Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

welt, f.

welt, f.

eingebettete Stichwörter in diesem Artikel

welts-gedancken · weltsnase · weltsteil · weltstyrann · weltskisten · weltenpyramide · weltenheer · weltenmacher · weltengebäu · weltenlaune · weltenordner · weltensucht · weltenalter · weltenbrand · weltengeist · weltenplan · weltenraum · weltenschöpfer · weltbube · weltdocke · weltkind · weltnarr · weltratze · welttor · welterhalter · weltmeister · weltordner · weltregierer · weltrichter · weltschöpfer · weltverwalter · weltenbeleber · weltenerschaffer · weltengebieter · weltenhalter · weltenkönig · weltenlenker · weltenmeister · weltenregent · weltenrichter · weltenvater · weltacker · weltarena · weltbuch · weltgarten · weltgefängnis · welthaus · weltherberge · weltmaschine · weltrad · weltsaal · weltspital · weltstrudel · welttheater · welttränental · weltabrüstung · weltbank · weltbund · weltfeiertag · weltkongresz · weltorganisation · weltparlament · weltpostverein · weltrepublik · weltverband · weltbewegung weltenbewegung · weltheer weltenheer · weltnebel weltennebel · weltocean weltenocean · weltsymphonie weltensymphonie · welttanz weltentanz · welttausend weltentausend · weltenwelt · weltauffassung · weltauslegung · weltbegreifen · weltdarstellung · weltdenken · weltdeutung · welteindruck · welterklärung · weltinbegriff · welttheorie · weltvorstellung · weltbedeutung · weltblatt · weltfülle · weltgebirge · welthafen · weltkurort · weltsding · weltvictoria · weltwelt · weltwichtigkeit · weltmächtig · weltmäszig · weltenalt · weltenfern · weltengrosz · welten · weltenreich · weltenschwanger · weltentief · weltenvoll · weltenweit · weltenfrei · weltenfremd · weltengewaltig · weltenhell · weltenhoch · weltenschwer · weltersprieszlich · weltfaszlich · weltgültig · weltliterarisch · weltpolitisch · weltüblich · weltanschaulich · weltbewuszt · welthaltig · weltalt · weltanders · weltbeste · weltbreit · welteinzig · weltewig · weltsgrosz · weltschwer · weltverschieden · weltwichtig · weltenerzeugend · weltenhemmend · weltenschaffend · weltensetzend · weltenstürzend · weltensuchend · weltenumeilend · weltenvernichtend · weltbefangen · welterfahren · weltgeblendet · weltgesinnet · weltverschlagen · weltzugewandt · weltkennend · weltliebend · weltschmeckend · weltüberwindend · weltverschmähend · weltgereist · weltverbreitet · weltbefreiend · weltbeglückend · weltbeherrschend · weltumsegelnd · weltverheerend · weltaufschlieszend · weltbeschauend · weltbetrachtend · welterklärend · weltbekannt · weltbeliebt · weltberühmt · weltumworben · weltverlassen · weltaus · weltauswärts · weltbergab · weltein · welteinwärts · welthinaus · weltüber · weltvorbei · weltwärts · weltbürgern · weltbefreien · weltregieren · weltvergiften
(über abweichende genusformen im nd. und übrigen germ. s. u.).
formen und verbreitung. ahd. weralt Mons. fr. 68 Hench; altbayr. gebet in: kl. ahd. sprachdenkm. 310, 31 Steinmeyer; Tatian 239 Sievers (164, 4); daneben erscheinen früh varianten mit anderer qualität des nebensilbenvokals: werolt Tatian 171 Sievers (119, 10); altalem. psalmenübers. in: kl. ahd. sprachdenkm. 295, 3 Steinmeyer; Otlohs gebet ebda. 184, 5; werult in weruldi (gen. sg.) Weiszenburger katech. ebda. 34, 6; werelt in werelti Tatian 195 Sievers (132, 19); werelte Notker 1, 709, 9 Piper; werilt physiologus in: kl. ahd. sprachdenkm. 125, 35 Steinmeyer; Annolied 35 Opitz-Bulst (31, 16); vereinzelt auch des stammvokals unter einflusz des vorangehenden w: worolt Otfrid I 3, 49 Kelle; gelegentlich finden sich bereits einsilbige kurzformen: werlt Tatian 130 Sievers (90, 5); Notker 1, 352, 14 Piper; s. ferner PBB. 38 (1913) 367 sowie zu den ahd. formen im allgemeinen Schatz ahd. gr. (1927) 72 f. und 82 f. im mhd. herrscht weithin die synkopierte form werlt (s. mhd. wb. 3, 577 f.; Lexer 3, 782 f.) neben zweisilbigen varianten, die zum teil den älteren lautstand bewahrt haben, zum teil jüngere entwicklung zeigen: werelt Schwabenspiegel 3 Wackernagel; werlet Arnsteiner Marienlied v. 109 in: kl. dt. ged. d. 11. u. 12. jhs. 127 Waag (neben werlt ebda. 124, v. 1); werlit vom jüngsten gericht in: mhd. übungsstücke ²13 Meyer-Benfey; werlint paradisus anime intelligentis 17 Strauch; dieim konsonantenstand vereinfachteform der nhd. schriftsprache welt ist schon seit dem 12. jh. nachweisbar, wird aber erst in spätmittelalterlichen hss. häufiger, s. Weinhold mhd. gr. (1883) 208, Michels mhd. elementarb. (1921) 152 und Karstien hist. dt. gramm. 1 (1939) 158; nach Schirokauer stud. z. mhd. reimgramm. in: PBB. 47 (1923) 108 f. und v. Kraus dt. liederd. d. 13. jhs. 1 (1952) x anm. ist sie zunächst nur in alem. texten geläufig, nicht wie Weinhold und Michels meinen, im bair.-österr.; noch 1397 ändert der bair. schreiber des gr. Alex. alem. welt in werlt Schirokauer a. a. o. (vgl. auch das hs. liche nebeneinander von schwäb. weltlich, weltleich und bair. werltlich, werltleich in der überlieferung von Megenbergs dt. sphaera, s. unter weltlich). auch in frühnhd. hss. und drucken erscheinen daneben noch zahlreiche varianten abweichender form: welt oder werlt voc. teut. (Nürnberg 1482) nn 7ᵃ; wernt (15. jh., md.) Diefenbach gl. 342 s. v. macrocosmus u. 627 s. v. universum; werlnt (15. jh., md.) ebda. 353 s. v. meditullium (wohl eine mischbildung zwischen werlt und wernt, s. V. Moser frühnhd. gr. 1, 3 [1951] 17); bei Luther stehen nebeneinander (s. auch H. Bach laut- u. formenlehre d. spr. Luthers [1934] 65): werlet 19, 263 W.; werlt 9, 185 W. und welt 53, 588 W.; mit den orthographischen varianten wellt (1522) dt. bibel 6, 364 W. (dagegen 1546: welt ebda. 365); weltt tischr. 5, 17 W.; weldtt 14, 334 W.; welth 2, 96 W.; noch im 17. und 18. jh. finden sich vereinzelt zweisilbige formen: werlet Zeiszold in: ev. kirchenl. 2, 44 Fischer-Tümpel (nr. 41, str. 15); Schönaich mischmasch (1756) 31; auch die seit dem spätmittelalter nachweisbare nebenform mit epithetischem e (s. Wilmanns dt. gramm. 1 [³1911] 361, Paul dt. gramm. 2 [1917] 89 insbes. anm. 1 sowie Paul-Gierach mhd. gramm. [¹⁴1944] 96 anm. 4 zu § 127), die sich aus dem anschlusz des wortes an die mischdeklination erklärt, ist bis ins 17. jh. zu belegen: werlte (nom. u. acc. sg.) Nürnb. hs. 15. jh. in: zs. f. dt. altert. 83 (1951-52) 200 u. 220 u. ö. (= d. hort v. d. astronomie 1, 7 u. 49, 7); welte (vokativisch gebraucht) volksl. d. 16. jhs. bei Uhland 1, 463; noch 1605 bei Hollonius somnium vitae humanae 70 ndr.: lesset die welt die welte sein; vgl. ferner Ruchamer (1508) unter V A 2 sowie mnd. werlde. as. werold, vereinzelt auch weruld sowie warold, worold (in waroldi, woroldi), f. und m. Sehrt wb. z. Heliand 663 f.; Wadstlin kl. as. sprachdenkm. 245; Gallée and. wb. 376 u. 530, as. gramm. (1910) 46, 49, 113; die maskulinen formen erklären sich wohl aus anlehnung an die flexion konsonantischer stämme (s. Holthausen as. elem.-b. [1921] 104, Gallée a. a. o. 210 f.; ähnlich van Helten mndl. spraakkunst [1887] 351 f. für das mndl.), wozu einwirkung von lat. mundus getreten sein mag. anfr. werolt altostnfr. psalmenfragm. 25 (ps. 60, 9) van Helten; werilt in werildi, werildis ebda. 57 (ps. 18, 10); mndl. werelt, seltener werlt, warelt, werrelt, werlet, werhilt, welt, f. und m. Verwijs-Verdam 9, 2, 2217; ndl. wereld Dale 2, 1981. mnd. werlt, werlde, warlt, warlit Schiller-Lübben 5, 686; mit entwicklung eines sekundärvokals (?) werrelt Lasch mnd. gramm. (1914) 124. afries. warld, wrald, wrauld, rauld, ruald Richthofen afries. wb. 1160; Holthausen afries. wb. 124 (zum stammvokal a der afries. formen vgl. van Helten altostfries. gramm. [1890] 11, § 10, anm. 2, zum r-umsprung ebda. 81, § 96, über die form wrauld Siebs afries. vocalismus in: PBB. 11 [1886] 245 und die schreibung ru für wr van Helten a. a. o. 73, § 84); neufries. wrâld, wraeld, wrâd Dijkstra 3, 476; (festländ.) nordfries. wràl, m. Jensen 713; wraͦl Jabben 108; wrāll Bendsen 50; nordfries. (Föhr und Amrum) werld f. und m. Schmidt-Petersen 162; (Sylt) wārel Möller 293; ostfries. warrelt, werreld, wereld (jedoch fast vollständig durch das nhd. welt verdrängt und nur noch in einigen redensarten und sprichwörtern erhalten) Doornkaat Koolman 3, 539. ae. nördl. nordhumbr. woruld, worold, woreld, world, altws. worold, südl. nordhumbr. und ws. auch weorold Sievers-Brunner ae. gramm. (1942) 90 f. (§ 113 b sowie anm. 4 u. 7), 87; Bosworth-Toller 1193; Grein-Köhler 820; me. weoreld, weoruld, weorld, wereld, werld, werd, woruld, woreld, world Stratmann 678; ne. world Murray 10, 2, 300; auch im engl. (ae.) treten vereinzelte maskulinformen auf, s. Bosworth-Toller a. a. o. und Murray a. a. o. an. veröld Fritzner 3, 922; Cleasby-Vigfusson 699; mschwed. väruld, värald, väreld, värild, värld, werldh, werll Söderwall 2, 2, 1060; schwed. värld f. und n. Hellquist (³1948) 1396; ädän. vereld, verd(en) Kalkar 4, 800; dän. verd-en mit erstarrtem bestimmten artikel, s. Falk-Torp 1368; ordbog over det danske sprog 26 (1952) 1182 ff.; norw. verd Torp 878. mundartlich im gesamten sprachraum geläufig und in mannigfachen redensarten lebendig, wenn auch als wort einer gehobenen stilschicht (vgl. gott) nicht von jedem idiotikon gebucht. fast ausschlieszlich in der schriftsprachlichen form welt belegt. nur vereinzelt werden wesentlich abweichende formen verzeichnet (vgl. auch die obgenannten fries. belege): wilt, wölt (vereinzelt neben welt) Mensing schlesw.-holst. 5, 588; walt Hofmann niederhess. 261; Ruckert unterfränk. 193; Martin-Lienhart elsäss. 2, 824; wöłt, wəlt Vetsch Appenzell 101 u. 147. abgesehen von diesen einzelmundartlichen qualitätsabweichungen des stammvokals (s. darüber auch die bemerkungen bei Schmeller maa. Bayerns 48 und Streiff Glarner maa. 27) erscheint am bemerkenswertesten die zuweilen bezeugte dehnung oder gar diphthongierung des vokals vor lt bzw. rt (s. Jutz alem. maa. [1931] 160): wēlt Heilig Taubergrund 29 (ostfränk.); wǣlt Wipf Visperterminen 127; Clausz ma. v. Uri 87; Brun Obersaxen (Graubünden) 73; Hotzenköcherle Mutten 206; Kessler z. (schweiz.) ma. d. Schanfigg in: PBB. 55 (1931) 164. wäilt (neben wält) Tonnar-Evers Eupen 224; weald (neben weld) Crecelius oberhess. 904; wealt Kuen oberschwäb. wb. d. bauernspr. 54; węəlt, wjəlt (neben wę̄lt, wę̌lt) Fischer schwäb. 6, 1; 668; wiᵃ̈rlt Kisch Nösner wörter 173; węǫut (mit vokalisierung des l) Jutz alem. maa. 55; woit (mittelbair.) Reis dt. maa. (²1920) 52 (zur entstehung dieses zwielauts vgl. Teuthonista 1 [1924-25] 88, 90 u. 105). ferner der wandel des anlauts zum labialen verschluszlaut (s. Behaghel gesch. d. dt. spr. [⁵1928] 385): berlt, barlt Schröer Gottschee 228 u. 231; belt Schmeller cimbr. 172; Bacher Lusern 225; Zingerle Lusern 57; der ersatz des r (vor l) durch d: vædlt (neben værlt) Scheiner mediascher ma. (Siebenb.) in: PBB. 12 (1887) 146; sowie die schwächung des auslauts (lenisierung nach l) bzw. bewahrung der unverschärften lenis in nd. maa.: weld Mensing schlesw.-holst. 5, 588; Dähnert plattdt. 545; Woeste-N. westfäl. 319; Schambach Göttingen 293; Crecelius oberhess. 904; Schmeller-Frommann bayr. 2, 910; wald Polenz altenb. 62; wæld Baumgartner Berner seel. 134; Stucki ma. v. Jaun 193; wäld Friedli bärndütsch 2, 133; wöld Jakob Wien 218.
herkunft und bedeutung. die begriffliche herleitung von wer-alt (˂ wer 'mann' + alt, got. alds, ae. yld, an. ǫld, ein - zur zeitbezeichnung gewordenes - verbalabstraktum zu germ. alan 'zeugen, nähren, wachsen', s. Feist vgl. wb. d. got. spr. [1939] 35, Jóhannesson isl. etym. wb. 1 [1951 ff.] 37 und Kluge dt. wortbildungsl. [1925] 12) ist schwierig. läszt einerseits die parallele des got. manaseþs 'κόσμος', eigentlich 'menschensaat', eine alte bildungs- und vorstellungsweise des germ. (etwa eine auffassung der welt als 'lebentragender kreis menschlicher gemeinschaft' im gegensatz zur lebensfeindlichen wildnis, vgl. auch got. fairƕus 'κόσμος' und Jacob Grimms wort: 'manasêþs, faírhvus und wëralt zeigen auf räume und zeiten hin, die von menschen erfüllt werden' dt. mythologie 2 [⁴1876] 663) vermuten, so ist es andererseits kaum möglich, die komposition weralt als eine eigentümlich heidnischevon der kirche übernommene und im christlichen geiste gewandelteprägung des vorchristlichen germ. zu erweisen: vorchristliche belege des wortes kennen wir nicht; wir treffen esals wiedergabe des kirchenlat. saeculum — zufrühest im südgerm.; es istim gegensatz etwa zu der alten gemeingerm. bildung got. midjungards, an. miđgarđr, ae. middangeard, as. middilgard, ahd. mittin-, mittilgart — weder im got. nachweisbar, noch im nord. ursprünglich (s. F. Fischer d. lehnw. d. altwestnord. [1909] 7 und W. H. Vogt in PBB. 58 [1934] 21 anm.; die im 10.-11. jh. entstandene, christlich beeinfluszte vǫluspá bietet die beiden einzigen belege des wortes in der edda; sie zeigen mit der bedeutung 'zeitalter', 'welt' [s. Gering vollst. wb. z. d. liedern d. edda, 1903, 1106 ] die im folgenden erörterte doppelseitigkeit des zugrundeliegenden saeculum, dessen einflusz nach W. H. Vogt auch andere ebda. auftretende zusammensetzungen mit -ǫld aufweisen, s. a. a. o. 24). im got. der Ulfilasbibel (mehrfach in den Paulinischen briefen) findet sich allerdings bereits das (im ahd. unbezeugte) simplex alds als entsprechung von αἰών (über dessen sinnverwandtschaft mit κόσμος s. u.). weiterbildung dieses ansatzes, verdeutlichung des alds zu wer-alt unter einflusz des bedeutungsentsprechenden lat. wortes saeculum, urspr. 'menschensaat, menschenalter' — vielleicht einem alten germ., besonders im got. lebendigen (s. o.) bildungsprinzip folgendist die vermutliche entwicklung, deren ausgangspunkt manwie beim aufkommen der kontinentalgerm. präfixbildung abgot (s. PBB. 67 [1944] 426 u. 433) — im bereich der got. mission suchen mag; sie musz bis zum 8. jh. erfolgt sein; denn zu beginn der literarischen überlieferung des frühmittelalterl. dt. erscheint die komposition als durchaus geläufig, ja zuweilen bereits zu werlt verschliffen (s. o.), und Otfrid wagt schon die weitere zusammensetzung worolt-altar 'weltalter', nachdem dasim ahd. als simplex unübliche und nicht bezeugtetemporale grundwort des ersten gliedes (-alt) unverständlich geworden war. unmittelbare entsprechungen zu weralt finden sich im weiteren idg. nicht; vgl. über die synonymen bezeichnungen für welt in den wichtigsten idg. sprachen C. D. Buck words for world, carth and land, sun in: language 5 (1929) 218 ff., Schrader-Nehring reallex. d. idg. altertumskde. 2 (1929) 652 sowie die überschau in J. Grimms dt. mythologie 2 (⁴1876) 661 ff.; 3 (⁴1878) 235 ff. und dt. gramm. 3 (1890) 389 f.lat. saeculum, das für die prägung und verwendung des germ. wortes bestimmend geworden ist (vgl. auch Buck a. a. o. 222), war seit beginn der christlichen epoche, also schon im späten altertum und frühen mittelalter, nicht mehr ausschlieszliche bezeichnung für einen reinen zeitbegriff. ebenso wie das bedeutungsentsprechende griechische wort αἰών an vielen stellen des neuen testaments bereits mit κόσμος gleichgesetzt worden war, so war dasin den lat. bibelübersetzungen dafür eintretendelat. aequivalent saeculum in sinnverwandtschaft mit mundus, der geläufigen entsprechung von κόσμος, geraten, und der am häufigsten belegte wortsinn von saeculum wurde im mittelalter '(diesseitige, sündige) welt'; vgl. zum vorstehenden G. Stadtmüller saeculum in: saeculum 2 (1951) 152 ff. welt, das als wiedergabe von lat. saeculum und mundus erscheint (vgl. auch R. v. Raumer d. einwirkung d. Christentums auf d. altdt. spr. [1845] 374 und Lindquist in: PBB. 60 [1939] 22), weist dementsprechend in (bzw. seit) frühdt. zeit folgende hauptbedeutungen auf: 'zeitalter', insbes. 'menschenalter, weltalter' (I), 'zeitlichkeit, das diesseitige zeitverhaftete dasein und daseiende' (II), 'kreis der erdbewohner' (III A), 'auszenwelt' (IV A), 'erdkreis' (V), 'schöpfung' (VI), 'transzendente sphäre' (IX B 1 andere, jene welt 'jenseits'), d. h. welt erwächst mit der masse seiner gewichtigsten bedeutungen auf christl.-lat. grunde. im anschlusz an saeculum und mundus erreicht es bereits in frühdt. zeit fast alle seine wesentlichen bedeutungen, dann vermannigfaltigt durch neuerliche einwirkungen des lat.-griech. (macrocosmus [VII], microcosmus [VIII 1]) im zeitalter des sich erweiternden naturwissenschaftlichen weltbilds, des franz. monde [III A 1 b β, γ und 2 c]) im 18. jh., sowie durch metaphorische anwendungen mannigfacher art; überall, wo der sprecher auf ein abgeschlossenes ganzes, auf universale fülle, welcher art auch immer, zielt, springt das wort welt als bezeichnung ein: für 'einen in sich geschlossenen bezirk verschiedener art, der in seiner eigenständigkeit und eigengesetzlichkeit gleichsam ein all im kleinen darstellt' (VIII), 'die ganzheit eines geistigen (oder halbkonkreten) bereiches' (IX), 'die gesamtheit der sinnlich und geistig erfaszbaren erscheinungen und sachverhalte' (X), 'allumfassende menge, fülle, hohes (kosmisches) masz' (XI), um nur die wichtigsten, von welt umfaszten bereiche anzudeuten. so spiegelt die geschichte des wortes welt gleichsam symbolhaft den gang der abendländisch-deutschen kulturwelt wider, die auf christlichantikem grunde ersteht, durch äuszere einflüsse und inneres wachstum sich zu immer gröszerer mannigfaltigkeit entwickelt. einige abschnitte dieser wortgeschichte (VI, VII) lassen einen wesentlichen vorgang der dt. geistesgeschichte sichtbar werden, sie zeigen, wie der antike kosmos- und christliche schöpfungsbegriff allmählich dem der modernen naturwissenschaft und welt-anschauung weicht, und die schillernde vieldeutigkeit, mit der das wort zuweilen im schrifttum des 18. und 19. jahrhunderts begegnet, läszt uns spüren, wie sich diese vorstellungen zu oft eigenartigen synthesen eines individuellen welt-bilds verbunden haben (über das neben- und ineinander des alten und neuen weltraumbilds in der dichtung der romantik vgl. Chr. Junker d. weltraumbild i. d. dt. lyrik [1932] 17, über die wechselnde weltauffassung deutscher philosophen Eisler wb. d. philos. begr. 3 [⁴1030] 502 ff.). wenn irgendwo, dann gilt für diesen artikel des deutschen wörterbuchs das wort Wilhelm Grimms: 'definitionen können nicht erschöpfen, was das lebendige wort in sich faszt, aus den reichlichen und mit sinn ausgewählten beispielen musz der wahre begriff hervorgehen und wird sich in den feineren schattierungen oft nur empfinden lassen' (2. 4. 1839) br. d. br. Grimm an Savigny (1953) 404 Schoof.
I.
zeitalter.
A.
für perioden verschiedenen ausmaszes.
1)
'zeit(alter)' schlechthin:
thu sis giuuisso heiler   thero forasagono einer,
thie iu bi alten uuoroltin   then liutin vuuntar zelitin,
kunftigo dati   ioh druhtines girati
Otfrid III 12, 19 Kelle;
so besonders im änhd.: secula prisca ... die vergangene zeyten, alte oder lang vergangne waͤlt Frisius dict. (1556) 1058; ich verwundere mich ..., dasz zu dieser witzigen welt, da wir aller kunst und wissenheit gipffel erlangt zu haben vermeint werden, ... dasz, sag ich, zu dieser gar witzigen zeit schier keiner ... gefunden wird, der die oeconomische künsten mit gelehrter feder abmahle Schupp schr. (1663) 709;
warum mir aber in neuster welt
anarchie gar so wohl gefällt?
Göthe I 3, 296 W.;
aus neuerem sprachgebrauch jedoch nur noch in besonderer einzelanwendung belegt; 'die vor- oder nachzeit umfassender abschnitt der ewigkeit': die vergangenheit ... ist eine der beiden welten der ewigkeit, ... die andere ist die zukunft Bettine Günderode (1840) 1, 178; geschichtsepoche: Johannes Müller ... feierte in schwülstigen perioden Napoleon und Friedrich als die heroen der modernen welt Treitschke dt. gesch. (1897) 1, 251; doch fragte man sich nicht so sehr, was dies alles (die revolution 1917) für die künftige welt (zukunft) bedeute; man dachte nur an die gegenwart, und für diese bedeutete es den frieden Carossa arzt Gion (1932) 152; aber bereits Adelung erklärt: welt ... die zeit und ein theil derselben, ein zeitalter, wie das lat. saeculum ... doch in dieser ganzen bedeutung ist es jetzt veraltet 5 (1786) 159.
2)
weltalter (vgl. hierzu: d. religion i. gesch. u. gegenw. 3 [1912] 1262ᵇ Schiele-Zscharnack): die uinf uuile, in den dir der huosherro ladote die uuerhliuti in sinan uuinkarten, die pizeichinent die uinf uuerlti, die dir uore Christis kiburte uuaren ... an demo ente dere uinften uuerlte do gareti sanctus Johannes baptista den uuech demo gotis sune ... in dere sehsti uuerlti, in dere uuir nu piren, do chom selbo unser herro kl. ahd. sprachdenkm. 169 f. Steinmeyer; also do mennisco uuard formatus in sexto die. so uuard er sîd fone Christo reformatus in sexto sęculo (gl.: an dero sehstun uuerlte) Notker 2, 391, 10 Piper;
do hub sich an dú sehste welt
an sant Johans, dem herren min,
und wert untz an daz end hin.
dis sehs welten jamers vol
die wassergelten túten sol
der sœlden hort 5541 Adrian (Augustinus Joh. ev. tract. 9 [patrologia latina 35, 1461 ff., Migne]: 'sex ... illae hydriae sex aetates significant');
gleich wie von anfang der beschoͤpffung bisz auff vnsere zeit sich verlauffen haben sieben weldt vnd wir seind jetzundt in der siebenden weldt Seb. Münster cosmogr. (1550) 379; hernach siehet man, wie gott in der natur gewirkt, als die heiligen vaͤter in der ersten welt (im ersten weltalter, d. h. bis zur sintflut) geboren, als: Abel, Seth, Enos ... und der heilige Noah Jac. Böhme s. w. 2, 5 Schiebler; in dieser letzten welt in questi ultimi, estremi tempi nell' ultima decrepitezza del mondo Kramer t.-ital. 2 (1702) 1315ᵃ; erste welt findet sich noch im 17. und 18. jh. häufig für die anfangsperiode der menschheitsgeschichte: seinen baͤren schickte er auf die jagt aus, welcher taͤglich etwas von wildpret einbrachte; so der gute einsiedler nach der ersten welt einfalt zurichtete Lohenstein Arminius (1689) 1, 1095ᵇ; (die vernunft kann eine abbildung nicht für wahrscheinlich halten,) durch welche die erste welt, ohne alle ursache, in ein schlaraffenland verwandelt wird Liscow satyr. u. ernsth. schr. (1739) 541; dieser anblick (eines badenden mädchens) wirkte so wundersam auf den lauschenden berggeist, dasz er ... mit eben der lüsternheit, wie ehedem seine konsorten in der ersten welt, nach den töchtern der menschen sah Musäus volksmärchen 1, 7 H.; in neuerem sprachgebrauch wird welt in dieser bedeutung unüblich und weicht der komposition weltalter (s. dort unter 2 b).
3)
jahrhundert (s. auch PBB. 75 [1953] 312ff.): hundert iar heissent seculum, daz ist ein welt Meinauer naturlehre 12 Wackernagel; seculum die welt vel eternitas vel spacium centum annorum gemma gemmarum (Straszburg 1508) z 3ᵇ; seculum welt centum annorum spacium Altenstaig voc. (1516) 17ᵃ;
zweyhundert jar hab ich glebt wol,
so man den alten glauben soll.
inn der dritten welt thu ich leben,
desz sollend ir mir glauben eben (vixi ... annos bis centum; nunc tertia vivitur aetas Ovid metam. 12, 188)
Wickram w. 8, 141 Bolte.
4)
lebenszeit, menschenalter. so schon im as. (Hel. 127 u. ö.), hd. nur vereinzelt nachweisbar:
haben ih gimeinit ...
thaz ih einluzzo mina worolt nuzzo
Otfrid I 5, 40 Kelle;
drey waͤlten auszlaͤben vivere tertiam hominum aetatem Frisius dict. (1556) 55ᵃ; vereinzelt im sinne von 'lebensperiode':
(in das stammbuch des sohns:)
diesz album lag so manches jahr in banden,
nun richtet sich's zu frischer wandrung auf;
von früher welt sind freunde noch vorhanden,
erneue sich ein heitrer tageslauf
Göthe I 4, 268 W.
5)
formelhaft im anschlusz an lat. (-griech.-hebr.) wendungen (s. E. Luginbühl studien zu Notkers übersetzungskunst, diss. Zürich 1933, 25 ff.): a saeculo et usque in saeculum hinnan fone dirro uuerlte unz ze enero uuerlte Notker 2, 153, 7 Piper; wann es ist nit gehort von der werlt, das iemand aufftet die augen des blinden geborn (a saeculo non est auditum) erste dt. bibel 1, 376 Kurr.; im bereich südwestdt. (schweiz.) bibelübers. kommt die formel von je welten her (ab aeuo conditto Frisius dict. [1556] 55ᵇ) auf: o herr du bist vnser zuͦflucht von ye welten haͤr Zürcher bibel (1531) 2, 39ᵃ (psalm 90, 1); ist das evangelium ... den Juden von je welten har zum ersten geoffnet Zwingli dt. schr. 1, 32 Sch.; ain grundfeste des ainigen waren und von iewelten (!) her uralten globens Kessler sabbata 18 hist. ver. St. Gallen; darinn sie auch von je wälten här die Asianer und Africaner weyt vbertroffen Stumpf Schweizer chron. (1606) 13ᵇ; von je welten her hat sich der gott Israels ... dadurch vor allen erdichteten gottheiten ... unterschieden und ausgezeichnet, dasz er denen antwortete, die seinen namen anruften Lavater pred. üb. d. buch Jonas (1773) 1, 124; dasz es von je welten her zufriedne und unzufriedne menschen muͤsse gegeben haben Bräker s. schr. (1789) 2, 95; varianten: dhain neuen brauch dann der allwegen und ye welt her gewest qu. a. d. j. 1525 bei Fischer schwäb. 6, 1, 668; die ketzer handt je welt sich des gots worts beriempt Murner uszlegung d. ungesalzenen briefes d. herrsch. v. Bern (1529) E 1ᵃ;
volgende zween hat man ie werlen (!)
gehalten wie ein edle perlen:
ein medicus treuw und gelehrt,
chirurgus erfahrn vnd bewert,
die sind viel guts und ehren werth
Kirchhof wendunmuth 2, 163 Ö.;
kampf-recht ist bey den Teutschen in spaͤnigen, verworrenen und zweifelhafftigen sachen von ieder welt her in gerichtlichen brauch und ubung gewest J. Döpler theatr. poen. (1693) 114; von der welt an: das alle lebendige hunde von der welt an ... solchs nicht gleuben wuͤrden Luther 53, 588 W.; alles wat godt gespraken hefft durch den mundt alle siner hilligen propheten van der werlde an Rotmann restitution 5 ndr.
B.
einem bestimmten zeitalter zugehöriges.
1)
die menschen eines weltalters: originali mundo (non pepercit) dero eristun werolti (10. jh.) ahd. gl. 1, 793, 29 St.-S.; felix nimium prior e̜tas tiu êrera uuerlt uuas filo sâlig Notker 1, 96, 23 Piper;
die heimwarten liute,
di dâ wartôten der broute,
die bezeichent die funf werlt alle,
die dâ wâren in der helle,
die dannen nie mohten chomen,
ê si got selbe dâ muose nemen
kl. dt. ged. d. 11. u. 12. jhs. ²114 Waag (hochzeit 808) (ähnlich ebda. 8 [Ezzos gesang 145]; Annolied 8 Opitz-Bulst [4, 4]; kaiserchronik 9452 Edw. Schröder);
offenbar ist, dasz die erste welt vor der suͤndfluth ... wenig von den qualitaͤten und geburt gottes gewuszt hat Jac. Böhme s. w. 2, 196 Schiebler;
bisz willkommen, starkker heldt,
der dich schon die erste weldt
und die vätter überall
hochgeehret
und begehret:
sey willkommen nach dem fall!
Joh. Heinr. Hadewig (1623-1671) in: ev. kirchenl. 2, 503 Fischer-Tümpel;
da wie die erste welt im wasser war ertruncken
zur zeit Deukalions
J. Rachel sat. ged. 15 ndr.;
die menschen des goldenen zeitalters:
armuͦt die yetz ist gantz unwerdt
was ettwann liep und hoch uff erd
und was genem der gulden welt,
do was nyemans der achtet gelt
oder der ettwas hatt alleyn,
all ding die woren do gemeyn
Seb. Brant narrenschiff 83, 33 Z.
2)
generation. vor allem mit zeitcharakterisierendem beiwort; die gegenwärtige, heutige, jetzige, junge, jüngere, neue(re) welt:
iz ni habent liuola, noh iz ni lesent scribara,
thaz iungera uuorolti   sulih mord uuurti
Otfrid I 20, 24 Kelle;
...
wie dise werlt niuwe
wirt läider ungetriuwe
...
verbœset ist diu niwe jugent
Heinr. v. Melk 40 Heinzel-Kienast (erinnerung 379);
vnd wiewol heut die junge welt
für schlecht der alten thaten haͤllt
Fischart glückhafft schiff 7 ndr.;
durch deren (der historie) vermittelung ihr (der helden) gedechtnus so wol der gegenwertigen welt weit und breit eingepflantzet als auf die kuͤnftige nachfolgende posteritet ausgebreitet Chemnitz schwed. krieg 1 (1648) 1;
was ist die nachwelt wohl, von unsrer welt gebohren?
so, wie die itzge welt, besteht sie meist aus thoren
Cronegk schr. 2 (1763) 5;
die neuere welt ist den worten hingegeben (26. 11. 1825) Göthe IV 40, 141 W.;
ich war ein lockerer zeisig, ich wills hoffen,
aber die heutige welt hat mich schon übertroffen
Meisl theatr. quodlibet (1820) 2, 3;
die junge welt stürzte ... in ihren wagen ... holpernd das klinkerpflaster hinunter H. Mann ausgew. w. 1, 426 akad.; də jønə walt die junge welt, die jüngere lebende generation Hofmann niederhess. 261. die alte welt: so nun beides, die alte vnd auch heutige welt, ... nutzlich befunden Fischart Garg. 4 ndr.; Walter, Wetzstein, hieher zu mir; die alte welt so zusammen maler Müller w. (1825) 1, 293; hierzu wohl auch: zuͦ der alten waͤlt faren sterben Frisius dict. (1556) 275ᵇ s. v. concedere. die folgende, späte(re), zukünftige welt: wiewol die folgende zeit vnd welt gemeiniglich zum mehrern theil nur die laster der vorfarenden in vbung behalten Barth weiberspiegel (1565) E 7ᵇ;
so ich noch bin beglaubt, so koͤnnen was zu schreiben,
das fuͤr die spaͤte welt zur nachricht soll verbleiben
P. Fleming teutsche poemata (1642) 224;
wird die spaͤte welt den krieg
mit der zeit in buͤchern lesen
B. Neukirch ged. (1744) 11;
wohl alten helden
ziemt es, zukünft'ger welt
waffen zu schleifen
Fouqué held d. nordens (1810) 1, 9;
ach, nicht wähnt er den neid zu besiegen und weilt entfernt,
taub den feinden und hoffend, es werde die spätre welt
spreu vom waizen zu scheiden verstehn
Platen ges. w. (1839) 121.
die welt der enkel:
ich fragte meine schöne:
soll dich als Dorimene
...
die welt der enkel kennen?
Lessing 1, 62 L.-M.
in neuerem sprachgebrauch findet sich häufig die formelhafte verbindung welt und nachwelt, in der welt die lebende generation, nachwelt die kommenden geschlechter bezeichnet:
du fragst, warum Semir ein reicher geizhals ist?
Semir, der dichter? er, den welt und nachwelt liest?
Lessing 1, 5 L.-M.;
hartnäckig wird es welt und nachwelt läugnen
Göthe I 15, 1, 55 W.;
aber welt und nachwelt hat diesen harten ausspruch gerechtfertigt Heinse s. w. 4, 213 Schüddek.;
ein etwas, das die welt und nachwelt lobet
Rückert ges. poet. w. (1867) 1, 29.
3)
die verhältnisse, lebensordnung einer bestimmten zeitperiode (vgl. auch II B 3): es ist itzt nicht mehr eyn wellt wie vortzeytten, da yhr die leutt wie das willd jagetet und triebet Luther 11, 270 W. (von weltlicher oberkeit 1523); es ist eine welt der ander gleich, die welt kugel waltzt vmb vnd kompt das alt im newen kleid wieder; auff, ab, wieder auff, das ist der lauff Lehman floril. polit. (1662) 2, 908; wie kennst du die jetzige welt so wenig! o quam te fallunt nostra tempora! Serz teut. id. (1797) 175; das war in d'r alten welt; heut sind mir in eener andern welt (zeit mit andern verhältnissen) Gerh. Hauptmann weber (1892) 111; die welt vor 100 jahren. menschen und kultur der zeitenwende um 1840 Redslob (1940) titel; so auch in moderner ma.: ass dât eng welt! was sind das zustände! luxemburg. ma. 483; o jerum, was isch diss forr e welt! zidder d'welt uf d'r welt isch, hawwi noch ken welt g'schn, wie die welt wo uf d'r welt isch! Martin-Lienhart elsäss. 2, 825; wer schaut iətz bei derə'wəld ən alds mensch mer a ̃? Schmeller-Fr. bayer. 2, 910. gelegentlich erscheint die verbindung schöne(re) welt für die 'ideale lebensordnung eines goldenen zeitalters':
schöne welt, wo bist du? — kehre wieder,
holdes blüthenalter der natur!
Schiller 6, 25 G.;
es ist eine bessere zeit, die suchst du, eine schönere welt Hölderlin s. w. 2, 169 Hell. sowie als besondere anwendung die alte welt die antike, der kulturkreis des altertums: er (einer, der in Rom wohnt) sieht sich im mittelpunkt der alten welt Göthe I 46, 66 W.; zum ersten male trat ... (das dramatische) in die antike welt etwa um das jahr 500 v. Chr. ...; aber darin unterscheidet sich jener ältere eintritt des dramatischen in die alte welt, dasz das drama des alterthums aus lyrischem chorgesang hervorwuchs G. Freytag ges. w. 14 (1887) 23; mit besonderem bezug auf das antike menschentum: da sieht man recht, was die alte welt an ... kunstsinn voraus war (1.-9. 6. 1787) Göthe IV 8, 228 W.; er (Shakespeare) vereinigt die naivität der alten welt mit dem geistigen reichtum der modernen O. Ludwig ges. schr. 5 (1891) 326. die (eine) alte welt findet sich daneben auch im sinne von 'die alte lebensart, sitte, mode': vi haubtharnasch der alten welt (geschlossene helme älterer form) nachlaszverz. a. d. j. 1495 in: mittelalterl. inventare 60ᵇ Zingerle; es ist eine alte welt egli è un mondo antico cioè una usanza, foggia antica Kramer t.-ital. 2 (1702) 1315ᵃ;
deutsche maͤdchen, wie gefaͤllt
euch die alt' und neue welt?
moͤgt ihr noch die nase ruͤmpfen
und auf alte sitte schimpfen?
Blumauer ged. (1782) 107.
ähnlich in bestimmten verhältniswörtlichen fügungen; von (aus) der alten welt sein: er ist von der alten welt Tappius adag. cent. sept. (1545) Z 6ᵃ;
ists aber icht ein alt person,
von alten gschichten sagen kan,
auch den alten nach kleid vnd helt,
derselb ist von der alten welt
Eyering proverb. (1601) 2, 376;
er ist noch ganz von der alten welt H. L. Wagner theaterst. (1779) 15 (Evchen Humbrecht 1, 3);
î bi ̃ haͤlt nu ǎ mustǎr vo ̃ dǎ aͤlden welt und ǎ spiagel vo ̃ die urålden zeiten
volksschausp. 215 Hartmann (nr. 26 d. alte u. neue mode);
a īs nō vǔ dr āla (alten) welt Rother schl. sprichw. 1ᵃ; dat es'r een vanne aule welt Elberf. ma. 174; dō̜s ęs no̜x ęnər ys der ālən walt das ist noch einer von altem schrot und korn Hofmann niederhess. 261. nach der alten welt leben vivere all' uso antico del mondo ò all' antica Kramer t.-ital. 2 (1702) 1315ᵃ; ich rede und denke noch nach der alten welt Cronegk schr. 1 (1761) 48; ik bin so na de olle weld ich liebe die neuen moden und eitelkeiten nicht Dähnert plattdt. (1781) 545; se is noch na de olle welt, se draggt de neers achter Kern u. Willms Ostfriesl. (³1876) 53;
lebe nach der alten welt
und rede, wie's der neuen g'fällt
Binder sprichwörterschatz (1873) 120.
II.
zeitlichkeit.
A.
im relig. sinne; 'das diesseitige, zeitverhaftete dasein und daseiende' (vgl. sinnverwandtes zeit teil 15, 538).
1)
mit dem beisinn der unvollkommenheit und nichtigkeit, der mehr oder minder stark hervortritt.
a)
unvollkommene irdische daseinssphäre, jammertal: alla die arbeita ..., die ih in deser werolti (in hoc seculo) sculi lidan durh dina era kl. ahd. sprachdenkm. 182 Steinmeyer (nr. 35, Otlohs gebet 10); ir seyt von niden, ich bin von oben; ir seyt von dirr werlt, ich bin nit von der werlt erste dt. bibel 1, 370 Kurr.; in suma, die welt ist die welt und bleibt auch welt, in der anders nichs (!), dann trübsal, untrew, angst und not ist Zimmer. chron. ²2, 486 Barack; demnach es in dieser welt vnd jammerthal alles zergenglich ist Sattler phraseologey (1658) 395; ja, ich habe unrecht, o meine verklärte Wilhelmine! dich zu beklagen, dasz du einer welt voll clend, voll betrug, voll bosheit bist entrissen worden Nicolai Seb. Nothanker 1 (1776) 69; die augen (des sterbenden kindes) hatten einen glanz bekommen, der nicht mehr von dieser welt war W. Raabe hungerpastor (1864) 1, 86; was willst du tun, armer mann? warten — beten? alle fünf grad sein lassen? o du verwünschte welt, du jammertal! Handel-Mazzetti Jesse u. Maria (1911) 50; unsere regeln und glaubenssätze sind nicht auf die kurzlebigen erscheinungen dieser welt gerichtet O. M. Graf unruhe um e. friedfertigen (1948) 384. zuweilen im sinne von 'diesseits' schlechthin:
mein allerliebstes junges kind
auff diser welt ich nimmer find
Spreng Ilias (1610) 65ᵇ;
gott wird schon besser wissen, ob es besser ist zu sein auf dieser welt oder in der andern (1770) Mozart bei O. Jahn Mozart (1856) 1, 638; er wird aufwachen, vielleicht schon in dieser, vielleicht erst in jener welt von seinem rausch Bettine d. buch geh. d. könig (1843) 1, 305.
b)
irdisches dasein:
gedenket, daz ir (der dem tode nahe könig) sît ein man,
der wol weiz unde kan
wie diu werlt ist gesezt,
wie si sich an væht und lezt,
sô ez sich hin und her wendet
wie ez sich mit dem tôde endet
Ottokar österr. reimchron. 38936 Seemüller;
... bisz das in hertzen-leyd
mein seel mit ir von hinnen scheyd
ausz dieser welt in jenes leben
H. Sachs 2, 36 lit. ver.;
dienst vmb geld ist welt Lehman floril. polit. (1662) 3, 43; in einer theol. definition, die bereits zu 2 überleitet: was ist welt? welt ist unser ganzes dasein, wie es nun unter der bestimmtheit durch die sünde wird und ist Karl Barth Römerbrief (⁵1926) 146.
c)
vereinzelt auch allgemein für 'zeitlichkeit' im gegensatz zu 'ewigkeit': Schiwa, der leben und tod, welt und ewigkeit ist Th. Mann ausgew. erz. (1948) 203; vgl. hierzu Brentano s. v. weltlich C 1 b β und weltlichkeit 1.
2)
mit dem beisinn der sünde.
a)
die der sünde (dem weltleben) verhafteten menschen:
(gott spricht zu den guten:)
ir weintet für der werlte sanc
vil süeze was iu gotes tranc
v. d. jungesten tage 74 Willoughby (v. 569);
welt ist ein haufe ... solcher leute, die nur von gott empfahen allerlei wolthaten und geben dem geber dafur ihren undank und lästerung Luther tischr. 1, 544 W. (nr. 1072); es ist ein grosser vnderscheid zwischen Miriam, Dauids vnd der uͤppigen, leichtfertigen welt tantzen M. Ambach von tantzen (1543) b 2ᵃ; auf dasz die böse lasterhaffte welt, ihrem verdienst gemäsz gestraft ... würde Weckherlin ged. 1, 60 lit. ver.; beleidigungen der sündigen welt sind dem gerechten nöthige züchtigung Klinger w. 3 (1815) 87 (Fausts leben); hier war von der sündhaftigkeit der welt die rede, an welcher er bekannte, auch selber teilgenommen zu haben C. F. Meyer s. w. 3, 34 Faesi; in sprichwörtlicher wendung: je mehr man predigt, je arger die welt wird Petri d. Teutschen weiszh. (1605) D 5ᵇ. mit bezug auf die mit der erbsünde beladene menschheit: ther nimis sunta uueruldi, intfah gibet unser qui tollis peccata mundi, suscipe deprecationem nostram kl. ahd. sprachdenkm. 34 Steinmeyer (Weiszenburger katechismus 115 f.); der erlousser der werelt qu. a. d. j. 1492 bei Röhricht pilgerreisen (1880) 271; die welt hat wollen in schmerzen erlöst sein Handel-Mazzetti Jesse u. Maria (1911) 2, 344.
b)
das weltleben:
o der (nonnen) ist mir selten kain worden,
si luffi denn uss dem orden
und fienge die welt wider an,
die si vor durch got hett gelan
des teufels netz 6016 Barack;
do man mir aber die e nit darzue (zur priesterschaft) wolt gebn,
do legt ich zuruckh das geistlich lebn
vnd nam mich wider vmb die welt an,
wan ich mich schener frauenn nit verbegn kan
(1514) Sterzinger spiele 18, 252 Zingerle;
daz ain mensch, der closterleben fuͦrett, behuͦtsamlicher wandelett, dann in der weldt Keisersberg pred. teutsch (1508) 70ᵇ;
dem alter nah und schwach an kräften,
entschlägt sich Sanktulus der welt
und allen weltlichen geschäften,
von denen keins ihm mehr gefällt.
die kleine trübe neige leben
ist er in seinem gott gemeynt,
der geistlichen beschauung zu ergeben
Lessing 1, 11 L.-M.;
begab sich darauf der welt und ging in ein kloster, um da geistlich zu leben br. Grimm dt. sagen (1891) 2, 161;
zwischen welt und einsamkeit
ist das rechte leben
Rückert ges. ged. 6 (1838) 263;
(die) schwesternschaft (diakonissen), die das leben jenseits der anstaltsgrenzen von vorneherein und in bausch und bogen als 'welt' und unbesehen als verwerflich betrachtete qu. a. d. j. 1938.
c)
das irdische getriebe, weltliche treiben:
der werlt sie gar entrunnen
in die wüestenunge
Laubacher Barlaam 4849 Perdisch;
der höchste rufft uns von dem marckt der welt
in den weinberg, den sein sohn hat mit schweisz und blut genetzet
Gryphius lyr. ged. 33 lit. ver.;
in der stille des klosters und im geräusche der welt sind tausend handlungen geheiligt und geehrt, auf denen ihr (der natur) fluch ruht Göthe I 23, 269 W.
d)
weltliche gesinnung, lebensart:
mit vil tugenden ist er geberlt
swer in der werlde ist âne werlt
Hugo v. Trimberg renner 4947 Ehrismann;
wo lieb und glaube aus ist, da ist eytel wellt und der teuffel selbs Luther 17, 2, 14 W.; daher kompt ein so rohe welt, vnnd vnchristlichs, vneuangelisch leben Joh. Nas widereinwarnung an alle fromme Teutschen (1577) 115;
er (gott) fand mich auf der gassen
voll welt und eigensinn
B. Neukirch ged. (1744) 44;
freylich musz man gestehen, dasz ... durch tändelnde nachsicht, anleitung zum stolz, zur eitelkeit und zu dem, was man oft viel zu unbestimmt welt nennet, und durch schlechte beispiele manches jugendliche herz verderbet worden J. A. C. v. Einem Mosheims vollst. kirchengesch. 9 (1778) 107; hieran schlieszt die formelhafte wendung: von der welt seyn essere del mondo cioè mondano, infedele, carnale Kramer t.-ital. 2 (1702) 1315ᶜ.
e)
weltliche(r) brauch, mode; so nur vereinzelt nachweisbar: hie kumpt ein schoͤner jüngling, vff das aller huͤpschest (nach der welt) gekleydet vnnd angethon, vnnd spricht zuͦ synen mitgesellen, ouch nach der welt gezieret (vgl. dazu die bemerkung vor v. 320: zücht er die waͤltlich kleydung ab vnnd legt demütige kleyder an) schweiz. schausp. d. 16. jhs. 1, 60 Bächtold (Kolrosz von fünfferley betrachtnussen, vor v. 55).
f)
ort weltlichen lebens (besonders im gegens. zu kloster u. einsiedelei):
du solt gewinnen guͦtes vil,
sit daz man den man eren wil
in klóstern, an der welt
nit wan nach sinem gelt
der sœlden hort 273 Adrian;
das vylicht gefaͤrlicher, schwerer hindernüsz sy im kloster an warem christlichen gots dienst dann in der waͤlt Eberlin v. Günzburg s. schr. 1, 27 ndr.; deine kindt von der welt an ein ort, da nichtz dan die welt ist (zu bringen) Gebweiler lob Marie (1523) 32ᵃ; da beklagte ich erst die verlorne unschuld, die ich ausz dem wald gebracht und in der welt so vielfältig verschertzt hatte Grimmelshausen Simpl. 377 Scholte; ich denke, ich weisz es, was meiner tochter in ihren itzigen umständen einzig ziemet — entfernung aus der welt, — ein kloster, — sobald als möglich Lessing 2, 442 L.-M.; so auch in wendungen wie die welt verlassen 'ins kloster gehen':
also hand wir die welt verlassen,
dass wir (mönche) uf gassen und uf strassen
der welt sind gsin ein überlast
Nik. Manuel 6 Bächtold;
da haben etlich fürsten ... in disen noͤten bekümmert, die welt verlassen vnd in cloͤstern jr ... schlupfloͤcher gesuͦcht Seb. Franck Germaniae chron. (1538) 126ᵇ; alle diese wort ... bewogen mich dermassen, dasz ich die welt verliesse und wieder ein einsidel ward Grimmelshausen Simpl. 463 Scholte; die welt lassen, fliehen abbandonare, fuggire il mondo Kramer t.-ital. 2 (1702) 1315ᶜ; um die zellen leidenschaftlicher büszer erhoben sich zahlreiche hütten frommer, welche gleich ihnen die arge welt verlassen hatten G. Freytag ges. w. 17 (1888) 353; aus der welt gehen (fliehen, führen, scheiden): ich gehe nun aus der welt (ins kloster) Chr. Weise polit. redner (1677) 429;
(klosterbruder:) bin
ich darum aus der welt geschieden, ich
für mich, um mich für andre mit der welt
noch erst recht zu verwickeln?
Lessing 3, 111 L.-M.;
aus der welt, wo tolle thoren spotten,
...
flieht der zu euch, der nicht das schimmernde getümmel
der eitlen welt ... liebt
Hölderlin ges. dichtg. 1, 34 Litzmann;
er der aus der welt dich führte
in der klosterzelle schweigen,
wollte in die welt, die wüste
erst den rechten weg dir zeigen
Fr. W. Weber Dreizehnlinden (1907) 223.
vereinzelt 'bereich des bürgerlichen gemeinwesens' (im gegensatz zum kirchlichen bereich, vgl. weltlich B 3 und weltmann 2 c): der einzelne stand in welt und kirche, war bürger und Christ W. Köhler Zwingli (²1954) 132.
g)
der kreis aller irdischen zur sünde verlockenden dinge:
mit meine vûret sû ir lîp.
sû wirt unreine,
der werlde gemeine
denkm. 1, 113 Müllenhoff-Scherer (nr. 23, Friedberger Christ Iᵃ 7);
dú himelschen bilde ... sind dar zuͦ núzz, daz ein goͤtlicher mensch ... etwaz vinde, daz in von diser valschen niederziehenden welt wider uf zuͦ dem minneklichen got reizlich ziehe Seuse dt. schr. 4 Bihlmeyer;
die zart und och die vin
sol von recht gots gemahel sin
und sol die welt versmahen
und ir nienan genahen
des teufels netz 6785 Barack;
dan die frummen seind also daryn, das sie teglich mit den sunden fechten und des fleisches lust, der werlt reytzen, des teuffels eingeben stetig und vestiglich widderstreben Luther 2, 96 W.; drey feind hat das menschliche geschlecht, den teuffel, die welt vnd das fleisch Harsdörffer gesprächsp. 1 (1641) C 3ᵇ;
wenn welt und teuffel offt den menschen stricke legen,
mit unerschrocknem geist da fuͤr den fall zu stehn ...
ist nur die groͤste muͤh
Mühlpforth teutsche ged. (1698) 226;
bewahren ... in ehelichen züchten geborene kinder vor den versuchungen der bösen welt E. Mühsam namen u. menschen (1949) 103; hieran schlieszen wendungen wie die welt über winden: ich (Christus) hab die welt überwunden Zwingli dt. schr. 1, 100 Sch.; ein glaubiges gebet vberwind gott selbst, viel mehr die welt Petri d. Teutschen weiszh. (1605) B 7ᵇ; rühme dich nicht, du habest die welt überwunden! E. T. A. Hoffmann s. w. 6, 21 Gr.; der (die) welt (ent)fliehen:
lasset uns mit Jesv ziehen,
seinem vorbild folgen nach,
in der welt der welt entflichen,
auff der bahn, die er uns brach
Siegm. v. Birken in: ev. kirchenl. 5, 62 Fischer-Tümpel;
dein beyspiel lehre mich, die welt und ihre reizung fliehn!
mildheimisches liederb. (1799) 25 Becker;
der welt (ab-)sterben: der welt absterb, leb gott allein Petri d. Teutschen weiszh. (1605) B 3ᵇ;
doch da er kenntnisz g'nug erworben,
ist er der welt fast abgestorben
Göthe I 16, 286 W.;
frommt es nicht, der welt zu leben,
thut es noth, der welt zu sterben
Fr. W. Weber Dreizehnlinden (1907) 286;
sowie die metaphorische umschreibung fürst (gott, herr, könig) der welt: das erste ist ein reich des teuffels, den nennet der herr im evangelio ein fursten adder kunigk dyser welth Luther 2, 96 W. (s. auch ders., briefw. 8, 567 W.); der satan ist der welt got vnd fürst Seb. Franck sprichw. (1545) 1, 41ᵃ; der teuffel ist ... ein fuͤrst der welt Lehman floril. polit. (1662) 1, 440;
vnd wann auch gleich der fürst der welt
selbst wider uns sich legt ins feld
Paul Gerhardt in: ev. kirchenl. 3, 345 Fischer-Tümpel.
h)
personifiziert; als verkörperung des weltlichen, zur sünde verlockenden. die vorstellung der frau welt ist wohl im Orient erwachsen (zufrühest nachweisbar in einer mittelpers. kompilation aus dem 9. jh., die auf älteren quellen fuszt, s. H. Junker frau welt in Iran in: zeitschr. f. indologie u. iranistik 2 [1923] 237 ff.) und durch manichäische vermittlung in den abendländischen kulturkreis gelangt (s. F. R. Schröder d. Parzivalfrage [1928] 33 ff. und H.-F. Rosenfeld rez. v. A. Closs weltlohn [1934] in: anz. f. dt. altert. 57, 4 [1938] 161; bei Closs und Rosenfeld auch nachweise von parallelen in der bildenden kunst). als sprechende allegorische person:
der (gott) ist gewaltic über mich.
diu werlt bin geheizen ich,
der dû nu lange hâst gegert.
lônes solt du sîn gewert
Konrad v. Würzburg d. welt lohn 212 Edw. Schröder;
ich bin die welt geheizen
und kan uf bosheit reizen
weltlohn 197 Closs;
die welt die sach mich an gar strang,
sprach: ich hilff dir hie nit gesigen;
vor dem todt musz ich mich selb schmigen
H. Sachs 1, 466 lit. ver.;
als besprocheneso ansatzweise bereits in frühmhd. dichtung (vgl. etwa memento mori 5, 1 in: denkm. 1 [1892] 74 M.-Sch.), jedoch erst im spätmittelalter als bezeichnung einer ausgesprochenen personifizierung:
schowend hie ir, jung und alt,
der welt figur und ir gestalt!
(erläuterung eines in der hs. vorangestellten bildes; bild und
verse sind offenbar weit verbreitet gewesen, vgl. Closs weltlohn
[1934] 10 f.)
Konrad v. Helmsdorf spiegel d. menschl. heils 4598 Lindqvist;
und angesprochene, wobei die personifikation nicht immer bis zur vorstellung einer charakteristisch ausgeprägten gestalt geführt hat (vgl. die ähnliche verwendung von lat. mundus: jâ dû vil ubeler mundus, wie betriugist tu uns sus! memento mori 18, 1 in: denkm. 1 [1892] 77 M.-Sch.):
sich, werlt, daz ist dîn solt
Ottokar österr. reimchron. 16883 Seemüller;
we we falsche welt der dir dienet d. ewigen wiszheit betbüchlein (1518) 10ᵇ (ähnlich Grimmelshausen Simpl. 461 Scholte);
o welt! o welt! o welt!
wer dir vertraut der faͤllt
Kern sprichw. (1718) 44;
besonders in der formelhaften anrede frau welt:
frô welt, ir sult dem wirte sagen
daz ich im gar vergolten habe (hier als kupplerin im lusthaus des teufels vorgestellt, s. Wilmanns-Michels 1 [1916] 244)
Walther v. d. Vogelweide 100, 24 Lachmann-Kraus;
frô welt, ich hân ze vil gesogen:
ich wil entwonen, des ist zît (als üppiges weib, an deren brüsten der mensch ruht, aber in ihrem rücken wohnt grauen, s. Wilmanns-Michels a. a. o.)
ders. 101, 5;
hetti ich dich nu, fro welt, tusent jar besessen, wa weri es nu? Seuse dt. schr. 361 Bihlmeyer; nhd. nur noch in historischer darstellung: auch mittelst der kreuzzugspoesie wurde die herrschaft der frau welt nicht gebrochen Scherer lit. gesch. (⁷1894) 96; eine personifizierung ist letztlich auch in der wendung kind(er) der welt erkennbar: sin eigne vater, der der welt kint zemal waz gewesen, der erschein im vor na sinem tode Seuse dt. schr. 23 Bihlmeyer;
wil ich dann mein elend lindern
vnd erleichtern meine noth
bey der welt und ihren kindern
Paul Gerhardt in: ev. kirchenl. 3, 325 Fischer-Tümpel;
Praxedis ... warf dem gröbsten aller wächter eine kuszhand zu ... o kind der welt, das in finsternis wandelt, schalt die klausnerin herab, was soll die bewegung deiner hand? Scheffel ges. w. (1907) 1, 131; vgl. noch als besondere, auf vorstellungen verschiedener art beruhende fälle: so einer den vermasgungen der welt entrunnen ist in erkanntnusz unsers erlösers Zwingli dt. schr. 1, 37 Sch.; die welt ist nicht allein des teuffels, sondern der teuffel selber (1539) Luther briefw. 8, 353 W.;
die welt ein lumpenhändler.
nicht handle mit der welt; sie führt verlegne wahren;
du wirst sonst, wie sie sind, mit schad und schand erfahren
Logau sinnged. 52 lit. ver.;
wenn man des teuffels braut, der rohen, tollen welt,
die truncken von dem glück anitzt ihr fraszfest hält,
das ärgste wird zuletzt mit gall und pech vorsetzen
Gryphius lyr. ged. 29 Palm (ähnlich bei Binder sprichwörterschatz [1873] 212).
auch die hochmittelalterliche dichtung, dievom späten Walther abgesehenin den obzitierten belegen zu II A 2 h unvertreten ist, kennt welt als bezeichnung der personifikation, jedoch nicht die schroffe weltverneinende haltung, welche aus den früh- und spätmittelalterlichen belegen spricht (über die hochmittelalterliche bejahung der welt als schöpfung gottes sowie über die weltvorstellung einer harmonischen ordnung des gradualismus statt eines gegensätzlichen dualismus s. Fr. Ranke gott, welt und humanität i. d. dt. dichtung d. mittelalters [1952] insbes. 14 ff.): sô wol dir, gotes untertân — ich meine dich, tiure welt! Friedrich v. Sunnenburg bei Ranke a. a. o. 24.
B.
allgemein; 'das leben und seine verhältnisse'.
1)
in formelhaften verbalen wendungen, die mehr oder minder noch von lokalen vorstellungen bestimmt sind.
a)
'das leben schenken (α)' oder 'erlangen (β)'.
α)
zur (an, auf, in die) welt bringen (gebären, setzen, tragen):
daz in ain maget in die werlt getruoc
kaiserchronik 9545 Edw. Schröder;
das ... euer lieb gemahel ... eins schönen sones, den sie euch an die weldt gebracht hab, genesen (20. 11. 1493) privatbr. 1, 304 Steinhausen; sie erst ein kind hette auff die welt bracht Barth weiberspiegel (1565) P 3ᵃ; als das weib Urie ... im ein kind an die welt gebar Wickram w. 2, 133 Bolte;
geliebte mutter, weil du mich,
sprach er (Achilles), hast in die welt geborn
Spreng Ilias (1610) 8ᵃ;
ach das ich sie (die tochter) nicht zur welt getragen hette! Heinr. Jul. v. Braunschweig schausp. 124 Holland; seine gemahlin Doda ... hatte ihm vorhero 2 oder 3 söhne ... zur welt gebohren Hahn staatshist. (1721) 1, 7;
entbunden ward mit der herrin zugleich
die schaffnerin ...
sie hat, die hier sich geschäftig verletzt,
der kinder eins in die welt gesetzt
Chamisso ged. (⁹1847) 281;
der arm' Hannsl ..., den a kuhdirn auf d' welt 'bracht hat Anzengruber ges. w. ³6, 277 (kreuzelschreiber 3, 1); dem nhd. am geläufigsten wird (das in älterer zeit nur vereinzelt nachweisbare) zur welt bringen 'gebären':
frou dich, gotes porta,
diu verslozzen gebære
die sunne der wârheit
mit maidelîcher reinecheit,
mit mennesklîcher natûre
got ze dirre werlte bræhte
kl. dt. ged. d. 11. u. 12. jhs. 176 Waag (Mariensequenz a. St. Lambrecht);
dazu habe ich mein kind nicht zur welt gebracht dt. schaubühne 4 (1743) 91 Gottsched; und mitten in ihrem schreien ... brachte sie ihr kind zur welt Feuchtwanger Simone (1950) 75; und in die welt setzen 'zeugen':
dasz dich (Tilly) kein menschen blut vnd keines mannes macht
hab in die welt gesetzt
Dietrich v. d. Werder buszpsalmen (1632) C 3ᵇ;
mich begabst du mit dem bankert, den du in die welt gesetzt,
machst mich glauben, auf den pinien wüchsen kleine kinder jetzt?
Platen ges. w. (1839) 287;
die (weber) setzen mehr kinder in de welt, wie mer gebrauchen ken'n Gerh. Hauptmann weber (1892) 48. früh erscheinen auch metaphorische anwendungen: (es) war solches dem Olivier ein erwünschte gelegenheit, sein schelmenstück, mit welchem er lang schwanger gangen, auff die welt zu bringen Grimmelshausen Simpl. 160 Scholte; dasz die spät zur welt geborenen hefte freundlich aufgenommen ... werden (15. 1. 1821) Göthe IV 34, 101 W.; ich hoffe noch einige grosze werke zur welt zu bringen (7. 10. 1826) Beethoven s. br. 5, 273 Kalischer; während der geringste handwerker sich freut, ein sichtbares produkt von seiner hände arbeit in die welt setzen zu können Immermann w. 5, 29 Hempel;
was glückgeschwängert war, bringt schmach und not zur welt
Rilke ges. w. (1927) 6, 374.
β)
zur (an, auf, in die) welt kommen, das licht der welt erblicken u. dgl.: kindsznoͤten, durch welche wir alle in die welt kumen Gebweiler lob Marie (1523) 18ᵇ; das kind ... kumpt weynend vnd schreyend auff die welt Ryff anatomi (1541) B 6ᵃ; und da er in der nacht ist an die welt gekommen Besser schr. (1732) 1, 16; am 28sten august 1749, mittags mit dem glockenschlage zwölf, kam ich in Frankfurt am Main auf die welt Göthe I 26, 11 W.; ich bin zu zeitich uff de welt kumma Rother schl. sprichw. 1ᵇ. in neuerem sprachgebrauch wird vor allem zur welt kommen 'geboren werden' üblich:
zer werlde komen wir âne wât;
in swacher wât ouch sie uns lât.
zer werlde ich blôzer komen bin,
diu lât mich ouch niht füeren hin
Freidank bescheidenheit 227 Bezzenberger;
ein aufmerksamer leser Lucians ... (kann) sich ... überzeugen, dasz er (Lucian) weder viel früher noch später als gegen das jahr 116 oder 17 zur welt gekommen seyn könne Wieland Lucian (1788) v anm.; am 15. mai 1865 bin ich zur welt ... gekommen M. v. Ebner-Eschenbach ges. schr. (1893) 4, 410; und in höherem sprachstil das licht der welt erblicken:
ja haͤttest du das licht der welt
bey niedrigkeit und armer bloͤsze ... erblickt
Stoppe Parnass (1735) 15;
so wird es ... ungewisz bleiben, ob ich in dem keller, auf dem boden oder in dem holzstall das licht der welt erblickte E. T. A. Hoffmann s. w. 10, 16 Grisebach. als besondere wendung findet sich etwas mit auf die (in die, zur) welt bringen: denn wir haben nichts in die welt bracht, darumb offenbar ist, wir werden auch nichts hinaus bringen 1. Thim. 6, 7; der mensch bringt nichts auff diese welt, kein gut noch gelt Petri d. Teutschen weiszh. (1605) 2, O 6ᵃ; dasz das hirsch- oder wildkalb acht stück zähne mit zur welt bringet Göchhausen notabilia (1741) 21; se hat's mit uf de welt gebracht Gerh. Hauptmann weber (1892) 11; das sterben gehört zum menschenberuf, wir bringen es alle mit zur welt A. Zweig einsetzung e. königs (1950) 194.
b)
'das leben aufgeben (α)' oder 'nehmen (β)'.
α)
die welt (ver-)lassen, (ge-)segnen, quittieren u. dgl.: dasz der ... wolthaͤter aller gelehrten die welt gesegnet F. Boccalini polit. probierstein (1616) 117;
so lassen wir durch qual, verschimpfft, umsonst die welt
Gryphius trauersp. 104 lit. ver.;
die welt, das zeitliche quittiren abbandonar' il mondo, uscire di questa vita Kramer t.-ital. 2 (1702) 247ᵇ; bis er diese welt qvittiret (1725) Faustb. d. christl. meyn. 23 Szamatolski; der fromme Törne verliesz schon 1732 die welt v. Einem Mosheims vollst. kirchengesch. 7 (1776) 339; nachher ward auch der kleinen feindlichen Hedwig gedacht, deren vater bereits die welt gesegnet hatte Langbein s. schr. 31 (1837) 79. der welt abwerden, urlaub geben: nach dem Nero der welt abward, ... ist Sergius Sulpitius Galba ... an die römisch regierung kommen Guler v. Weineck Raetia (1616) 26ᵃ; als kaiser Conrat der dritt im 1152 jar der welt vrlaub geben (15.-16. jh.) Brandis landeshauptl. v. Tirol (1850) 16. ab (aus, von) der welt gehen, kommen, wandern:
got gebe siner sele rat,
wen si von diser werlde gat
historien der alden e 6165 Gerhard;
damit er komme ab der waͤlt
H. R. Manuel weinsp. 2687 ndr.;
dasz ich ausz der welt komm Fischart Garg. 38 ndr.; aus dieser welt wandern uscire, passare da questo mondo Kramer t.-ital. 2 (1702) 1314ᶜ; er (Appiani) war mir genugthuung schuldig; er ist ohne diese aus der welt gegangen Lessing 2, 423 L.-M.; man ging nicht 'anonym' aus der welt, auch nicht, wenn man nur Liljecrona hiesz Wiechert missa sine nomine (1950) 25. aus (von) der welt (ab-, ver-)scheiden, verschwinden u. dgl.:
alse Ludewîch von der werlte versciet
kaiserchronik 15236 Edw. Schröder;
alse si von der werlte scaident
ebda. 9711;
do er starbe und ausz diser welt schiede Arigo decamerone 55 lit. ver.; weil aber derselbig (freund) nun von dieser welt selig abgeschieden Wolfh. Spangenberg ausgew. dicht. 10 Martin; von der welt scheiden, abscheiden partire, partirsi, andarsene dal mondo Kramer t.-ital. 2 (1702) 1315ᵇ; 'blut gespien', rief er ..., da haben sie schon einen grosen schritt aus der welt getahn, und Leipzig musste ihnen (Göthe) gleichgültig werden' ... 'getroffen', sagt ich, 'die furcht vor dem verlust des lebens hat allen anderen schmerz (der trennung) erstickt' (31. 1. 1769) Göthe IV 1, 186 W.;
seit der könig Salomo
von der welt verschwunden
Rückert ges. ged. 4 (1837) 205.
aus der welt getragen werden: da nun der theure ehegemahl dieser zärtlichen dame starb und aus der welt getragen wurde, ... Heinse s. w. 2, 202 Schüddek. sich aus der welt fragen, machen: fragen kan man sich aus der welt Spanutius dt. lex. (1720) 586;
dasz sich jemand von den meinen plötzlich aus der welt gemacht
Schmolck s. trost- u. geistr. schr. (1740) 1, 24.
β)
ab (aus, von) der welt (ab-, er-)fordern, helfen, (hin-, weg-)nehmen, reiszen, tilgen, tun 'das leben nehmen, sterben lassen': daz si got ... von der werlt neme kl. ahd. denkm. 349 Steinmeyer;
dû (Christus) Arrîum hiute von der werlte tæte
kaiserchronik 13531 Edw. Schröder;
er ... gepeut das ich (der diener) eüer ... tochter nem, die weg trag vnd ab der welt dilge Arigo decamerone 661 lit. ver.; demnach der allgewaltige gott herrn Gideon Stangen von Kunitz von dieser werlet abgefordert hat Schweinichen denkw. 549 Ö.; erforderet gott sein gemahel ... ausz diser welt Zimmer. chron. ²1, 66 Barack; gott wurd ... im (dem könig) bald ab der welt helffen (vor 1572) Tschudi chron. Helvet. (1734) 1, 231;
der uns nun von der welt und eurer seiten nimmt,
hat wie und wenn ihr uns nachfolgen solt, bestimmt
Gryphius trauersp. 229 lit. ver.;
ab der welt thun ex rerum natura tollere Dentzler clavis (1716) 348ᵃ; als ihn der tod, in der bluͤte seiner jahre, von der welt risse Faszmann d. gelehrte narr (1729) 7;
so fordert von der welt ein unverhofft geschick
den aͤltern bruder ab
König ged. (1745) 7;
wollst endlich, sonder graͤmen
aus dieser welt uns nehmen
mildheimisches liederb. (1799) 33 Becker.
aus der welt jagen, schaffen, treiben; in die andere welt abschicken, fördern; von der welt richten u. ä. wendungen für 'töten': ich euch vor töten und ausz diser welt iagen vnd treiben wille Arigo decamerone 128 lit. ver.; demittere aliquem orco einen toͤden oder ab der waͤlt fergken Frisius dict. (1556) 927ᵇ;
nicht anders träumen sie (die weiber) vnd dichten,
als wie sie von der welt vns (flöhe) richten
Fischart w. 1, 56 Hauffen;
hätte ich nicht respect für meinem herren, ich wolte dich ausz der welt jagen (1672) kunst über alle künste 168 Köhler; einen aus der welt jagen cacciar' uno dal mondo, ucciderlo Kramer t.-ital. 2 (1702) 1314ᶜ; nur die seelen derjenigen ... irren (umher), die eines gewaltsamen todes gestorben sind, z. b. derer, die sich selbst erhaͤngt haben, oder enthauptet, gekreuziget oder auf eine andere aͤhnliche art aus der welt geschaft worden sind Wieland Lucian 1 (1788) 185. daneben erscheinen metaphorische wendungen im sinne von 'beseitigen': wenn man 'lasz duncken' ausz der welt neme, so were kein welt mehr schöne weise klugreden (1548) 69ᵇ;
... dein ansehn, das mich plagt,
hat meine bloͤdigkeit fast ausz der welt gejagt
Chr. Weise überfl. ged. 30 ndr.
waͤre doch dein degen aus der welt
dt. schaubühne 1 (1742) 349 Gottsched.
in neuerem sprachgebrauch besonders etwas aus der welt schaffen: da ... der Newtonische irrthum ein für allemal aus der welt zu schaffen ist Göthe II 5, 2, 215 W.; de mechanischen stihle, die wolln se doch aus d'r welt schaffen Gerh. Hauptmann weber (1892) 108; die sache ist nicht anders aus der welt zu schaffen als durch eine runde klare entschuldigung Feuchtwanger geschw. Oppermann (1948) 96.
c)
'da sein, existieren, leben':
monarch, war je ein tag, seit dem du auf der welt,
der werth, dasz man daran dein würdig lob vermeldt,
so ist es dieser tag
König ged. (1745) 2;
wenn du nun nicht mehr auf der welt wärst! ach ich würde keine hand mehr regen Bettine Göthes briefw. 2 (1837) 16; genau so hätte er (Nero) die beleidigung aufgenommen, wenn er noch auf der welt gewesen wäre Feuchtwanger d. falsche Nero (1947) 36; wenn das kind auf der welt wäre, müszte alles beim standesamt protokolliert und ein vormund aufgestellt werden O. M. Graf unruhe um e. friedfertigen (1948) 37. in freier anwendung auch: sind denn nicht postillen genug in der welt? dasz er itzt auch mit einer neuen herfür brechen musz Joh. Mich. Dilherr heil. sonn- u. festtags-arb. (1674) vorr.; zuletzt ergiebt sich ... hieraus, dass der begriff von einer exemption in geistlichen dingen noch nicht auf der welt war M. I. Schmidt gesch. d. Deutschen (1778) 1, 337; denn irgend eine metaphysik ist immer in der welt gewesen und wird wohl auch ferner ... darin anzutreffen sein Kant I 3, 19 akad.; eine handvoll schelmenblut mehr in der welt oder nicht! maler Müller w. (1811) 1, 196; solange andere not ist auf der welt, ist unsere not klein Wiechert missa sine nomine (1950) 88.
2)
'leben'
a)
eines individuums:
frouwe, ob du mir nicht die werlt erleiden wil,
sô rât unde hilf: mir ist ze lange wê
Heinrich v. Morungen in: minnes. frühl. ³⁰181 (138, 3) Vogt-Kraus;
in neuerem sprachgebrauch in poetischer einzelanwendung: so lebte sie eine welt aus sehen und blindheit Stifter s. w. 3 (1911) 102; wer dagegen (auf der Münchener frühjahrsdult) auf seine kosten kam, das waren die kinder, die lachenden weisen beginner der welt Carossa arzt Gion (1932) 101; vereinzelt auch mundartlich: eine neue welt anfangen ein 'neues leben' Fischer schwäb. 6, 1, 670.
b)
im allgemeinen; 'lebendige wirklichkeit': (der) weite ... abstand unserer büchersprache von der sprache der welt Gerstenberg recensionen 56 lit. denkm.;
'seid doch nicht so frech, epigramme!' warum
nicht? wir sind nur
überschriften; die welt hat die capitel des buchs
Göthe I 1, 322 W.;
ich erfuhr zum ersten male, dass die welt und der roman total verschiedene dinge sind Seb. Brunner ges. erz. (1864) 1, 178; alles, was wir auszerhalb der kunst hören, sehen und uns vorstellen, gehört in einen zusammenhang, den wir welt oder leben nennen Buchwald in: germ.-roman. monatsschr. 5 (1913) 418; 'das praktische leben': wenn man aus der schule sich in die welt begibt Kant w. 5 (1838) 366 H.; zuweilen auch 'das daseinsgetriebe':
es bildet ein talent sich in der stille,
sich ein charakter in dem strom der welt
Göthe I 10, 117 W.;
ewig musiziert das leben, tanzt es seinen reigen ... mittanzen im reigen der welt ... ist unsre teilhabe am glück H. Hesse späte prosa (1951) 133.
c)
menschliches treiben; insbesondere das geschäftige lärmen und treiben der groszstadt: gute nacht, welt! ich geh' ins Tirol. so hiesz es bei mir Bräker leben d. armen mannes i. Tockenburg 74 Wilbrandt;
welt, leb' wohl.
ich geh' ins Tyrol!
ein sprichwörtlicher ausruf der groszstädter in Oesterreich, namentlich der lieben Wiener, wenn sie, des städtischen lebens und treibens müde, ihre sehnsucht nach dem naturleben, als dessen ideal sie das leben in Tyrol betrachten, zu erkennen geben wollen Binder sprichwörterschatz (1873) 212; auch aus dem luxemb. bezeugt: èddéⁱ wèlt, ech gin an Tiroᵘl! luxemburg. ma. 483; einem dasein gefühlvoller einsamkeit im strudel der welt ... dem getriebe der groszstadt Th. Mann Krull 1 (1954) 128. fernerin der verbindung grosze welt — das getriebe der politik und des hoflebens: ist dir nicht noch ein landgut, wie das da, uͤbrig, schoͤn durch natur, und entfernt vom getuͤmmel der grossen welt Meissner skizzen (1778) 1, 22.
3)
'lebensform, -ordnung' (vgl. auch I B 3): nun laszt die welt zu einer solchen freundschaft verschwinden: die art des lebens mache nicht mehr zween solche begleiter im leben und tode nöthig Herder 3, 33 S. meist beiwörtlich bestimmt: es ist fürwar, Götz, nu ain andre welt vnd andre gewonhait Eyb dt. schr. 2, 24 Herrmann; es ward landessicherheit, pflege der gerechtigkeit, ordnung, policei, wie alles im wanderleben des Orients nie möglich gewesen: es ward neue welt Herder 5, 487 S.; es werde von grund aus anders! aus der wurzel der menschheit sprosse die neue welt! Hölderlin s. w. 2, 199 Hell.; baut ihr und flickt an den alten welten, wir wollen neue bauen Gutzkow ritter (1850) 1, 5; das war eine neue welt. die macht der einungen und gilden war gebrochen qu. a. d. j. 1935; Cejon fürchtete, es werde ihm nicht gerade leicht fallen, sich in die zuchtlose welt dieser östlichen stadt einzuleben Feuchtwanger d. falsche Nero (1947) 17. auch im sinne von 'normale' lebensordnung: jetzt kam die welt wieder ins lot ders., geschw. Oppermann (1948) 163; und im gegensatz dazu früh: die verkehrte welt il mondo perverso, stravolto Kramer t.-ital. 1 (1700) 765; die verkehrte welt la chiesa sù'l campanile ... le monde renversé Rädlein dt.-it.-frz. (1711) 1046; es ist eine verkehrte welt, meinte Dankmar kopfschüttelnd Gutzkow ritter (1850) 1, 242; lachen sie mich nicht aus, baron. ich — sie? verkehrte welt! M. v. Ebner-Eschenbach ges. schr. (1893) 4, 312; ti fɐkhęęɐt węlt Meisinger Rappenau 229; daͦs īs de verkehrte welt Rother schl. sprichw. 1ᵃ. so auch in verbalen wendungen wie: (es) ist alles darinnen (in dem Grobianus) verkert vnd vmbgewent, dann es hat sich auch die welt vmbgewent K. Scheit Grobianus 6 ndr.; dardurch wuͤrde die welt vmbgekert Albertinus hirnschleiffer (1664) 29; bettler, sagt er? so hat die welt sich umgedreht, bettler sind könige, und könige sind bettler! Schiller 2, 55 G.; nu steht die welt auf dem kopfe, mit meinem (sich ungewöhnlich betragenden) herrn ist's aus Alexis die hosen ⁸293.
4)
in formelhaften wendungen, die sich auf wesen und wandel des irdischen daseins und seiner verhältnisse beziehen.
a)
der welt lauf (s. auch unter weltlauf): nach dem sie nun lang also der welt laͤuff zuerfaren vmbgezogen waren, fuͤgeten sie sich heim zu dem nachtessen Fischart Garg. 303 ndr.;
ich hab offt bey mir selbst gedacht,
wann ich den lauf der welt betracht
Paul Gerhardt in: ev. kirchenl. 3, 370 Fischer-Tümpel;
ich folge dem lauf der welt in den zeitungen nach (25. 1. 1788) Göthe IV 8, 325 W. besonders in der verbalen wendung es (das) ist der welt lauf 'so geht es nun einmal im leben zu, so ist es gewöhnlich':
keyn warheyt ist in allem kouff.
man spricht, es heysz der welte louff
Murner schelmenzunft 13 ndr.;
der welt lauff ist, das man gewoͤnlich den kosten verkeret, wo man sol etwas geben, do gibt man nichts, wo man viel sol geben, do gibt man wenig Friedrich Wilhelm sprichwörterreg. (1577) g 2ᵇ;
disz ist der werlet lauff
(1536) P. Rebhun in: dt. kirchenl. 3, 775 Wackernagel;
dasz sie nun von den Franzosen verlassen worden, ist recht der welt lauf (27. 7. 1793) Göthe IV 10, 101 W.;
sie schaut aus ihrem gartenhaus,
...
wir haben uns noch nie bestellt,
es ist nur so der lauf der welt
Uhland ged. (⁶1833) 30;
so auch mundartlich: datt (so) isz de wäreld's verloop (beloop) Stürenburg ostfries. 321; dâ's der wèlt lâf luxemburg. ma. 483; des is scho der weltlauf darin liegt nichts befremdendes, nichts absonderliches; es is der weltlauf, dasz ma amahl sterb'n muasz Hügel Wien 188.
b)
(fort-)gang der welt:
was hilft es, ...
...
der sternen lauf, der welt fortgang,
und alle länder zubesehen ...?
Weckherlin ged. 1, 183 Fischer;
ich sasz im arm der mutter und spürte durch sie hindurch den sichern gang der welt Carossa kindheit (1922) 8. besonders im sinne von 'gang der ereignisse, wendung des geschicks':
(Leporello:) durch euch bin ich ein krüppel auf zeitlebens!
o welch ein lohn für meine treuen dienste,
o welch ein gang der welt!
Grabbe w. 2 (1874) 27 Bl.;
bis jüngst, der schicksalslaune gewaltig spiel,
ein zweiter Cäsar lenkte den gang der welt
Platen ges. w. (1839) 109;
es lag so im gang der welt, dasz der knabe eine art gezeichneter und ausgestoszener wurde E. Zahn die da kommen u. gehen (1918) 250.
c)
so geht es in der welt 'so geht es im leben zu': so geht es in der welt (einer hat den beutel, der andere hat das geld) Rädlein dt.-it.-frz. (1711) 1045; so geht es in der welt sic vivitur Serz teut. id. (1797) 175ᵇ; also geht es in der welt: der eine steigt, der andre fällt (zu eccles. 1, 4: generatio praeterit, et generatio advenit) Schulze bibl. sprichw. (1860) 85; ja, ja, so geht's in der welt Alexis ruhe (1852) 1, 12; sou keets in tɐ węlt Meisinger Rappenau 228; asū gihts uff dr welt, dr ēne hōd a beutel, dr andr s geld Rother schl. sprichw. 1ᵃ, ähnlich luxemburg. ma. 483. varianten:
in dieser werlet gehts nun so,
der eine peitscht den andern
Schönaich mischmasch (1756) 31;
wie's in der welt geht, das glück wälzt bergauf, bergab Lenz ges. schr. (1828) 1, 88.
d)
die welt (das leben und seine verhältnisse) kennen, von der welt wissen u. dgl.:
... du kennst die welt noch nicht
Cronegk schr. 1 (1761) 4;
sollte nun der jugend, die die welt, die sich selbst noch nicht kennt, wohl eine theologie können beigebracht werden? Kant w. 10 (1839) 443 H.;
ihr knaben,
geliebte kinder, wiszt nichts von der welt
Tieck schr. (1828) 1, 64;
ich armes ding, das in der welt und von der welt nichts weisz M. v. Ebner-Eschenbach ges. schr. (1893) 4, 129; du (die tochter, die verheiratet werden soll) bist ein kleines mädchen, das noch keine augen hat für die welt, und das sich auf die augen anderer leute verlassen musz, die gutes mit dir im sinne haben Th. Mann Buddenbrooks (1952) 103; Jacques ist ein ausgezeichneter geschäftsmann ..., kennt die welt Feuchtwanger geschw. Oppermann (1948) 29. vereinzelt artikellos: zum pfaffen bin ich auch zu jung, zu gut gewachsen, habe zu viel welt gesehn Lenz ges. schr. (1828) 1, 3; meinen vater, sagte der marchese, musz ich, so viel welt ich auch gesehen habe, immer für einen der wunderbarsten menschen halten Göthe I 23, 262 W.
e)
sich in die welt finden, schicken 'sich den jeweiligen verhältnissen des lebens anzupassen wissen': sich in die welt wissen zu schicken sapere conformarsi, accomodarsi al genio del mondo Kramer t.-ital. 2 (1702) 1315ᵃ; sich in die welt schicken koͤnnen saper vivere Rädlein dt.-it.-frz. (1711) 1046;
schick' dich in die welt hinein;
denn dein kopff ist viel zu klein,
dasz sich schickt die welt darein
Pistorius thes. paroem. (1715) 664;
er schien sich in die welt zu finden Göthe I 24, 168 W.; er (Paul Winckler) wuszte sich leicht in die welt zu schicken, war ein lustiger gesellschafter, beobachtete unbefangen und verstand lebendig zu erzählen G. Freytag ges. w. 20 (1888) 318.
III.
die gesamtheit der organischen wesenheiten.
A.
kreis der erdbewohner (menschen).
1)
des gesamten erdkreises oder eines kleineren lebenskreises.
a)
'menschheit':
thes uuirdit uuorolt sinu   zi euuidon blidu,
ioh al giscaft, thiu in uuorolti   thesa erdun ist ouh dretenti
Otfrid I 12, 11 Kelle;
van den drien (Sem, Kam, Japhet) endelich
di werld begunde meren sich
historien der alden e 420 Gerhard;
schlieszlich man erfehret,
dasz die narredey
gar die welt vermehret,
dasz ist zweiffels frey,
denn wo kaͤmen kinder her,
wenn die narredey nicht wehr
Voigtländer oden u. lieder (1642) 83;
als erst die welt sich blos mit fellen deckte,
eh' ueppigkeit auf seid' und purpur sann ...
Hagedorn versuch 42 lit. denkm.;
das grosze verdienst, der welt einen tüchtigen mann zugefördert zu haben Göthe I 46, 31 W.; was war dieses sogenannte genie (Napoleon) für die welt? Werfel Bernadette (1948) 304. in ironischer übertreibung: und er ist es, von dem man sagen kan, dasz er alles, was die welt noch bis itzt von elenden uebersetzern gesehen hat, unendlich weit zurück lässet Lessing 8, 8 L.-M. formelhaft, zur verstärkung einer superlativischen aussage: so musz es (die Faust-aufführung) das seltsamste werk seyn, werden und bleiben, was die welt gesehen hat (6. 6. 1820) Göthe IV 33, 55 W.;
in holder blüte sank dahin
der schönste jüngling, den die welt erblickte
Platen w. 1, 10 H.
auch umgangssprachlich: so 'was hat die welt noch nich' gesehn!
b)
die gesamtheit der menschen in einem bestimmten kultur- oder lebenskreis (über welt im temporalen sinne von 'die menschen eines weltalters', 'generation' s. unter I B 1 und 2, über welt für 'der sünde [dem weltleben] verhaftete menschen' s. unter II A 2 a).
α)
'bevölkerung'; einer stadt:
selicliche stunt kolnischi werlt (die bevölkerung von Köln)
dü si sülichis bischovis warin werht
Annolied 39 Opitz-Bulst (35, 17);
wie aber sich die welt zuͦ Appenzell gemeret hat, bald etliche filialcapellen entstanden sind J. v. Watt dt. hist. schr. 1, 111 Goetzinger; in übertreibender wendung: meine angenehmste erhohlung ist bisher gewesen, Richters kaffehausz zu besuchen, wo ich immer die halbe welt Leipzigs beisammen finde (24. 4. 1785) Schiller br. 1, 242 Jonas; oder eines landes: mehr als die haͤlfte seiner (Dänemarks) welt kennt das elend des krieges nicht weiter, als ... aus ... beschreibungen seiner vaͤter J. A. Cramer nord. aufseher 1 (1760) 31. die gesamtheit der bewohner eines kulturkreises: die alten roͤmischen kaͤyser haben wohl die welt (völker des Mittelmeerraumes) zaͤumen, meistern vnd regieren koͤnnen, aber so weisz vnd maͤchtig seynd sie nicht gewest, dasz sie jhre weiber regieren hetten koͤnnen Lehman floril. polit. (1662) 1, 159; wie ... die ... völkermassen (des nordens) ... anfingen ... die griechisch-römische welt ... daran zu mahnen, dasz sie mit unrecht meine, die erde für sich allein zu besitzen Mommsen röm. gesch. ⁶2 (1874) 159.
β)
kreis der vornehmen gesellschaft:
waz mac daz sîn daz diu werlt (die höfische gesellschaft) heizet minne,
unde ez mir tuot alsô wê zaller stunde
Friderich v. Husen in: minnes. frühl. ³⁰50 (53, 15) Vogt-Kraus;
... ditz ist sîn êrstez werc
er (der dichter) heizet Wirnt von Grâvenberc.
der werlte ze minnen
enblient erz sînen sinnen:
ir gruoz wil er gewinnen
Wirnt v. Gravenberc Wigalois 142 Kapteyn, vgl. dazu Kapteyn in: PBB. 57, 443.
so besonders seit dem 18. jh., von frz. monde beeinfluszt: ihr wartet bey allen gesellschafften bey tische auf, und folglich habt ihr gelegenheit die welt zu sehen und kennen zu lernen Ludwig Tölpel bauren moral (1752) 82; so ein korso ist eigentlich nur eine gesellschaft im freien und zwar im gröszten style; alles, was die 'welt' bildet, ist gewisz, sich hier zu treffen Stahr ein jahr in Italien (1847) 1, 101; er war ein glänzender künstler, ein schauspieler, und bildete damals das entzücken der welt Stifter s. w. 5, 1 (1908) 150. als charakteristische verbindungen finden sich: die grosze welt le grand monde (vgl. die unter 2 c angeführte bemerkung Göthes): diejenigen ..., welche die grosse welt vorstellen, ... welche ihre geburt, oder auch eben so oft ihre einbildung über andere erhebt Rabener s. schr. 4 (1777) 124; der französische gesandte ..., welcher sie (mlle. Sontag) bey'm herzog von Devonshire einführte, wo (königliche personen ausgenommen) die hiesige grosze welt sie zuerst kennen lernte (2. 5. 1828) Göthe IV 44, 82 W.; die sogenannte grosze welt aber, den stand der vornehmen, zu beurtheilen, befindet sich der anthropolog in einem sehr ungünstigen standpuncte, weil diese sich unter einander zu nahe, von anderen aber zu weit befinden Kant w. 10 (1839) 116 H.; Hippias repräsentiert in der tat die grosze welt, in Wielands zeit übersetzt: die französisch gebildete oberschicht R. Riemann in: anz. f. dt. altert. 47 (1928) 54. auch im sinne von 'zahlreiche gesellschaft, viel besuch' (vgl. Albrecht z. sprachgebr. Goethes [1876] 36): die fremden strömten herbei, in allen häusern war grosze welt (il y avait grand monde Albrecht a. a. o.) Göthe I 22, 268 W. die schoͤne welt die vornehmen und artigen leute, il mondo bello e pulite, le beau monde, le monde poli Rädlein dt.-it.-frz. (1711) 1045, in diesem gebrauch frz. le beau monde 'les gens élégants' entsprechend: er eilt zu fräulein Henrietten, wo die schöne welt beym spieltische sich sammelt Gessner schr. (1777) 1, 112; auf einem gestern von unserm gnädigsten herrn gegebenen ... hausball war die hiesige ganze, hohe und schöne welt versammelt (24. 7. 1823) Göthe IV 37, 132 W.; wenn ... tänzerinnen der schönen welt unterhaltung boten, die an ihren gepflegten tischchen in korbsesseln lehnte Th. Mann Krull (1954) 231. (die) feine welt:
was in deiner apothecke, feine welt, zu treffen an,
ist nur teuffels-koth zum meisten und der bitter entzian
Logau sinnged. 386 lit. ver.;
die feine welt, so es um 1442 dergleichen in den maͤrkischen hauptstaͤdten gab, ... versammelte sich hier (in einer barbier- u. badestube in Berlin) Alexis Roland (1840) 1, 130. die vornehme welt: die nähere kenntnisz der vornehmen und reichen welt Göthe I 21, 247 W. die elegante welt: das (blumen-)mädchen (das eines seiner bücher gelesen hatte) war mir in diesem augenblick ein viel schätzenswerteres publikum als die ganze elegante welt der residenz E. T. A. Hoffmann s. w. 14, 158 Gr.; auf dem berg Isel promenirt die elegante welt H. v. Barth Kalkalpen (1874) 304. die gebildete welt:
seht nur hin: für gebildete welt
darf man nichts anders beginnen und schreiben
Göthe I 3, 289 W.;
man kann sich nicht lang amüsiren mit den albernheiten, die der kreis von menschen ausgehen läszt, der sich die gebildete welt nennt Bettine Günderode (1840) 2, 80; eine so lebhafte theilnahme widmete die gebildete und vornehme welt den bestrebungen der aufkommenden literatur Ranke s. w. (1867) 1, 187.
γ)
auch sonst häufig für einen durch bestimmte gemeinsamkeiten zusammengeschlossenen menschenkreis: es sind zwo welt (arten von menschen), eine zürnt, die ander gibt nichts darauff schöne weise klugreden (1548) 79ᵇ (ähnlich: Friedrich Wilhelm sprichwörterreg. [1577] mm 1ᵇ und Petri d. Teutschen weiszh. [1605] Cc 7ᵇ); meist beiwörtlich näher bestimmt: denselben (den 'teutschen palmbaum') ... der ehrliebenden welt vorzustellen G. Neumark palmbaum (1668) 7; da er (der autor einer allgemeinen satire) den beyfall der vernuͤnftigen welt auf seiner seite hat, so musz der lasterhafte sich schaͤmen, ihn anzufeinden Rabener satyr. schr. 1 (1751) vorber. 41; alle unsere nachbarliche welt ist auswärts und ich auf diesem wunderbaren punct so gut wie allein (24. 7. 1823) Göthe IV 37, 136 W.; ... dasz die ganze vornehme weibliche welt hinter mir her war Immermann w. 1, 114 Hempel; in der diplomatischen welt (in diplomatischen kreisen) sagte man wohl, könig Friedrich Wilhelm wolle den beiden kaiserhöfen eine lection geben Ranke s. w. 31 -32 (1875) 404; die eroberung Jerusalems ... (im jahre 1917) durch den englischen general Allenby hat die gläubige welt (Christenheit) mit einem elektrischen schlage durchzuckt A. Zweig einsetzung e. königs (1950) 101. gelehrte welt le monde savant: dass von daraus der deutsche Helikon seine guͤpfel ... der gelehrten welt zu schauen darbiete Zesen verm. helikon (1656) 1, A 6ᵇ; der stein gelangte nach England, woher ein facsimile der gelehrten welt mitgetheilt wurde (9. 2. 1819) Göthe IV 31, 74 W.; ich kenne die gelehrte welt von Paris (8. 9. 1844) Ernst Curtius lebensbild i. briefen 331 Curtius. die schoͤne welt das frauenzimmer Rädlein dt.-it.-frz. (1711) 1045; man wüste, was man erwarten kann, wenn ein windiger Franzose pensées sur l'usage innocent du monde lieferte, nemlich epigrammatische einfälle über den umgang mit der schönen welt, die bey dieser nation vorzüglich und anständig die ganze welt (tout le monde) heissen Herder 1, 109 S. moralische welt 'die menschen überhaupt, in so fern sie freiheit und vernunft besitzen, gut oder bös, glücklich oder unglücklich sind' encycl. wb. 5 (1802) 345, ebenso bei Liechtenstern-Schiffner allg. dt. sachwb. 6 (1827) 301ᵃ. seltener mit genitiv. bestimmungsergänzung: dreust, ... die welt der philosophen dadurch belehren zu wollen Gerstenberg recensionen 176 lit. denkm.; die welt der schurken schrie triumph als es der ungeschickten ehrlichkeit so übel gelungen war Dahlmann franz. rev. (1845) 93; die welt der kaufleute dagegen ächzte wie die der käufer unter hundert verordnungen A. Zweig einsetzung e. königs (1950) 263.
2)
besondere anwendungen verschiedener art (über welt 'menschenmenge' s. unter XI A 1).
a)
formelhafte wendungen, in denen welt die menschen als vertreter der irdischen sphäre gott gegenüberstellt (s. auch unter gott teil 4, 1, 5, 1081 f. und vgl. lat. wendungen wie coram deo et mundo Luther 34, 1, 275 W.); am geläufigsten ist vor gott und der welt: des wi doch vor gode vnde der werlt vnschuldich synt (1408) urk.-b. d. st. Lübeck 5, 204; im vor gott vnd der welt ... vnrecht geschicht Arigo decamerone 307 lit. ver.; solch bekendnis thu ich, auff das ich fur gott und der welt entschuͤldigt sey Luther 26, 342 W.;
wür bezeugen vor gott und welt,
dasz uns der pasquill nit gefelt
(1608) geschichtl. lieder u. sprüche Württembergs 483 (110, 231) Steiff-Mehring;
der doctor werde die felder, wenn sie einmal vor gott und der welt sein eigenthum sein würden, nicht ... in pacht geben M. v. Ebner-Eschenbach ges. schr. (1893) 2, 18; aber auch sonst finden sich zahlreiche mehr oder weniger formelhafte wendungen: deshalb wir geursacht, sollichs got und der welt ze clagen (1525) d. dt. bauernkrieg, aktenband 224 Franz; lieber, werdent schuͦlmeister, daran wurdent ier ... gott und der welt dienen Th. Platter 99 Boos; wie ... das selbig gelt ... verwendt ward, weiszt (!) gott vnd die welt Stumpf Schweizer chron. (1606) 95ᵇ;
gott und welt über mich clagen,
wie ich hab ghandelt in dem land
(1608) geschichtl. lieder u. sprüche Württembergs 477 (109, 228) Steiff-Mehring;
wer mich vor der welt verläugnet, den will ich auch vor meinem himmlischen vatter verlaugnen, sagt Christus Grimmelshausen Simpl. 375 Scholte;
ach von gott und welt vergeben
und vergessen werd' ich sehn
alles, was nicht recht geschehn,
wann im schönsten neuen leben
gott und welt mich wandeln sehn
Bürger s. w. 75ᵃ Bohtz,
nehmt dies und dient der fahne Christi treu,
dasz welt und himmel drob euch möge loben
A. v. Droste-Hülshoff ges. schr. (1878) 2, 232;
ich habe es durch diese schrift mit gott und welt verdorben L. Feuerbach wesen d. Christentums (³1849) 5; ihn kennt gott und alle welt der grosze Duden, stilwb. d. dt. spr. (1934) 643 Basler (s. auch unter b γ); sprichwörtlich: er ist got vnd der welt lieb Seb. Franck sprichw. (1541) 1, 14ᵃ; animam debet er ist gott vnd aller welt schuldig Tappius adag. cent. sept. (1545) H 1ᵃ; gotts freund vnd aller welt feind Eyering proverb. (1601) 2, 694; er ist ein vnnuͤtz mensch, er ist weder gott noch der welt nutz ebda 2, 345; gelt fahet gott vnd welt Lehman floril. polit. (1662) 3, 127; trag gott mit freud, die welt mit gedult Schottel haubtspr. (1663) 1142 (ebenso bei Schellhorn sprichw. [1797] 82).
b)
von vorstellungen verschiedener art bestimmte anwendungen, bei denen welt die masse im gegensatz zum individuum bezeichnet.
α)
früh im sinne von 'urteilende öffentlichkeit, die leute':
eiscota sie (die apostel) in drati   uuaz thiu uuorolt quati (quem dicunt homines esse filium hominis Matth. 16, 13)
Otfrid III 12, 3 Kelle;
swî starche er sich puhuete,
diu werlt sihit algemeine,
ub er chûsche ist unt reine
kl. dt. ged. d. 11. u. 12. jhs. 61 Waag;
so bracht sy mich der waͤlt in hals (ins gerede der leute),
sy seyt es den nachbuwren als
H. R. Manuel weinsp. 93 ndr. (v. 2990);
hoc quanti putas esse ad famam hominum ac voluntatem? wie vil meinst du dasz das bringe oder nütze einen ruͦm vnd gunst bey der waͤlt zeerlangen Frisius dict. (1556) 1102ᵇ; so treffliche erfindungen der welt nicht verborgen blieben A. U. v. Braunschweig Ocatavia (1677) 1, )( 5ᵇ; ein Aristides Avintilianus würde anitzo noͤthig seyn, ... die welt ... zu einer hoͤhern achtung der musik aufzumuntern Scheibe musicus (1745) 8; so sehr auch die familie diese traurige katastrophe vor der welt zu verbergen suchte Archenholz England u. Italien (1785) 1, 1, 92; ich machte mir den grundsaz, mich zu beherrschen und gerecht und rechtschaffen zu sein ... und liesz dann die welt urtheilen, wie sie wollte (13. 10. 1849) Stifter s. w. 18 (1918) 14. als charakteristische verbindungen erscheinen häufig vor der welt 'vor den leuten, in der öffentlichkeit': wer den anndernn schilt vor der welt, der ist dem gericht veruallen (15. jh.) weistümer (1840) 3, 729; so waren sie rechte narren, wiewol sie vor der welt die witzigsten seyn wolten Moscherosch gesichte (1650) 1, 153; vor der welt wurde er simpler friseur, in der stille aber errichtete er zu seiner tröstung ... jene wunderbaren haargebilde Immermann w. 1, 27 Hempel; dasz er mit seinem offizierkorps zusammen nur einen mantel hatte, weshalb immer nur einer von ihnen sich vor der welt sehen lassen konnte Fontane ges. w. (1920) II 2, 132; in (vor) den augen der welt: genug, dasz ich in den augen der welt für ein frauenzimmer ohne tadel galt Lessing 2, 295 L.-M.; der mann ist nur das, was er in den augen der welt scheint Klinger w. 3 (1815) 76; (triumph der tugend) vor den augen der welt S. v. Laroche frl. v. Sternheim (1771) 1, 150; du stehst und redest, handelst vor den augen der offnen welt Göthe I 8, 280 W.; meine töchter gehören nicht zu jenen, die sich nackt vor den augen der welt herumtreiben Werfel geschw. v. Neapel (1931) 277; das urteil der welt: das urtheil der welt nehme ich auf mich Klinger w. 3 (1815) 124; hielt' mich nicht das urtheil der welt zurück, ich liesz' dich und das werk zu diesem fenster hinauswerfen Göthe I 43, 163 W.; das urtheil der welt, meine Ticne, wird nur dann erst schädlich für uns auch in den augen kluger und guter menschen, wenn unser eignes gewiszen uns verdamt (21. 9. 1800) O. v. Wedell br. a. s. braut 260 Köhler. gelegentlich tritt welt auch in der besonderen bedeutung 'publikum, leserkreis' auf: vnd vermeint herr Gessner ... dass sy soͤlichs erdichtet, damit so ein nutzbar ding der waͤlt dester anmuͤtiger waͤre Herold-Forer Gesners thierb. (1563) 23;
der nur mit eiteln sachen (in seinen gedichten)
die welt kan lustig machen
Voigtländer oden u. lieder (1642) 105;
es ist einmal der gebrauch der verfasser, der welt ein compliment zu machen Dusch verm. w. (1754) vorr. anf.; hat auch er (der dichter) lange an seinem eigenen beifall zu zehren, ehe der der welt nachkommt Schopenhauer w. 2, 499 Gr. ferner 'weltöffentlichkeit':
nu quâmen die mêre,
wie grözlîchen wêre
bekummert die Cristenheit,
in die werlt, und waz die jâmers leit
von den heiden uber mer
Luduigs d. frommen kreuzfahrt 484 Naumann;
sie (Margarete v. Parma) ... führte zum erstaunen der welt ein rebellisches volk in wenigen monaten zu seiner pflicht zurück Göthe I 8, 263 W.; ich denke, wir werden der welt zeigen, dasz wir eine mächtige nation geworden und eine friedliebende geblieben sind Moltke ges. schr. (1892) 7, 116; (Gontaut) reiste 1875 nach Petersburg, um dort mit dem fürsten Gortschakow den theatercoup einzuleiten, welcher bei dem bevorstehenden besuche des kaisers Alexander in Berlin die welt glauben machen sollte, dasz er allein das wehrlose Frankreich vor einem deutschen ueberfall bewahrt habe Bismarck ged. u. er. 2, 199 volksausg.; dabei wurde der welt in reden der machthaber (nach 1933) immer wieder vorgelogen, wie frei doch der Deutsche sei, und dasz Deutschland das einzig wahre demokratische land sei! (1938-40) Driesch lebenserinn. (1951) 279.
β)
'mitwelt, mitmenschen, die anderen leute': welher in der vogti schädlich vich hette ... daz sol ain vogtherr oder sin amptlüt gebieten hinweg zuo ton oder inne ze haben ... so dick bisz die welt unschadhaft würt darvor (1466) weistümer (1840) 5, 153; es ist vnser selbs schuld vnnd nit der welt oder der leut, dasz wir vns mit jnen nit vertragen koͤnnen schöne weise klugreden (1548) 133ᵇ; sie (die dichtenden frauen) wurden gegen ihn (den ehemann der einen) damit geheimniszvoll und zurückhaltend, aber sie waren es nicht gegen die welt Lenz ges. schr. 3 (1828) 127; sobald die welt den einzelnen strebenden erblickt, sobald erschallt ein allgemeiner aufruf, sich ihm zu widersetzen Göthe II 3, 245 W.; wir, die mit dem zeichen, mochten mit recht der welt für seltsam, ja für verrückt und gefährlich gelten H. Hesse Demian (1930) 200; hat ein mensch das recht, so zu leben, als gäbe es keine welt auszer ihm und seiner familie? Werfel geschw. v. Neapel (1931) 446. die bis in die gegenwart lebendige redensart die welt will betrogen sein geht wohl auf lat. mundus vult decipi zurück und ist bereits im frühnhd. geläufig:
die welt, die wil betrogen sin
Murner dt. schr. 1, 1, 98 u. 241 Fuchs;
weitere belege bei Wander dt. sprichw.-lex. 5 (1880) 161 u. 168 f. sowie bei Büchmann geflüg. worte (²⁷1926) 97 f.
γ)
gelegentlich tritt der schon in α und β vorhandene beisinn 'allgemeinheit' stärker hervor: ihre landsitze durch kunstwerke zu verschoͤnern, wodurch diese denn gleichsam fuͤr die welt verloren sind Archenholz England u. Italien (1785) 1, 1, 137; kleinere begebenheiten ... wo nicht der welt, doch wenigstens den meinigen erhalten (15. 2. 1811) Göthe IV 22, 34 W.; keine forschung kann etwas schlimmeres an den tag bringen ... als die welt nun einmal für wahr hält Ranke s. w. 37 (1874) viii; mich hat die herzliche art, wie der kronprinz mir sein vertrauen aussprach, gefreut, aber das gefühl, sehr viel abgenutzter zu sein, wie der herr und die welt mit ihm glaubt, ist stark in mir (16. 7. 1885) Bismarck ged. u. er., anh. 2, 543 Kohl; und die schon früh belegte verbindung alle welt hat geradezu die bedeutung 'jedermann' (s. auch teil 1, 210):
thaz mannilih irkenne   in themo minnonne,
ioh ellu uuorolt ouh in thiu,   mih meistar habetut zi thiu
Otfrid IV 13, 10 Kelle;
uff daz alle welt bekennt, daz du der recht heilmacher der selen bist St. Fridolin dt. pred. 36 Schmidt; wie alle welt weis Luther 30, 2 W.; guͤtig ... gegen alle welt Wieland Agathon (1766) 1, 21; die ästethischen (!) freuden halten uns aufrecht, indem fast alle welt dem politischen leiden unterliegt (18. 11. 1793) Göthe IV 10, 128 W.; der für alle welt verbindliche stil war also der des marktschreierischen agitators Klemperer l. t. i. (1949) 28; häufig erweitert zu gott und alle welt (s. auch unter a):
ja, mit schalckheit vnd mit liegen
gott vnd alle welt betriegen
Murner narrenbeschwör. 217 ndr.;
und dann begann sie (Tony) zu fragen, gott und alle welt furchtbar erregt um antwort anzugehen Th. Mann Buddenbrooks (1952) 569; sowie in der formelhaften wendung von (gott und) aller welt verlassen:
sechzig Franzosen z'rossen,
verlassen von aller welt
N. Manuel 22 Bächtold;
marggraff Dieterich ... starb im elende, verlassen von aller welt (1579) Entzelt altmärk. chron. 149 Bohm; ich spüre, dasz ich ... von gott und aller welt verlassen bin (1731) Schnabel Felsenburg 309 Ullr.; er fühle sich von aller welt verlassen E. T. A. Hoffmann s. w. 6, 172 Gr. neben alle welt tritt früh die ausdrucksstärkere verbindung die ganze welt, die sich vielleicht an frz. tout le monde anlehnt: da (in Paris) lieff die gantze welt zu, jhn mit grosser wunderung zubegaffen Fischart Garg. 232 ndr.; fast bey der gantzen welt verhasset Zendorius teut. winternächte (1682) 170; die ganze welt wirft mir seit langen jahren vor, ich sei ein launig-wunderliches mädchen Göthe I 25, 1, 33 W.; das weisz ja die ganze welt! M. v. Ebner-Eschenbach ges. schr. (1893) 4, 49; ferner das übertreibende die halbe welt 'fast jedermann':
von diesem tage zwar will jedermann gern wissen,
die halbe welt jetzt fragt, was die zu Leipzig schlieszen
qu. a. d. j. 1631 bei Opel-Cohn dreiszigj. krieg 203;
was geist und leben nur in seinen adern traͤgt,
kennt die vollkommenheit der schoͤnsten Leonoren,
die ... fast die halbe welt durch ihren blick bewegt
Hoffmannswaldau u. a. Deutschen ged. (1697) 2, 37 Neukirch;
schaue, wie die halbe welt
sich in warme pelze huͤllet
Gottsched ged. (1751) 1, 282;
(1. wächter:) es ist aber befohlen, dasz wir alle betrübte in arrest nehmen sollen; (2. wächter:) da hätten wir die halbe welt in arrest zu nehmen; es ist wenig fröhlichkeit mehr unter den leuten Platen ges. w. (1839) 212.
c)
in anschlusz an frz. monde erlangt welt neben der bedeutung 'vornehme gesellschaft' (s. unter 1 b) noch den besonderen sinn 'lebensart der vornehmen gesellschaft'. als ausgangspunkt erscheinen bestimmte formeln, vor allem welt haben avoir du monde (zum gebrauch vgl. Heynatz antibarb. 2 [1797] 625: welt haben für 'wohl zu leben wissen' pflegte Gottsched [vgl. sprachkunst, ⁵1762, 539] als einen unerträglichen gallicismus zu tadeln; jetzt ist es längst in den sprachgebrauch übergegangen; ferner Göthe, dessen briefliche bemerkung den modischen und kurzlebigen charakter dieser wendung kennzeichnet: wie offt hab ich die worte welt, grose welt, welt haben u. s. w. hören müssen und habe mir nie was dabey dencken können [11. 3. 1781] IV 5, 76 W.): sie ist fast unter allen deutschen frauenzimmern, die ich hier (in Leipzig) kenne, die, welche die meiste wirklich gute lebensart und welt hat (1771) Garve br. a. s. mutter 183 Menzel; heutzutage setzt man sich, wenn man ein wenig welt hat, darüber hinweg Hauff s. w. (1890) 3, 43; ein anderer, der älter ist und mehr welt hat, wird es vielleicht geschickter anfangen G. Freytag ges. w. 4 (1887) 232; zur kaiserin aber spricht er, denn er hat schon welt mit seinen neunzehn jahren: 'wenn die sonne aufgeht, ist auch der morgenstern nimmer schön' Handel-Mazzetti Stephana Schwertner 1 (1927) 33; er war der gebändigtere und hatte in jedem sinne mehr welt als ich Carossa erinn. (1950) 46. ferner mann von welt homme du monde (vgl. weltmann 3 c): mich als einen mann von welt zu zeigen K. F. Bahrdt gesch. s. lebens (1790) 2, 9; der general war ein mann von welt Schubart leben 1 (1791) 142; sich als mann von welt und ton präsentiren Holtei erz. schr. 19 (1862) 81; ihr ..., der in jeder äuszerung den mann von welt und bildung bekundet C. F. Meyer s. w. 3, 25 Faesi; in dieser (heutigen) situation stelle ich mir den mann von welt in der ganzen fülle deutlich vor: seinen reichtum an gütern, begabung, beziehungen, möglichkeiten, an glück und liebe, sein gesundes gefühl von sich selbst taschenbuch für junge menschen (1946) 173 Suhrkamp; seltener mensch (herr, leute, frau) von welt: man wuszte von dem grafen, dasz er ein herr von groszen kenntnissen und vieler welt war Göthe I 52, 84 W.; ich habe diese feinen leute, diese leute von welt kennen lernen Iffland theatr. w. (1827) 1, 141;
leute von ton und welt
Tieck schr. 3 (1828) 336;
ein mensch von welt E. M. Arndt schr. f. u. a. s. lb. Deutschen 2 (1845) 277; so spricht herkömmlich ein mann von welt zu einer frau von welt Fontane ges. w. (1905) I 4, 419; der kellner lächelte verbindlich und meinte, leute von welt tränken bei erschöpfungszuständen eine flasche 'Irroy Cordon bleu' Sauerbruch leben (1951) 165. vereinzelt auch sonst: und (er) fragte mich, ob ich ... mir seine art zu leben, die nicht nach der welt (selon le monde) wäre, gefallen lassen wollte Gellert s. schr. 4 (1839) 333; die schlechte lebensart einiger dieser leute (schauspieler) ist ein vorzügliches hindernisz; es fehlt ihnen gemeiniglich an welt und sitten (vgl. frz. il manque de monde) J. Fr. Löwen schr. (1765) 4, 50;
und Nettchen wandte sich, bey meiner ehre!
aus welt, aus höflichkeit nach ihm nur um
Goekingk ged. 2 (1781) 232;
dagegen wird aber auch der ... Niedersachse ... an einem hofe im reiche vielleicht für einen schüchternen menschen, ohne lebensart, ohne welt angesehn werden Knigge umgang m. menschen 1 (1799) 14; so fordert es die welt, der anstand, die sitte Fontane ges. w. (1905) I 4, 257.
B.
kreis der anderen lebewesen (fauna, flora): jedwede clasz, schicht oder stand, nannten sie (die alten) eine welt: ... besondre welt der thiere E. Francisci lust-haus (1676) 106; die vegetabilische welt, oder die welt der gewächse ebda. 107; da hab ich voriges jahr den groszen sumpf lassen austrocknen gegen mitternacht und einige tausend stück bäume darauf gezogen; die junge welt treibt sich und schieszt empor — es ist ein seelenvergnügen, drunter hinzuwandeln Schiller 6, 281 G.; die allbeseelte welt der pflanzen Gervinus gesch. d. poet. nat.-lit. (1835) 5, 637; der so (durch rodung) gewonnene klare boden wurde mit kulturpflanzen bedeckt, die vorgefundene animalische welt durch teilweise vernichtung der wilden fauna verringert und durch haustiere bereichert Wimmer gesch. d. dt. bodens (1905) 1; mächtige buchen ... dulden die welt der waldblumen und kleinen sträucher qu. a. d. j. 1917; ob ich der welt der pflanzen begegne als blumenliebhaber oder als heilkrautsammler oder als botaniker, kann nicht ohne wesentliche folgen sein für die art, wie ich mich unter den pflanzen bewege Weisgerber v. weltbild d. dt. spr. (²1952) 9. so vor allem in der festen verbindung die kleine welt: wenn ich das wimmeln der kleinen welt zwischen halmen, die unzähligen unergründlichen gestalten der würmchen, der mückchen näher an meinem herzen fühle Göthe I 19, 8 W.; nur hinsichtlich der kräuterdecke des feuchten oder trockenen bodens bedauerte ich erst jetzt wieder lebhaft die unterbrechung der botanischen anfänge in der schule, da ich wohl fühlte, dasz für die kenntnis dieser kleinen, aber weit mannigfaltigeren welt einige grobe umrisse nicht genügten G. Keller ges. w. (1889) 1, 204; bei der kleinen welt in fell und feder ist (das jagdfreudige) Tarascon sehr übel angeschrieben Seiffert Daudet, Tartarin 6 Reclam; kleine welt am wegesrand, ein farbbilderbuch von den kleinen schönheiten unserer heimat Helmut Drechsler (1952) titel; vereinzelt auch für die tierwelt in ihrer gesamtheit:
es hegt das gantze land doch lauter lieb und lust,
den fischen, thieren und den vöglen wol bewust.
wenn nun, herr bräutigam, die grosse welt euch lehret,
dasz ja die klein' in ihr durch lieben sich vermehret,
was wunder ist es den, dasz wir euch auch so sehn
auf diesen tag gepaart mit eurer Magdalen?
Rist Parnasz (1652) 354.
C.
gesamtheit der lebewesen (pflanzen, tiere, menschen); so nur vereinzelt in poetischem sprachgebrauch:
nun ruhen alle wälder,
vieh, menschen, städt und felder,
es schläft die gantze welt
Paul Gerhardt in: ev. kirchenl. 3, 298 Fischer-Tümpel;
mit umfassenderem wortgehalt bei Hölderlin: bestehet ja das leben der welt im wechsel des entfaltens und verschlieszens, in ausflug und in rückkehr zu sich selbst, warum nicht auch das herz des menschen? s. w. 2, 130 H.
IV.
auszenwelt (A), umwelt (B), sphäre (C).
A.
auszenwelt.
1)
'die äuszere (obj.) welt des (subj.) erlebens, empirische welt'; zunächst nur mit beiwörtlicher bestimmung: tiu primordialis causa, dia Plato ideam heizet nâh tero disiu anasihtiga uuerlt keskafen ist Notker 1, 744 Piper; wenn wir betrachten die sichtbare welt ... so finden wir daran das gleichnisz der unsichtbaren geistlichen welt, welche in der sichtbaren welt verborgen ist, wie die seele im leibe Jac. Böhme s. w. 5, 3 Schiebler; (die) erkenntnisz gottes, zu der uns die sinnliche welt fuͤhrt Kästner verm. schr. (1772) 2, 17; dann auch: man blicke eine zeit lang durch eine blaue scheibe, so wird die welt nachher dem befreiten auge, wie von der sonne erleuchtet erscheinen, wenn auch gleich der tag grau ... wäre Göthe II 1, 25 W.; sie (die farbenblinden) sehn demnach nur die gradationen des hellen und dunkeln, folglich stellt ihnen die welt sich dar wie ein getuschtes bild Schopenhauer w. 6, 80 Grisebach; die welt, die sich dem menschen durch die sinne offenbart, schmilzt, ihm selbst fast unbewuszt, zusammen mit der welt, welche er, inneren anklängen folgend, als ein groszes wunderland, in seinem busen aufbaut A. v. Humboldt kosmos 1 (1845) 16; immer wieder war es mir gelungen ... den zwiespalt zwischen innen und auszen, zwischen ich und welt als illusion zu erkennen H. Hesse kurgast (1925) 89; ... fiel es mir zuerst auf, wie ungleich und einzeln der jetzige europäische dichter sich dieser zuträger bedient (der fünf sinne), von denen fast nur der eine, das gesicht, mit welt (eindrücken der empirischen welt) überladen, ihn beständig überwältigt Rilke ges. w. (1927) 4, 291. fachsprachlich, als terminus der philosophie, insbesondere der erkenntnistheorie (vgl. auszenwelt, sinnenwelt): welt ... sinnenwelt, sensible welt d. i. das all der erscheinungen, der inbegriff aller gegenstände möglicher erfahrung E. Schmidt wb. z. d. Kantischen schr. (1795) 512; erkenntnistheoretisch ist die welt der inbegriff objektiver, begrifflich fixierter erscheinungen (die auszenwelt der naturwissenschaft) Eisler hdwb. d. philos. (1913) 750; wo ich ein ding, einen baum, eine landschaft oder die welt überhaupt in die geltung anredbarer personalität stelle R. Guardini welt u. person (1939) 155; zunächst zeigt sich, dasz die lebenserfahrung nicht aus den bloszen objekten des kennenlernens erwächst, sondern ihren entstehungspunkt gerade in dem aufeinandertreffen des lebendigen subjektes mit der welt des nicht-ich hat. die gegenständliche welt umfaszt dabei ebenso sachen und ereignisse, wie andere personen Spranger lebenserfahrung (1946) 28; hierzu auch die äuszerung Bruggers: oft verstehen wir unter welt die gesamtheit alles sichtbaren: das weltall, das universum, den kosmos philos. wb. (³1950) 405.
2)
erfahrungsbereich: setzet ein geschöpf, selbst ein vernünftiges geschöpf, dem das gefühl hauptsinn wäre ..., wie klein ist seine welt ..., wiederum ein geschöpf, ganz auge — wie unerschöpflich ist die welt seiner beschauungen! Herder 5, 64 f. S.; seit jenem tage wendete sich (der junge) Placido von der entdeckung äuszerer welten ab Werfel geschw. v. Neapel (1931) 163; Johannes ... fand doch bald bei seiner neigung zur erkenntnis und bezeichnung des typischen aller erscheinungen eine art von ordnung und system, um diese neue welt (der schule) in seine betäubte seele einzuordnen Wiechert d. kleine passion (1953) 161.
3)
zuweilen für einen bestimmten bereich der empirischen welt, etwa gleichbedeutend mit 'gegend, landschaft'; ähnlich bereits im hochmittelalterlichen dt.:
diu werlt was gelf, rôt unde blâ,
grüen in dem walde und anderswâ
Walther v. d. Vogelweide 75, 25 Lachmann-Kraus;
jedoch erst im poetischen sprachgebrauch der neueren zeit geläufig: es sah (in der nacht) alles dumpf verwischt und traurig aus ... ich wuszte nicht, ob es kurz oder lang war, dasz ich im fenster sasz und in die bleiche verwandelte welt hinüberschaute H. Hesse diesseits (1908) 16; als wir ... unser stubenlicht gelöscht hatten, fanden wir drauszen in der groszen stille eine überaus schöne geheimnisvolle welt liegen ders., späte prosa (1951) 186; immer noch lag das mondlicht über der welt Wiechert missa sine nomine (1950) 33; tief durch die mauerscharten (des turmes) leuchtete wohlbekannte welt herauf Carossa erinn. (1950) 23. hierzu stellt sich letztlich auch die mundartliche wendung: fı̋r eiⁿs d'wäld z'g'schouen 'die gegend zu überblicken' Friedli bärndütsch 2, 297.
B.
umwelt.
1)
'(umgebende) auszenwelt, (um-)gegend': wenn Mozart ... durch schöne gegenden reiste, sah er aufmerksam ... in die ihn umgebende welt hinaus O. Jahn Mozart (1856) 1, 386 anm.; meist formelhaft in der verbalen wendung in die welt blicken, gucken, schauen (vgl.kuck in die welt teil 5, 2519 s. v. kucken [3 a], guckindiewelt teil 4, 1, 6, 1036 s. v. ²gucken [5] sowie die unter umwelt teil 11, 2, 1259 verzeichnete wendung schauen in die umwelt):
do sin leben ze lebene vienc,
uf alse der tagesterne gienc
und lachend in die werlde sach,
do wander, des doch niene geschach,
daz er iemer also solte leben
Gottfried v. Straszburg Tristan 307 Ranke;
nun müszte er ja zum ersten mal in die welt gucken (völlig unerfahren sein), wenn er nicht wissen sollte, wie grosz der zorn einer verachteten schönheit sey vern. tadlerinnen (1738) 1, 125 Gottsched;
und als du anfingst in die welt zu schauen,
war deine freude häusliches besorgen
Göthe I 2, 7 W.;
das mädchen ... mit keckem unbefangenem blick in die welt hineinschauend E. T. A. Hoffmann s. w. 14, 156 Gr.; eine hagere frau mit tiefliegenden, dunklen augen, die mal schön und lachend gewesen sein mochten, jetzt aber nur noch geängstigt in die welt blickten Fontane ges. w. (1905) I 6, 28. poetischer sprachgebrauch zeigt gelegentlich freiere anwendung: fragte er ihn, warum er ein so schlimmes gesicht in die welt schneide G. Keller ges. w. (1889) 7, 357;
den steinbock hat er oft gehetzt
...
und fröhlich pfeifend in die welt
dann übern klippenspalt gesetzt
A. v. Droste-Hülshoff ges. schr. 2 (1878) 44;
schau ihn (den baum) an, er ist so grün,
nickt so lustig in die welt
Arndt ged. (²1865) 381.
formelhaft abgeblaszt; in die welt hinein (leben u. dgl.) 'darauf los, ins blaue' (vgl. in den tag hinein leben u. dgl., teil 11, 1, 1, 42f. u. teil 6, 402): da Holofernes ... meinete, er hätte fast di halbe welt unter des königes botmässigkeit bracht, daher in di welt hinein lebete und seinen madenwanst überfült ... Butschky kanzelley (1659) 717; wem das leben nur ein kerbstock bleibt um alltage zusammenzurechnen ..., der hat in den tag und die welt hineingelebt als ein groszstädtischer morgenverschläfer, so die sonne ... niemals aufgehen sah F. L. Jahn dt. volksthum (1810) 339; hierzu stellen sich auch fälle wie: in die welt hinein tadeln oder loben Herder 3, 295 S.; es wird heut zu tage in die welt hineingeschmiert Lenz ges. schr. (1828) 1, 220.
2)
lebenskreis, -sphäre; 'einen zu einem subjekt relativen sinn hat welt, wenn wir von der welt des tieres, des menschen sprechen. man meint damit den lebensraum, die gesamtheit all dessen, was dem tier, dem menschen zugänglich ist, worauf es sich bewuszt bezieht' (W. Brugger philos. wb. [³1951] 405):
waͤlder sind ihr (der hirten) feld und welt
S. v. Birken Pegnitzschäferey (1645) 37;
jüngst fragt er mich am vollen tische,
warum wohl in der welt der fische,
in flüssen und im meer,
nicht wein statt wassers wär?
Lessing 1, 103 L.-M.;
ich muszte (in diesem buche) von ganz auszerordentlichen menschen reden, von menschen aus einer ganz andern welt Zimmermann einsamkeit 1 (1784) xvi; er werde der groszen welt (dem lebenskreis der vornehmen gesellschaft), ihren reichen und vornehmen bewohnern näher rücken Göthe I 52, 101 W.;
und seitwärts sie, mit kindlich dumpfen sinnen,
im hüttchen auf dem kleinen Alpenfeld,
und all ihr häusliches beginnen
umfangen in der kleinen welt
ebda. I 14, 168;
aber die welt, aus der ich herkam, rückte mir ferner und ferner, obwohl ich ihre menschen täglich sah qu. a. d. j. 1935; auszerhalb der schule gehörte Otto Weller einer andern welt zu als ich, er wohnte ... weit von meiner gegend entfernt, und sein vater war eisenbahner H. Hesse späte prosa (1951) 111; abenteuer in zwei welten; mein leben als arzt und schriftsteller A. J. Cronin (1952) titel; in freierer anwendung auch: so eroberten sich diese beiden von ihrem vaterland ausgestoszenen Franzosen gleichsam eine neue welt (einen neuen lebensraum) für die idee, um deren willen sie hatten fliehen müssen; ... Genf war noch immer die gewerbfleiszige stadt, die es bisher gewesen ... Ranke s. w. 8 (1876) 128; für sie (die jugendlichen) aber ist es besonders schwer, einen eigenen lebensraum zu finden, da sie ja dem seltsamen zwischenlande angehören, in dem man nicht mehr kind und noch nicht reif für die ganz ernste welt der arbeit ist Spranger psychologie d. jugendalters (1925) 161; mit dieser halsbinde angetan tat der junge herr seinen ersten schritt in die welt der erwachsenen und feierte sein erstes fest H. Hesse kl. welt (1933) 293; die welt der abgründe und geheimnisse, in die der flüchtende bettler uns entschwunden war, wartete auch auf uns. sie hat jenes hübsche und harmlose (kinder-) leben des vordergrundes überwuchert und ausgelöscht ders., späte prosa (1951) 98. häufig durch ein possessivum einer bestimmten person zugeordnet:
hier zeig ich ihnen meine welt
Schiller 5, 1, 32 G.;
ich hab ... mit meinem Philipp ... von seiner und meiner welt geschwäzzt (17.-24. 5. 1776) Göthe IV 3, 66 W.; und wie denn seine (eines angehenden arztes) welt klein war, so waren seine ziele nahe M. v. Ebner-Eschenbach ges. schr. (1893) 2, 4; wie alle kinder die geschäfte nachzuahmen pflegen, die sie in ihrer kleinen welt erblicken, so wandte er sich früh den pflanzen zu qu. a. d. j. 1939; sie (anrede) besitzen ihre eigene welt (den kreis der familie) Werfel geschw. v. Neapel (1931) 46; besonders in der wendung das ist meine (ihre u. dgl.) welt: die spinne webet mit der kunst der Minerve; aber alle ihre kunst ist auch in diesen engen spinnraum verwebet; das ist ihre welt! Herder 5, 23 S.;
ihr (der deutschen frau) haus ist ihre welt
Böhme volksth. lieder d. Dt. i. 18. u. 19. jh. (1895) 24;
über land fahren und an einer waldecke sitzen, zusehen, wie das korn geschnitten wird ... einen kranz flechten und dabei mit kleinen leuten von kleinen dingen reden: einer geisz, die verloren ging, oder von einem sohn, der wiederkam, das ist meine welt, und ich bin glücklich gewesen, solang ich darin leben konnte Fontane ges. w. (1905) I 4, 420; wenn ich mich an die zeit meiner jugend erinnere ..., so rieche ich sofort chloroform. wenn ich mich selbst sehe, dann im weiszen kittel über medizinischer literatur, oder ich höre den bellenden Cäsar; ich sehe laboranten, kollegen, schwestern und geräte. das war meine welt, in ihr lebte ich Sauerbruch leben (1951) 101.
3)
sphäre geistigen lebens: in einem der hintersten zimmer verschlossen ... lebte und webte er in der Shakespearischen welt Göthe I 21, 298 W.; ihr (gelehrten) lebt immer in andern welten H. Beck rettung f. rettung (1801) 15; er (Mozart) fühlte sich sicher in seiner kunst, sie war die welt, in der er eigentlich lebte O. Jahn Mozart 2 (1856) 36; seit die phantasie des frommen in der welt biblischer bilder und gestalten weilte G. Freytag ges. w. 17 (1888) 245; die bücher, in denen sie (die ahd. glossen) vorkommen, sind ja doch die welt, in der sich diese geistigkeit von der schule an bewegt Baesecke d. heutige bild d. ahd. in: zeitschr. f. dt. bildg. 11 (1935) 81; auf einmal aber ... ging ihm (Nero) auf, ... dasz Artaban in der welt der wirklichkeit wohnen könnte, er selber aber in einer welt des traumes Feuchtwanger d. falsche Nero (1951) 387; auch im sinne von 'geistige heimat', dann meist mit einem possessiven beiwort verbunden: bald hebt der mensch sich uͤber die gestirne herauf, bald stuͤzt er wie ein insect seine augen auf die erde und findet in einem eben so geringen cirkel von ideen seine welt Zimmermann nationalstolz (1758) 2; meine welt war die vorzeit A. v. Arnim s. w. 3 (1840) 186; die alten pergamente waren seine (des mönches) welt Scheffel ges. w. (1907) 2, 153; sie (Eva) liebte die bücher ... das war ihre welt Kahlenberg Eva Sehring (1901) 47; die bücher sind seine (des St. Emmeraner geistlichen Otloh) welt, in der sich sein unruhiger geist auslebt H. de Boor d. dt. lit. 1 (1949) 102. vereinzelt auch für einen bestimmten bereich des seelischen lebens: auf diesem punkte schien der jünger des Lao Tse zu stehen: noch beschwingt ... vom erlebnis der freiheit und gnade, war er offenbar schon wieder von schatten verfolgt und im begriff, aus der seligen schwebe in die welt der konflikte zurückzustürzen (durch lektüre von Hesses 'kurgast') H. Hesse späte prosa (1951) 179.
C.
sphäre schlechthin. so nur vereinzelt nachweisbar, wobei freilich nicht in jedem falle eine strenge abgrenzung von VIII (insbes. VIII 2 b) möglich ist: die singende welt der luft hing jauchzend in den morgenfarben und im himmelblau Jean Paul s. w. 7 (1826) 165; jene silberne welt (die sphäre des mondes) droben ders., w. 3, 45 Hempel; von dem augenblick (der fernsicht) an liebte Klärchen Aldeck nichts so sehr als enge winkel, niedrige zimmer, zusammenhuschen — kurz die welt der nähe, des kleinen W. Raabe s. w. I 2, 7 Klemm; er sah ... wie drauszen hinter den hohen feierlichen bogenfenstern des saales, in einer andern welt, die wolken am himmel hinzogen H. Hesse kurgast (1925) 130.
V.
erdkreis.
A.
in seiner gesamtheit oder als teilkomplex; in dieser bedeutung nicht scharf gegenüber III A 1 abzugrenzen (vgl. anwendungen wie die welt beherrschen und siehe unter den kompos.-typen A 1 b γ).
1)
der gesamtbereich der erde.
a)
vor allem als lebensraum und tätigkeitsfeld der menschen: souuaz îonêr lebendes in uuerlte ist (quicquid uitam spirat in orbe) Notker 1, 292, 5 Piper; manchirhande heydinschaft, di do wonen in manchin endin der werlde Marco Polo 1, 7 Tscharner; lust machet leut, sonst wuͤrde es an leuten mangeln vnd die welt in wenig jahren wuͤst werden Lehman floril. polit. (1662) 1, 513; die ersten einwohner der welt naͤhrten sich blosz von der viehzucht Gottsched crit. dichtk. (1751) 581; burschen ..., die die weite welt auf und ab gelaufen sind Klinger w. 1 (1815) 96; bis in die entferntesten regionen der welt ist der ruf der bescheidenen wohnung (schlosz Sanssouci) gedrungen, die sich Friedrich ... erbaute Ranke s. w. 29 (1874) 283. redensartlich ihm steht die welt offen: am ende steht ihm (dem ledigen) ... die welt offen; er kann alles im stiche lassen (nach einer demütigung oder zurücksetzung) und in einem unbekannten winkelchen der erde leicht ... sein leben fristen Knigge umgang m. menschen 2 (1796) 60.
b)
gelegentlich auch für die erde als geographischen begriff.
α)
meist auf die erdoberfläche bezogen:
ich sage dir an argen list:
die werlt gar schon in fünfe teil (klimazonen) geteilet ist,
der stan driu wüest, die zwei sint wol durchbuwet
d. hort v. d. astronomie, hg. v. Siebert in: zeitschr. f. dt. altert. 83 (1952) 202;
mappa mundi beschreybunge der werlde (15. jh.) Diefenbach gloss. 348ᶜ; darnach sahe ich am tag herab auff die welt, da sahe ich viel koͤnigreich, fuͤrstenthumb vnnd wasser, also dasz ich die gantze welt, Asiam, Aphricam vnd Europam, gnugsam sehen kondte (1587) Faust 56 Petsch; merke dir, dasz du gegenwärtig auf dem ältesten gebirge, auf dem frühesten gestein dieser welt sitzest Göthe I 24, 42 W.; die eisenvorräte der welt Gustav Einecke (1950) titel. in älterer sprache häufig in der formel teil der welt 'erdteil' (vgl. weltteil 1 b):
driu deil her (Alexander) der werilte zume gewan
Annolied 19 Opitz-Bulst (15, 12);
Sem ruckete mit seynen kyndern an das teil der werlde, das do heisset Asia Rothe thür. chron. 27 Liliencron; wie die pilgrin kumen in den driten tail der welt uss Asia in Europa (1492) bei Röhricht pilgerreisen (1880) 281 (vgl.: Europa, der dritte theil der welt Henisch teutsche spr. [1616] 956); andeutung der haubtheilen der welt: es wirdt der vmbkreisz desz gantzen erdbodems von den alten weltbeschreybern gemeinlich in drey theil vnderscheiden, als in Asiam, Africam vnd Europam Stumpf Schweizer chron. (1606) 2ᵃ; America (vierten theil der welt) Schupp schr. (1663) 556. vereinzelt findet sich auch stück welt 'fleckchen erde': 'in der kirche' heiszt der volksmund dieses abgeschiedene stück welt H. v. Barth Kalkalpen (1874) 10.
β)
zuweilen auch mit bezug auf die erdkugel als weltkörper:
bewegung der erdkugel.
die welt ist rund und laufft herum;
drum sind die leute schwindel-tum
Logau sinnged. 595 lit. ver.;
d'wäld trääj siᶜʰ um d'sunna um! Friedli bärndütsch 2, 133; d'sunna standi still uⁿᵈ d'wäld chehrri siᶜʰ! ebda. 134.
c)
für die erde als machtsphäre, als politischen begriff (s. auch unter 2 und vgl. komposita wie weltherrschaft):
Sem, Kam, Japhet in dri vach
teilten di werld in dri rich
historien d. alden e 481 lit. ver.;
wer dise zwey (tugend und glückseligkeit) ... mit einander vereinbart ... behauptet die herrschaft der welt Lohenstein Ibrahim Sultan (1679) a 2ᵃ (zuschrift a. d. kaiser);
und den das schicksal doch zum haupt der welt erlesen
König ged. (1745) 11;
unter der zeit haben die andern völker gründlich die welt aufgeteilt K. F. Leppa herzenssachen (1923) 135; grosze männer, dachte ich, feldherren, überlegene staatsköpfe, eroberer- und herrschernaturen jeder art ... müssen wohl so beschaffen sein, dasz die welt ihnen klein wie ein schachbrett erscheint, da sie sonst die rücksichtslosigkeit und kälte nicht hätten, ... nach ihren übersichtlichen plänen damit zu schalten (1937) Th. Mann ausgew. erz. (1948) 11. als politisches schlagwort der jüngsten vergangenheit:
heute gehört uns Deutschland,
morgen die ganze welt
Stefan Zweig welt v. gestern (1947) 445.
d)
mit besonderem bezug auf die auf der erde herrschenden verhältnisse: es ist kein scherz, die welt zu bessern Hölderlin s. w. 2, 124 Hell.; halten sie (anrede) sich an den kaiser; er kann die welt eher umgestalten, als die welt ihn Grabbe s. w. 3, 181 Bl.; die beiden herren sprachen über welt und wirtschaft Feuchtwanger geschw. Oppermann (1948) 69. so auch in der ironischen redewendung: wie die welt sich ändert, sagte Hans, und seines nachbars scheune war eingefallen Rother schl. sprichw. 1ᵇ.
2)
ein (meist beiwörtlich bestimmter) teilbereich der erde: also ruͤhmen sich auch die Hunnen ...: dasz sie ... in das oͤstliche nordtheil dieser neuen welt ... gedrungen waͤren Lohenstein Arminius (1689) 1, 122ᵇ; nordwärts hinauf nicht anders bis zu den Koräken und Kamtschadalen am ufer der östlichen welt Herder 13, 219 S. (ebda. variiert mit erdstrich, weltstrich, weltteil); die affen der indischen welt Mohnike titel in: ausland 45 (1872) nr. 30, s. 714; die räumliche welt von heimat und vaterland K. Brandi reformation (1927) 52. 'erdteil': bald werden die bewohner der alten welt ausziehen, um neue, ihnen bisher unbekannte erdstriche zu entdecken ... diese neuen welten (die neuentdeckten erdteile) werden sie mit allen ihren lastern erfüllen und stoff zu scheuszlichern der alten zurückführen Klinger w. 3 (1815) 26; wir überbleibenden, vier brüder und drei schwestern, wurden nach und nach in beide welten zerstreut Karl Vogt aus meinem leben (1896) 22; reisen bis unter andere sterne und in andere welten hiesz nicht Europa ... entfliehen St. Zweig welt v. gestern (1947) 453. seit dem entdeckungszeitalter (vor allem mit bezug auf Amerika) in der fügung die (eine) neue welt: in vergangenen tagen habe ich dir weytlaufftig genug geschryben von meiner widerfarthe, von etlichen newen orthen ..., welche man byllichen ein newe weldte mage nennen, wann bey unsern vorfaren ist der selbigen orthe kain kuntschafte gar nicht gewesen Ruchamer newe weldte (1508) i 2ᵇ;
weren dise am meer gesessen
so lang wer vnersuͤcht nicht gwesen
America die newe welt,
dan jr lobgir het dahin gstellt
Fischart glückhafft schiff 11 ndr.;
seine nachkommen giengen auch ... in die newe welt hinein, die wir Americam ... heissen Micraelius Pommerland (1640) 1, 40; sie (die spanische krone) übertrug das ganze lateinische kirchenwesen ... auf die neue welt Ranke s. w. 3 (1868) 77; so geradezu zum eigennamen geworden: die neue welt il mondo nuovo cioè l'America Kramer t.-ital. 2 (1702) 1315ᵃ; wir kennen ja die geschichte des welttheils oder vielmehr die geschichte der neuen welt seit Kolumbus E. M. Arndt pro populo germanico (1854) 320; in die neue welt (Amerika) komme ich diesmal noch nicht (1. 8. 1834) Pückler briefw. (1873) 6, 4; und dabei nahm er ... das Amerikabuch ... eh' er das licht auslöschte, sah er noch einmal auf den titel des buchs; der lautete: 'die neue welt oder wo liegt das glück?' Fontane ges. w. (1905) I 6, 47; vgl. auch die vereinzelt bezeugte zusammenbildung neuweltling 'Amerikaner' unter weltling 2 c sowie neu-welter J. Balde d. truckene trunckenheit (1658) 172. als jüngere parallele findet sich der gebrauch von 'welt in jungen (flur)namen wie z. b. auf der neuen welt' Buck flurnamenb. (²1931) 298; Fischer schwäb. 6, 1, 670; neue welt stadtteil von Basel Henzen dt. wortbildg. (1947) 42; metaphorisch: neue welt cunnus Weinhold schl. wb. 104. — gelegentlich auch im sinne von 'kulturkreis': er ist ein prinz aus einer andern welt, der unsere europäische welt will kennen lernen Lenz ges. schr. (1828) 1, 87; wie eine riesenspinne sasz Rom im mittelpunkte der lateinischen welt und überzog sie mit seinem unendlichen gewebe Heine s. w. 3, 93 E. 'machtbereich, reich'; so meist übertreibend gebraucht: wer ... ein nuszschal voll hirn im kopff hat, der kan ein halbe welt regieren Zinkgref-Weidner weisheit 3. theil (1653) 57;
einer monarchinn ...,
die den weiten umkreis
ihrer welten nicht kennt
Ramler lyr. ged. (1772) 127;
er (Alexander) ist der universalherrscher, der am ozean die grenze seiner welt setzt, aber das meer in sein werk einbezieht v. Cochenhausen schicksalsschl. (1937) 24. oder allgemein auf den von menschen bewohnten teil der erde, die menschenwelt, bezogen:
fuar er tho in thia uuorolt in, liaz thaz uuuastuueldi
(die einöde) sin
Otfrid I 23, 9 Kelle;
Berthold ... hätte ein riese sein müssen, wenn nicht allmählich jedes dieser bekenntnisse (durchreisender lebensreformer) ihm, der auszerhalb der welt lebte (ein primitives leben der zurückgezogenheit in Tirol führte), eindruck gemacht und sein eigenes denken gefärbt hätte H. Hesse kl. welt (1933) 364.
3)
häufig umfaszt welt den auszerhalb des engen heimischen lebenskreises liegenden lebensraum. es erlangt dann den sinn von
a)
'fremde, ferne, weite, ausland' (s. auch Schambach Göttingen 293): Schweden und Dennemarck hatten eben alle nachbarliche freundschafft aufgehoben ..., als Philander seinen sohn Ascanium in die welt schickte Schupp freund i. d. not 3 ndr.; dem Hannibal ward von den seinen so übel gelohnet, dasz er elendiglich in der welt land-flüchtig herum schwaiffen muste Grimmelshausen Simpl. 127 Scholte; (graf:) wo ist er? (donna:) in der welt. mit kutsch' und pferden fort Lenz ges. schr. (1828) 1, 90; zu hause kann einer unnütz sein, ohne dasz es eben sogleich bemerkt wird, auszen in der welt ist der unnütze gar bald offenbar Göthe I 25, 1, 182 W.; wieder umkehren und in mein dorf zurückgehn? ... die jungen wären um mich herumgesprungen: 'ei, tausend willkommen aus der welt! wie sieht es denn aus in der welt?' Eichendorff s. w. 3 (1864) 28; die söhne waren in die welt gegangen, einer davon nach Indien, einer nach den Canarien-inseln G. Freytag ges. w. 20 (1888) 357; er (der onkel) hatte ... die welt gesehn auf reisen Kahlenberg Eva Sehring (1901) 40; wenn es auch drauszen in der welt viel schönes geben mag, kann man doch blosz in der heimat wirklich glücklich sein H. Hesse kl. welt (1933) 222. sprichwörtlich: besser in der welt als in einem hausz Lehman floril. polit. (1662) 2, 707; die welt macht leute Schellhorn sprichw. (1797) 27;
reisen kostet geld,
doch sieht man die welt
Binder sprichwörterschatz (1873) 162;
häufig in der charakteristischen verbindung in weiter welt, in die (der) weite(n) welt:
und ein urlaub begeren thet,
das er die königreich und stet
beschawen möcht in weyter welt
H. Sachs 2, 251 lit. ver.;
entschlossen wir uns, mit einander in der weiten welt ein glück zu suchen, das uns zu hause nicht gewährt schien Göthe I 21, 72 W.;
wem gott will rechte gunst erweisen,
den schickt er in die weite welt
Eichendorff s. w. (1864) 1, 237;
sein bruder ... fragte, wo er hingehe. 'fort, in die weite welt', rief ihm Ludwig zu M. Meyr erz. a. d. Ries (1868) 1, 63; war ... drauszen in der weiten welt B. Kellermann Ingeborg (1911) 24; was ... in der weiten welt geschah, hatte für die leute um Glasching recht wenig bedeutung O. M. Graf unruhe um e. friedfertigen (1948) 32; ironisch-übertreibend: et isz baͤter in de wiede welt, osz in de enge buck melius est crepitus emittere in vastissimum mundum, quam retinere eos in angustia ventris Pistorius thes. paroem. (1715) 262 (s. auch Binder sprichwörterschatz [1873] 212); dasz wir unsre kleider einige minuten im winde hin und her schwenkten und ausstäubten, um das stechende und zwickende gesindel in die weite welt zu schicken Arndt erinnerungen (1840) 131. vereinzelt in der besonderen wendung in de walt gieh 'reisen (auf handel ausgehen)', von den handelsreisenden und hausierern des Erzgebirges und Vogtlandes Müller-Fraureuth obersächs. 2, 654.
b)
'öffentlichkeit': diejenigen, die bemüht waren, einiges gute zu leisten und sich in der welt zu zeigen Göthe I 43, 12 W.;
doch wuszte sie (Maria Stuart) aus diesen engen banden
den arm zu strecken in die welt, die fackel
des bürgerkrieges in das reich zu schleudern
Schiller 12, 403 G.;
so vor allem in bildlichen wendungen, die vorstellungsmäszig gelegentlich an II B 1 a anschlieszen: damit es (das büchlein) by mir nit verlaͤge, sunder mit hilff günstliches gelaites sicherer in die welt wandeln und gemainer syn möchte (ut alieno fultus favore securior iret in publicum) Steinhöwel de claris mul. 16 Dr.; auch ist es (das drama Iphigenie) viel zu nachlässig geschrieben als dass es von dem gesellschaftlichen theater sich sobald in die freyre welt wagen dürfte (21. 7. 1779) Göthe IV 4, 47 W.; das naͤrrchen (das kunstwerk im entstehen) wo moͤglich in die welt honett auszustaffiren maler Müller w. 2 (1825) 6.
c)
vereinzelt auch sachbezogen, für der fremden, groszen welt angehörige dinge: wöchentlich ein- oder zweimal wurde ein bote in das Murthal hinausgeschickt, um in einem buckelkorbe welt ins gebirgsdorf zu tragen, kleinigkeiten, die man beim krämer daheim nicht bekam Rosegger schr. (1895) II 13, 248; vor den eigenen kindern muszte er (Domenico Pascarella) sein haus verteidigen; durch heimliche pforten schmuggelten sie tückisch die feindliche welt herein Werfel geschw. v. Neapel (1931) 76.
B.
von besonderen (geogr.) vorstellungen bestimmter gebrauch.
1)
während sich seit frühnhd. zeit welt 'terra' eindeutig auf die erdkugel bezieht (vgl. etwa: in dieser niedern welt oder erdenkugel Kepler opera 1, 605 Frisch; bewegung der erdkugel: die welt ist rund und laufft herum, drum sind die leute schwindel-tum Logau sinnged. 595 lit. ver.), liegt einer reihe älterer, formelhafter wendungen offenbar die mittelalterliche vorstellung der erdscheibe (orbis terrae) zugrunde.
a)
vier enden (ecken, orte) der welt:
got wolti daz crûci in vîr spaltin,
disi werilt alli gihaltin:
dô wart er unschuldig irhangin.
er habiti vîr enti dirri werilti bivangin,
daz er sîni irwelitin alli zi imo zugi,
swenn er den vîant bitrugi
kl. dt. ged. d. 11. u. 12. jhs. 21 Waag (summa theologiae 146);
Tnuphah war das opfer, wenn sie (die priester) es nicht uber sich huben, sondern in die vier ende der welt wiesen und zeigeten, gleich wie die papisten in der mesz die creuz- und andere schirmschläge in die vier orte der welt macheten Luther tischr. 5, 266 W.; alle wind von den vier ecken der welt blasen in ein horn zusammen Selhamer tuba tragica (1696) 1, 533; so werden sie (anrede) bey einem manne dank verdienen, der nicht ermangeln wird, ihre höflichkeit an allen vier enden der welt auszuposaunen Lessing 2, 157 L.-M.; s. ferner die belege teil 7, 1354 u. teil 12, 2, 258.
b)
vier winde (meere, straszen) der welt:
viere winde disir werilte
Annolied 15 Opitz- Bulst (11, 5);
ich weise dich hinaus in die vier straszen
der welt
Uhland dram. dicht. (1863) 35;
sie werden verweht über die vier meere der welt, in alle acht winde Feuchtwanger geschw. Oppermann (1948) 284.
c)
vier teile der welt: sy (die evangelisten) verkundigen durch die virteil der werlt den glauben erste dt. bibel 1, 5 Kurr.; (kurfürst Friedrich Wilhelm,) dessen siege fast alle vier theile der welt geschmecket Lohenstein Arminius (1689) 1, b 1ᵇ; unter dieser ... aufschrift würden uns briefe aus allen vier theilen der welt nunmehr auffinden Göthe I 31, 15 W. gelegentlich verbindet sich mit der formel vier teile der welt die vorstellung von vier erdteilen: es wären ihr (sagte meine frau) alle vier theile der welt zinsbar: der Perser spinne für sie; der mohr fange ihr die perlen; der Amerikaner durchwühle die erde, ihr den nöthigen putz zu schaffen; der Europäer wage sein leben, alles dieses herzubringen Rabener satyr. schr. 1 (1751) 79.
d)
in anschlusz an c erhält welt gelegentlich sogar die bedeutung 'erdviertel':
nvn hoͤrt zu all vier eck der erden,
ja jhr vier welt hoͤrt zu on bschwerden,
woher hie auff all end vnd eck
alles vbel sich her erstreck
Fischart w. 1, 229 Hauffen;
vgl. ferner: vber die vier welde vel wit von eim hinwegsenden (15. jh.) Diefenbach gloss. 490ᶜ s. v. relegare.
e)
(am, bis ans) ende der welt u. ähnliche wendungen: et timebunt qui inhabitant fines terrę a signis tuis vnde daranâh furhtent in diê ze ende dero uuerlte sizzent fore dînen zeîchenen Notker 2, 244 Piper;
(Alexander,)
der diu werlt in iarin zuelevin
irvúr uns an did einti
Annolied 25 Opitz- Bulst (21, 7);
extremum terre daz ende der welt (15. jh.) Diefenbach gloss. 220ᵇ; durch welche predigt, lehr vnd bücher (Luthers, Melanchthons und anderer) gott sein wort volnbracht hat bisz an der welt ende vnd bisz an die eusersten winckel der erden in Schweden, Norwegen, Lappen vnd Pilappen, so weit die welt gegen mitternacht bekant Dan. Schaller theolog. herold (1604) 43; so noch in übertreibender anwendung neuerer zeit: einen bis ans ende der welt verweisen confinare uno fin' all estremità del mondo Kramer t.-ital. 2 (1702) 1315ᵃ; laszt ihn liegen und kommt bis ans ende der welt Lenz ges. schr. (1828) 1, 51; ich musz fort, weit, weit, bis ans ende der welt! Immermann w. 5, 215 Hempel; denn wir wohnten so gut wie am andern ende der welt Fontane ges. w. (1905) I 5, 132; du loschirst ja am end der welt Hügel Wien 188; aus unserer am end der wälᵗ gelegenen landschaft Friedli bärndütsch 3, 442. hierzu stellen sich auch ironisch-übertreibende wendungen wie: da wo die welt mit bretern beschlagen ist about the world's end Ludwig teutsch-engl. (1716) 2444 (ähnlich bereits Joh. Sommer ethographia mundi [1609] 1, M 1 a: dasz er vom ende der welt komme gelauffen vnnd habe gesehen, das es mit bretern daselbst sey vnterschlagen); ist er gereist ... bis wo die welt mit brettern vernagelt ist Schubart chron. (1790) 16; sie wohnt auch wohl drauszen vor der stadt, da wo die welt mit brettern vernagelt ist A. v. Arnim s. w. 16 (1846) 32; wo die nächsten hügel grenzen, da ist ihnen (den südbayer. bauern), wie man sagt, die welt mit brettern zugenagelt W. H. Riehl land und leute (1861) 278; dō̜ es dᵉ wält met brǟrᵉr zōgᵉnǟlt (von entlegenen und zurückgebliebenen gegenden) Heinzerling-Reuter Siegerl. 316; hier is de welt mit brȩd vernagȩlt 'hier geht's nicht weiter' Mensing schlesw.-holst. 5, 589. da hört die welt auf u. dgl.: die ersteren (cardinäle) sind bornirt ... auszerhalb Roms hört für sie die welt auf Justi Winckelmann 2, 1 (1872) 103; man merkt es, bei den 'Baberhäusern' hört die welt auf Fontane ges. w. (1905) I 6, 25; rechts ist eine sehr hohe, grüne hecke, die man niemals beschneidet; da hört die welt auf Kahlenberg Eva Sehring (1901) 3; die welt schien aufzuhören (im düsteren waldgebirge) qu. a. d. j. 1930.
f)
aus(zerhalb) der welt liegen u. ä. übertreibende wendungen zur bezeichnung groszer abgelegenheit oder entfernung; meist verneinend gebraucht:
dann Vlm, das ist nicht ausz der welt,
noch Thuͤbingen, wie jr es zelt
Fischart s. dicht. 1, 57 Kurz;
wiewol man vor zeiten dise schiffart gen Cola für keine geringe reisz gehalten: so waren wir doch gegen derselben zurechnen schier gar ausz der welt gewest Lewin Hulsius der dreyen newen unerhörten ... schiffart (1598) 144;
und sechs und dreiszig meilen
ist ja nicht aus der welt!
Goekingk ged. 1 (1780) 292;
denn dieses Tennstedt liegt nicht auszerhalb der welt (22. 7. 1816) Göthe IV 27, 118 W.; aber schlieszlich lag Reutlingen auch nicht aus der welt drauszen, und man konnte zueinander kommen, wenn man sich etwas zu sagen hatte Finckh Rapunzel (1910) 126; dat is ja ni ut'e welt tröstet man den, dem der abschied von der heimat schwer wird Mensing schlesw.-holst. 5, 589. hierzu stellen sich gelegentlich wendungen wie nicht aus der welt reisen, verschwinden: ich reise nicht aus der welt Chr. Weise drei klügsten leute (1675) 9; was sind entfernungen heutzutage? wir (die nach Brasilien abreisenden brüder) verschwinden ja nicht aus der welt. nächstens werden schon postflugzeuge zwischen Amerika und Europa verkehren Werfel geschw. v. Neapel (1931) 199. ferner: daͦs (gesuchte) kaͦn doch ne aus der welt (unerreichbar, unauffindbar) sein Rother schl. sprichw. 1ᵃ; wiet ut de welt 'abgelegen' Elberf. ma. 174; dat is noch wied ut de welt 'ganz unbestimmt' Mensing schlesw.-holst. 5, 589.
2)
vereinzeltin gegensatz zu meer (wasser) gestelltgewinnt welt die bedeutung 'festland':
das mer ist ganz recht (ist scheiblig) als ein rinck vnd hat die werlt vmbfangen
d. hort v. d. astronomie, hg. v. Siebert in: zeitschr. f. dt. altert. 83 (1952) 202;
ist, das ... mangeln mag ... das mere der viscschen (!) vnd die weld der tieren, so mag auch Euriol din vergessen Niclas v. Wyle translationen 40 lit. ver.; im herab faren sahe ich auff die welt, die war wie der dotter im ey, vnd dauchte mich, die welt were nicht einer spannen lang, vnd das wasser war 2 mal breiter anzusehen (1589) Faust 52 Fritz;
der lenger als die werlet wer
und breiter als das weite meer
Joh. Sommer aenigmatographia rhythmica (1606) A 7ᵃ.
3)
in dichterischer einzelanwendung findet sich welt auch für 'erdboden': mir läuft die welt unter den füszen fort und eine unsägliche leidenschaft treibt mich weiter (auf der Italienreise) (19. 10. 1786) Göthe III 1, 305 W. (ähnlich: ebda. IV 28, 62); sie stand auf einem treppenabsatz still ... 'sehen sie (anrede), wie hoch wir schon über der welt stehen und noch ist das kranzgesims der (kirchen-) schiffe über unseren häuptern' Heyse ges. nov. 1 (1921) 125 (anf. u. ende); auf seinem breiten tisch am fenster hockte der fleiszige (schneider) Schlotterbeck hell und hoch über der welt wie der wächter in einem leuchtturm H. Hesse Knulp (1931) 34. hierzu auch die mundartliche wendung för de welt schmieten 'zu boden werfen' Elberf. ma. 174; auf dⁱᵉ welt 'naⁿ falleⁿ Fischer schwäb. 6, 1, 670.
C.
formelhaft abgeblaszt (über die formelhaften wendungen zur welt bringen, kommen u. dgl., die mehr oder minder noch von lokalen vorstellungen bestimmt sind, s. unter II B 1).
1)
in alle(r) welt 'überall(hin)', aus (von) aller welt 'überallher' u. dgl.; meist übertreibend gebraucht:
des sprach er (Jesus zu den jüngern): ich hab úch erwelt
daz ir sont gan in all die welt
d. sœlden hort 10160 Adrian;
mich dünkt, sie (die dohlen und krähen) seien aus aller welt hieher (auf der veste Koburg) versammlet (26. 4. 1530?) Luther briefw. 5, 294 W.; den ... in aller welt hochgepriesenen könig Chemnitz schwed. krieg 2 (1653) 248;
ist er doch in alle welt entlaufen!
(überallhin und darum nirgends zu finden)
Göthe I 1, 201 W.;
sie rufen trotzig aus
in alle welt hinaus
Arndt w. (1892) 4, 7;
wol aber waren schimpfworte auf ihn in aller welt geläufig Laube ges. schr. (1875) 1, 14; ein verwegenes leben als matrose in aller welt E. Mühsam namen u. menschen (1949) 151; häufig in sprichwörtlichen wendungen:
ein müntze vnd guͦt gelt,
so stuͤnd es wol in aller welt
schöne weise klugreden (1548) 73ᵇ;
alt freund, alt wein, alt gelt
haben den preisz in aller welt
Eyering proverb. (1601) 1, 36;
gelt regiert in aller welt Lehman floril. polit. (1662) 3, 133.
2)
früh erscheint welt als blosze steigerungspartikel (s. auch unter den kompos.-typen A 1 b ζ und vgl. weltall 2 e).
a)
als verstärkender zusatz
α)
zu einer beiwörtlichen höchststufe (vgl. unter III A 1 a); genitivisch: abexcęlso cacumine rerum aba demo hohesten chapfe dero uuerlte (von dem allerhöchsten gipfel, von dem höchsten gipfel überhaupt) Notker 1, 353, 20 Piper; wie ich die süsten und pesten zungen der welt hette Arigo decamerone 671 lit. ver.; ich bin immer fort in der wünschenswerthsten lage der welt (5. 1. 1776) Göthe IV 3, 14 W.; ich wäre das betrübteste geschöpf der welt, wenn ich hörte, ich sei nicht in der gnade gottes Feuchtwanger Simone (1950) 235; in verhältniswörtlicher fügung in der welt: unser orden ist der gröst und ärmst in der welt (der allergröszte und allerärmste, der gröszte und ärmste überhaupt) Zwingli dt. schr. 1, 74 Sch.; vor gelt ist alles feil, vnd hab ich gelt, so bin ich der liebste in der welt schausp. d. engl. comöd. 202 Creizenach; die juweliere ... wünschen ihr (der königin) glück zu dem besitze des schönsten halsbandes in der welt Dahlmann franz. rev. (1845) 100; auf der welt: ich wolte die geruhigsten tage auff der welt haben Chr. Reuter ehrl. frau Schlampampe 4 ndr.; ich hielt diesen mann für meinen gröszten freund auf der welt Göthe I 43, 290 W.; (frau Unrat) dachte sich dabei, dasz dies das einzige lied auf der welt sei, das sie nicht singen dürfe H. Mann d. blaue engel (1950) 261; am häufigsten erscheint in neuerem sprachgebrauch von der welt: die zwen ritter ... die die besten sint von der werlt Lancelot 1, 349 Kluge; seine zimmer ... hatte er inwendig vom rauch gantz erschwartzen lassen, nur darumb, dieweil disz die beständigste farb von der welt ist ... die tapezereyen waren das zärteste geweb auff dem gantzen erdboden Grimmelshausen Simpl. 10 Scholte; der gefälligste mann von der welt Wieland Lucian (1788) 1, 192; das (die regelung) ist die allereinfachste geschichte von der welt Kahlenberg Eva Sehring (1901) 40.
β)
zur totalitätsbezeichnung all(es); genitivisch: ich in liebe habe über alle dinge der welt Arigo decamerone 177 lit. ver.; hat sie vielleicht auch ohrenschmerzen? ... die person hat ja alle schmerzen der welt! Deinhardstein ges. dram. w. (1848) 1, 20; es war alles gift und aller triumph der welt in seiner (des Knops) leisen frage Feuchtwanger d. falsche Nero (1951) 207; in verhältniswörtlicher fügung: wenn man gleich alle poeten in der gantzen welt solte daruͤber zusamen setzen Rollenhagen froschmeuseler (1595) A 6ᵇ; er ... hatte alle muͤhe von der welt, ... der ... regierung zu entgehen, die ein urtheil an ihm vollziehen wollte Liscow satyr. u. ernsth. schr. (1739) 1, vorr. 31; häufig auch als verstärkender zusatz zu substantivischem alles: alles in der welt, nur dies nicht abschlägliche antwort (1749) Kluge studentenspr. 134ᵇ; sag' sie ihr nur, ich hätt' ihr etwas zu sagen, woran ihr alles in der welt gelegen ist Lenz ges. schr. (1828) 1, 285; man konnte ihn (den kranken klosterbruder) zu allem in der welt bewegen, wenn man ihm ... mit dem tode drohte Göthe I 23, 278 W.; denn man musz sich über alles in der welt lustig machen Pückler briefw. (1873) 1, 115; besonders in der formelhaften wendung um alles in der welt:
denk', kind, um alles in der welt!
der herr dich für ein fräulein hält
Göthe I 14, 143 W.;
ein freund von mir ... wünschte um alles in der welt zu wissen, wo dieselben (hühnchen) verfertigt werden Brentano ges. schr. (1852) 5, 50; er hätte um alles in der welt ein anderes auskunftsmittel finden mögen M. v. Ebner-Eschenbach ges. schr. (1893) 4, 59.
b)
als verstärkung einer verneinung:
jane wær diu selbe schulde
zer werlte niemens wan dîn
Hartmann v. Aue Iwein 3967 B.-L.;
und der malwasier der wost auch inn der wernt nyegens anders (überhaupt nirgends sonst) dann do selbest (auf Candia) qu. a. d. j. 1483 bei Röhricht pilgerreisen (1880) 135; des kein mensch der welte weder gedacht noch gelaubet het Arigo decamerone 153, 20 lit. ver.; er nutzt auf der welt gottes nichts nec sibi nec alteri quicquam prodest Serz teut. id. (1797) 175ᵇ; dasz sein (Gervinus') hiesiges auftreten vielleicht meine äuszere lage verändern wird, dazu kann er in der welt nichts (7. 6. 1836) Jacob Grimm in: briefw. zw. d. br. Grimm u. Dahlmann 1, 65 Ippel; obschon er auf der welt nicht wuszte, was er mit demselben (dem fremden jungen) anfangen sollte H. v. Kleist w. 3, 359 E. Schmidt. auch in neuerem sprachgebrauch noch durchaus geläufig: denn das mochte er von der welt nicht leiden Sperl burschen heraus ¹³85; (ein) glück, dem keins in der welt an schmerzlicher süszigkeit zu vergleichen Th. Mann Buddenbrooks (1952) 683; er (Diederich) wünsche sich nichts auf der welt, als ganz dabei (beim militär) zu bleiben H. Mann untertan (1949) 50; wenn ich getrunken habe, ist nichts auf erden mir so uninteressant wie wasser ... manchmal gibt es nichts in der welt ... was mir so unentbehrlich scheint wie der geist H. Hesse kurgast (1925) 139. häufig auch in der wendung um alles in der welt nicht (vgl. unter C 2 a β): nein, um alles in der welt nicht! H. Beck d. herz behält s. rechte in: dt. schaubühne 2 (1788) 141; so wolte ich um alles in der welt nicht mit ihm (meinem lehrer) hadern (1. 7. 1782) Lichtenberg br. 2, 37 Leitzmann-Schüddekopf; dass sie (Franziska Götz) um alles in der welt nicht anders (als zufrieden an den onkel) habe schreiben können W. Raabe hungerpastor (1864) 2, 240; um allens in de welt nich! Brendicke Berlin 192ᵇ; als mundartliche redewendung findet sich ferner: emm of der welt nünt thue 'einem ja nichts zu leide thun' Tobler Appenzell 444; die hōt uff dr welt gōts nischte 'besitzt überhaupt nichts, erhält gar keine mitgift' Rother schl. sprichw. 363ᵇ.
c)
neben einem interrogativum: wie in der welt war eine solche philosophie ... nur möglich? Herder 22, 109 S.; was in der welt hätte es sonst für reiz, autor zu werden ebda. 13, 5; wem in aller welt konnte nun die siegeskrone mit mehrerem recht zukommen Jung-Stilling s. schr. (1835) 3, 53; aber wo in aller welt bleibt denn der Arcangiolo Gaudy s. w. (1844) 13, 58; was in aller welt will der Delbrück? (28. 6. 1868) Müllenhoff in: briefw. zw. Müllenhoff u. Scherer 271 Leitzmann; aber wie in aller welt könntest du's (glücklich) sein, wenn du ein herz hast? Rilke ges. w. (1927) 6, 146; wer in aller welt hat das denn gesagt? der grosze Duden, stilwb. d. dt. spr. (1934) 643 Basler; häufig auch durch andere redeteile getrennt: wo wolten wir in der welt vor dem ungeziefer bleiben? Chr. Weise polit. redner (1677) 69; wozu haͤlt er in aller welt den ziegenbock? dt. schaubühne 5 (1744) 270 Gottsched; wie hätt' ich denn in aller welt darauf kommen sollen? (1783) Chr. Leb. Heyne Omar in: dt. erz. d. 18. jhs. 33 Fürst;
was herr! in aller welt
treibt euch, aus fernen landen herzukommen
Schiller 13, 378 G.;
welcher mensch in der welt, der ohne innern beruf ein handwerk, eine kunst oder irgend eine lebensart ergriffe, müszte nicht wie du seinen zustand unerträglich finden? Göthe I 21, 80 W.; so erscheint isoliertes in aller welt oft geradezu als bekräftigender ausruf: warum also, in aller welt, jagte man dich fort? H. v. Kleist w. 3, 152 E. Schmidt; was nun, in aller welt, geht meine ... philosophie ... jene ... universitätsphilosophen an Schopenhauer w. 1, 26 Gr.; vereinzelt sogar in emphatischer spitzenstellung: in allr welt, wo wolln's denn heund no hin? Hügel Wien 188. die verhältniswörtliche fügung in der (aller) welt erscheint auch als verstärkung der einleitenden partikel eines abhängigen fragesatzes: verwundert er sich, wo er doch in aller welt sey J. Döpler theatr. poen. (1693) ...; von woher er (Raffael) denn in aller welt die unvergleichliche schönheit ... in seinen bildern der heiligen jungfrau entlehnt habe Wackenroder herzenserg. (1797) 17; nachzusehen, was in aller welt sie treiben Th. Mann ausgew. erz. (1948) 229; sowie eines verallgemeinernden relativsatzes: waz man in der werlde herin vuret oder treit zu marcte veile, daz da sechs pfenninge gildet oder darunder, daz ist zolvri (um 1300) Freiberger stadtrecht 236 Ermisch; ob du nicht etwa zeit hättest eine kleine reise vorzunehmen, wo es auch in die welt hin wäre? (9. 1. 1827) Göthe IV 42, 5 W.; vereinzelt begegnet: dieses (aufgesessen!) musz ohne tempos und so geschwinde, wie in der welt (überhaupt) nur immer moͤglich, geschehen preusz. reglement f. husarenregimenter (1752) 36.
d)
gelegentlich auch sonst, vor allem zur unterstreichung einer entscheidungsfrage oder eines wunsches: ist es in aller welt möglich? Lessing 2, 153 L.-M.; ich möcht' auch in aller welt nur wissen, was es hier zu entführen gibt! Eichendorff s. w. (1864) 3, 215.
VI.
schöpfung.
A.
himmel und erde mit allem geschaffenen darin.
1)
im biblischen sinne:
uualdand gisprak, thuo hie erist thesa uuerold giscuop
endi thuo all bifleng mid enu uuordu,
himil endi ertha endi al that sea bihlidan egun
giuuarahtes endi giuuahsanes
Heliand 39 Sievers;
o sator terrarum cęlique tû skepfo himeles unde erdo qui gubernas mundum perpetua ratione tû disa uuerlt ordenôst unde scaffôst unde rihtest mit tînemo êuuîgen uuîstûome Notker 1, 176, 19 Piper;
daz got rîchset aine
uber alle dise werlt gemaine,
uber erde unt uber mer
unt uber allez himelischez her
kaiserchronik 4240 Edw. Schröder;
vnd damit der mensch auch ein herberg hette ..., hat gott den herrn fuͤr gut angesehen, die welt, das ist himel vnd erden vnd alles, so darinnen ist, zu erschaffen Jac. Gretter erklerung d. ep. S. Pauli a. d. Römer (1566) 487; an dieser gegend hatte die andaͤchtige vor-welt dem anfange aller dinge, nehmlich dem schoͤpfer der welt zu ehren ... eine dreyfache reye ... eich-baͤume gepflantzet Lohenstein Arminius (1689) 1, 7ᵇ; so noch in neuerem sprachgebrauch mundartlich: wa n er (der herrgott) d'wäld g'machd heed Friedli bärndütsch 2, 11; wie in philosophischer definition: welt ... 'die gesammtheit alles erschaffenen, alles gewordenen, werdenden und zukünftigen, erde und himmel, kurz alles dessen, was im unendlichen raume sich befindet; der gesammte ausflusz des göttlichen, allmächtigen willens' Krünitz encycl. 238 (1856) 197; 'in der gegenüberstellung zu gott bedeutet welt die gesamte auszergöttliche wirklichkeit oder die schöpfung' W. Brugger philos. wb. (³1950) 405. in poetischer steigerung erscheint seit dem 18. jh. gelegentlich die pluralische form, wohl ein ausdruck des neuen religiösen raumerlebnisses (s. Chr. Junker d. weltraumbild i. d. dt. lyrik [1932] 95 ff., germ. stud. 111, und vgl. die neu aufkommende komposition mit dem gen. pl. weltenschöpfer Campe 5 [1811] 671):
tausend heere lichter ballen loben meines schöpfers stärke;
aller welten himmelskreise preisen seiner weisheit werke.
meere, berge, wälder, klüfte, die sein wink herfürgebracht,
sind posaunen seiner grösze, sind posaunen seiner pracht
E. v. Kleist 1, 22 Sauer; weitere belege bei Junker a. a. o.
2)
in formelhaften wendungen; die biblische vorstellung ist verblaszt.
a)
in verbalen wendungen, welche
α)
die länge einer groszen zeitdauer bezeichnen; solange die welt steht 'immer, ewig': wern alles menschee (!) sünde vnd die noch süllen gethon wern, die weyle die welt stet in einem menschen alleine Arigo decamerone 25 lit. ver.; sed verbum dei manet, die weil die welt steht Luther tischr. 2, 525 W.; es wird wol suͤnd bleiben, so lang die welt stehet Petri d. Teutschen weiszh. (1605) C 4ᵃ; auch solange (seit) die welt steht (gestanden) 'schon immer' bzw. 'noch nie': es sind so lang die welt gestanden, mehr nicht als nur drey gute weiber vber all zufinden gewest Moscherosch gesichte (1650) 2, 291; das ist nicht geschehen, weil die welt stehet questo non è occorso da che il mondo è mondo Kramer t.-ital. 2 (1702) 1297ᶜ; seit die welt steht, schlafen kammermädchen, bis die sonne scheint Immermann w. 16, 223 Hempel; so habens die mädle und die weiber, so lang die welt steht O. Ludwig ges. schr. 2 (1891) 17; sider as d'welt steht, isch so ebbs nit do gewän Follmann lothr. 536; als glied einer entrüsteten frage erhält die redensart die bedeutung 'jemals': 'talpasch! ... hat man je, solange die welt steht, auf diese weise einen wagen herausgezogen?' kinder- u. hausmärchen (1843) 2, 415;
ward, seit die welt steht, so etwas erlebt?
H. v. Kleist w. 2, 197 E. Schmidt;
β)
einen äuszersten, schlimmstmöglichen grenzfall angeben: geleyd halten hat got gepoten, das solt man haltenn, ob gleich die welt solt vntergehen Luther adel 63 ndr.;
ein Christ in furcht sol nimmer stehen,
wen gleich die welt solt vntergehen
Petri d. Teutschen weiszh. (1605) B 8ᵇ;
und fiele die welt zusammen,
aus ihren trümmern stiegen doch
hervor meiner liebe flammen
Heine s. w. 1, 82 E.;
insbesondere im irrealen vergleich:
ob es sich gleich liesz sehen an,
als ob die welt wolt undtergan,
lasz du nur gott dez krieges walten!
H. Sachs 1, 219 lit. ver.;
es war ein gewitter, als wann die welt vergehen, zu grunde gehen wolte Kramer t.-ital. 2 (1702) 1315ᵃ; mᵉr māint dᵉ wält geng onnᵉr! wie stellt ihr euch an! Heinzerling-Reuter Siegerl. 316; ferner in der wendung: dō gēᵃt doch dᵉ wält net fā onnᵉr! so schlimm ist die sache doch nicht! ebda.; und: deswegeⁿ fällt dⁱᵉ welt (noᶜʰ lang) net eiⁿ! Fischer schwäb. 6, 1, 669. vereinzelt auch als ausruf der verwunderung: nu steiht de welt nich mehr! Mensing schlesw.-holst. 5, 589.
b)
gott und die (alle) welt 'alles'. in dieser zweipoligen formel sind schöpfer und schöpfung zum ausdruck der ganzheit zusammengefaszt: noch musz ich etwas von seinen ersten vorstellungen, die er sich ebenfalls ohngefähr im zehnten jahre von gott und der welt machte, sagen K. Ph. Moritz Anton Reiser 31 lit. denkm.; diese totale hypochondrie, die ... mit gott und aller welt so bitterlich unzufrieden ist Ruge s. w. (1847) 2, 122; wir könnten nach langer unterbrechung einmal wieder gott und die welt nachdenklich besprechen (18. 11. 1884) graf Yorck in: briefw. zw. Wilh. Dilthey u. d. Grafen Paul Yorck v. Wartenburg (1923) 253; gleichwohl spielten viele erwägungen ... mit, im grunde genommen ... die ganze deutsche politik, krieg und frieden, geld und herkunft, gott und die welt A. Zweig einsetzung e. königs (1950) 258.
c)
wohl aus antiker, nicht christlicher anschauung erwachsen sind metaphorische wendungen wie auge der welt 'sonne' (vgl.weltauge): sunna ... ouga dero uuerlte mundanus ... oculus Notker 1, 833, 15 Piper; so vor allem als dekorative formel der barockdichtung (s. auch Junker d. weltraumbild i. d. dt. lyrik [1932] 26): das auge dieser welt schlaͤfft itzt ein und laͤsst uns in der demmerung geruhet seyn; wenn Phoͤbus in die see mit stiller roͤhte faͤllt ... Treuer Dädalus (1675) 1, 8; das auge der welt stieg gleich an dem blauen morgen-ecke des himmels auff seinen verguͤldeten wagen empor Lohenstein Arminius (1689) 1, 36ᵇ; daneben auch licht (fackel, feuer) der welt: daz oberosta fiur ... tirro uuerlte Notker 1, 809, 25 Piper; des mons vnd der sonnen ... diser zweyen grossen vnd wunderbaren feuerigen zundfackeln der gantzen welt M. Sebiz feldbau (1580) 46; wie die sonn das liecht der welt ist, so sind die augen desz menschen liecht Lehman floril. polit. (1662) 1, 62;
durchs rothe morgen-thor der heitern sternen-bühne
naht das verklärte licht der welt
A. v. Haller ged. 3 Hirzel;
wo ist hin die sonne, das licht der welt? maler Müller w. (1811) 1, 34; vereinzelt herrscher der welt:
und die ewigen bahnen
lächelnd über uns hin zögen die herrscher der welt,
sonne und mond und sterne
Hölderlin s. w. 2, 41 Hell.
B.
teilbereich der schöpfung.
1)
zuweilen umfaszt welt nicht den ganzen schöpfungsbegriff, sei es nun, dasz der himmel oder die geschöpfe auf der erde nicht mit einbezogen werden:
der doch die himel alle
und die werelt ouch geschûf
erlösung 1435 Maurer;
der gnädigste gott ... hat mit dem kleinen werkzeug 'fiat' die grosze welt erschaffen und in der welt unterschiedliche geschöpf Abr. a s. Clara w. 2, 180 Strigl;
so schreitet in dem engen breterhaus
den ganzen kreis der schöpfung aus
und wandelt mit bedächt'ger schnelle
vom himmel durch die welt zur hölle
Göthe I 14, 16 W.;
nach der schöpfung der natur tritt der mensch auf, und er bildet den gegensatz zu der natürlichen welt; er ist das wesen, das sich in die zweite welt erhebt ... des geistes Hegel philos. d. weltgesch. 1 (1944) 27 Lasson; hierzu auch die äuszerung Sprangers: die welt im engeren sinne, als geschaffene, an die materie gebundene, heiszt natur Goethes weltanschauung 27 insel.
2)
in älterem sprachgebrauch finden sich vereinzelt besondere fügungen, vor allem untere welt 'hölle', vgl. unterwelt: da naͤhmlich das oberste feuer ... herab fallen und die gantze obere und untere welt zerschmaͤltzen wird Zesen rosenmând (1651) 13; sey gegrüszt, abscheulicher ort, sey gegrüszt, unterste welt, und du, tiefeste hölle, empfange deinen neuen einwohner (so begrüszt Satan die hölle) Bodmer slg. crit. poet. schr. (1741) 1, 16, vgl. dazu: von dem ursprung der finstern welt oder hölle, in welcher die teufel wohnen Jac. Böhme s. w. 5, 11 Schiebler.
VII.
makrokosmos (1); (system von) himmelskörper(n)(2).
1)
makrokosmos, universum, all. erst in spätmittelalterlicher überlieferung erscheint welt eindeutig als bezeichnung des makrokosmos, offenbar ein reflex der im 14. und 15. jh. auf arab. bzw. antikem ideengrunde erblühenden sternkunde (s. einl. zu Konrad v. Megenberg dt. sphaera xii ff. Matthaei, ferner Hellquist [³1948] 1396). der in der neuzeit mit welt 'makrokosmos' verbundene erweiterte begriffsgehalt, das moderne weltraumbild, formte sich seit dem 16. jh., seit Kopernikus und Giordano Bruno (s. Chr. Junker d. weltraumbild i. d. dt. lyrik [1932] 10 f., germ. stud. 111); es fand einen gesteigerten ausdruck in der komposition weltall (s. dort), die heute das grundwort in dieser bedeutung weitgehend verdrängt hat: daz ertreich ... ist reht als ain gemainer mittel punct aller werlt Konrad v. Megenberg dt. sphaera 7 Matthaei (vgl. die abbildung ebda. 6); werlt macrocosmus voc. rer. (15. jh., obd.) bei Diefenbach gloss. 342; nach welcher begierde, alle kometen, gegen der sonnen, als dem centro der welt (wofür dieser author dieselbe, mit dem Copernico, achtet) und gegen denen planeten-kreisen, als den umstrichen oder umkreisen solches centri, eine natuͤrliche neigung tragen E. Francisci lust-haus (1676) 1261; dasz die welt aus vielen groszen welt-coͤrpern zusammengesetzt sey, wird niemand in zweiffel ziehen Chr. Wolff anm. üb. vern. ged. v. gott (1724) 249;
mein ritter, tief' und höhe,
das weltall hast du mir (Faust) gezeigt — doch glaube,
so klein der mensch ist, gröszer ist er als
die welt, — er ist unendlich stark
Grabbe s. w. 2, 105 Bl.;
welt weltall, himmelsraum Bacher Lusern 225. häufiger in der verbindung grosze welt, als wiedergabe von makrokosmos: macrocosmus grosz wernt voc. rer. (15. jh., md.) bei Diefenbach gloss. 342;
wann sie (eine tanzlustige frau) sihet wie ordenlich
recht inn einander schicken sich
die gestirnzircul vmb die erd,
da wird sie denken: sih, hie lehrt
die gros welt vns als die klein welt,
wie man sich jr gleichmaͤsig haͤllt
Fischart w. 3, 178 Hauffen;
mit dem geiste der groszen welt, der sterne und elementa Jac. Böhme s. w. 3, 85 Schiebler; physik und chemie, himmels- und erdbeschreibung, naturgeschichte und anatomie ... hatte ... uns immer auf die geschmückte grosze welt hingewiesen, und wir hätten gern von sonnen und sternen, von planeten und monden, von bergen, thälern, flüssen und meeren und von allem, was darin lebt und webt, das nähere ... erfahren Göthe I 28, 70 W.; bei Kepler findet sich für 'makrokosmos' die bezeichnung obere welt, die allerdings nicht die erde, die niedere welt, mit einschlieszt (s. K. Glaser d. dt. astron. fachspr. Keplers [1935] 20): in hoffnung, alda die von ir (der geometrie) mir auffgetragne raittungen, betreffend alle theil ires gebiets in der obern vnd nidern welt, mit mehrer ruhe ... zu volführen (1616) opera 5, 498 Frisch (weinvisierbüchl.).
2)
'ein himmelskörper, und in weiterer bedeutung, ein system in einander gegründeter himmelskörper' (Adelung 5 [1786] 160). die popularisierung der astronomischen erkenntnis von der vielheit der himmelskörper (weltsysteme) im 18. jh., welche die erde in kosmischer nachbarschaft mit vielen anderen gestirnen sehen lehrte, liesz die unika erde (s. teil 3, 751) und welt 'terra' nun gelegentlich als appellativa, im sinne von 'himmelskörper, gestirn', erscheinen:
die andern erden schliesz' ich weder aus noch ein.
es kann ja beydes möglich seyn.
sind die bewohner jener welten
auch etwa, durch uns gleiche thaten,
in gleichen stand mit uns gerahten,
so würde Christus tod auch ihnen gelten
Brockes ird. vergn. 1 (1744) 436;
ja sogar, dasz Gordanus Brunus dafür hält, es seyen der sternen unendlich viel und folglich auch unendlich viel welten Daniel Schneider allg. bibl. lex. 3 (1731) 316ᵃ;
einwohner in planeten setzen,
eh man aus sichern gründen schlieszt,
dasz wein in den planeten ist:
das heiszt zu früh bevölkern.
freund, bringe nur zuerst aufs reine,
dasz in den neuen welten weine
wie in der, die wir kennen, sind
Lessing 1, 75 L.-M. (planetenbewohner);
was die erde an ihrem hohen rang verloren, ward ihr gleichsam hier durch gesellschaft ersetzt, und für menschen, die sich gern mittheilen, war es ein angenehmer gedanke, früher oder später einen besuch auf den umliegenden welten abzustatten Göthe II 4, 119 W.; die fixsterne, wie wir wissen, beziehen sich alle auf einen gemeinschaftlichen plan und machen dadurch ein zusammengeordnetes ganze, welches eine welt von welten ist Kant w. 8 (1838) 259 H.; das weltall zerfällt in unendliche, immer von gröszern welten wieder befaszte welten Novalis schr. 4, 231 Minor; es giebt unendliche welten an zahl und ausdehnung Lange materialismus (1866) 7; es gibt leute, die haben grosze fernrohre auf hohen bergen stehen, wie baumstämme so lang, und schlafen wie die bäcker blosz am tage; bei nacht stehen sie vor den rohren und messen und rechnen und füllen bücher mit zahlen und photographieren den himmel und gehen mit welten um wie die kinder mit bällen L. Finckh Rapunzel (1910) 63; neben diesen untersuchungen ... verfolgt die sternkunde die aufgabe, die durch spektralanalyse und photometrie, also durch lichtzerlegung und lichtmessung ermittelten physikalischen zustände auf den fernen welten zu erklären ... ferner gilt es, diese verschiedenen zustände, in denen man die die welten aufbauende materie antrifft, zu einem einheitlichen bild über den entwicklungsgang der sterne zusammen zu fassen Weber in: sachwb. d. dt.-kde. (1930) 1156 s. v. sternkunde.
VIII.
in sich geschlossener bezirk verschiedener art, der in seiner eigenständigkeit und eigengesetzlichkeit gleichsam ein all im kleinen darstellt (vgl. weltall 2 c β).
1)
die kleine welt 'der mikrokosmos, der mensch'. die vorstellung des menschen als mikrokosmos, als welt ('makrokosmos') im kleinen, ist im Orient erwachsen und von Persien über Griechenland nach Europa getragen worden (s. A. Götze pers. weisheit i. griech. gewande, zeitschr. f. indologie und iranistik 2 [1923] 82 sowie die belege bei Kirchner-Michaelis wb. d. philos. grundbegr. [⁶1911] 543 und Eisler wb. d. philos. begr. [³1910] 798f. unter mikrokosmos). als wiedergabe von microcosmus ('anthropus') erscheint im dt. seit dem 14. jh. die kleine (mindere) welt:
die minner werlt, daz ist der mensch
Frauenlob leiche, sprüche 437, 8 Ettmüller;
die klain werlt ist der mensch, dar uͤmb daz er aller ding aigenhait an im hat die in der grozzen werlt sein Konrad v. Megenberg dt. sphaera 16, 10 Matthaei; microcosmus minderwelt als der mensch voc. theut. (Nürnberg 1482) bei Diefenbach gloss. 360; der mensch ist von himel vnd erd, von geyst vnd fleysch zusamen gesetzt, ja von feur vnd von wasser gar ein seltzam gemaͤcht, also dasz er drumb microcosmos, die kleiner welt wirt genant schöne weise klugreden (1548) 57ᵃ; dise proportion der dritten region des elements des luffts vergleicht sich in der kleinen welt, das ist im menschen, dem haupt Ryff distillirbuch (1567) 2ᵇ;
daher der mensch heiszt die klein welt,
weil er die grosz welt in sich hält
Fischart w. 1, 371 Hauffen;
Paulus ist ein freund der welt, aber nur der kleinen welt,
wann er sein geliebtes lieb fest umarmt beschlossen hält
Logau sinnged. 551 lit. ver.
(über die verwendung dieser umschreibung bei Logau und in der barockliteratur vgl. Paul Hempel die kunst Friedrichs v. Logau [1917] 209 f.);
der mensch, die kleine welt,
erweiset in gebaͤrden,
dasz er sich auf der erden
mit himmels-leben unter haͤlt
Chr. Weise polit. redner (1679) 362;
nur der mensch, die kleine welt,
will der groszen widerstreben
Gottsched ged. (1751) 1, 275;
... aus welchem teig von trug und heuchelei
und stolz die kleine welt, der mensch, geknetet sey
Thümmel s. w. 3 (1853) 80;
auch hier in dieser kleinen welt, wie man den menschen nicht ganz unrecht nennt, hat sie (die natur) ... jedem seinen gehörigen platz angewiesen (um 1780) Möser s. w. 4 (1842) 43; so noch gelegentlich in neuerem sprachgebrauch, jedoch meist in freierer, von der alten formel abweichender anwendung: die individuen als solche sind schlechthin getrennte und für sich bestehende einzelne welten (1810) Fichte s. w. (1845) 2, 606; ihre (anrede) kinder werden ihnen nun mehr werden als sie bisher waren, nicht blos als bleibende unterpfänder seiner liebe, auch als kleine welten, die in sich wachsen und ihnen bald lebensgefühl in fülle wieder einhauchen werden (4. 7. 1875) Rud. Hildebrand br. 228 Wocke; eine ... schaar ungewöhnlicher menschen, scharf ausgeprägte, eigensinnige naturen, jeder eine kleine welt für sich selber ... zu selbständig und gedankenreich, um kurzweg zu gehorchen Treitschke dt. gesch. 1 (1897) 270;
den menschen, den du hingesetzt zur lust,
ein zweck, ein selbst, im weltall eine welt —
gebaut hast du ihn als ein wunderwerk
Grillparzer s. w. 6, 137 Sauer;
vereinzelt wird auch umgekehrt der makrokosmos als groszer mensch bezeichnet: und wann du diesen groszen menschen, die welt ansiehst, was läst darinnen ungereiset? die sonne umgehet den erdenkreis alle tage; der monde und der gantze pöfel des gestirnes haben ihre wanderschaft Opitz schäferey v. d. nimfen Hercinie, bei Junker weltraumbild (1932) 31.
2)
auch sonst für ganzheiten verschiedener art, die als kleine welten aufgefaszt und bezeichnet werden (vgl. darüber Hildebrand ged. üb. gott [1910] 88: 'wie anderseits auch die welt als ganzes reihenweis abwärts vertreten ist durch die kleineren und immer kleineren ganzen, die denn auch die sprache vielfach als welt bezeichnet').
a)
kleine welt, welt im kleinen; zufrühest meist als charakterisierendes prädikativum; diese anwendung erwächst also offenbar aus einem urteilenden vergleich: gold ist microcosmus, eine kleine welt ... hat inn sich alle sternen desz himmels vnd alle kräuter der erden Mart. Rulandus lex. alch. (1612) 93; alse ist mens eine kleine in einen punct begriffene welt Leibniz dt. schr. 1, 282 G.; wir denken uns also das abgeschlossene thier als eine kleine welt Göthe II 8, 17 W.; die sprache, sagte Heinrich, ist wirklich eine kleine welt in zeichen und tönen Novalis schr. (⁴1826) 1, 113 Tieck-Schlegel; bald auch als direkte metaphorische bezeichnung nachweisbar: diese bewundernswürdige welt im kleinen, von unendlich mannichfaltiger schönheit; unendliche arten gewächse, millionen verschiedne bewohner (der kleinen welt im gras) Gessner schr. 1 (1777) 108; der mond schien so hell in die kleine wimmelnde welt (die mäusestadt), dasz es eine lust war hinein zu schauen Brentano ges. schr. (1852) 5, 173; die idee der mittelalterigen [!] zunft läszt sich nicht trennen von der idee der mittelalterigen stadtgemeinde ... die stadt beschlosz eine kleine welt W. H. Riehl deutsche arbeit (1861) 41; er gehört zur familie, und wenn er geht, wird die ganze kleine welt auseinanderfallen Wiechert wälder u. menschen (1936) 165.
b)
mit bestimmungsergänzungen anderer art; auch hier vorwiegend prädikativ gebraucht:
beschränkt von diesem bücherhauf,
den würme nagen, staub bedeckt,
den, bis an's hohe gewölb' hinauf,
ein angeraucht papier umsteckt;
mit gläsern, büchern rings umstellt,
mit instrumenten vollgepfropft,
urväter hausrath drein gestopft —
das ist deine welt! das heiszt eine welt!
Göthe I 14, 29 W.;
eine welt ist jeder von euch (eichbäume), wie die sterne des himmels
lebt ihr, jeder ein gott, in freiem bunde zusammen
Hölderlin s. w. 2, 22 Hell.;
jede monade ist eine welt für sich Lange materialismus (1866) 218; ein bauernhof, das ist eine welt Burte Wiltfeber (1912) 83; wie alle gruppen des Rodinschen werkes war auch diese in sich selbst verschlossen, eine eigene welt, ein ganzes Rilke ges. w. (1927) 4, 362; jedoch gelegentlich auch sonst nachweisbar: vnnd ist also in dem wasser zuerkennen ein sondere welt Paracelsus opera (1616) 2, 11; kenne ich doch die welt von leben nicht, die ich meinen körper nenne Herder 15, 290 S.;
jetzo, als wollt es mit macht durchreissen die kette des tanzes,
schwingt sich ein holdes paar dort in den dichtesten reihn.
schnell vor ihm her entsteht ihm die bahn, die hinter ihm schwindet,
wie durch magische hand öfnet (!) und schlieszt sich der weg.
sieh! jetzt schwand es dem blick, in wildem gewirr durch einander
stürzt der zierliche bau dieser beweglichen welt
Schiller 11, 41 G. (der tanz);
dem sonst gefügigen enkel aber war nur das eine bewuszt, dasz dieser sonntag die dult beendete; nach mitternacht würde die ganze schillernde, schrill-jubilierende welt in die winde zerfliegen Carossa arzt Gion (1932) 102; wenn er (der gepflegte park) ein wenig sich selbst überlassen ... wäre, ... wäre der wildnis und dem gedanken des todes der zutritt in diese vornehm schöne welt gestattet H. Hesse späte prosa (1951) 56; man sieht von hier aus ... das ganze, sämtliche Alpen ... eine starre, klare, kalte, fremde, ja bittere und drohende welt aus fels und eis ebda. 66.
IX.
die ganzheit eines geistigen (oder halbkonkreten) bereiches.
A.
subjektimmanent.
1)
die gesamtheit der bewusztseinsinhalte; in dieser anwendung erscheint welt meist mit bestimmungsergänzungen verschiedener art verbunden, in neuerer zeit auch mit verdeutlichendem ersten kompositionsglied; begriffs-, gefühls-, ideen- und vorstellungswelt; in jede der von den bestimmungsgliedern angedeuteten beziehungsrichtungen kann die besondere meinung des sprechers zielen. diese 'verinnerlichte' anwendung des wortes welt, die beziehung auf seelisches, geschieht offenbar zuerst im sprachgebrauch der mystik: weles ist nu die welt in uns? das ist die wise, die wúrkunge, die inbildunge der welte Tauler pred. 72 Vetter; sie ist jedoch erst seit dem 18. jh. allgemein üblich: unsers erachtens kömmt auf den horizont der kinder, auf die kleine welt ihrer begriffe ... alles an Gerstenberg recensionen 275 lit. denkm.; sie (die muttersprache) druckte sich uns zuerst und in den zartesten jahren ein, da wir mittelst worte in unsre seele die welt von begriffen und bildern sammleten, die dem dichter eine schazzkammer wird Herder 1, 400 S.; der epische dichter reicht mit der welt, die er in sich hat, nicht aus, er musz in keinem gemeinen grad mit der welt auszer ihm bekannt und bewandert seyn (28. 11. 1791) Schiller br. 3, 169 Jonas; Albano's brust war mit einer neuen welt gefüllt Jean Paul s. w. 21 (1827) 41 Reimer; da weckte jeder hauch die innre welt der erinnerungen auf G. H. v. Schubert morgenland 1 (1838) 313; wir haben bekanntlich nur unsere empfindungen, aus diesen bilden wir unsere vorstellungen, deren gesamtheit wir die welt nennen Paul Ernst tageb. e. dichters (1934) 13.
2)
anwendungen besonderer art.
a)
gelegentlich bezieht sich welt insonderheit auf das individuell erworbene, persönliche weltbild; es tritt dann in der regel (als akkusativobjekt) neben einer dativischen bestimmungsergänzung auf oder in verbindung mit einem possessiven beiwort: ein jeder macht sich ... eine welt nach seiner idee Fr. C. v. Moser beherzigungen (1761) 19; was dir (dem menschen) die natur gab, hat sie mir (dem raubvogel) versaget. von deinem tastenden gefühl, von deiner über und über empfindlichen oberfläche, von deinem munde, deinem gaum weisz ich nichts ...; blick und geruch schaffen mir eine welt; für sie bin ich gebildet Herder 22, 81 S.; ich ahnte auch jetzt noch nicht, wie schlechthin entscheidend für mich der geistige einflusz ... der persönlichkeit werden sollte ..., die hier ... zum ersten mal in meine werdende welt trat E. Mühsam namen u. menschen (1949) 37; oder auch auf die gesamtheit eines phantasiemäszig erwachsenen, der wirklichkeit nicht oder nicht ganz adäquaten vorstellungskreises (vgl. die komposita phantasiewelt, traumwelt): so haben vorzügliche geister öfters die eigenheit, eine art scheu vor dem wirklichen leben zu empfinden, sich in sich selbst zurückzuziehen, in sich selbst eine eigene welt zu erschaffen Göthe I 46, 20 W.; seine innere welt steht weit abgerissen neben der äuszern, er kann von keiner in die andre, die äuszere ist nur der trabant und nebenplanet der innern Jean Paul w. 1, 219 Hempel; weil sie stets allein gewesen war, hatte sie auch allein ihre welt gebaut Stifter s. w. 3 (1911) 234; meine mit dem zeitlichen leben so wenig zusammenhängende welt war in der junggesellenstube allen winden preisgegeben (8. 1. 1902) Rilke br. 1899 -1902 (1931) 141.
b)
neben der anwendung für die gesamtheit der bewusztseinsinhalte erscheint in neuerem sprachgebrauch gelegentlich die beziehung auf den seelischen bereich als solchen, jedoch fast ausschlieszlich in der verbindung innere welt:
wann deine (der schönen) wimper neidisch fällt,
dann musz in deiner innern welt
ein lichter traum beginnen:
dein auge strahlt nach innen
Uhland ged. ²130;
naturen ..., welche sich stets als zwei wesen fühlen und in ihrer kleinen inneren welt den streit himmlischer und irdischer kräfte führen Justi Winckelmann 1 (1866) 58; jetzt muszte er (Hans Unwirrsch) sich mit der unordnung und verwirrung, die in der welt seines innern herrschten, beschäftigen W. Raabe hungerpastor (1864) 3, 23; hinzu treten ferner einzelanwendungen im sinne von 'seelisches erkenntnis- u. darstellungsvermögen': sieh, lieber, was doch alles schreibens anfang und ende ist, die reproducktion der welt um mich durch die innre welt, die alles packt, verbindet, neuschafft, knetet und in eigner form, manier wieder hinstellt (21. 8. 1774) Göthe IV 2, 187 W.; oder 'seele' schlechthin:
diesz bild, die blosze mordthat des gehirns,
regt meine innre welt so heftig auf
Schiller 13, 20 G.
(my thought, whose murder yet is but fantastical,
shakes so my single state of man
Shakespeare Macbeth 1, 3).
B.
objektiv.
1)
wie lat. mundus wird welt auch auf die überirdische, dem diesseits gegenüberstehende sphäre des jenseits bezogen; vor allem in fügungen wie jene (andere, bessere, ewige, höhere, künftige etc.) welt: in andirro uuerlte skînet iro hêiligheît Notker 2, 393, 7 Piper (vgl. auch ebda. 1, 840, 19: intellectualis mundi presules deos ... dîe flihtkota dero unanasihtigûn uuerlte);
Marie aber den besten tail
mit irem leben hat erwelt
bedú ze dirre und enre welt
d. sœlden hort 8252 Adrian;
wie nu ein federlin gegen einem pfund nichts ist, also ist auch dieser zeit leiden gegen der herrligkeit jener welt nichts Jac. Gretter erkl. d. ep. Pauli a. d. Römer (1566) 487;
o hofnung, hofnung, dem himmel nah,
vorschmack der künftigen welt!
hier schon hebest du meine seele
über ihrer jetzigen endlichkeit schranken!
Klopstock oden 1, 141 Muncker-Pawel;
man besinnt sich nun genauer auf den unbekannten, ... bis es ... klar wird, dasz es ein bewohner der höhern welt gewesen sei Novalis schr. 4, 100 Minor; die ewige welt, in deren widerschein wir jetzt und hier stehen Karl Barth Römerbr. (1926) 77; es ist insonderheit die daseinssphäre der toten, der seelen nach dem tode des dem zeitlichen verhafteten körpers: er ... gehört inn die ander welt, der tod sicht jm schon zu den augen heraus Fischart w. 3, 311 Hauffen; denn wie ihre reine seele ... in einer ander- viel herrlichern welt ietzt ihre wohnung hat; also verdienet auch ihr heiliger leib, dasz er in der heiligsten erde Deutschlands sein begraͤbnuͤs erlange Lohenstein Arminius (1689) 1, 16ᵇ; handlungen, deren sich selbst belohnendes bewusztseyn mir in eine bessere welt, den unvergänlichen (!) wohnplaz der tugendhaften seelen, folgen wird Wieland Agathon (1766) 1, 369;
es fliegt die frey gewordne seele
frohlockend bessern welten zu
(hier und gelegentlich auch sonst in dichterischer steigerung pluralisch auftretend)
Cronegk schr. 1 (1761) 336.
hieran schlieszen mehr oder weniger formelhafte verbalwendungen wie in die andere (jene) welt fahren, kommen, reisen u. ä. für 'sterben': dis gedenkent als ir koment an en welt Tauler pred. 288, 16 Vetter; ich frölich zuͦ der andern welt faren (werde) Arigo decamerone 119 lit. ver.; das er bald darauf seinen spieszgesellen in die andere welt ohne erben nachgesegelt Brandis ehrenkräntzel (1678) 1, 87; jn die andere welt reisen das ist sterben Rädlein dt.-it.-frz. (1711) 1045; an seiner statt ward Caͤlestin erwaͤhlet, der aber in einigen monaten dem Gregorius in die andere welt folgte M. I. Schmidt gesch. d. Deutschen (1778) 3, 44; in der anderen (jener) welt sein 'tot sein': darvmb man spricht ... das mere dann hundert tausent menschen inerhalb der mauern der stat Florencz von dem lebenn zuͦ dem tode genomen warn ... die des ... abencz mitt iren guͦten freunden ze tische sassen, darnach an dem andern morgenn in der andern welt mit iren vodern waren Arigo decamerone 8 lit. ver.; der vater musz voran! er musz schon in jener welt seyn, wenn der geist seiner tochter unter tausend seufzern ihm nachzieht. drum stirb, verräther! Lessing 2, 296 L.-M.; in die andere welt (be-)fördern, schicken, versetzen u. dgl. für 'töten': die ... flucht ..., woran sie zwar noch zwey ... waͤchter hindern wolten, aber zur straffe in die andere welt verwiesen wurden Lohenstein Arminius 2 (1690) 1522ᵇ; ich wuͤrde ihn ganz gewiss durch einen stoss mit meinem degen in die andere welt versetzt haben neue sammlung v. schauspielen (1764) 3 Pamela 14; selbst in dem dickköpfigen Deutschland befördert die gerechtigkeit ... keinen in die andere welt, dem sie nicht eine henkersmahlzeit mit auf den weg giebt Thümmel reise 5 (1794) 21; auch brachte er (der französische fechtmeister) dem Deutschen wohl einige stösze bei, die ihn aber selbst, wenn es ernst gewesen wäre, in die andre welt geschickt hätten Göthe I 26, 232 W.; gelegentlich werden die irdische und überirdische sphäre, diesseits und jenseits, als die zwei (beiden) welten bezeichnet: es sind zwo welt Mathesius leychpred. 1 (1569) 42ᵃ; so wird aus der blume von Eden, aus der himmlischen creatur ein gemeiner, ein ganz gewöhnlicher mensch, der sogenannte bürger zweier welten, ein sehr zweideutiges geschöpf Goltz buch d. kindheit (1847) 6; Goethe ... wuszte von Herder, von dem er den ausdruck annahm, dasz wir zwischen zweien welten wandeln und unsern pfad durchs dickicht zu suchen haben (1887) Hildebrand ged. üb. gott (1910) 26; hieran schlieszt als einzelanwendung besonderer art:
ich trotze der verdammnisz ...
ich schlage beyde welten (das zeitliche u. ewige leben, das diesseits u. jenseits) in die schanze,
mag kommen, was da kommt!
(I dare damnation. to this point I stand,
that both the worlds I give to negligence,
let come what comes)
Shakespeare 3 (1798) 302.
2)
in neuerer zeit, wohl zunächst im sprachgebrauch der philosophischen und popularphilosophischen schriftsteller des 18. jhs., wird welt auch für andere transzendente sphären und auszerhalb sinnesmäsziger erfahrung liegende bereiche verschiedener art üblich: kräfte, die in der geistigen welt das sind, was in der körperlichen welt anziehung und zurückstoszung seyn möchten Herder 15, 305 S.; sein (des einzelnen) charakter so wie der charakter seines wirkens geht aus der wechselwirkung mit der ganzen welt der freiheit hervor Fichte s. w. (1845) 2, 144; durch geschichte, philosophie und die classischen studien erwerben wir uns kenntnisz der intellectuellen welt, der gesetze des forschens und denkens, der geistigen natur des menschen Liebig chem. br. (1844) 5; damals berührte Luther sich zuerst mit der humanistischen theologie, aber er empfand mit groszer sicherheit die andere welt K. Brandi reformation (1927) 70.
3)
für (beiwörtlich oder durch sonstige bestimmungsergänzungen näher charakterisierte) bereiche halbkonkreter art: in ansehung der abzubildenden sachen und begebenheiten überhaupt hat die numismatische welt der alten vor der unsern grosze vorzüge Herder 3, 402 S.; man kann die franzoͤsische revoluzion als ... eine ... überschwemmung in der politischen welt (betrachten) Fr. Schlegel in: Athenäum (1798) 1, 2, 133; ein diner ohne Chartreuse sei die höchste unvollkommenheit in der kulinarischen welt M. v. Ebner-Eschenbach ges. schr. (1893) 4, 236; in dichterischer freiheit auch: es (Blüchers gesicht) hatte zwei verschiedene welten, die selbst bei scherz und spasz ... ihre farben nicht wechselten: auf stirn, nase und in den augen konnten götter wohnen; um kinn und mund trieben die gewöhnlichen sterblichen ihr wesen Arndt ausgew. w. 1, 110 Rösch.
4)
besondere anwendungen der neueren zeit.
a)
'der erkenntnis erschlossener geistiger bereich, wissenskreis' u. dgl.; so nur vereinzelt nachweisbar: mich dünkt, wir gehen einer neuen welt von kenntnissen entgegen, wenn sich die beobachtungen, die Boile, Börhave ... u. a. über hitze und kälte, elektricität und luftarten, samt andern chemischen wesen und ihren einflüssen ins erd- und pflanzenreich, in thiere und menschen gemacht haben, zu einem natursystem sammlen werden Herder 13, 31 S.; sucht dann die jugend den zugang zur geistigen welt durch andere organe Spranger psychologie d. jugendalters (1925) 278; eines tages kam ein neuer lehrmeister von St. Gallen herüber, bracht' eine neue welt qu. a. d. j. 1933; als titel einer dreibändigen buchreihe (1. bd. geogr. völkerkde., 2. bd. Brehms tierleben, 3. bd. unsere pflanzenwelt) findet sich: die welt des wissens; menschen — tiere — pflanzen (Berlin 1952).
b)
durch eine einzelwissenschaft gewonnenes weltbild (im gegensatz zu dem 'durch individuelle erfahrung erworbenen persönlichen weltbild', s. o. unter A 2 a): die welt der physikalischen wissenschaft, oder das physikalische weltbild; diese welt ist ... eine bewuszte, einem bestimmten zweck dienende schöpfung des menschlichen geistes Max Planck das weltbild der neuen physik (¹¹1952) 10.
c)
gedankliches (welt-)system: gedanken groszer genien, deren einer oft eine neue welt von ansichten giebt Herder 23, 4 S.; sie (Göthe) haben ein königreich zu regieren, ich nur eine etwas zahlreiche familie von begriffen, die ich herzlich gern zu einer kleinen welt erweitern möchte (31. 8. 1794) Schiller br. 3, 481 Jonas; und so ist, ehe man es sich versieht, eine welt fertig (im hirn des philosophen) Joh. Gottfr. Bremser medizin. parömien (1806) 119.
d)
das zeichensystem der sprache (vgl. auch Novalis unter VIII 2 a): dass die sprache nicht bloss ein austauschungsmittel zu gegenseitigem verständniss, sondern eine wahre welt ist, welche der geist zwischen sich und die gegenstände durch die innere arbeit seiner kraft setzen muss (1830—35) W. v. Humboldt ges. schr. 7, 1, 176 akad.; diese (die worte) bilden bei allen verschiedenheiten doch eine gemeinsame welt, eben die des zeichens, deren erforschung als eines ganzen noch darniederliegt Jost Trier d. dt. wortschatz i. sinnbez. d. verstandes (1931) 5.
e)
die scheinwelt der kunst (vgl. kunstwelt teil 5, 2735 [2]); als schöpfung des künstlers: er (Homer) schafft eine welt Ramler einleitg. 2 (1756) 153; es ist dem menschen eingeboren, dasz er neben die wirkliche welt eine zweite, unwirkliche zu setzen trachtet, sein eigenes werk: ein bloszer schein, ein symbol nur, dem menschen ganz nutzlos und doch von höchstem wert Dehio gesch. d. dt. kunst 1 (1919) 3; baumeister der welt. Balzac, Dickens, Dostojewski, Hölderlin, Kleist, Nietzsche, Casanova, Stendhal, Tolstoij St. Zweig (1951) titel; aber auch als eigenständiges, von besonderen ordnungsprinzipien bestimmtes gebilde, als ein bereich eigener gesetzlichkeit: der mythos erscheint nunmehr gleich ... der kunst als eine selbständige, in sich geschlossene 'welt', die ... in ihrer immanenten strukturgesetzlichkeit begriffen werden soll E. Cassirer philos. d. symbol. formen 2 (1925) 6 f.; diese welt (der kunst), in der kein grauer alltag ist, in der immer die gefühle voll und lebendig strömen W. v. Scholz erz. (1924) 34; ein bereich, zu dem freilich der kunstgenieszende zugang hat (vgl. welt 'sphäre geistigen lebens' [IV B 3]): so bald man hingegen den Virgil aufschlaͤgt, merckt man, dasz man in eine erleuchtete welt koͤmmt Ramler einleitg. 2 (1756) 187;
und innerhalb der räume seht ihr walten
der zeit, dem ort gewidmete gestalten,
tagtäglich führt man euch zu andrer welt
Göthe I 13, 119 W.;
es begreift sich von selbst, dasz die in die welt der poesie, der sage und geschichte immer tiefer und breiter eingeführte gesellschaft ... sich an den stereotypen tafelrundromanen allmählich sättigen ... muszte Gervinus dt. dichtg. ⁵2, 52; mit dem ersten finale finden wir uns jetzt zu unserem gröszten erstaunen in einer ganz neuen welt O. Jahn Mozart (1856) 4, 604; und der sich dem betrachtenden erschlieszt: diese wenigen blicke, die ich in Shakespears welt gethan, reizen mich mehr als irgend etwas andres, in der wirklichen welt schnellere fortschritte vorwärts zu thun Göthe I 21, 310 W., ähnlich ebda. 21, 290; um in dunkler einsamkeit die wunderbare welt eines ritterstückes ... an mir vorüberziehen zu sehen Laube ges. schr. (1875) 1, 26; wer den betreffenden erlebniskreis nicht andeutungsweise in sich trägt, dem bleibt die geistige welt stumm. für ihn sind weder denkmäler noch worte noch kunstwerke verständlich, sondern er fühlt sich einem gesetzlosen chaos gegenüber Spranger begabung u. studium (1917) 23.
X.
die gesamtheit der sinnlich und geistig erfaszbaren erscheinungen und sachverhalte, der physischen und geistigen wirklichkeit. erst in neuerer zeit tritt welt mit diesem erweiterten begriffsumfang auf, allerdings im wesentlichen auf philosophischen sprachgebrauch beschränkt: welt begreift die physische und psychische natur in sich Hegel philos. d. weltgesch. 1 (1944) 27 Lasson; dazu kommt, dasz das ganze der erlebniswirklichkeit, die 'welt', an umfang das menschenleben ... unendlich übertrifft Cohn voraussetzungen und ziele des erkennens (1908) 504; welt ... erkenntnistheoretisch der inbegriff der vom subjekt bestimmten, aber objektiv bestehenden erscheinungen (die sog. auszenwelt) und der bereich unmittelbarer erlebnisse (innenwelt) d. gr. Brockhaus 20 (1935) 159; häufig im bereich der sprachphilosophie: jede sprache ... in jedem ihrer zustände bildet das ganze einer weltansicht, indem sie ausdruck für alle vorstellungen enthält, welche die nation sich von der welt macht (ca. 1825) W. v. Humboldt ges. schr. 5, 433 akad.; hier in der sprache ist niedergelegt, was sich beim versuch, die welt zu bemeistern, als wichtig und brauchbar erwiesen hat ... was sich bei der auseinandersetzung vieler geschlechter mit der welt der natur und des geistes ergeben hat, das liegt hier vor ... als lebendiger sprachbesitz, aus dem heraus eine ganze sprachgemeinschaft denkt, erlebt, handelt, weiterarbeitet Weisgerber mutterspr. u. geistesbildung (1929) 99; von der in den wortfeldern sich offenbarenden sprachlich-begrifflichen aufteilung der welt Jost Trier d. dt. wortschatz i. sinnbez. d. verstandes (1931) 3 anm.; wort und welt — welt in allen physischen und geistigen wirklichkeiten genommen — leben in innigster verflechtung Th. Frings antike u. Christentum a. d. wiege d. dt. spr. (1949) 33; gelegentlich jedoch auch sonst nachweisbar: diejenigen kritischen köpfe, welche ... die ganze welt gern in prosa auflösen (nüchtern sehen und erklären) möchten Wackenroder herzenserg. (1797) 40; die welt selbst aber, das seiende um uns her und in uns innen, ist nie einseitig (1922) H. Hesse Siddharta (1950) 161; (mit den neuerfundenen schriftzeichen) konnte man die ganze welt schreiben, das, was raum einnahm, und was keinen raum einnahm, das gemachte und das gedachte — reinweg alles Th. Mann ausgew. erz. (1948) 306.
XI.
allumfassende menge, fülle; hohes (kosmisches) masz. die mit welt verknüpfte vorstellung der totalität und universalität läszt eswie englisch world, s. Murray 10, 2, 303 (19) — früh zur quantitätsbezeichnung werden (vgl. weltall 2 d).
A.
bezeichnung der menge oder fülle.
1)
'menschenmenge'; dieser an III A 1 anschlieszende gebrauch reicht vom ahd. bis ins ältere nhd. (s. auch bremischnieders. wb., nachtrag 2, 407):
fuar ingegin imo thar
uuorolt mihil, so gizam,   uuib inti gomman
Otfrid III 6, 10 Kelle;
diu werlt, diu dar zesamme kom,
der gelîch wær unvernom
an zal und an geschiht
Ottokar österr. reimchron. 9624 Seemüller;
man truog in (den toten) mit gesange
im volgte ein werlt mit gange,
als sîner heilekheite zam
Alexius 75 Maszmann (v. 462);
do kamen vill pfaffen und schuͦler dar und sunst ein grosse welt Th. Platter 40 Boos; als er (der kaiser) auff offnem platz zuͦ Wurmbs die lehen auszlihe, sagen ettlich, sey ein solche welt alda gewesen, das mancher burger, so gelegne hausung zuͦ disem schauspil gehabt hab, sein reych sey worden Seb. Franck chron. zeytbuch (1531) 226ᵃ; in der einen hand hatte der (betrunkene) hertzog ein par wurffel vnnd in der andern handt etliche stucke goldes; da kompt sollich ein welt zugelauffen, sonderlich der fremden nationen (1595) Sastrow leben 2 (1824) 38 Mohnike; es kam eine grosse welt dahin vom gantzen Elsas Schottel haubtspr. (1663) 725; es ist ein grosse welt ingens est hominum frequentia, multitudo Dentzler clavis (1716) 2, 348ᵃ. gelegentlich auch 'menge kriegsvolks':
Alexander steich ûf das obrist gewer
unt gebôt den sturm uber al daz here
unde liez dô mit der werlte
den êristen sturm werden.
mit hameren man die burchmûre zebrach.
a waz dâ werlte tôt belach!
Lamprecht Vorauer Alexander 110 Kinzel (v. 889);
der herzog ... leit sich fúr Murten ... mit einer soͤlichen groszen welt, das man si schatzt fúr hundert mallen tusint man chron. d. st. Zürich 205, 15 Dierauer; do also grosse welt vor Zwürich lag Justinger Berner chron. 118 Studer; hierzu stellen sich in neuerem sprachgebrauch poetische einzelanwendungen:
so steh' ich kämpfend gegen eine welt (von feinden),
ein wehrlos weib!
Schiller 12, 540 G.;
so herrschte der gleiche enthusiasmus in Alexanders generalen, in dem ritterlichen adel, der ihn umgab, in dem gesammten heere, das ihm folgte; den heldenjüngling an ihrer spitze, forderten sie stolz eine welt zum kampfe heraus Droysen Alexander d. gr. (1833) 91.
2)
als quantitätsbezeichnung schlechthin erscheint welt — wie englísch world — verbunden mit bestimmungsergänzungen verschiedener art; genitivisch: als er (Maximilian) daselbst (in Nürnberg) ein mal war eingeritten und eine grosse welt volcks zu gelauffen, des keisers einzog zu sehen ... Luther 28, 526 W.; es ist in der stadt Vercelli niemals ein solche werlet volckes beisammen gewesen, als heutiges tages sich findet M. Wisaeus dialogi (1625) 1;
(der) erbstuhl
mächtiger herrscher in gold gekleidet,
um ihn gebeugt der dienenden völker welt
Denis lieder Sineds (1772) 115;
als (in einer aufführung des 'Othello' Desdemona vor ihrer ermordung) ... wie ein sturmwind die ganze welt der leidenschaften umbrauste, liebe, hasz, zorn, schrecken, spott, trotz, verachtung und dann wieder zur liebe kam und noch einmal alles umkreiste Börne ges. schr. 10 (1832) 7; eine welt widerstreitender empfindungen drang auf ihn ein Fontane ges. w. (1905) I 4, 358; neulich schrieben mir bekannte aus Volterra, wo es ... eine ganze welt früher kunst zu geben scheint (16. 9. 1907) Rilke br. 1906 —07 (1930) 328; durch von verknüpft: ene grote werlt van densschen luden (18. 9. 1466) urk.-b. d. st. Lübeck 11, 163 (nr. 156);
von menschen war ein grosse welt
versamlet auff gemeldtem plon
H. Sachs 1, 425 lit. ver.;
der mensch hat keine so einförmige und enge sphäre, wo nur eine arbeit auf ihn warte: eine welt von geschäften und bestimmungen liegt um ihn Herder 5, 24 S.; Lichtenbergs reichthum wird bewundert, ihm stand eine ganze welt von wissen und verhältnissen zu gebote Göthe I 41, 1, 248 W.; eine welt von koffern und reisetaschen lag hier bunt durcheinander Fontane ges. w. (1905) I 4, 356; eine welt von neuigkeiten mitbringen ebda. I 5, 167; eine ganze welt von weisheit ebda. I 4, 133; unter den glänzenden augen von vater und mutter liesz der Hans auf dem papier eine ganze welt von kühen und bäumen und vögeln entstehen A. Fendrich Emil Himmelheber (1915) 73; oder durch voll angeschlossen: ein ander consilium ..., in welchem ein schier unzelliges, ja ein halbewelt vol volcks gewesen M. Quadt v. Kinckelbach teutscher nation herrlichkeit (1609) 60; die zunge ist auch ... eine welt voll ungerechtigkeit G. L. Hartmann fluchspiegel (1672) 1;
was wird dann gegen eine welt voll feinde
die arme bebende Johanna Gray
euch helfen können?
Wieland ges. schr. I 3, 161 akad.;
sie sagte: 'es ist das glück!' 'o, eine welt voll!' Storm s. w. 1, 363 Köster; gelegentlich, zum ausdruck besonderer steigerung, auch pluralisch welten von (voll): welten von sclaven hat ein könig; welten voll narren aber giebts auf dem Pindus Schönaich ästh. i. e. nusz (1754) 377;
Magogs erster sohn nahm der erste das rauchfasz; ihm folgten
welten von sclaven ...
Bodmer Noah (1752) 2, 307;
sie ... lügen ihnen welten voll treue und tapferkeit vor Klinger theater (1786) 2, 23. mundartlich vereinzelt in appositiven verbindungen wie: än wiᵃrlt (grosse menge) holts, flêš ... Kisch Nösner wörter 173; s. auch Richey id. Hamburg. (1755) 337.
3)
in neuerem sprachgebrauch für eine universale fülle verschiedener art; ansatzweise bereits bei Heinrich v. Neustadt gottes zukunft 7149 Singer: der alle die werlt hat getan 'alles mögliche, eine fülle von sünden'; jedoch erst in neuerem sprachgebrauch häufiger: er (Lothario) führt, wo er auch sei, eine welt mit sich, seine gegenwart belebt und feuert an Göthe I 23, 218 W.; wir haben uns ja eine welt zu erzählen Spielhagen problem. naturen (1861) 6, 252; oft in der form pluralischer steigerung:
mein busen war so voll und bang,
von hundert welten trächtig
Göthe I 2, 188 W.;
ich könnte hier noch welten erzählen, sei's über Hesekiels persönliches gebaren, sei's über leben und treiben auf der redaktion selbst Fontane ges. w. (1920) II 2, 304; auf dem heimwege redeten wir welten und kamen vom hundertsten ins tausendste ebda. II 2, 103; einen augenaufschlag lang hingen ihre blicke ineinander, blicke, in denen welten auftauchen, blühen und versinken Burte Wiltfeber (1912) 137.
4)
als besondere anwendung der neueren zeit für 'ein und alles, idealer lebensinhalt': können sie (anrede) eine hand ohne herz erzwingen? sie einem mädchen den mann entwenden, der die ganze welt dieses mädchens ist? sie einen mann von dem mädchen reissen, das die ganze welt dieses mannes ist? Schiller 3, 406 G.;
sie (die liebenden) kümmern sich um keine erdengüter,
sind sich die ganze weite welt
und spotten dein, du stolzer weltgebieter,
vor dem der erdkreis niederfällt
Hölty ged. (1870) 132 Halm;
ich weisz, dasz du ihm (Oldenburg) grollst, weil die frau, die du verlassen hast, in ihm schlieszlich ihre welt fand Spielhagen s. w. 2 (1872) 498; sein (Napoleons) ich war die welt, die dinge um ihn nur zahlen, mit denen er rechnete (1869-79) L. Richter lebenserinnerungen (1909) 23;
bewaffnet euch!
thut eure pflicht! diesz einzige sei jetzt
die welt für euch, ein wesenloses nichts
ist alles andre
Platen ges. w. (1839) 230;
dazu gehört aber die concentration aller kräfte. nur wenn das kunstwerk für den künstler eine welt war, wird es auch eine welt für den beschauer Grillparzer s. w. (1887) 9, 89; Nerva hat mit dieser erkenntnis seine welt und seine aufgabe verloren E. Colerus Tiberius auf Capri (1927) 136.
B.
masz- oder gradbezeichnung, in besonderen wendungen verschiedener art.
1)
wendungen, in denen welt ein ungeheures wertmasz (oder eine einheit eines ungeheuren wertmaszes) bezeichnet:
ob elleu diu werlt sîn eigen wære,
daz er si gerne gæbe
kl. dt. ged. d. 11. u. 12. jhs. 153 Waag (Vorauer sündenklage);
die guetin ritter und knechte ..., die do nicht alle werleth nemen anders zu tun, denne das en zu eren und glimpfen gancz wol tawgk (1451) lehns- u. besitzurk. Schles. (1881) 1, 421; ich wolt nicht nemen hundert tausent welt Luther 28, 248 W.; ich geb ein welt vmb die legenden der patriarchen, qui fuerunt ante diluvium ders., tischr. 1, 417 W.; es nem offt einer nicht die welt, dasz man jhm in sein gewissen solt sehen Lehman floril. polit. (1662) 1, 336; mein herz lernt gefühle kennen, die es nicht für welten vertauschte Meissner Alcibiades (1781) 1, 214; ich wollte die ganze welt nicht nehmen non meream maximos thesauros Serz teut. id. (1797) 175ᵃ; (er) hätte (ihm) für diese worte in diesem moment eine welt geschenkt Moltke ges. schr. (1892) 1, 98; an ihm vorbei, als wäre eine welt versäumt, drang in ziemlich herrischer weise eine frau ... in das studierzimmer ein Fontane ges. w. (1905) I 104; des ist diᵉ welt noᶜʰ lang net das ist keine grosze gabe Fischer schwäb. 6, 1, 670. häufig in der festen wendung (nicht) um die welt u. ä. (vgl. um alles in der welt unter V C 2 a β und b): das sye mich vmb die gantz welt nit triben zuͦ eim widderruͦff Eberlin v. Günzburg s. schr. 2, 106 ndr.; du must das fräulein nicht fahren lassen, nein das must du um alle welt nicht thun, Herrmann! Schiller 2, 61 G.; gleichwohl schlosz sie, dasz sie es für klug hielte ... dem antrag ... gehör zu geben ...; Kohlhaas ... anwortete: nicht um die welt, mütterchen, nicht um die welt! H. v. Kleist w. 3, 242 E. Schmidt; sie hätte ja um die welt nicht zugegeben ... Kahlenberg Eva Sehring (1901) 14; nich um die welt Rother schl. sprichw. 1ᵇ; em dᵉ wält net! Heinzerling-Reuter Siegerl. 316. als häufige redensart findet sich auch: das kann nicht die welt kosten, d. h. 'viel kosten, sehr teuer sein' (s. Heinzerling-Reuter Siegerl. 316; Müller-Fraureuth obersächs. 2, 654; Rother schl. sprichw. 1ᵃ und Meisinger Rappenau 229); hierzu stellt sich die herausfordernde wendung: was kostet die welt, in der welt das denkbar gröszte wertobjekt bezeichnet: wat kost de welt, ech will se zoolen! Viebig weiberdorf (1905) 122; jetzt (nach dem examen) war ich obenan — was kost't die welt? H. Hesse diesseits (1908) 53; was kostet die welt? her mit ihr! Friedr. Wolf zwei a. d. grenze (1948) 60.
2)
wendungen, in denen welt ein ungeheures (raum-)masz bezeichnet: sie (Paris) ist keine stadt, sondern vielmehr wegen ihrer grösse und inwohner mänge eine kleine welt zu nennen Birken Brandenb. Ulysses (1669) 95; übrigens ist Rom eine welt und es gehört ein mehrjähriger aufenthalt dazu, um sagen zu können: ich kenne sie nur einiger massen (19. 2. 1887) Göthe IV 8, 194 W.; so vor allem in bildlicher übertreibender darstellung: ein wort gottes ist groͤsser denn drey welt Petri d. Teutschen weiszh. (1605) C 1ᵇ; der sohn — ey nun, der wird die welt nicht wegtragen! (nicht groszes leisten) Kretschman s. w. 3, 1 (1786) 182; ich wā heute de welt nimme eireisza Rother schl. sprichw. 1ᵇ (s. auch ebda. 324ᵃ); eine welt lang: in der verzweiflung liesz ich mir jenen spenzer mit den eine welt langen pierrots-ärmeln machen E. T. A. Hoffmann s. w. 5, 77 Gr.; wie die zustände der deutschen gesammtheit immerdar um eine welt zurückblieben hinter der politischen durchbildung der einzelstaaten, so geschah es auch mit den politischen ideen der zeit Treitschke hist. aufs. (1886) 1, 148; eine welt liegt (welten liegen) dazwischen: immer musst' ein dritter uns stören, trennen, und die welt lag zwischen ihr und mir, wie eine unendliche leere Hölderlin s. w. 2, 173 Hell.; dass welten zwischen ihrer und unserer moral und sittlichen anschauung liegen qu. a. d. j. 1914-15; es ist nicht nur eine spanne zeit von anderthalb jahrhunderten, sondern eine ganze welt, die zwischen Bach und Wagner liegt Schweitzer Bach (1948) 404; sein (des amerikan. chirurgen Cushing) leben verläuft ... in denselben bahnen wie das leben Sauerbruchs, wenn auch welten die beiden trennen: bei Cushing hochentwickeltes spezialistentum, bei Sauerbruch der immer wieder hervorbrechende drang nach einer zusammenfassung und beherrschung der gesamten chirurgie nachruf auf F. Sauerbruch in: Sauerbruch leben (1950) 612.
XII.
als elliptischer ausruf. zufrühst in der akkusativischen form al die werlt (s. Haupt zs. f. dt. altert. 15, 263):
ich hân mîn lêhen, al die werlt (rufe ich zum zeugen), ich hân mîn lêhen
Walther v. d. Vogelweide 28, 31 Lachmann-Kraus;
und hâten über ir zwâre
eine sô jæmerlîche klage,
daz, al die werlt! ein zage
sie müeste hân gerochen
Heinrich v. d. Türlin crône 16289 lit. ver.;
in neuerem sprachgebrauch gelegentlich (potz) alle welt (s. auch Crecelius oberhess. 904):
alle welt!
...
ihr gebt mir falsches geld!
Pfeffel poet. vers. 2 (1816) 194;
potz, alle welt!
H. v. Kleist w. 1, 205 E. Schmidt;
potz, gotts welt (s. teil 4, 1, 5, 1076 s. v. gott I E 3 c und vgl. potz stern teil 10, 2, 2, 2475): botz welt, herr! Zimmer. chron. ²4, 151 Barack; ich wagte zum erstenmal, es zu versuchen, sie an meine brust zu druͤcken, ... aber, potz welt! da hiesz es: 'so! wer hat dich das gelehrt?' Bräker s. schr. (1789) 1, 75; gotts welt potztausend Danneil altmärk. 246; kotz welt! Crecelius oberhess. 904; boz wält! Seiler Basel 309; phoz welt! Hunziker Aargau 292; botz wälᵗ! botz wälᵗ wüḷḷeⁿ! bärndütsch 3, 610 (s. auch ebda. 3, 125 und vgl. elsäss. herrgottsäckerwelt, säckerwelt Martin-Lienhart 2, 825). vereinzelt:
o welt! die lache krieg' ich gar nicht wieder still
Droysen Aristophanes (1835) 3, 415;
so auch als klagender ausruf:
so schaͤtzt man unsern werth! o welt! o zeit! o sitten!
Schwabe tintenfässl (1745) 23.
den elliptischen charakter eines beschwörenden rufes erhalten mitunter auch die formelhaften wendungen um aller welt willen (vgl. um gottes willen): um aller welt willen! hominum fidem! Serz teut. id. (1797) 175; allein um aller welt willen, kann denn ein königlich groszbritannischer titularhofrath ... nicht einfältiges zeug schreiben? Lichtenberg verm. schr. 4 (1844) 82; um alle welt (s. unter XI B 1): aber um alle welt, was hast du nur gethan, dasz der mann so bös geworden? Brentano ges. schr. (1852) 5, 40; um alles in der welt (s. V C 2 a β): ey um alles in der welt, wie hat ... maler Müller w. (1811) 1, 256; auch: allens in de welt! Mensing schlesw.-holst. 5, 589; sowie in aller welt: bū we̜ldąn (wo willst du denn) in aləʳ walt he̜n? Hofmann niederhess. 261; in allr welt, wo wolln s denn heund no hin? Hügel Wien 188 (s. auch unter V C 2 c).
kompositionstypen (vgl. hierzu die überschau bei Murray 10, 2, 304 f. s. v. world V und in: ordbog over det danske sprog 26 [1952] 1210).
A.
als bestimmungswort. welt erscheint seit frühdt. zeit als bestimmungsglied zahlreicher komposita, wenn auch die masse der heute geläufigen zusammensetzungen (s. diese an alphabet. stelle) erst im nhd. (16.-19. jh.) aufkommtz. t. in anschlusz an ältere dt. bzw. lat. wendungen (vgl. weltauge, -flüchtig, -gericht, -karte, -kind, -lauf) oder auch als lehnbildung (vgl. weltbeschreibung, -bürger, -kreis). über art und ausbreitung dieser kompositionen sowie über die fülle von gelegenheitsbildungen, wie sie vor allem im sprachgebrauch der neueren dichtung und wissenschaft, politik und wirtschaft auftreten, soll die folgende übersicht der typen orientieren.
1)
als erstes glied eines substantivs.
a)
die kompositionsart. seit beginn der überlieferung herrscht der fugenlose typ der eigentlichen komposition: ahd. weralt-man, mhd. werlt-man, nhd. welt-mann, wobei in älterer sprache gelegentlich eine vereinfachung mehrfacher (durch zusammentreffen des konsonantischen aus- und anlauts der beiden kompositionsglieder entstandener) konsonanz eintritt: ahd. weral-man, weral-kirida Gröger ahd. kompos.-fuge (1910) 193 u. 194. auch uneigentliche (genitivische) komposition findet sich, bleibt aber auf wenige belege der älteren sprache beschränkt (s. Gröger a. a. o. 42): werldevinstre Williram 46, 12 (la. d. Stuttg. hs. M, 12. jh.), werldemer passional 515, 97 Köpke. allerdings begegnen, wie bei anderen zusammensetzungen mit femin. bestimmungswort, seit dem frühen nhd. gelegentlich formen mit fugen-s (s. Wilmanns dt. gramm. 2 [1899] 530 ff.; Henzen dt. wortbildg. [1947] 59):
welts-gedancken
Harsdörffer gesprächsp. (1641) 1 J 4ᵃ; sie werden vor allem in süd- und südwestdt. maa. üblich, insbesondere die komposition weltskerl Fischer schwäb. 6, 1, 673 (ebda. zahlreiche andere zuss.); Martin-Lienhart elsäss. 2, 825; Schmeller-Frommann bayer. 2, 911; wältskärli Seiler Basel 309; Hunziker Aargau 292; erscheinen in neuerer literatursprache jedoch nur, insoweit diese mundartliche einschläge zeigt: weltsding Mörike w. ²1, 403 Maync;
weltsnase
ebda. 228;
weltsteil
Stieler ged. 4, 22 Reclam;
weltstyrann
Eichrodt lyr. kehraus (1869) 2, 25;
weltskisten
E. Strausz d. nackte mann (1912) 207. umgangssprachlich weitverbreitet sind hingegen bildungen mit allerwelts- (s. teil 1, 229 u. vgl. Schütze holst. 4, 356; Richey id. Hamburg. 337; Leithäuser Barmen 170; wb. d. Elberfelder ma. 174; rhein. wb. 1, 123; Ziesemer pr. 1, 116; Crecelius oberhess. 904; Ruckert unterfränk. 193; Fischer schwäb. 1, 139; Martin-Lienhart elsäss. 2, 825). in der nhd. schriftsprache gefestigter ist ein dritter typ der uneigentlichen komposition, die zusammensetzung mit dem genitiv pl. (welten-). diese kommt im frühen nhd. auf, als welt in die mischdeklination übergetrelen war (s. sp. 1457) und die neuentdeckten erdteile und welten (s. welt VII 2 sowie unter V A 2 und VI A 1) anreiz zu zahlreichen pluralischen zusammensetzungen boten: weltenerfinder (für Columbus) A. Kuhlmann der weiszheit lehrhof (1672) 449;
weltenpyramide
Schwabe belust. (1741) 7, 531;
weltenheer
Brockes ird. vergn. 8 (1746) 258;
weltenmacher
Schönaich ästh. i. e. nusz (1754) 158;
weltengebäu
(1769) Herder 29, 323 S.; seit Herder mehren sich die bildungen; Campe 5 (1811) 670 f. verzeichnet (als erster lexikograph) bereits 22 zusammensetzungen mit welten-, von denen 16 als neubildungen und 18 als wörter der höhern dichterischen schreibart gekennzeichnet sind. dasz dieser kompositionstyp besonders in dichterischem sprachgebrauch produktiv wurde, dem er zu einer neuen gesteigerten ausdrucksform verhalf, bestätigt auch Jean Paul: 'wenn der dichter zuweilen die mehrzahl en zum paaren wähltz. b. lastenträger, thatendrang, saatengrün, weltenschöpfung — weil er die wort- und bilderkraft verdoppeln will, so sündigt er nicht im geringsten gegen unsere regel' (1817) w. 54, 20 Hempel. daraus wird verständlich, dasz die masse dieserim 19. jh. sich geradezu häufenden und auch in der modernen literatursprache noch neu auftretenden (vgl.weltenherbst H. Hesse glasperlenspiel [1943] 2, 280;
weltenlaune
R. Huch ged. [⁴1917] 60;
weltenordner
Th. Mann Lotte [1946] 171;
weltensucht
Binding ges. w. [1937] 2, 16) — komposita gelegenheitsbildung ist; nur wenige sind mehrfach bezeugt und über längere zeiträume hin nachweisbar, bes. weltenall (s. u. weltall),
weltenalter
(Bürger s. w. 76ᵃ Bohtz; Mauthner Buddha [1913] 142 u. ö.),
weltenbrand
(s. u. weltbrand),
weltengeist
(Herder 23, 248 S.; Alverdes innere reich 6 [1939] 1, 6),
weltenplan
(s. u. weltplan),
weltenraum
(s. u. weltraum),
weltenschöpfer
(s. u. weltschöpfer). zuweilen bestehen singular- und pluralkomposition nebeneinander, so weltall neben weltenall seit mitte des 18. jhs. (s. u. weltall u. vgl. bereits Campe a. a. o. 674 über das nebeneinander von weltplan und weltenplan bei Schiller). dabei kann bedeutungsmäszige scheidung vorliegen oder angestrebt werden: weltenlauf 'der lauf der welten, der himmels- oder weltkoͤrper'; für weltlauf 'der gewoͤhnliche lauf der dinge in der welt und der weltbrauch unter den menschen' waͤre es ungut Campe a. a. o. 671 (die pluralkomp. wird also für einen singularbegriff abgelehnt, ähnlich äuszert sich A. v. Droste-Hülshoff, s. u. weltsinn); weiterhin eine bedeutungsüberschneidung bestehen, d. h. die pluralkomposition deckt sich mit einer bedeutung des singularkompositums: weltenkönig 'der könig der welten, gott' Campe a. a. o. 671 (ebda. ein beleg von Gries); weltkönig 'ein beherrscher ... der welt' Campe a. a. o. 673, so seit Otfrid (III 26, 39 K.) nachweisbar, erst seit ende des 18. jhs. einige male auch für 'gott' (Lavater christl. lieder [1779] 1, 231; Heine s. w. 3, 405 E.), weshalb man im hinblick auf eine reihe ähnlicher fälle vermuten darf, dasz zuweilen die pluralkomposition die singularbildung nachträglich beeinfluszt hat. schlieszlich kann weitgehende bedeutungsgleichheit vorliegen, wie z. b. zwischen weltenplan und weltplan (s. o.), weltenschöpfer und weltschöpfer (s. u. weltschöpfer). hier mögen oft rhythmische gründe die wahl des mehrsilbigen pluralkompositums bestimmen (vgl. das aus metrischen gründen bevorzugte zeitenlauf neben zeitlauf teil 15, 565):
o weltengeist,
bist du so gütig, wie du mächtig bist,
enthülle mir, den du mitfühlend zwar,
und doch so grausam schufst, erkläre mir
das loos der fühlenden, die durch mich leiden
Herder 23, 248 S.;
denn so hat dirs er der weltgeist,
er der weltgott, Virakocha,
anvertrauet, anempfohlen
ebda. 25, 470 u. ö. (vgl. weiterhin 6, 357; 6, 334; 16, 540; 22, 187; 27, 370);
und mich begeben möcht' ich auf entdeckungsreisen,
doch in welttheilen nicht, noch auch in sternenkreisen.
denn weltentheile sind nur theile dieser welt,
und auch nur zeit und raum umspannt das sternenzelt
Rückert ges. poet. w. 8 (1882) 79;
in flexionsmäszig charakterisierten kasus wird gelegentlich die kürzere singularkomposition bevorzugt: nun kann die frage nach einem weltenplan das interesse der menschen nur so lange auf sich lenken, als es einen plansetzenden gott gibt. in der tat traten nun an stelle des weltplanes die naturgesetze J. v. Uexküll d. unsterbl. geist i. d. natur (1947) 39; ein götteranbeter, der an einen weltenplan glaubt ebda. 10; zuweilen mögen auch analogiewirkungen des kontexts zur wahl der pluralzusammensetzung führen: so haben wir im ganzen vier weltbildstufen. 1. die erde ist eine scheibe mit darüber gestülpter halbkugel ... 2. die welt ist umgeben von dem unendlichen weltmeer, der groszen unendlichkeit ... 3. die erde erscheint als kugel ... 4. das weltbild Einsteins: der weltenraum (!) ist an die stelle des früheren weltenmeeres (!) der stufe 2 gerückt Scherwatzky in: sachwb. d. dt.-kde. (1930) 1256.
b)
die bedeutung. welt- als kompositionsglied ist erwartungsgemäsz in bestimmten bedeutungen besonders fruchtbar.
α)
kompositionen mit welt II und welt VI begegnen seit frühdt. zeit (vgl. ahd. worolt-enti Otfrid I 15, 37 K.; worolt-zuht ebda. III 9, 14) zunehmend im religiösen bereich, wobei welt- meist die sphäre bezeichnet, welcher die vom grundwort benannte wesenheit zugeordnet wird oder auf die sich das vom zweiten glied bezeichnete geschehen oder sein bezieht; vgl. weltbrand, -gericht, -leben, -priester (an alphabet. stelle). besonders hervorzuheben sind
αα)
bildungen, die eine bestimmte menschliche grundhaltung zu welt und leben bezeichnen, z. b. weltangst, -bejahung, -frömmigkeit, -gier, -schmerz, -verachtung, -verneinung (an alphabet. stelle);
ββ)
die zahlreichen, aus religiösem affekt erwachsenen prägungen für die weltlinge, die weltlich gesinnten, dem weltleben verfallenen; weltaffe, s. an alphabet. stelle;
weltbube
s. Fischer schwäb. 6, 2, 3400 (ebda. viele zuss. dieses typus);
weltdocke
ihr üppigen weltdocken Abraham a s. Clara w. 2, 87 Strigl; s. auch Fischer a. a. o.;
weltkind
s. an alphabet. stelle;
weltnarr
die man bî pfrüenden und bî pfarren
siht leben als ander werltnarren
Hugo v. Trimberg renner 2, 297 Ehrismann (v. 16526);
der reiche welt-narr vermeinet, er woͤlle ein klein himmelreich allhier bei seinem reichthumb haben J. Dyke nosce te ipsum (1638) 386; Ph. D. Burk evangelienpostille (1774) 2, 281;
weltratze
die gottlosen weltratzen V. Herberger jungfraw kränzlin (1610) D 7ᵃ; der stoltze und hochmuͤthige Herodes und viel andere dergleichen sichere welt-ratzen J. D. Ernst fastnachts-woche (1703) 290, s. auch Fischer a. a. o. 6, 1, 673;
welttor
werlt toren
sich niht wellen becheren
dt. ged. d. 11. u. 12. jhs. 40 Diemer;
vnverstendigen viehischen weltthoren Guarinonius grewel (1610) 178; einem weltthoren oder weltmenschen Jean Paul w. 42-43, 88 Hempel;
γγ)
die mannigfaltigen, vor allem in der dichtung des 18. und 19. jhs. sich mehrenden bildungen für 'gott'; weltauge, s. an alphabet. stelle (Campe unter 3);
welterhalter
... dich, welterhalter, dich!
darf ich als vater loben
Schubart s. ged. (1825) 1, 18;
urewig ist des groszen welterhalters güte
Arno Holz in: mod. dichtercharaktere (1885) 149 Arent-C.- H.;
weltmeister, weltordner
s. an alphabet. stelle;
weltregierer
wie derjenige rase, der die hand des allgemeinen weltregierers ... nicht merket Schwabe belust. (1741) 4, 25;
der höchste weltregierer ...
Raupach dram. w. ernster gattung (1835) 7, 319;
weltrichter
fuͤr den thron des allgemeinen welt-richters treten J. D. Ernst liebes-gesch. (1693) 315; gott, weltrichter! Herder 9, 28 S.;
weltschöpfer
s. an alphabet. stelle;
weltverwalter
weltverwalter est ipse deus, rector mundi Stieler stammb. (1691) 2425; besonders häufig erscheinen kompositionen mit dem gen. pl.; weltenbauer:
mit den menschen und dem ewig hohen
weltenbauer knüpft er einen bund,
und des himmels wonne ward dem frohen
gläub'gen menschenherzen kund
H. Grünig ged. (1836) 118;
weltenbeleber
höre mich, gott der begeistrung, erleuchtender, weltenbeleber,
...
rette die neben mir sterbende jetzt!
Baggesen poet. w. (1836) 1, 154;
weltenerschaffer
herr, dich drängt dein herz in den kampf — der weltenerschaffer
gebe dir ruhm
Pyrker Tunisias (1832) 6, 19
weltengebieter
stärke, weltengebieter, meine kraft, lasz mich immer vor deinen augen handeln Meinecke Boyen (1896) 1, 133;
weltenhalter
allmächtig wesen, bild des allmächtigen,
des weltenhalters ...
Herder 27, 400 S.;
freund, hoffe, dasz des weltenhalters wage
uns noch am abend unsern rest der tage
in einer hütte wägen wird
Seume ged. (⁴1815) 21;
weltenkönig
doch wie der weltenkönig nun erfahren,
was dieser aller seele wünscht und nennt
Gries bei Campe 5 (1811) 671;
weltenlenker
o ewig wie der weltenlenker
kann nur die mutterliebe sein!
H. E. Jahn in: mod. dichtercharaktere (1885) 236 Arent-C.-H.;
weltenmeister
s. an alphabet. stelle unter weltmeister 1;
weltenregent
der bogen ... umkreisete den sitz des weltenregenten Jung-Stilling s. schr. (1835) 3, 102;
weltenrichter
nehmt das heilge auf in euren willen,
und des weltenrichters thron steht leer
Schiller 11, 59 G.;
wenn ich dann sporenstreichs vom weltenrichter
geschleudert würde in den tiefen trichter
der hölle, wo die buhlerinnen hausen
Burte herzog Utz (1913) 66;
weltenvater
ja, freund, dich trösten will die leyer,
die bey so mancher frühlingsfeyer,
wenn sich mein geist voll andacht hob,
ich zu des welten-vaters lob
mit neuen saiten kühn bespannte
J. G. Jacobi s. w. 7 (1813) 124;
weltenvater, der du diese gefühle in mir wecktest, stähle meinen willen Meinecke Boyen (1896) 1, 142;
δδ)
die fülle derjenigen zusammensetzungen, bei denen mehr oder minder ein appositionelles verhältnis zwischen den beiden kompositionsgliedern besteht; so vereinzelt schon im älteren dt. (vgl. ahd. werltzimber mundana machina Notker 1, 214, 1 P., dazu Luginbühl Notkers übersetzungskunst, diss. Zürich 1933, 78 f.; mhd. werltstiege Lexer 3, 786), zunehmend seit dem frühen nhd.
weltacker
der von diesem welt-acker abgeschelte (gestorbene) mensch E. Francisci letzte rechenschafft (1681) 820;
weltarena
ziehen wir menschen denn in die staubige weltarena wie gladiatoren? A. Fitger von gottes gnaden (²1884) 17;
weltbuch
das weltbuch hatte zwei bletter, himmel und erden V. Herberger trawrbinden 3 (1614) 510;
das welt-buch musz der mensch studieren.
diesz schrieb des schoͤpfers wunder-hand
Brockes ird. vergn. 8 (1746) 448;
weltgarten
wie man in dem welt-garten ... des gnaͤdigen gaͤrtners vorsorge erkennen muͤsse Chr. Weise polit. redner (1677) 538; wie wir in unsern wäldern dieselbe baumart gleichzeitig in allen stufen des wachsthums sehen, ... so erkennen wir auch in dem groszen weltgarten die verschiedensten stadien allmäliger sternbildung A. v. Humboldt kosmos (1845) 1, 87;
weltgefängnis
nun hat ja der ebensfuͤrst und der grosze himmelskoͤnig
... unser fraͤulein weggeruͤkkt
und aus diesem weltgefaͤngnuͤsz zu sich himmel-auf gezuͤkkt
G. Neumark fortgepfl. lustwald (1657) 2, 68;
welthaus
damit der schoͤpffer aus sonderlichen bedencken vnser welthausz geschmuͤcket Rollenhagen froschmeuseler (1595) A 7ᵇ; aber über diesem (irdischen) sein und über den mächtigen elementen, wie grosz steht da der mensch — das kind des ewigen welthauses! J. v. Düringsfeld i. d. heimath (1843) 14;
weltherberge
ich weisz wol, dasz ich ein sterblicher mensch und ein fremdling bin, der in dieser weltherberge nicht lange zu bleiben hat Q. Kuhlmann lehr-hoff (1672) 427;
weltmaschine
alles dieses (wachstum und tod) gehört mit zum wesen der natur und hängt von der ersten einrichtung der weltmaschine ab. das ganze dieser maschine ist fest; alle ihre theile sind beweglich J. G. Forster ausgew. kl. schr. 19, 10 Leitzmann; ist die welt eine grosze maschine aus der hand des höchsten ingenieurs, so hätte dieser seine aufgabe offenbar sehr schlecht gelöst, wenn er ihrem gange fortwährend durch neue eingriffe nachhelfen müszte, damit sie seine zwecke erfüllte, und so musz man annehmen, dasz die unendliche weisheit gottes diese grosze weltmaschine von anfang an so geschaffen und so in bewegung gesetzt hat, dasz er ... sie nun vollständig sich selbst überlassen kann W. Windelband gesch. d. neueren philos. (⁴1907) 1, 310;
weltrad
man denkt sich gott so ... dasz in dem ersten augenblicke seines daseyns das grosze weltrad zu laufen angefangen allg. dt. bibl. 25 (1775) 25;
weltsaal
sucht nicht jeder auf dem weltsaal in der unzaͤhlbaren menschenmenge sich seine kleine gesellschaft zusammen, die er seine freunde nennt und mit denen er sich am liebsten unterhaͤlt? Chr. Fr. Sintenis Theodor's glückl. morgen (1789) 2, 249;
weltspital
welche (sprüche) bezeugen, ... dasz wir allhie, in diesem welt-spital, vor grosser menschlicher schwachheit von der suͤnden nicht unuͤbereilt bleiben E. Francisci weh d. ewigkeit (1686) 1185;
weltstrudel
da der herr Jesus selbst einen apostel und evangelisten aus dem weltstrudel herausreiszt und in seine gnadenmacht bekommt Phil. Dav. Burk evangelienpostille (1774) 3, 136;
welttheater
s. an alphabet. stelle;
welttränental
(die) wissenschafft ... ist eine gantz nichtige einbildung, die wir in dem welt-thraͤnenthale von uns schoͤpfen Q. Kuhlmann lehr hoff (1672) 204. als sonderfälle zu scheiden sind bildungen wie weltberühmtheit, -flucht, -klugheit, -verstand (s. dort), bei denen sicher keine unmittelbare komposition zwischen welt- und einem substantivischen grundwort vorliegt, sondern ableitung bzw. rückbildung vom entsprechenden adjektiv.
β)
zusammensetzungen mit welt III A treten ebenfalls früh auf (vgl. ahd. worolt-dât Otfrid II, 17, 2 K.; woroltmenigî ebda. III 6, 8), mehren sich jedoch erst im neueren dt.; vgl. weltbeglücker, -ehre, -geschichte, -gewissen, -literatur, -meinung.
γ)
auch komposita mit welt V als bestimmungsglied begegnen schon in frühdt. zeit (vgl. ahd. worolt-ring Otfrid V 16, 24 K.); sie breiten sich mit einer fülle von neueren bildungen insbesondere in der sprache von politik und wirtschaft aus, treten jedoch darüber hinaus überall da auf, wo es erdumspannende wesenheiten welcher art auch immer zu benennen gilt, ohne dasz in jedem falle eine strenge scheidung von den zusammensetzungen mit welt III A (s. o. unter β) möglich ist; vgl. weltausstellung, -bürger, -eroberer, -handel, -karte, -krieg, -politik, -revolution, -sprache, -verbesserer, -verkehr, -wirtschaft. in jüngster zeit häufen sich geradezu die bildungen (s. auch wiss. beih. z. zs. d. dt. sprachver., reihe 7, heft 50 [1938] 61), besonders zur bezeichnung internationaler institutionen, organisationen und veranstaltungen verschiedener art;
weltabrüstung
deutsche ... abrüstung als ausgangspunkt für die weltabrüstung Stegemann weltwende (1934) 258;
weltbank
die weltbank könnte das eigenkapital Europas mit anleihen ergänzen Berliner zeitungen a. d. j. 1952;
weltbund
weltbund für frauenstimmrecht und staatsbürgerliche frauenarbeit, 1904 in Berlin ... gegründeter internationaler bund d. gr. Brockhaus 20 (1935) 160 (in freierer anwendung findet sich w. bereits bei Göthe I 25, 188 W.; II 11, 102); der völkerbund ... sah zwar Haiti und Liberia, aber weder Deutschland noch Ruszland in seinem schosz und schritt als weltbund über Europa hinweg qu. a. d. j. 1934;
weltfeiertag
die feier des ... auf den 1. mai bestimmten weltfeiertages hdwb. d. staatsw. (²1898) 4, 654;
weltkongresz
und jetzt sollte ich — zum erstenmal im leben — auf einem weltkongress ... eine rede halten B. v. Suttner memoiren (1909) 225; weltkongresz für freies Christentum und religiösen fortschritt Fischer-Schiele (1910) titel;
weltorganisation
heute vor acht jahren trat das grundgesetz der weltorganisation, die charta der UN, in kraft Berliner zeitungen a. d. j. 1953;
weltparlament
das weltparlament E. Harmening (1910) titel; das weltparlament der frauen tagte hier (in Berlin) Lily Braun memoiren 2 (1911) 534;
weltpostverein
geschichte des weltpostvereins Weithase (²1895) titel; weltpostverein ist eine auf anregung des deutschen reiches zustande gekommene internationale vereinbarung über den postverkehr und insbesondere über die höhe der postgebühren für bestimmte sendungen, welche zuerst in dem auf grund eines zu Bern abgehaltenen kongresses abgeschlossenen allgemeinen postvereinsvertrag vom 9. okt. 1874 und zuletzt im weltpostvertrag vom 15. juni 1877 ihren ausdruck gefunden hat v. Bitter hdwb. d. preusz. verwaltung (1906) 2, 792; weltpostverein ist der name der vereinigung, zu der sich die dem weltpostvertrag beigetretenen länder zusammengeschlossen haben, um für den gegenseitigen austausch der briefsendungen ein einziges postgebiet ... zu bilden hdwb. d. postwesens (1927) 684 Küsgen-Herzog;
weltrepublik
und dieses wird in einem allgemeinen bündnisz der gesammten menschheit, in sofern sie in bürgerlicher verfassung lebt, bestehen, um alles zu einer allgemeinen weltrepublik zu bilden Jung-Stilling s. schr. (1835) 3, 313; weltrepublik ... das höchste ziel des strebens aller republikaner Görres ges. schr. (1854) 1, 64; und noch heute empfinde ich als unbelehrbarer mensch einer freieren zeit und bürger einer geträumten weltrepublik jeden dieser stempel in meinem pasz wie eine brandmarkung, jede dieser fragen und durchsuchungen wie eine erniedrigung St. Zweig welt v. gestern (1947) 466;
weltverband
weltverband Makkabi, weltverband aller nationaljüdischen turn- und sportorganisationen ... gegr. 1902 sportlex. (1933) 2433 Beckmann.
δ)
die seit dem 17. jh. zunehmend vertretene komposition mit welt VII (vgl. weltachse, -ball, -gebäu, -gebäude, -körper, -raum) erlebt im 18. und 19. jh. einen geradezu modischen auftrieb, als das neue weltraumbild zum erlebnis und besitz weiter kreise geworden ist, insbesondere die pluralischen zusammensetzungen mit welt VII 2 häufen sich (weiteres s. o. unter 1 a);
weltbewegung weltenbewegung
Kepler, der in Linz die geseze der weltenbewegung fand, wurde von seiner frohnarbeit nichts erlassen (1863) Stifter briefw. (1925) 4, 139;
weltheer weltenheer
es flammt ein welten-heer in angewiesnen gränzen:
es ist im lichten raum, wo in bestimmter bahn
die ungezählten sonnen glänzen,
der ordnung alles unterthan
Uz w. 111 ndr. (49, 5);
ein unzaͤhlbares weltenheer
laͤuft kreisend um einander her
E. v. d. Recke ged. (1816) 59;
weltnebel weltennebel
durch alle sieben himmel müszt ich jagen,
ein irrer, trost- und ruheloser stern,
von weltennebel, sphärensang getragen!
M. Kalbeck aus alter u. neuer zeit (1890) 28;
weltocean weltenocean
klein ist die erde, schwimmet wie ein blaͤschen
auf den wogen des welten-oceanes
Stolberg ged. 2 (1821) 63;
wenn ich die ewigen sterne sah, diese glänzenden tropfen, von dem äuszeren, groszen weltenoceane auf das innere blaue glöcklein hereingespritzt, das man über uns infusionsthierchen gedeckt hat Stifter s. w. 1 (1904) 58;
weltsymphonie weltensymphonie
es steht vor ihm ein hehres spiel der saiten,
er soll es rühren und die töne leiten,
dasz sie in ewig reiner harmonie
sich mengen in die weltensymphonie
Uhland ged. (1898) 2, 268;
welttanz weltentanz
lustig hüpfest du (die erde) hin im weltentanze
E. M. Arndt w. (1892) 3, 22 R.-M.;
welttausend weltentausend
... den vater, der von allen
den weltentausenden die last
mit seiner hand, wie eine feder, faszt
Seume s. w. (1835) 573ᵇ Wagner;
weltenwelt
so wie eben der glanz der sonne nichts ist als ihr schleier, hinter dessen oeffnungen die ungeheure weltenwelt finster erscheint, welche die erden auswirft und an sich zieht, lenkt und hält Jean Paul w. 45-47, 424 Hempel.
ε)
zusammensetzungen mit welt IV A und welt X werden erst im nhd. üblich (vgl. weltanschauung, -beschauung, -betrachtung, -rätsel); vor allem neuerer philosophischer sprachgebrauch weist zahlreiche neubildungen auf, von denen freilich nur wenige allgemein geläufig werden;
weltauffassung
was in unserer weltauffassung auf rechnung der sünde kommt und was auf rechnung der gnade Schleiermacher s. w. (1834) I 3, 355; die möglichkeit sinnlicher anschauungen, ihre verbindung zu einer geordneten weltauffassung Lotze mikrokosmus (1856) 1, 11; er (der einzelmensch) rückt nach und nach in die gebahnten lebensformen ein, die nicht er geschaffen, gewinnt teil am gemeinsamen sein, an bildung und kultur, lebens- und weltauffassung N. Hartmann ethik (²1935) 299;
weltauslegung
in wahrheit, es giebt zu der rein ästhetischen weltauslegung und welt-rechtfertigung, wie sie in diesem buche gelehrt wird, keinen grösseren gegensatz als die christliche lehre, welche nur moralisch ist Nietzsche w. I 1, 9;
weltbegreifen
der mythos ... notwendige funktion des weltbegreifens E. Cassirer philosophie der symbol. formen 2 (1925) 5;
weltdarstellung
die kraft einer höhern, allgemeinmenschlichen weltansicht und weltdarstellung Jean Paul w. 52-53, 122 Hempel; endlich hat sie (die sprache) als organ des denkens und der weltdarstellung ihre eigne form W. v. Humboldt ges. schr. 5, 459 akad.;
weltdenken
alle beklemmung, die sich auf unser weltdenken legen will angesichts der augenscheinlichen unerheblichkeit des geistigen, sittlichen menschenlebens und menschenwertes, löst sich und weicht einer ruhigen sicherheit, sobald einem die königliche, überlegene art der geltenden wirklichkeit aufgegangen ist P. Jaeger v. schicksal d. werte (1915) 11;
weltdeutung
das groszartigste werk der verstandeserkenntnis war die mechanische weltdeutung forsch. u. fortschr. 8 (1932) 86;
welteindruck
wenn nicht alle welteindrükke, und diese sind doch nur ausdrükke für das verhältnisz alles übrigen endlichen seins zu dem sein des menschen, darin zusammenstimmen, dasz ... Schleiermacher s. w. (1834) I 3, 311; ich trenne der form, nicht der substanz nach mit voller schärfe den organischen vom mechanischen welteindruck O. Spengler abendl. (1918) 1, 7;
welterklärung
dennoch stellte ihn (Leibniz) die geschichte unter die verhältniszmäszig doch immer kleine zahl derer, in denen sich ein neues system der welterklärung gestaltet hat Schleiermacher s. w. III 3 (1835) 13; philosophische welterklärung Schelling s. w. (1856) I 3, 497; die mythische und die wissenschaftliche welterklärung E. Cassirer philosophie der symbol. formen 2 (1925) 79;
weltinbegriff
der beweis für die unendlichkeit der gegebenen weltreihe und des weltinbegriffs beruht darauf, dasz im entgegengesetzten falle eine leere zeit, imgleichen (!) ein leerer raum die weltgrenze ausmachen müszte Kant I 3, 297 akad.;
welttheorie
unsere ... welttheorien ... wissen das besser Herder 7, 418 S.;
weltvorstellung
es ist ... in jeder weltvorstellung wahrheit und perspective allg. dt. bibl. 68 (1786) 319; durch das ganze der weltvorstellung wird ein einseitiges princip hindurchgeführt Hegel w. (1832) 13, 187; dieses (das system des materialismus) sagt: in den bisher aufgestellten objectiven weltvorstellungen stellt sich dar die sinnenwelt Fichte s. w. (1845) 2, 623; denn religion und positive wissenschaft geben einem heutigen menschen feste anhaltspunkte für seine weltvorstellung Dilthey einl. i. d. geisteswiss. (1883) 1, 189.
ζ)
in zahlreichen zusammensetzungen hat welt- mehr oder minder den charakter eines verstärkenden, steigernden, rangverleihenden präfixes (vgl. welt V C 2 und XI sowie den entsprechenden kompositionstyp [I F] von gott); ansatzweise bereits im älteren dt. (vgl. as. werold-rîki Heliand 5364 S.; mhd. werlt-rât, -zage Lexer 3, 785 f.; Carr nominal compounds [1939] 353), jedoch erst dem nhd. geläufig (vgl. weltattraktion, -erfolg, -krieg, -macht, -ruf, -stadt, -wunder an alphabet. stelle, ferner Klemperer l. t. i. [1949] 218 und Fischer schwäb. 6, 1, 673 über welts- als intensivum vor subst.);
weltbedeutung
der zeitung kann es wenigstens nicht nützen, obgleich freilich bei ihrer welt-bedeutung auch kaum schaden; wenn sie in sachen der literatur parthei-organ ... wird (10. 11. 1857) Hebbel br. 6, 76 Werner; geograph von weltbedeutung Werfel geschw. v. Neapel (1931) 411;
weltblatt
(s. auch zs. f. dt. wortforschg. 13 [1911-12] 299): wir müssen vor Europa in einem solchen weltblatte wie die allgemeine zeitung vertreten sein! Laube ges. schr. (1875) 1, 151;
weltfülle
all das unendliche, was im worte nicht zu erschöpfen, in seiner weltfülle durch begriffe nicht zu erklären war, erklärte und malte er in tönen (1857) Brachvogel Friedemann Bach 1, 152;
weltgebirge
gegen die ... weltgebirge ist er (Brocken) von weniger bedeutung allg. dt. bibl. 44 (1780) 34;
welthafen
zur zeit, da ... die kanalbarken ... durch den Alexandriakanal in diesen welthafen gelangten Ritter erdk. (1822) 1, 865;
weltkurort
während dieser jahre entfaltete sich in dem aufstrebenden Karlsbad, das sich mehr und mehr zum weltkurort und weltrendezvous ausgestaltete, eine blüthe edelster geselligkeit schr. d. Göthe-ges. 18 (1904) lxi;
weltsding
mit der unteren schweifung
sticht sie (die glocke im turm) finster ins licht, wie der alte gesagt! und ein weltsding,
ein allmächtiges, wie mich bedünkt — die macht uns zu schaffen! (beim stehlen)
Mörike w. ²1, 403 Maync;
weltvictoria
(die freiheitsschlacht der Polen) ist gewonnen, — und von allen seiten,
aus Europas fernsten länderweiten
schallt herauf ein welt-victoria
G. A. v. Maltitz Polonia (1831) 29;
weltwelt
er (B. Goltz) ist eine jener Faustnaturen, welche in sich den ganzen mikrokosmus tragen. während er auf der einen schulter die sachenwelt des Gascogners Dumas trägt, behält er die andere schulter noch frei, um die geisterwelt darauf zu tragen, die germanische welt, die welt-welt Kürnberger herzenssachen (1877) 90;
weltwichtigkeit
entweder es ist in diesen sitten und gedanken ... eine weltwichtigkeit, substanz und religion, oder es giebt nichts reelles, nichts wichtiges auf der ganzen welt B. Goltz zur physiognomie (1859) 16. zuweilen erscheint welt in pluralischer form als steigerndes kompositionsglied: lehnen die feinde ab, wollen sie die weltenlast von allem schrecklichen, was danach noch folgen wird, auf sich nehmen ... (12. 12. 1918) Bethmann-Hollweg kriegsreden 180 Thimme; häufig auch die steigernde fügung allerwelts- (s. o. unter 1 a): allerweltsjung ein sonderbarer, lustiger junge, auch ein mechanisch-kunstfertiger Schütze holst. id. 4, 356.
2)
als erstes glied eines adjektivs.
a)
die kompositionsart. wie bei der substantivkomposition (vgl. 1 a) herrscht seit frühdt. zeit der fugenlose typ der eigentlichen komposition: ahd. weralt-wîs, mhd. werltwîse, nhd. weltweise. formen mit fugen-s treten erst relativ spät auf und bleiben auf das alem. beschränkt; weltsgrosz Friedli bärndütsch 5, 155;
weltmächtig
Auerbach dorfgesch. (1849) 413;
weltmäszig
ders., schr. (1892) 11, 155 (weitere nachweise unter weltmäszig an alphabet. stelle). seit dem 18. jh. treten auch zahlreiche zusammensetzungen mit dem plur. auf, von denen allerdings nur einige öfter und über längere zeiträume hinweg belegt sind (vgl. die entsprechenden bildungen unter 1 a):
weltenalt
(Immermann w. 15, 77 Hempel; W. Hertz ges. dicht. [²1904] 88);
weltenfern
(L. Soyaux in: daheim 31 [1895] 178ᶜ);
weltengrosz
K. Mayer ged. [³1864] 119; R. Huch ged. [⁴1917] 46);
welten
(Jean Paul w. 20-23, 422 Hempel; L. Treuge in: bll. f. d. kunst, ausl. a. d. j. 1904 —09 [1909] 127);
weltenreich
(J. Frey ges. dicht. [1899] 19; H. Eulenberg letzte bilder [1915] 302);
weltenschwanger
(J. v. Kalchberg ged. [1793] 222; Schopenhauer w. 2, 560 Gr.);
weltentief
(Gotthelf ges. schr. [1855] 8, 323; Paul Ernst drei kl. romane [1933] 45);
weltenvoll
(Lavater poesieen [1781] 1, 39; W. Jordan schaum [1846] 197);
weltenweit
(Sonnenfels ges. schr. 4 [1784] 430; B. Goltz jugendleben [1852] 3, 401; Werfel Bernadette [1948] 271); viele sind einmalige gelegenheitsbildungen: weltenarm (A. v. Humboldt kosmos [1845] 1, 23);
weltenfrei
(qu. a. d. j. 1916);
weltenfremd
(Münchhausen ball. u. ritterl. lieder [1922] 98);
weltengewaltig
(Laube ges. schr. [1875] 9, 8);
weltenhell
(W. Zimmermann ged. [1854] 280);
weltenhoch
(Jean Paul w. 1, 235 Hempel);
weltenschwer
(J. v. Kalchberg ges. schr. [1878] 1, 288).
b)
die bedeutung.
α)
zusammensetzungen mit welt II finden sich im älteren dt. (insbes. seit Notker) relativ häufig (s. Gröger ahd. u. as. kompos.-fuge [1910] 471 f., Lexer 3, 784 ff. u. vgl. den ahd. personennamen Werolt-swind zs. f. dt. altert. 72 [1935] 152), kommen jedoch auch noch im nhd. auf; vgl. weltbegierig, -flüchtig, -fromm, -geistlich, -klug (an alphabet. stelle). als sonderfälle zu scheiden sind bildungen wie weltfeindlich, -kindisch, -verächterisch, die von substantivischen welt-zusammensetzungen (weltfeind, -kind, -verächter) abgeleitet sind, bei denen also keine unmittelbare komposition zwischen welt- und einem adjektivischen grundwort vorliegt.
β)
kompositionen mit welt III A und welt V werden erst im neueren dt. üblich; sie bleiben zahlenmäszig beschränkt. welterfreulich:
du hast gethan getreulich,
was gott durch dich gewollt,
ein beispiel, welterfreulich,
du braver Leopold
A. Kahlert romanzen (1834) 118;
weltersprieszlich
welch eine glaubensform will weltersprieszlich sein
Rückert ges. poet. w. (1867) 3, 345;
weltfaszlich
sein poetischer stil, seine diktion ist ... populär, weltfaszlich O. Gildemeister essays (⁴1903) 2, 36;
weltgültig
welches bündel von weltgültigen, titanischen, prometheischen, orpheischen gedanken und bildern! Ratzel völkerk. (1885) 2, 308; jeder kleine ministrant konnte noch seinen lohn in dem weltgültigen metall empfangen Carossa jahr d. schönen täuschungen (1941) 35;
weltliterarisch
s. an. alphabet. stelle;
weltpolitisch
s. an alphabet. stelle;
weltüblich
dasz seinen toͤchtern es an weltuͤblichen sitten mangelt Bucholtz Herkuliskus (1665) 1045; von dem weltüblichen zechen und tanzen Böhme gesch. d. tanzes (1886) 110. zu unterscheiden sind wieder bildungen wie weltbürgerlich, -geschichtlich, -wirtschaftlich, die von substantiv. kompos. abgeleitet sind.
γ)
auch welt IV und welt X wird in der komposition mit adjektiven nicht allzu fruchtbar:
weltanschaulich
s. an alphabet. stelle;
weltbewuszt
so erkennen wir ein unbewusztes leben ..., ein selbstbewusztes und ein weltbewusztes leben als stufenfolge des lebens v. Baer reden (1864) 2, 472;
welthaltig
kündet er als ein welthaltiges und weltschaffendes (d. h. eben kosmisches) wesen Fr. Gundolf St. George u. unsere zeit (1913) 8; wäre das wort (glück) an sich nicht so tief, so ursprünglich und so welthaltig, so hätte sich meine vorstellung von der ewigen gegenwart ... nicht um dieses wort herumkrystallisiert H. Hesse späte prosa (1951) 134.
δ)
wie in substantiv. komposition (s. oben 1 b ζ) hat welt in zahlreichen zusammensetzungen mehr oder minder den charakter eines steigernden präfixes.
weltalt
den weltalten benebelten morast Hermes Sophiens reise (1769) 4, 182; die philosophie leidet unter dem weltalten wahn K. Bonus v. neuen mythos (1911) 21;
weltanders
das war so fremd und neu, war so weltanders Eb. König Thedel v. Walmoden (1926) 112;
weltbeste
s. an alphabet. stelle;
weltbreit
sehen wir doch dieses weltbreiten kriegsfeuers noch kein ende E. Francisci lust-haus (1676) 6; auf einem weltbreiten und weltlangen corso L. Schefer ausgew. w. (1845) 7, 141;
welteinzig
das welteinzige schönheitsgeschmeid
Rückert ges. poet. w. (1867) 12, 83;
das welteinzige wasserwunder Niagara W. Jordan die Sebalds (³1904) 2, 307;
weltewig
wie auch gott der heilige geist ... welt-ewig ist K. R. v. Greiffenberg zwoͤlf andaͤchtige betrachtungen (1678) 49; für weltewige zeiten K. Schönherr allerhand kreuzköpf (1911) 72;
weltsgrosz
ein kleines schifflein gegen dem welt-grossen meer Harsdörffer fuͤnffeck (1652) 25; zu dieser umfassenden, dieser weltgroszen und heiligen bedeutung H. Hesse späte prosa (1951) 134;
weltschwer
weltschwer lastet' er jetzt auf den stern sich
Sonnenberg Donatoa (1806) 1, 1, 49;
ich kann mich kaum schleppen in diesem licht, so weltschwer hängt es um meinen kopf Dehmel ges. w. (1906) 7, 162;
weltverschieden
und, ob auch weltverschieden unsre bahnen,
mir ist, als hört' ich euch mich mahnen,
treu so wie ihr zu stehen in dem streit
v. Schack ges. w. (1897) 3, 228;
weltwichtig
in dem harren und lauschen auf eine neue weltwichtige erscheinung matteten sich die kräfte ab F. G. Kühne portraits u. silhouetten (1843) 1, 88; innerhalb der zunft hat auch deren zwist seine weltwichtige bedeutung Mühsam namen u. menschen (1949) 212. häufig erscheint welt in pluralischer form als steigerndes kompositionsglied: weltenalt, -fern, -gewaltig, -grosz, -hoch, -lang, -schwer, -tief, -weit (s. oben unter 2 a).
3)
als erstes glied eines partizips.
a)
die kompositionsart. erst im neueren dt. wird welt als bestimmungsglied vor verbaladjektiven üblich, zufrühst vor part. prät., wenig später vor part. präs. seit dem 18. jh. treten auch zusammensetzungen mit dem plur. auf, fast ausschlieszlich dichterische gelegenheitsbildungen mit einem part. präs. als grundwort;
weltenerzeugend
(Novalis schr. 4, 232 Minor);
weltenhemmend
(Rosegger Alpensommer [1908] 170);
weltenschaffend
(Klinger theater [1786] 3, 403);
weltensetzend
(Alverdes dank u. dienst [1939] 38);
weltenstürzend
(Schubart s. ged. [1825] 2, 27);
weltensuchend
(Brentano ges. schr. [1852] 5, 408);
weltenumeilend
(Hölderlin ges. dichtg. 1, 44 Litzmann);
weltenvernichtend
(Liliencron s. w. [1896] 7, 154); komposition mit einem part. prät. als grundwort ist nur vereinzelt bezeugt: welten-entronnen (R. Wagner ges. schr. [1897] 7, 28).
b)
die bedeutung. welt erweist sich mit den sonst in der komposition besonders hervortretenden bedeutungen auch hier als produktiv, wobei welt meist den bereich bezeichnet, auf den sich das im grundwort benannte (ablaufende oder vollendete) geschehen bezieht, sei dies nun eine auf die welt gerichtete tätigkeit oder eine von der welt ausgehende wirkung.
α)
welt II erscheint auch vor partizipien häufig als bestimmungsgliedinsbesondere vor part. prät. weltabgewandt: auch enthält das Christentum ohne allen zweifel ein weltabgewandtes element Hilby glück (1895) 264; die rein beschauliche, weltabgewandte askese forsch. u. fortschr. 9 (1933) 339;
weltbefangen
und vergisz, dasz weltbefang'ne seelen
dir des lebens jungen lenz vernüchtert
Fr. Bach ged. (1900) 47;
welterfahren
s. an alphabet. stelle;
weltgeblendet
der auf der erde gott erkennt und kündet,
der hohe tugend anstrebt und verlangt
und drum von allen weltgeblendeten
als widersacher ihrer seichten freuden
gehöhnt, verdächtigt und gelästert wird
M. Meyr religion d. geistes (1871) 122;
weltgesinnet
inclinato, piegato al mondo cioè mondano, secolaresco Kramer t.-ital. 2 (1702) 1316; Fischer schwäb. 6, 2, 3401;
weltverschlagen
weltverschlagen und arglistig Tob. Lotter zwo christl. pred. (1629) 66;
weltzugewandt
eine weltverbundene, weltzugewandte kunst blieb sie (die renaissancekunst) auch dann, wenn sie von altären herabblickte W. Waetzoldt Holbein (1938) 79; oft aber auch vor part. präs. weltablehnend: ein schwärmerischer weltablehnender zug D. Fr. Strausz ges. schr. (1876) 6, 40;
weltkennend
dies schien eher das studium eines verständigen, weltkennenden mannes als eines eifrigen theologen zu sein Gervinus dt. dichtg. (1853) 5, 258;
weltliebend
weltliebender mensch Schottel teutsche sprachkunst (1641) 353; vorbild eines freien, weltliebenden mannes St. Zweig welt v. gestern (1947) 165;
weltschmeckend
solche verstockte, weltsieche, weltschmeckende, weltliebende hertzen A. Taurer buszruffer (1596) t 3ᵇ; keine flattereyen und welt-schmeckende complimente Chr. Scriver seelenschatz (1737) 1, 776ᵇ;
weltüberwindend
nach der moral der weltüberwindenden müssiggänger erhub man sich zu einem ... höhern grade eines ... christlichen lebens, wenn man seinen leib abtödtete Zimmermann einsamkeit (1784) 2, 85; von Marc Aurel bis auf Julian war der stoicismus eine weltüberwindende offenbarung geworden Gutzkow ges. w. (1872) 12, 180;
weltverschmähend
den weltverschmaͤchten vnnd weltverschmaͤhenden ... Diogenem Fischart w. 3, 85 Hauffen; ein demüthiges und welt-verschmähendes hertz Chr. Scriver seelenschatz (¹¹1737) 1, 135ᵃ.
β)
auch welt III A und V findet sich häufig als bestimmungsglied. weltbereist Fischer schwäb. 6, 2, 3400;
weltgereist
ebda. 6, 1, 671;
weltverbreitet
die ganze idee der christlichen kirche, dasz sie eine einzige, allgemeine ... sei, machte an sich schon gesang, gebet ... zu einem weltverbreiteten hallelujah Herder 16, 259 S.; brod, das einfachste aller dinge, das weltverbreitetste Stifter s. w. 4, 1 (1911) 221; vor allem vor part. präs. weltbedrohend: wie dann es (Rom) ... gewachsen sei, ein schönes, heldenstarkes, weltbedrohendes ungeheuer Fouqué altsächs. bildersaal (1818) 2, 596;
weltbefreiend
eine weltbefreiende historische that Lassalle ausgew. red. (o. j.) 1, 301; das weltbefreiende wort (friede) Carossa rumän. tageb. (1926) 42;
weltbeglückend
o musen! segnet ihr doch den weltbeglückenden einfall!
Chr. F. Weisze lustsp. (1783) 1, 102;
und weltbeglückend klingt von pol zu pole
durch Christi friedensreich
dein abschiedsgrusz, die selige parole:
ihr kindlein, liebet euch!
Gerok pfingstrosen (⁸1886) 70;
weltbeherrschend
in gleicher reputation stunden die pferde bei den welt-beherrschenden Roͤmern E. Francisci d. alleredelste pferd (1670) 210; das weltbeherrschende petroleum H. W. Seidel Krüsemann (1935) 115;
weltumsegelnd
weltumsegelndes schiff Baggesen bei Campe 5 (1811) 675; von weiter weltumsegelnder fahrt B. Auerbach schr. (1892) 4, 97;
weltverheerend
.. die weltverheerende pest
Zachariä poet. schr. (1763) 9, 179;
in weltverheerenden kriegen Schopenhauer w. 1, 430 Gr.
γ)
oft begegnet auch welt IV und X als kompositionsglied, insbesondere vor einem part. präs. weltanschauend: diesen weltanschauenden auswuchs von mir (den kopf) Dehmel ges. w. (1906) 8, 15;
weltaufschlieszend
eine reise im entscheidenden moment macht immer epoche im leben eines bedeutenden menschen; sie wirkt auf ihn weltaufschlieszend J. Bayer lit. skizzenb. (1905) 159;
weltbeschauend
aber hebt mein weltbeschauend' auge
sich zu dieser stufe wohl hinan?
V. v. Rosenzweig-Schwannau Hafis (1858) 1, 107;
weltbetrachtend
jedem ... weltbetrachtenden auge Herder 6, 134 S.;
welterklärend
mit einer wahren und welterklärenden hypothese? Schopenhauer w. 5, 163 Gr.
δ)
wie sonst (s. o.) begegnet auch bei diesem kompositionstyp häufig welt als steigerndes glied.
weltbekannt
s. an alphabet. stelle;
weltbeliebt
diesen weltbeliebten und niemahls gnug belobten mann Chr. Weise erznarren 134 ndr.;
betrachtet nur den pomp der ersten koͤnigs-pracht,
mit der sie sich so werth und welt-beliebt gemacht
Chr. v. Scheyb Theresiade (1746) M 1ᵃ;
weltberühmt
s. an alphabet. stelle;
weltumworben
am 1. mai 1879 habe ich die neunzehnjährige, weltumworbene Anna Knaur aus dem schlosse Feistritz geführt als meine frau Rosegger schr. (1895) III 5, 75;
weltverlassen
in dem weltverlassenen Raspenau H. Stehr drei nächte (²1909) 10; seltener vor part. präs.; vgl. weltbedeutend: obwohl ... an sich von keiner weltbedeutenden macht, hatten sie (die Venetianer) doch unter allen katholiken zuerst das herz, diesen könig (Heinrich IV. v. Frankreich) anzuerkennen Ranke s. w. 38 (1874) 132; welch weltbedeutende aufgabe qu. a. d. j. 1923.
4)
als erstes glied einer adverbialen richtungsangabe. so in einigen gelegenheitsbildungen der neueren dichtersprache. weltab: der wildschön und weltab gelegenen burg Scheffel Juniperus (1871) 104;
es riefs Apoll und warf die hündin weg im schwang,
darauf entfernt er sich weltab in festem gang
Spitteler olymp. frühl. 1 (1911) 236:
weltaus
weltaus, weltein such' ich allein sie, die so lieb ich hab'
F. Dahn ged. (1908) 148:
weltauswärts
und dasz ich nun weltauswärts musz mit deinem kinde, das ich verschlossen in mir fühle, o Hänslein, das tut mir leid qu. a. d. j. 1916;
weltbergab
nach diesen worten nahm er hut und wanderstab
und reiste gen Olymp hinunter weltbergab
Spitteler olymp. frühling (1911) 2, 254;
weltein
der narr mag weltein reisen, überall findet er die nächsten verwandten Göthe I 13, 2, 293 W. (vgl. F. Dahn unter weltaus);
welteinwärts
doch die nachtigall erhob sich,
welteinwärts entfloh sie lachend
G. Keller ges. w. (1889) 10, 196;
welthinaus
aufjauchzend welthinaus die arme breitend
steigst in die bruderwelt du reich hinab
qu. a. d. j. 1934;
weltüber
doch was ein auserles'ner schuf, ein geist,
gesandt, in dieser nacht ein stern zu sein,
das löscht der odem nicht der stunden aus:
weltüber wandelt's
jahrb. d. Grillparzerges. (1890) 3, 370;
weltüber fühlt er sich vergeistet und vergottet
und merkt nicht, dasz er über sümpf und steine trottet
Spitteler olymp. frühl. (1911) 2, 95;
weltvorbei
glockenblume.
weltvorbei,
tiefblau und zart.
vollkommener glanz:
ganz
nimm das verschwisterte herz
in deine ferne gegenwart
Weinheber adel u. untergang (1934) 119;
weltwärts
todkrank krallt das gerank sich an die mauer,
und alle wege weltwärts sind verschneit
Rilke erste ged. (1913) 115 (vgl. engl. worldward).
vereinzelt findet sich auch die komposition mit dem genitiv plur. weltenfernher:
o mensch ...
was prescht aus den geheimsten deiner gründe
von weltenfernher in den eitlen bau ...
Gött mauserung (1908) 87 (4, 8).
5)
als erstes glied eines verbs. verbalkomposita mit welt finden sich zunächst als vereinzelte, durch fremdsprachige vorbilder angeregte ansätze älterer lexikographen. weltbeschreiben: weltbeschreiben cosmigraphisare voc. theut. (Nürnberg 1482) nn 6ᵇ;
weltbürgern
weltbürgern weltbürger sein, als weltbürger oder weltbürgerlich denken und handeln (cosmopolitisiren) Campe 5 (1811) 670 (vorgeschlagene ersatzbildung für cosmopolitisiren, s. dess. verfs. verdeutschungswb. [1813] 232); im neueren dt. als dichterische gelegenheitsbildungen; weltändern: sie ... wissen alles besser und wollen vom guten, alten brauch nichts mehr hören. weltändern, auf der stell' weltändern! Rosegger schr. (1895) I 5, 141;
weltbefreien
weltbefreien kann die liebe nur,
nicht der hasz, der sklave der natur
Lenau s. w. 588 Barthel;
weltregieren
weltregieren ist leicht, aber menschenregieren ist schwer Kluge Kortüm (1938) 476;
weltvergiften
o. wie nenn' ich, was nie
nannte die menschliche sprache, wofür kaum heulen der hölle
namen zu brüllen vermag?
weltvergiften!
Baggesen poet. w. (1836) 2, 39. —
kompositionen mit verbalem grundwort bleiben jedoch dem dt. ungeläufig, obwohl welt bereits im älteren dt. zahlreiche zusammensetzungen mit einem verbalnomen als 2. glied eingeht (vgl. ahd. worolt-dat Otfrid II 17, 2 K.; worolt-zuht ebda. III 9, 14; mhd. werlt-minnære Lexer 3, 785; weltbeschreyber voc. theut. [Nürnberg 1482] nn 7ᵃ; -beschreibung ebda. nn 6ᵇ; ein weltbescheyssen Eberlin v. Günzburg s. schr. 3, 41 ndr. sowie die zusammensetzungen mit einem partizip als grundwort, s. o. unter 3). als scherzhafte gelegenheitsbildung findet sich in neuerer mundart: beweltsehn 'das dieweiteweltsehenwollen austreiben' Jungandreas schl. zeitwortb. 45.
B.
als grundwort. minder zahlreich als die nach tausenden zählenden kompositionen mit welt als bestimmungswort sind die zusammensetzungen mit welt als zweitem kompositionsglied. auch sie begegnen bereits im mittelalterlichen dt. (vgl. ahd. altworolt Otfrid I 4, 40 K.; êristwerlt Notker 2, 77, 17; 3, 67, 25 P.), mehren sich jedoch erst in neuerer zeit, insbesondere seit dem 17.-18. jh. (s. Stieler stammb. [1691] 2493 u. Kramer t.-ital. 2 [1702] 1315ᵇ). im folgenden nur eine kurze orientierende übersicht durch verweise auf typische prägungen (vgl. im übrigen die umfassende zusammenstellung bei Sanders 2, 2 [1865] 1555f.).
1)
mit substantiv. vorderglied.
a)
im singular: alltagswelt (s. teil 1, 240), berg- (1, 1520), eis- (3, 381), erscheinungs- (3, 959), fabel- (3, 1217), geistes- (4, 1, 2, 2768), geld- (4, 1, 2, 2926), gemüts- (4, 1, 2, 3341), handels- (4, 2, 385), himmels- (4, 2, 1367), insel- (4, 2, 2142), kunst- (5, 1840), nebel- (7, 489), schönheits- (9, 1520), staats- (10, 2, 1, 326), stern- (10, 2, 2, 2527), theater- (11, 1, 1, 341), traum- (11, 1, 1, 1524), verstandes- (12, 1, 2, 1569), vogel- (12, 2, 429), wasser- (13, 2550), zauber- (15, 375).
b)
im plural: beamtenwelt (s. teil 1, 1206), blumen- (2, 166), bücher- (2, 474), enkel- (3, 487), farben- (3, 1329), feen- (3, 1411), frauen- (4, 1, 1, 83), gedanken- (4, 1, 1, 1981), geister- (4, 1, 2, 2755), gelehrten- (4, 1, 2, 2977), gespenster- (4, 1, 2, 4148), gletscher- (4, 1, 4, 8342), ideen- (4, 2, 2042), kinder- (5, 753), körper- (5, 1840), laien- (6, 79), pflanzen- (7, 1719), planeten- (7, 1891), puppen- (7, 2250), sinnen- (10, 1, 1173), sonnen- (10, 1, 1695), sünden- (10, 4, 1157), tropen- (11, 1, 2, 853), trümmer- (11, 1, 2, 1354).
2)
mit adjektiv. vorderglied: halbwelt (s. teil 4, 2, 220), klein- (5, 1132), neu- (7, 689), nieder- (7, 813), ober- (7, 1106), schofel- (9, 1440), unter- (11, 3, 1897), vorder- (12, 2, 977).
3)
mit adverb. oder präpos. vorderglied: auszenwelt (s. teil 1, 1028), jetzt- (4, 2, 2322), mit- (6, 2430), nach- (7, 230), neben- (7, 509), um- (11, 2, 1259), ur- (11, 3, 2606), vor- (12, 2, 977), zwischen- (16, 1380).
4)
mit einem verbalstamm als vorderglied. so nur in wenigen zusammensetzungen auftretend, welche auch die auffassung des ersten gliedes als subst. zulassen: reisewelt (s. teil 8, 743), schmause- (Ramler fabellese [1783] 3, 106), spiegel- (Jean Paul fata [1798] 2, 19).
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 10 (1954), Bd. XIV,I,I (1955), Sp. 1456, Z. 15.

Im ¹DWB stöbern

a b c d e f g h i
j k l m n o p q r
s t u v w x y z -
weithinausreichend welthinaus
Zitationshilfe
„welthaus“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/welthaus>.

Weitere Informationen …


Weitere Informationen zum Deutschen Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)