauchen lassen Lünig reichsarchiv pars gen. 1, 411ᵃ (1570); in deme man aber weder den folgenden tag, noch auch über 14 tagen den alten nicht mehr ... wahrgenommen Abr. a S. Clara Judas (1687) 1, 376; kann ein verfasser in seiner jugend, in seiner kindheit nichts gemacht haben, was den werken seines reifen alters, weder an gedanken noch ausdruck, durchaus nicht ähnlich sieht? Lessing 8, 486; ich war ja damals ein unbedeutender jüngling, konnte mich weder als graf noch als baron einem berühmten manne nicht aufdringen Arndt wanderungen mit Stein 165.
f)
auch in den folgenden fällen schlieszt sich weder — noch an eine negative wendung an: swer der stat wachter und zirkker leidigt unverdient weder mit worten noch mit werchen Mühldorfer stadtrecht, städtechr. 15, 401, 32; (meine mutter) war ... ohne neigung weder für ihr haus noch für mich, ihr einziges kind Göthe 23, 46 Weim. ausg.; indem er sie an einen der reichsten und angesehensten männer ... verheirathete, ohne weder auf die untugenden seiner gemüthsart und sitten, noch auf den groszen abstand seiner jahre von den ihrigen ... rücksicht zu nehmen Wieland 27, 73; doch es verging eine woche und es verging mehr, ohne dasz weder diese entscheidung einlief noch auch das rechtserkenntnisz ... gefällt ward H. v. Kleist 3, 211 E. Schmidt; der jude, der an sich unfähig ist, weder durch seine äuszere erscheinung, noch durch seine sprache, am allerwenigsten aber durch seinen gesang, sich uns künstlerisch kundzugeben R. Wagner 5, 93.
g)
im frühnhd. tritt zuweilen eine negation in dem mit noch angereihten gliede ein:
ja weder du, noch keiner nit,
so dus dann äben wissen witt!
H. R. Manuel weinspiel 626 neudr.;
weder hohes noch tieffes noch keine andere creatur mag uns scheiden von der liebe gottes Luther Röm. 8, 38; das uns weder wellt, teuffel noch kein unglück schaden noch uberweltigen kan werke 28, 152, 20 Weim. ausg.
2)
auch wenn kein negatives wort im satz steht, haftet weder — noch ein negativer sinn an:
von diu suln die pfaffen weder gehîen noch brinnen.
H. v. Melk priesterleben 218;
weder schilt noch wâffen   truoger an der hant.
Nibel. 2185, 2;
diu minne ist weder wîp noch man.
Walther 81, 31;
samlet euch aber schetze im himel, da sie weder motten noch rost fressen Matth. 6, 20;
weder die sitte, noch der sprache weise
kennen sie.
Klopstock oden 2, 61, 5 Muncker;
und nun bist du weder in der laube
noch im hohen lindengang zu finden.
Göthe 2, 100 Weim. ausg.
3)
werden mehr als zwei dinge genannt, so wird noch wiederholt:
nun hab ich weder schapel noch gebende
noch frowen zeinem tanze, ouwê!
Walther 95, 9;
götzen, welche weder sehen, noch hören, noch wandeln könden off. Joh. 9, 20;
ich begehre nun keine blätter mehr,
weder grüner, noch rother, noch gelber!
Rückert werke 3, 6.
es kann auch noch nur an letzter stelle stehen:
dasz in dar von nit reiszen künde
weder tot, teufel, hell, noch sünde.
Schade sat. 2, 204, 296;
weder zuͦ schiff, zuͦ rosz, zuͦ wagen noch sunst weite raisen zuͦ thun tauglich Frey gartengesellschaft 5, 24 Bolte; allein wir wurden weder am andern, dritten, vierdten, fünfften noch sechsten tage nichts mehr gewahr Schnabel Felsenburg 1, 324 neudr. werden vier dinge genannt, so können je zwei zusammengefaszt werden:
der sîn sinne an disem buoche
ze rehte hât gefliʒʒen,
der er ist sult ir wiʒʒen:
enweder dirre zweier,
weder Swâp noch Beier,
weder Dürinc noch Franke.
noch gute vierzehn tage hab ich hier zu thun, wo dich zu empfangen weder ort noch zeit, weder gesellschaft noch gelegenheit seyn möchte Göthe briefe 35, 119 Weim. ausg.;
denn nirgends weichet sie dieser,
weder an leibesgestalt und geist noch wesen und künsten.
Bürger 186ᵇ (Il. 1, 115).
4)
die durch weder — noch hergestellten verbindungen von bedeutungsverwandten oder in der bedeutung entgegengesetzten worten haben vielfach den charakter von festen formeln (s. sp. 2834 Gryphius).
a)
kumen zuͦ dem letsten in ein irrige conscientz und wissen weder usz noch yn Pauli schimpf u. ernst 167 Österley; das (aus dem brennenden hause) ausgebrachte ward brennen, das niemand darfür weder aus noch ein konte kommen Hennenberger preusz. landtafel (1595) 95;
da ich weder hie noch da
eingen weg zur rettung sah.
P. Gerhardt Fischer-Tümpels kirchenlied 3, 356ᵃ;
und hatten nicht raum zu fliehen weder hin noch her Jos. 8, 20; (der stecken gebliebene fuhrmann) kondte weder hinter sich noch vor sich Hayneccius Hans Pfriem 4 neudr.;
schaut weder für noch hinter sich.
Spreng Ilias 1, 8ᵃ;
er sagt weder ja noch nein Wander 2, 973.
b)
nein, nein! ich hab der weiber gnung,
ich wil nun weder alt noch jung.
H. Sachs 21, 26, 4 Götze;
der Atreus, der bruder sein,
der mercket weder grosz noch klein.
2, 84, 6 Keller;
hie nympt S. Paulus niemant ausz widder hoh noch nydrig Luther 10, ii, 110, 15 Weim. ausg.; dasz du nicht bist den jünglingen nachgegangen, weder reich noch arm Ruth 3, 10;
weyl ich entberen musz der eh,
ist mir gleich weder wol noch weh.
H. Sachs 2, 25, 30 Keller.
c)
spötter sind unser Epicurer und Saduceer, die weder disz noch das gleuben Luther glosse zu 2. Petr. 3, 3.
d)
wie alle nacht ein bekantes weib zu ihm käme ... und (ihn) so zwünge, dasz er weder arm noch bein regen (könnte) Prätorius anthropodemus plutonicus 1, 39; die ungerührt vorübergehen und für das verdienstvolle elend weder auge noch ohr haben Abbt 2, 36;
und ist fürwar schier gar zu grob,
verdient mit weder danck noch lob.
Scheit Grobianus 2834 neudr.;
darfür hilfft weder trow noch bitt.
H. Sachs 2, 33, 30 Keller;
ich hab mich des getröstet, das niemand, widder feind noch freund, solcher seiner offentlichen lugen gleuben wurde Luther 26, 144, 9 Weim. ausg.; er ist weder fisch noch vogel, weder fuchs noch hase v. Reinsberg-Düringsfeld 2, nr. 601; Satanas ist eyn geyst, der hatt widder fleysch noch beyne Luther 10, ii, 167, 22;
er fiel nider das im geschwand,
das er rürt weder füsz noch hand.
Scheit die frölich heimfart K 2ᵃ;
der handel hat weder hend noch füsz Maaler 489ᵃ;
auch hab ich weder gut noch geld.
Göthe 14, 28 (Faust I, 374) Weim. ausg.;
da die Babylonier widder haut noch haar behielten Luther 30, ii, 191, 17; ich find weder hilf noch rat Schade sat. 2, 2, 7; das hat weder kraft noch saft Wander 3, 1829; der teufel ist arm, der hat weder leib noch seel sprichw. (1548) 87ᵇ;
wer ein ding nicht sehen will,
bey dem hilfft weder liecht noch brill.
Lehman (1662) 1, 65;
der jar ist weder masz noch zal.
Spreng Aeneis 8ᵃ;
meisterns und klügelns ist itzt widder masze noch ende Luther auf d. rückseite des titels des neuen test. (1530);
so handt wir weder ruͦw noch rast.
Murner narrenbeschw. 7, 14 neudr.;
hinter meines vatern hoff da stet ein thor,
da ist widder schlos noch riegel dafür.
bergreihen (1531) 17, 20 neudr.;
daran wider silber noch golt sparten Schade sat. 3, 77, 29; das hat weder sinn noch verstand Wander 4, 573; kein wort kam herausz und weder speisz noch tranck hinein Simpl. schr. 4, 63, 21 (vogeln. 2, 8) Kurz;
ich bin ja weder stahl noch stein.
P. Gerhardt Fischer-Tümpels kirchenlied 3, 390ᵃ;
man siehet weder stein noch stock.
Rompler reimgetichte 55;
so gehts, wenn man ... nicht folgen will, dasz man weder stern noch glücke hat Ch. Reuter Schlampampe (3, 5) 123;
sie haben gehabt weder glück noch stern.
Heine 1, 264 Elster;
lumpengeld,
das weder stich noch probe hält.
Stoppe Parnasz 65;
keine ruh und rast, weder tag noch nacht Göthe 8, 159 (Götz 5); ich wuszte weder weg noch steg, wohin ich wandeln sollte Heinse 9, 61; niemand weis wider wege noch steige zum himelreich Luther 20, 427, 10 Weim. ausg.; er weysz weder wort noch weise darzu sprichw. (1548) 91ᵃ; dise menschen seind ... weder vonn groszen worten noch wercken Tauler sermones (1508) 26ᵇ.
e)
der seit dem tage weder essen noch trinken könne Göthe 45, 39; weder gehauen noch gestochen J. Paul flegelj. 1, 17; so ist seiner bosheit hinfurt widder zu rathen noch zu helfen Luther briefe 1, 508; denn sie wöllen widder sehen noch hören, gott hat sie verblend und verstockt werke 15, 211, 2; es seind doch weder zu sieden noch zu braten solche crassische, agelastische creaturen Fischart Eulenspiegel 14 Hauffen; er kan weder sterben noch genesen S. Franck sprichw. 2, 41ᵃ.
5)
weder — oder kommt mhd. im sinne von 'sei essei es' vor:
daʒ ir mere was der ime (Alexander) dâ tôt belaib,
tan der inerhalb Tyre wâre
weder geste oder burgâre.
Vorauer Alexander 1008 Kinzel;
waͤr ieman da schuldic an
weder wip oder man.
R. v. Ems Willehalm 4706 Junk;
merkt, wie iu daʒ gevalle,
weder übel oder wol.
Enikel fürstenb. 1767 Strauch.
im spätmhd. und frühnhd. steht weder — oder nicht selten für weder — noch, auch ohne ein negatives wort im satze, indem der negative sinn des weder sich auch auf das folgende, mit oder angeschlossene glied überträgt (vgl. auch th. 7, 1149):
ich sag, wǎ lieb hatt liebes pflicht,
was regel irem orden zymm,
das weder disem oder dem
ze ring, ze swär, ze varlich sey.
Hätzlerin liederbuch 239 (58, 50);
im trincken bisz allzeit zu faul,
wisch weder nasen oders maul.
Scheit Grobianus 3086 neudr.;
fraw Glüeck, wis von mir, das ich han
weder schilt, harnisch oder pfert.
H. Sachs fastnachtsp. 68, 137 Götze;
wann dein knecht der enwist kein ding uber ditz geschefte, weder klein oder grosz Mentels bibel, 1. Sam. 22, 15; es sol ouch weder vischer noch vischkeufer weder salmen oder lahsse niergent verkǒfen denn in unser stat Straszburger zunftordnungen 224 Brucker; das sie ober vorstendige lewte weder orteil adir gezugnisse gegeben kundin J. Rothe dür. chron. 596 v. Liliencron; (sie) schoneten nymandis, weder gotes adir der lewte 613; als er sich urlawbt, weszt weder fraw Jacoba oder niemand von den dingen U. Füetrer bayer. chron. 194, 17 Spiller; meine liebe ... die sich weder durch forchte, röte oder schame nye hat prechen noch erweichen mügen Decamerone 1, 30 Keller; weder der hawbtman ader die andern Ruchamer newe weldte (1508) e 3ᵃ; solich schrieft ... dorin sie wedder ja oder nein sagten reichstagsakten j. r. 4, 153, 15 (1524); als die weder recht oder hoffnung zu den stetten ... mer hetten Kantzow chronik v. Pommern (letzte bearb.) 181 Gäbel; es sal aber der probst ... nyemants widder zu ros, zu wagen oder zu fus beherbergen urkundenb. der klöster d. grafschaft Mansfeld 378 (1535) Krühne; da weder becker, brawer, schuster oder schneider woneten Luther 28, 718, 16 Weim. ausg.; der absolution ... weder in kirchen oder schulen mit einem wort gedencken Mathesius historie d. Luthers 129, 21 Lösche; sie helfen weder für hunger oder durst sprichw. (1548) 68ᵇ; aber der beklagt sich weder pfert oder harnisch darzue (zum ritterspiel) habende Wilwolt v. Schaumburg 159 Keller; tag und nacht worden weder feuwr oder liechter auszgelescht Kirchhof wendunm. 1, 267 Österley; er (Faust) verzaubert auch den türckischen keyser so sehr, dasz er weder auffstehen oder man in von dannen tragen kondt volksbuch v. Faust 65 neudr.;
(Achilles) mocht weder essen oder trincken.
Spreng Ilias 267ᵃ;
von solchem diebsvolck habt ihr weder ehr oder danck Schupp schriften 205; dasz sie weder glück oder unglück ... sondern gott allein scheiden könne 235; als sie ... weder an ihren hafen gedachte, oder an selben sehen konte Simpl. schr. 3, 325, 6 (vogeln. 1, 6) Kurz; dasz ich dem wirth ... weder zu essen oder zu trincken stahl 3, 376, 19 (1, 13). in der neueren sprache nur selten: es war weder von einer flucht mit ihm ... oder einer scheidung oder sonst einer gewaltsamen unternehmung noch die rede Gutzkow ritter vom geiste² 7, 399. weder — und neben einem negativen wort zuweilen im frühnhd.: wedir mit koufe joch mit keinerhande sache urkundenb. d. st. Freiberg 1, 64 (1334);
mit edel gsteinen zierdt üch nit
weder golt und sylber mit.
Murner geuchmatt 2002 Uhl;
das ich zuͦ dir, Venus, ie kummen byn,
wirt mir min fraw wol trencken yn,
mir lassen weder tag und nacht kein ruͦ.
Gengenbach 8, 1214 Gödeke;
das man wider in gehen, stehen ... essen, trincken, kleidung und wort nichts leichtfertigs an ime gesehen Kantzow chronik v. Pommern (letzte bearb.) 639 Gäbel;
erst merck ich wol, so hab ich heint
weder freunde, darzu kein feindt.
H. Sachs 8, 416 29 Keller.
6)
statt weder — noch kommt weder — weder (dem sich ein drittes weder anschlieszen kann) in der älteren sprache vereinzelt vor; die neuere dichtersprache macht davon seit den siebziger jahren des 18. jahrh. gebrauch, nicht selten hat es Göthe (zuerst im Urfaust). Heynatz 2, 617 und Adelung führen dies weder — weder auf das obd. zurück; nach dem von Adelung gegebenen beispiel ist zunächst an den gebrauch der kanzleisprache zu denken (vgl. auch u. cod. austr.), der allerdings eine grundlage in den mundarten hat (8): auch sol dhein soldener kein geschatz pferde zu walde niht laʒʒen gen weder noch holtz weder nach zimer weder nach stein städtechr. 1, 172, 10 (Nürnberg 1356); sonsten kombt keiner weder von den kindern weder von den knechten in die kuechen weisth. 2, 510 (Mosel 16. jahrh.); die mesz ... sey weder den lebendigen, weder todten nutz Dietenberger wider das unchristl. buch Luthers von d. miszbrauch d. mesz A 2; kain nation, weder die Samniter ..., weder die von Carthago ..., weder Hispanien noch Gallien ... weder auch die Persier und der ganz aufgang der sunnen Aventin 4, 583, 25 Lexer; haben ihr kayserliche majestät beede stände soweit begnadet, dasz sie zu thuung der aussagen, weder vor gericht zu erscheinen, weder einen eid abzulegen schuldig codex austriacus 1, 259 (1653); weder die länge der zeit, weder der fleisz der arbeit und mühe Schupp schriften 733; gesetzt aber, es seye weder Christus, weder ein engel, weder ein heiliger Abr. a S. Clara Judas 2 (1690) 21; gegenwärtige gespräch-wechsel überzuckern sonst weder zierliche weder hochtrabende worte F. Lichtstern schles. fürstenkrone (1685) 5ᵇ;
eyn pfaff, der ander pfaffen schendt
und in der predig an sy wendt ...
uff der kantzel, do es hatt
weder glimpff und weder fuͦg.
Murner schelmenzunft 30, 15 neudr.;
der traum mir gar empfallen ist,
weisz weder lützel, weder vil.
Daniel (Bern 1545) C 1ᵃ;
den küng uff erdtrich nit mer glust,
wil weder essen, weder trincken.
Q 3ᵃ;
weder schatz wie grosz er sey, ist uns männern so ersprieszlich,
weder freund wie gut er sey, ist uns männern so geniszlich,
als der uns in armen schlieff.
Logau 2, 2, 70 (s. 263 Eitner);
wil vom schissen bey dem fechten weder hören weder wissen.
3, 4, 64 (s. 502);
weder sturm, weder schlacht
führt in delischem lande den
feldherrn ... glorreich zum Kapitol.
Ramler lyr. ged. 196;
kann weder sterben, weder leben.
Wieland 18, 269 (winterm.);
weder die krone bedeckt, weder ein phrygischer bund
Midas verlängertes ohr.
Göthe 1, 261 (elegien 1, 20) Weim. ausg.;
sie rettet weder hoffnung, weder furcht.
10, 44 (Iphig. 3, 1);
weder schlimmer, weder besser
sollt's ihm in seinen häuten seyn.
12, 258 (scherz, list u. rache 31);
bin weder fräulein, weder schön.
14, 128 (Faust 1, 2607);
wach' ich ernstlich an der pforte,
dasz euch hier am luftigen orte,
nichts verderbliches erschleiche,
weder wanke, weder weiche.
15, i, 40 (Faust 2, 5499);
aber die Ajas beid', und Odysseus, samt Diomedes,
mahneten dort zuṁ gefechte die Danaer, welche von selbst auch
weder dem drang der Troer erzitterten, weder dem feldruf.
Voss Ilias 5, 521;
jene nur, weder mit worten bezähmst du sie, weder mit thaten.
5, 879;
weder die söhne
lassen wir leben hinfort in den wohnungen, weder die töchter.
Odyssee 22, 222;
weder gehauen, weder gestochen,
greuliches rothwelschradegebrochen.
nennt sie, oder ihr seid spötter,
weder väter, weder götter!
Rückert werke 1, 264;
der frohnbote ... versetzte dann mit lautem tone:
alle mann sind wissend und gerecht.
weder nothschöffen, weder juden, weder knecht.
Immermann Münchh.² 4, 65;
sein achten weder reiche, weder arme.
werke 11, 224 Hempel;
weder im hirschen
weder im adler bestellten wir hochzeit.
Mörike ged.²² 371;
ich habe mir weder gedanken gemacht,
weder gewünscht.
P. Heyse dramen 1, 121 (Meleager 2).
7)
bei Murner kommt es als dichterische freiheit vor, dasz das zweite glied ohne conj. angeschlossen wird:
es sind wol etlich pfarrer gwesen,
die kundten weder singen, lesen.
narrenbeschw. 53, 32 neudr.;
und dörffen weder beichten, beten.
vom luth. narren 2212 Kurz;
ich kann mich weder heben, legen.
4534.
weiter verbreitet ist (bis ins 18. jahrh.) die erscheinung, dasz sich weder an ein erstes negirtes glied anschlieszt; nach Heynatz 2, 618 findet sich weder für 'auch nicht' in 'neuen Wienischen staatsschriften' (s. u. cod. austr.), doch scheint es auch mundartlicher redeweise nicht fremd zu sein:
da ist kein mangel, weder not.
Murner vom luth. narren 3663 Kurz
(vgl. o. 5 geuchmatt); (die falschen propheten) haben verfüert mein volk in iren lügen und in iren wunderzeichen, so ich si doch nit gesant hab, weder inen das geboten Schade satiren 3, 23, 35; so ist in dieser plötzlichen zweiung noch kein recht weder handlung fürgenomen Luther 8, 41ᵃ Jen. ausg.; hielten die knecht ob einander, sich irer alten weis, das in niemant zu fromb weder zu redlich sein mag, gebrauchende Wilwolt v. Schaumburg 144 Keller; kein unglücke würde iemals mächtig seyn die unruhe seines gemüthes zu verstören, weder ihn in eine verdrüszliche einsamkeit einzusperren v. Lohenstein Arminius 2, 807ᵇ; soll kain gmain die ander nit überfahen, weder, wie von alter herkomen, nit beschweren österr. weisth. 3, 254, 13 (Oberinnthal 1656); ist denen bauern auch verbotten ihre aignen zinszgieter zu vill auszhacken zum verkauf des holz, weder auch prenter zu machen 6, 242, 7 (Steiermark um 1750); dasz sich niemand gelüsten liesz, sobald es finster worden, durch die bereutergasse zu gehen, weder die, so darinnen wohneten, einigen menschen des abends auszuschicken polit. maulaffe 29; dasz ihr ... obangezogenen tractat ... nicht nachdrucket ... umbtraget oder verkauffet, weder andern zu thun gestattet, in keine weisz codex austriacus (1704), pars 1, privilegium;
lange haar, kurzen verstand
hat das weibsvolk wie bekant;
drum laszt man's nicht disputieren,
weder in den rath einfueren.
schweiz. volksl. 1, 156 (von 1747).
selten fehlt eine vorausgehende negation:
so sind des müllers narren geratten,
das sie zuo sieden weder braten
sollen, sind sie schon zerhauwen.
Murner mühle von Schwindelsheim 525.
auch noch — weder kommt dichterisch vor:
und kan noch lesen, weder singen.
Murner narrenbeschw. 72, 28;
das trautste kind wird zwar entrahten müssen
die mütterliche brust,
lässt sich von ihr noch hertzen, weder küssen
in unerschöpffter lust.
S. Dach 864 Österley.
8)
in den mundarten hat weder — noch keine grosze verbreitung, nach Schmeller 2, 857 kennt es das bairische (das fehlen bezeugt ausdrücklich für das kärntische Lexer 252, für das obersächsische Müller-Fraureuth 2, 645ᵃ); nfries. weddar (neddar) — noch Johansen 91. einige gebrauchen weder — weder, so das schweizerische (volksl. 1, 107 Tobler) und das egerländische Schiepek 297. auch verbindung von noch und weder kommt vor: weder das, no weder's e, weder dies noch das andere Tobler 441ᵇ; no weder bettets no gwüschts schweiz. id. 4, 642; (3. alter weber) sie glauben an keinen gott, noch weder höll noch himmel G. Hauptmann die weber 62 (akt 3).
III.
weder nach dem comparativ. für ich bin gröszer weder er verwies Schmeller 2, 857 auf das vulgärengl. I am greater nor he, wo nor auf älteres nother, ags. nâhwäđer zurückgeht 'keiner von beiden' (vgl. auch Horn in Herrigs archiv 114, 358 ff.); es wäre der II 7 behandelte gebrauch von weder als 'neque' beim angereihten glied heranzuziehen, 'ich bin gröszer und nicht er'. Tobler bei Frommann 6, 410 will (mit hinweis auf gr. ἢ) weder aus der correlativität mit oder erklären. weder als comparativpartikel kommt in der 2. hälfte des 15. jahrh. auf, ist im 16. sehr verbreitet und noch im 17. jahrh. nicht selten, aber der gebrauch der autoren ist sehr ungleich, bei einigen wird sie regelmäszig verwendet, bei andern steht sie im wechsel mit dann, wann oder als, z. th. (z. b. bei Luther) waltet offenbar das bestreben, im ausdruck abzuwechseln, wieder andere haben sie nur vereinzelt, besonders in citaten. ausgegangen ist sie jedenfalls vom alemannisch-schwäbischen, wo sie jetzt noch am festesten haftet Stalder 2, 439. Hunziker 289. Seiler 313. Martin - Lienhart 2, 790ᵇ. Schmid 521. sie geht von da nach Tirol hinüber Schöpf 806 (auch im cimbrischen, grözor bedar ich Schmeller 172), sonst scheint sie das bair.-öst. jetzt nicht zu kennen. aus dem südfränk. verzeichnet sie Wasmer für die gegend von Rastatt, zeitschr. f. d. mda. 1916, 344 und Lenz vgl. wb. 76 für Handschuhsheim als werə, aber 'nur noch von älteren gebraucht'. so tritt sie bei Alemannen und Schwaben von Keisersberg bis Spreng und Rompler sehr häufig auf (doch hat sie z. b. S. Franck nur selten); von Baiern hat sie Aventinus noch nicht, am anfang des 17. jahrh. Albertinus sehr häufig, auch andre bair. quellen; H. Sachs macht von ihr später gebrauch, aber doch verhältnismäszig selten, ebenso Ayrer; den Hessen und Wetterauern Alberus, Kirchhof, Schupp, Grimmelshausen ist sie geläufig, wahrscheinlich von der mundart her, wo sie aber jetzt nicht mehr erscheint. die Ostfranken Nas und Eyering kennen sie. von bedeutung war, dasz auch Luther zu der partikel griff und sie in der bibel nicht selten verwendet; ob auf grund seiner mundart oder als rein litterarische entlehnung, ist zweifelhaft; sonst tritt sie im 16. jahrh. bei Obersachsen kaum auf (ausg: der in Süddeutschland lebende Lindener), auszer wo Luthers einflusz deutlich zu bemerken ist. doch hat derselbe nicht ausgereicht, das wort dauernd der schriftsprache zuzuführen. im 17. jahrh. finden wir es auszer den genannten bei Opitz, S. Dach, Rist, aber die späteren Schlesier und Nürnberger, auch die meisten Norddeutschen, brauchen es nicht. am anfang des 18. jahrh. haben wir es schriftsprachlich noch einerseits bei Schweizern (Bodmer), andrerseits bei Obersachsen, wie König, vgl. auch die bei Müller-Fraureuth 2, 645ᵇ angeführten druckwerke. Steinbach und Frisch erwähnen es noch wie die früheren wörterbücher seit Dasypodius und Alberus, deuten aber das zurücktreten des wortes an, die mehr der umgangssprache folgenden Rädlein und Kirsch haben es nicht, und Adelung bezeichnet es dann als 'im hochdeutschen längst veraltet'. später tritt es nur noch vereinzelt theils im anschlusz an Luther (Claudius), theils an den alem.-schwäbischen sprachgebrauch (Auerbach, Mörike) auf. auch die gaunersprache kennt es Avé-Lallemand 3, 203.
1)
mit weder wird ein wort oder eine wortverbindung angeschlossen:
das urteil ward gegeben:
Hammen wär wäger tot weder leben.
Liliencron hist. volksl. 1, 544 (118, 10 v. j. 1466);
darumb das es wolgeschmackter were weder ander fleisch S. Brant bei Steinhöwel Äsop (1487) 170ᵇ; das häszlin laufft gewisser den berg auff weder den berg ab Keisersberg has im pfeffer A a 4ᵃ; bösz leder kan man nit basz erkennen weder im regenwetter D d 1ᵇ; das er me acht hab und gehorsam syg irer stim weder der stim gottes bilgersch. B 3ᵈ; wenig wissen von groszen und hohen dingen, das ist edeler, weder vil wissen von nachgültigen dingen Marie himelfart 8ᵇ; darumb ist vil besser die demütikeit in einem dunckelen stad weder die ungeruwige hoffart in hoher fürwesung Cyrill 2ᵇ; ir ist mehr weder hewschrecken Luther Jer. 46, 23; es ist besser umb sie (die weisheit) hantieren, weder umb silber, und ir einkommen ist besser denn gold spr. Sal. 3, 14; ein gut gerücht ist besser denn gute salbe, und der tag des tods, weder der tag der geburt 7, 2; ein nachbar ist besser in der nehe, weder ein bruder in der ferne 27, 10; also ist der trost grosszer wieder die anfechtung werke 9, 590, 10 Weim. ausg.; wir haben keynen schedlicher(n) feindt weder unser hertz 10, iii, 34, 2; eine ... stirn, herter weder ein demand 28, 343, 24; es seien zween falsche propheten, der bapst und der Luther, doch sey der Luther erger weder der babst 38, 338, 19; man musz gott mehr gehorchen, weder den menschen briefe 3, 562; welicher sinen sun oder tochter lieber hat weder mich, der ist min nit würdig Zwingli d. schriften 1, 15;
die vil wyser sind weder ich.
schweiz. schausp. 2, 50, 655;
kein weiser mensch wer, weder du.
Alberus fab. 13, 29 Braune;
das reine wort von Jhesu Christ
vil süszer weder hönig ist.
derselbe, Wackernagels kirchenlied 3, 1045, 10;
der winter ist vil lieber dir
weder der sommer, glaub du mir.
Wickram 4, 14, 264 Bolte;
es sagen die alten, das kein gröszer laster weder undanckbarkeit möge funden werden 2, 141, 20; die mer in wünschen und gedencken weder in der geschicht stähn Schwarzenberg t. Cicero 68; ob wol derselbigen (schriften) ein mercklichs teil dem gemeinen nutz mehr verderbnis widder heils zufuͤget Wicelius annotationes (1536) a 2ᵇ; mer ausz neid und hasz weder ausz liebe des evangelii urkundenbuch d. st. Freiberg 1, 366, 30 (1537) Ermisch; so sie vil mer wider dich weder mit dir sindt S. Franck kriegsbüchlein des frieds 124ᵃ; ist wie kein land aber auch kein stand umb drey heller besser weder der ander sprichw. (1548) 174ᵃ;
der vogel singt ...
das hör ich lieber weder gygen.
H. R. Manuel weinspiel 357 neudr.;
wil lieber bym wyn mit eim rouffen
weder mich im wasser lassen touffen.
tragoedia Joannis (Bern 1549) D 3ᵃ,
dem könig thut ietzt auch basz die rhu
weder desz kriegs greulich geschefft.
H. Sachs 16, 151, 31 Götze;
und thu dich auch nicht klüger halten
weder die erfahrenen alten.
19, 32, 24;
wer kan im etwas setzen zu,
ist er dann geschickter weder du?
Scheit Grobianus 1240 neudr.;
was ist höher weder gott,
und was ist gröszer dann der spott?
Uhland volksl. 1, 10;
dann er vil liber todt wer gwesen
weder füren ein solchs harts leben.
Montanus 7, 14 Bolte;
der (pfarrer) wiszte weniger weder sein pfarrkinder Frey gartenges. 23, 25 Bolte; wie ... alleweg ander leuth ein ding belder wissen und in iren mäulern lassen umbgehn weder der hauszvatter selbst Lindener rastb. 9 Lichtenstein; so lieben wir sie (die güter) mehr weder gott Kirchhof wendunmuth 1, 207 Österley; sie mehr von ihren ubergülten gifftbüchlein halten weder von einer liberey Nas das antipap. eins u. hundert 4, 144ᵃ; es seie viel besser, dasz sie arm weder reich weren Falckner frantzös. chronica 1, 35; denn was schwecht den menschen mehr weder das alter Thurneiszer von wassern 286;
was, solten wir, aller geschöpff zir,
nicht meh macht haben weder ir?
Fischart flöhh. 2706 Hauffen;
das niemand billicher und rechter feiret weder ein guͦter arbeiter Xylander Polybius vorr. 2ᵇ; so würde Solyman baldt viel bessere und weidlichere hauptleut und schiffherren uberkommen, weder die, so auff diszmahlen uberwunden weren Fronsperger kriegsb. 3, 156ᵇ; das schweinhetzen ist allwegen vil schwärlicher und gefärlicher weder das hirtzjagen Sebiz feldbau 588; wer praunellenwasser haben kan, das ist besser weder flieszend wasser Gäbelkover artzneybuch 1, 154; im oceano ... wird er härter und tröckner am fleisch weder in dem mindern meer Forer fischb. 57ᵇ; gieng also zuletzt den Sequanern, die doch gesiget, ubler weder den uberwundnen Heduern Stumpf Schwytzerchronik 168ᵇ;
seind vil gescheider weder ich.
Ayrer 57 Keller;
ich hab selbst mehr gelts weder du.
1034;
das hembd dem leib viel neher ist
weder der rock zu aller frist.
Eyering 1, 228;
sein (Nestors) stimm fürbasz
vil süszer weder hönig was.
Spreng Ilias 6ᵃ;
dasz sie sich gedunckte vil besser zu seyn weder andere ehrliche matronen Albertinus Gusman von Alfarche 23; vil mehr menschen kommen durch den frasz umb weder durch das schwert hirnschleiffer 2;
du redest besser noch und reiner weder er.
Opitz 2, 19;
sein höchster schmertzen war zu sehn, dasz unser land
mehr kranck lag weder er.
2, 129;
mitten im reich mit mord und brand
greifns unfreundlich wie Türken an,
je ärger weder der soltan.
Opel u. Cohn 30jähr. krieg 23, 62;
wie verfährt man darmit? oft schlimmer weder die kinder, wan sie karten-häuslein bauen wollen Rompler v. Löwenhalt reimgetichte vorr. 7; dasz sie ... lieber ... in todt sich wagen wöllen, weder von seiner bekandtnusz aussetzen Spee gold. tugendb. 93 (lieber — weder öfter); habe ich nicht schöners und stärkers gesehen weder Hamburg Rist Parnasz 68;
sagt zusammen,
wolcken-flammen,
ob was liebers mir
hie auff erden
könne werden,
weder ihre zier?
S. Dach 484 Österley;
doch wil ich schweren, dasz sie sich
mehr qwält und ängstigt, weder ich.
geharnschte Venus 59;
ausz den unverhoffentlichen dingen kompt den menschen mehr gunst weder von den verhofften Lehman (1662) 4, 175; denen allerärgesten heyden wird es im höllischen feuer erträglicher, weder dir, ergehen Schupp schriften 468; als darinn (in der dichtkunst) er viel mehr weder sonst gemeine poëten vermöchte Brandt bericht vom leben Taubmanns 19; ein hals voll corallen noch sauberer weder ein hals voll wackel-steine mägdelob (1688) 69; höher ... weder heut zu tage Knauth Altenzella 2, 248 (1721); der printz von Conde hat Franckreich mehr dienste gethan, weder gantze armeen discourse der mahlern 1, 33 (Bodmer) Vetter;
der ihn (den turm) gebauet hat,
sagt, er könnt einen machen
noch höher weder der.
schweiz. volksl. 1, 55 Tobler (1681);
si sind, woferne sie ja zu vergleichen taugen,
mehr sonnen weder stern, und sterne mehr als augen.
König ged. 281;
er liebet dich mehr weder sie alle Claudius 3, 77; 'ist der Besztebuur ein braver mann?' 'ja bräver weder sein bruder wo gestorben ist' Auerbach dorfgesch. 1, 394;
saldate-tod
isch besser weder bettelbrod.
Hebel 1, 73 Behaghel;
eher dem scherz gleich weder dem ernste.
Mörike ged.²² 408.
wie bei denn, als (th. 5, 468) nach comp. steht bei weder oft kein statt ein: sie (die fromme frau) ist edler weder kein gold Sir. 7, 21; er (der bub) kan basz keglen weder kein alter Wickram 3, 92, 19 Bolte, s. u. 2 Frey und Helfenstein.
2)
es kann auch ein ganzer satz angeschlossen werden (das verbum steht dann in prosa regelmäszig am ende):
hab gespüret im wald ein schwein,
groszer weder ichs alle mein
lebtag ye mer hab gesehen.
Teuerdank 35, 10;
klagen me das sie die ding lassen müsen, weder sie ire sünd klagen Pauli schimpf u. ernst 32 Österley; dir ist vor mehr befolhen, weder du kanst ausrichten Luther Sir. 3, 25; wenn ein predicant nit ein höhere sterck hat weder in der natur ist, so wirt er nit beston mögen werke 12, 461, 1 Weim. ausg.; ein narr kan wol mehr plaudern weder zehen weisen berichten mögen 38, 126, 21;
wann besser sey, das ein mensch sterb,
weder das gantz königreich verderb.
H. Sachs 13, 441, 5 Götze;
(du) verseidelst oft daheimen mer
mit dein gespilen uberausz,
weder ich vertrinck im wirtshausz.
21, 94, 31;
das du ... böser gewesen bist, weder unser keiner ist Frey gartenges. 60, 13 Bolte; ein pfarrher, der im ruͦff was, das er sich der weiber im dorff mehr genehert, weder ime wol gebürte 113, 24; (das podagra macht) in kurzer zeit keuscher und enthaltiger, weder Xenocrates je geweszt ist Fischart pod. trostb. 46, 26 Hauffen; ist er (der zorn) nicht grimmiger und wüttiger, wann er in deinem hertzen aufbüllt, weder kein schädlicher hund mag sein? Schweickhart v. Helfenstein Basilius Magnus (1591) 89; und wolt (er) mer haben, weder man im gern gäb österr. weisth. 3, 374, 22 (Oberinnthal 16. jahrh.); unser herr gott hat die menschliche natur unmeszlich höher geehrt, weder sie der teuffel nach dem fall geschendet hat Petri d. Teutschen weiszheit 1, F 2ᵇ; (der bau) inwendig aber mit gemächern und stuben also eingetheilet war, dasz ihrer mehr zu seyn schienen, weder fast der raum des ortes solte leiden können Opitz 2, 291; dasz sie auch ... die hoch-ädle tichtkunst ... in vortreflichere übung und höheren schwang gebracht, weder iemals geschehen Rompler v. Löwenhalt reimgetichte vorr. 10; ich halte dich viel tausendmal glückseliger, weder junker Holofernes gewesen ist Schupp schriften 494; er ... sagte unverholen, dasz ich bereits mehr bey ihm gethan, weder ich schuldig gewesen und er zu erwidern getraue Simpl. 2, 6, 6 Kurz; allzeit, antwortete der bernhäuter, weisz ich mehr, weder mancher vermeint 4, 307, 2; der himmel hat mir mehr gegeben, weder ich verlanget discourse der mahlern 37 Vetter; in solcher gewissen zuversicht kan ich diese meine rede nun mit etwas freyerem muthe beschlieszen, weder ich sie zuvor angefangen Besser schriften 1. 334 König; ich musz gestehen, dasz ich durch diese nachricht noch mehr verwirret wurde, weder ich vorher gewesen war Plesse 3, 61; er ist gelehrter weder sein bruder meinet Frisch 2, 427ᶜ. weder in verbindung mit andern conj.: vil besser wer im du lieffest hinweck und bezalst in, weder das du blibst und im sin lon nit gibst Keisersberg bilgersch. B 1ᵇ; ich will lieber einen tochterman haben, von dem ich hofnung hab, das er reich werde, weder das ich warten soll, das er erarme Fischart ehezuchtb. 194, 15 Hauffen; das man die zarte jugend eh gewänen und zur willigen underthänigkeit kan pringen, weder so sie zuvor eyns andern art haben gewonet 272, 15; dann es (das gehölz) ... basz erstarcken kan, weder wann man das laubwerck darvon raumbt bayer. landrecht (1616) 738.
3)
ebenso wie auf einen comparativ kann weder auf ander folgen: anders ist im gehorsam das jung kinde in der wiegen weder der gröszer sun Keisersberg schiff der penitentz m 3ᵈ; nit anders weder als jaghund die umb ein hurst louffen postill 2, 87ᵇ;
ich wird üch anders machen underthon,
weder vorhin villycht beschehen ist.
schweiz. schausp. 3, 21, 131;
es kan vor abends wol anders werden, weder es am morgen war Luther Sir. 18, 26; sihe, das ist wol ein ander klang und gesang wedder aller gesang und klang auff erden werke 30, ii, 603, 31 Weim. ausg.; der Türk (soll) einen andern mann fühlen, weder bisher geschehen briefe 4, 393; bei den alten was es ein anders mit den bischoffen weder iezt Schade satiren 3, 275, 33; sy haben keyn andere frucht weder hirsch und gersten, darausz sy auch ein tranck machen Franck weltbuch (1542) 81ᵇ; (das haus) soll die zeit des schenckens kein andere freiheit haben wieder eins andern burgers offen schenckhaus stadtrecht v. Arnstadt (1543) bei Michelsen rechtsdenkm. a. Thüringen 63; die vor der kammer, als sie solche wort vernommen, nicht anders flohen, weder als jagt sie tausent teuffel Montanus wegkürzer 24, 29 Bolte; das vierth thier ist ... vil anders weder die drey vorgehende thier Reiszner Jerusalem (1563) 2, 92ᵃ; ferner soll der man es für ein unzerbrüchlichs gesetz halten, dasz er nie malen ein anders weib berüre weder sein aigne fraw Albertinus der welt thurnierplatz (1618) 219; er brauchet vil andere mittel, weder gott brauchet Lucifer 43, 24 Liliencron; in diesem jahre entstund auch ein schrecklicher regenbogen am himmel, der viel anders weder sonst gemeiniglich pflegt zu scheinen Binhardus thür. chronica (1613) 32; was sind wort (üble nachrede) anders weder durch die lufft fliehen und kein stein beleidigen Joh. Arnd nachfolge Christi 127; die meisten führen andere maximen des lebens weder ich discourse der mahlern 1, 72 (Bodmer) Vetter; und die lebens-regeln des Persen Sadi sind in dem grunde nicht anders beschaffen, weder die sitten-lehr des Wolffen chronik der gesellschaft der mahler 44 Vetter; ich habe hierinnen einen gantz anderen glauben, weder ihr Plesse 3, 235; die allermeisten gemeinen unserer evangelischen kirche haben heutiges tages eine gantz andere gestalt gewonnen, weder sie sonsten gehabt haben J. F. Thierbach prodromus (1747) 15. ebenso wie anders wird auch sonst mit weder verbunden:
was giebt kirchen sonst gepränge,
weder gottes reines wort?
S. Dach 760 Österley,
sowie die verba ändern, verwandeln: dasz der könig sin handzeichen umb etwas geändert wäder er hievor gebrucht Tschudi chron. helv. 1, 17; wurden dick verwandelet all ir geberde weder sy vor gewan warent Tristŕant 45, 14 Pfaff.
4)
dasz weder sonst als vergleichspartikel verwendet wird, kommt nur vereinzelt vor; als — weder: do sy (die seele) aber do sich selber ... als edel und als wirdig fand weder den lip E. Stagel leben der schwestern zu Tösz 58, 31 Vetter; als vil was der heyden weder der cristinen volksbücher 139, 36 Bachmann u. Singer. in folg. fällen wird das wort, auf das sich weder bezieht, als ein comparativ empfunden: er fürt nun wol zwifaltige (zwifaltig mer A) klag weder Isald gethon hett Tristrant 49, 19 Pfaff; das sie zwifeltig eintragen, weder sie sonst teglich samlen 2. Mos. 16, 5; ain ochs oder ain kuͦ, die musz gar waich höw haben weder ain pferd Keisersberg has im pfeffer A a 6ᵃ; daʒ min her gar grosz ist weder daʒ din volksbücher 101, 1 Bachmann u. Singer; also siehst du, das die welt in eine gar hübsche ordnung gebracht, weder sie vorhin hat gehabt Münster cosmogr. vorr. 5; dieselbe fande ich gar arm, weder ich sie verlassen Simpl. schr. 3, 49, 27 Kurz; da sahe ich meinen wunder, wie Julus wieder einen hauffen freunde bekam, weder er vor etlichen tagen gehabt 2, 160, 6.
5)
bei negativen sätzen (oder fragenden mit negativem sinn) und solchen mit all dient weder dazu auf eine ausnahme hinzuweisen 'auszer'; auch hier wird von der bedeutung 'und nicht' auszugehen sein, indem für das mit weder angereihte die (negative) aussage des vordersatzes nicht zutrifft. dieser gebrauch beschränkt sich auf das alem.-schwäbische und hat keine weitere verbreitung gewonnen. er wird nur von Dasypodius, Frisius-Maaler und Calepinus (1144ᵃ praeter, auszgenommen, weder allein) erwähnt und bleibt der schriftsprache fremd: ni, nisi, wann nit, es were dann, oder anders dann, wäder. quid est somnus nisi mortis imago? was ist der schlaf, weder eyn bildnusz des todts Dasypodius 151ᵃ; ich hab sy ni gesähen weder auff den hüttigen tag, neque ego hanc oculis vidi ante hunc diem Maaler 487ᵃ; so musz ich die gantze nacht auf dem rosz halten und oft in dreien tagen nichts freszen weder gel ruben Schade satiren 3, 107, 36; wir wissen ye niemands anders, der uns soll behulflich sein, weder ewer weyshait quellen z. gesch. des bauernkriegs aus Rotenburg 483 Baumann; in alle weg ist er unserem pfarrer gleich, weder er hatt ein schwartz antlitz Frey gartenges. 111, 30 Bolte; niemand kennt den vatter, weder allein der sohn Schweickhart v. Helfenstein Basilius Magnus (1591) 1120;
niemand sah sie (Pallas) ausz der gemein
weder Achilles nur allein.
Spreng Ilias 5ᵇ;
die sach erfrewet jederman,
weils niemand weder mich traff an.
Aeneis 25ᵃ;
daw thuost nuintz weder buola und zeera Frommann 4, 89, 21 (Oberschwaben). jetzt noch im schweiz. lebendig Frommann 4, 149 (Bern); si hett niemer weder in Hunziker 289; i waisz alles weder das nitt Seiler 313 (mit pleonastischer negation);
alli meiteli händ au manne,
weder ich mues keine ha.
schweiz. volksl. 1, 143 Tobler.
schwäb. nichts weder, niemand weder Fischer 4, 2024. 40. weder dasz: kein underscheid ist under der hell und dem fegfüer, weder das die hell ewig ist, und das fegfüer zytlich Keisersberg bilgersch. B 3ᶜ; ich waisz nichts, das mir fälet, weder das ich mich beellende Frey gartenges. 89, 23 Bolte; wartet uff die hilff gottes, mocht nit mer mier helffen, weder das ich mich mit beden hendlin an eim graszposchen hatt Th. Platter 9 Boos; do hatt ich kein nod mer, weder das ich mich schier zvast arbeitet mit studieren 49; darzuͦ ist der affen hand, finger, nägel den menschlichen nit gar ungleych, weder das sy etwas gröbers und wilder sind Gesners thierbuch übers. v. Herold u. Forer 1ᵃ. mit weder 'auszer' steht wol auch das auf eine concessive wendung folgende schweiz. weder 'übrigens, doch, aber' im zusammenhang (falls es nicht direkt auf das pron. weder zurückgeht 'in jedem der beiden fälle, mag es so oder so sein', vgl. sp. 2834, ahd. diu hwiduru und ags. hwäđre 'jedoch'): weder da, si ist nüd treu Tobler 441ᵇ; das is recht — jo, weder as nüt derbi usechunt Hunziker 289; jo frili, weder-i ha g'maint Seiler 313. Abegg mda. von Urseren 61.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 17 (1921), Bd. XIII (1922), Sp. 2834, Z. 8.

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wechselig weghaft
Zitationshilfe
„weder“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/weder>.

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