Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

weltherrschaft, f.

weltherrschaft, f.,
ohne zusammenhang mit einer bildung der frühdt. zeit (in sęcularibus dignitatibus in uuerlthersceften Notker[s gl.] 2, 277, 15 P., zu herrschaft 1, s. teil 4, 2, 1152) erscheint im 17. jh. eine komposition mit herrschaft 2, die dem neueren dt. als bezeichnung erdumspannender herrschaft geläufig wird (s. u. 2, 3 und vgl. ndl. wereldheerschappij, dän. verdensherskab, verdensherredømme und schwed. världsherravälde).
1)
herrschaft weltlicher art, irdisches regiment der menschen; so nur vereinzelt belegt: von diesem (dem priestertum) redet allhie der geist und nimmt Simeon mit darzu, als die weltliche herrschung, und saget von beiden als von einem: ... meine seele komme nicht in ihren rath und meine ehre sei nicht in ihren kirchen; das ist, gottes lebendiges wort, welches er seine seele heiszet, soll nicht in dieser irdischen weltherrschaft als in des menschen erster natuͤrlicher eigener kraft sein Jac. Böhme s. w. 5, 674 Schiebler; unter den Ottonen hatte noch kein papst gewagt, die weltherrschaft des kaisers, auch sein recht über die bischöfe und die geistlichkeit seiner länder anzutasten W. Pinder d. kunst d. dt. kaiserzeit (1935) 1, 135.
2)
herrschaft über ein weltreich, über grosze gebiete der erde.
a)
allgemein; meist die herrschaft über diein den verschiedenen weltgeschichtlichen groszreichen zusammengefasztenländer der alten welt (vgl. welt V A 2): die Römer waren aus einem engen, sittlichen, bequemen, behaglichen, bürgerlichen zustand zur groszen breite der weltherrschaft gelangt Göthe II 3, 127 W.; nicht allein die weltherrschaft der einen oder der andern stadt, sondern die zukunft des westlichen Europa stand auf dem spiel, als Hannibal die Römer und Italien überzog Ranke s. w. 14 (1870) 6; die vier thiere, welche die bisherigen vier groszen weltreiche in sich darstellten, ... sinnbilder der barbarischen völker ..., die bisher die weltherrschaft geführt hatten D. Fr. Strausz ges. schr. 3 (1877) 217; ein ebenso hochgehendes sächsisches nationalgefühl mochte Otto den groszen und seine nachkommen erfüllen, als die weltherrschaft der Franken durch die Sachsen erneuert schien Scherer lit. gesch. (³1885) 51; wir dürfen ja nicht vergessen, diese deutsche erhebung war nur ein teil eines groszen europäischen kampfes gegen die napoleonische weltherrschaft (1923) K. A. v. Müller dt. gesch. u. dt. char. (1926) 37; vereinzelt auch sonst: in Europa unterschätzte man damals die bedeutung der streitigkeiten (zwischen Frankreich und England) über grenzregulationen in der transatlantischen welt ... es war gleichsam ein kampf der racen über die weltherrschaft jenseit des oceans Ranke s. w. 30 (1875) 86 (und 84).
b)
besondere anwendungen. in dichterisch beflügeltem stil verknüpft mit dem bilde machtvoll sich ausdehnender, länder überflutender wogen: ahnen aus der grauen vorwelt, die mit ihren leibern sich entgegengestemmt haben der heranströmenden römischen weltherrschaft Fichte s. w. (1845) 7, 495; zuweilen nähert sich weltherrschaft der bedeutung 'weltreich': demnach hätten diejenigen doch eigentlich wahr gesprochen, die aus dem erscheinen jenes kometen den untergang einer groszen weltherrschaft oder nation vorherverkündiget Holtei vierzig jahre (1843) 1, 251; mit ihnen kamen die groszen weltherrschaften, fünf an der zahl Gutzkow ges. w. (1872) 6, 346; vereinzeltbereits zu 3 überleitend — 'prätention, nahezu alle weltteile zu beherrschen': wie vielen voͤlckern haͤtten sie (die Römer) ohne recht grosse laͤnder und nun bey nahe die halbe welt weggenommen; was tadelten sie denn der Cimbern strand-recht, welches gegen der eingebildeten welt-herrschafft der Roͤmer kaum einen sonnen-staub unbilligkeit in sich haͤtte Lohenstein Arminius 2 (1690) 1236.
3)
herrschaft über die erde.
a)
politischer machtträger. von der weltbeherrschenden stellung einzelner staatslenker: im ersten relief reicht das personifizirte Rom dem kaiser eine kugel, das symbol der weltherrschaft, dar H. Meyer bild. künst. (1824) 3, 299; Bonapartes plane zu einer alleinherrschaft nicht blosz in Frankreich, sondern zu einer weltherrschaft J. Kerner bilderbuch (1849) 368; auch hätte man gelegenheit, einen bund gegen ihn (Karl V.) zu errichten, ... an dessen spitze man dem zur weltherrschaft aufstrebenden mächtig gegenübertreten ... könnte Ranke s. w. 3 (1868) 132; der gedanke der päpstlichen universalmonarchie und weltherrschaft, auch im weltlichen sinne, war schon älter als Innocenz ⅠⅠⅠ. Nitzsch dt. studien (1879) 65; wie einzelner staaten und völker: ehe die begierde nach der weltherrschaft sich von Asien aus auf die Griechen fortgepflanzt und dann die Römer ergriffen hatte Fr. Schlegel s. w. (1846) 11, 15; in diesem roman war geschildert, wie sich alle hundert jahre einmal die fürsten der über die ganze welt verstreuten zwölf stämme Israels ... in Prag treffen und darüber beraten, was weiter zu geschehen habe, damit die jüdische weltherrschaft sich stabilisiere Feuchtwanger geschw. Oppermann (1948) 102.
b)
gelegentlich auch sonst, vom beherrschenden einflusz verschiedenartiger mächte:
neue weltherrschaft.
die fuͤnfte monarchei ist nunmehr aufferstanden,
das geld ist jezt allein ein herr in allen landen
J. Grob epigr. 103 lit. ver.;
wie nun war die griechische sprache zu dieser uebermacht gelanget? allerdings trugen die siege Alexanders, so wie die von seinen nachfolgern in Asien und Africa errichteten reiche zu verbreitung ihrer weltherrschaft bei Herder 23, 82 S.; das märtyrtum des triumphators (Christi), der dem geiste die weltherrschaft erwarb, ward sinnbild dieses sieges, und die ganze menschheit strebte seitdem ... nach leiblicher abtötung und übersinnlichem aufgehen im absoluten geiste Heine s. w. 7, 47 E.; jeder glaube, solange er zur weltherrschaft berechtigt war (29. 6. 1845) Jac. Burckhardt br. (1935) 2, 137; der gescheitere giebt nach! ein unsterbliches wort. es begründet die weltherrschaft der dummheit M. v. Ebner-Eschenbach ges. schr. (1893) 1, 6; die weltherrschaft des deutschen gedankens wird die ganze hasseswelt (der gegenseite) ... nicht zertruemmern qu. a. d. j. 1917.
4)
herrschaft über die gesamtheit der schöpfung: die schaffende kraft, Brama, ward bei den Indiern bald in den schatten gedrängt ..., indesz Wistnu und Siwa ... sich in den thron der weltherrschaft theilen Herder 16, 78 S.; einen kreis von goͤttern (zu glauben), zu denen er (der fromme), wie sie sich in die weltherrschaft theilen, ... in verschiedenen beziehungen steht Schleiermacher s. w. (1834) I 3, 44; auch 'die herrschaft gottes uͤber die welt, uͤber das weltall' Campe 5 (1811) 673; auf die weltlenkende macht bezogen (vgl. herrschaft 4 teil 4, 2, 1153):
welche weltherrschaft aber gibt es zu,
welches geschick aus allen weltgeschicken,
dasz sich der tod an solchem werk vergreift?
Rilke ges. w. (1927) 6, 252.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 11 (1955), Bd. XIV,I,I (1955), Sp. 1601, Z. 39.

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weithinausreichend welthinaus
Zitationshilfe
„weltherrschaft“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/weltherrschaft>.

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