Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

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wandel, m., (früher auch n.)

wandel, m. (früher auch n.),
verkehr, gang, lebensführung, veränderung, makel, rückgängigmachung, busze, strafe usw.
I.
herkunft und formen. wandel ist von dem verb. wandeln ahd. wantalôn aus gebildet und steht neben der älteren abstractbildung wandlung ahd. wantalunga in allen bedeutungen dieses wortes und wird meist im gebrauch vorgezogen, besonders da wo kein engerer anschlusz an das verb. vorliegt, so bei wandel 'makel' (wo nur mhd. auch wandelunge vorkommt), bei 'strafe, busze' (nur mnd. auch wandelinge), und auch bei 'verkehr' und 'lebensführung' hat es in der neueren sprache die ältere bildung verdrängt. das wort hat sich aber erst allmählich ausgebreitet. im früheren ahd. kommt nur das doch wol als fem. (oder plur. eines masc.?) anzusehende wantala, negotium Steinmeyer - Sievers gl. 1, 285, 17 und dann bei Notker wandil 'mutatio' und wandel 'conversatio' vor. im mhd. findet sich das wort in allen bedeutungen (mnd. wandel ist 'veränderung, mangel, abhilfe, ersatz, busze', afries. wandel 'veränderung, tausch', dän., schwed. vandel sind entlehnt) und schwankt zwischen masc. und neutr. geschlecht. herrschend ist das neutr. bei der bedeutung 'strafe' (vielleicht unter einflusz von wette), so sehr häufig in den österr. weisthümern, ferner S. Helbling 2, 559 u. ö., H. Sachs 21, 36 (das masc. ist hier seltener z. b. corpus juris metallici 65). auch für 'conversatio' kommt das neutr. vor bei Megenberg 212, 20 und für 'fehler, makel' bei Walther 59, 29. Keller altd. erz. 50, 36. in vielen fällen ist das geschlecht nicht zu erkennen. das nhd. hat nur das masc. der plur. lautet dem sing. gleich wandel. nur in bair.-österr. quellen kommt umgelautet wändel vor und zwar nicht nur in der bedeutung 'verkehr' (kauf und wändl österr. weisth. 8, 162), sondern auch, obgleich hier vom neutr. auszugehen ist, 'strafe' österr. weisth. 1, 52. 7, 255. 8, 542 u. ö. das nhd. kennt pluralformen überhaupt nicht.
II.
bedeutung und gebrauch. entsprechend den bedeutungen, die das verb. wandeln hat, erscheint wandel in sehr zahlreichen verwendungen. viele gebrauchsweisen der älteren sprache sind aber abgestorben oder leben nur noch in bestimmten alterthümlichen oder mundartlichen wendungen, so wandel als 'fehler', 'rückgängigmachung' (während wandlung in diesem sinne üblich geblieben ist), 'busze, strafe'. wandel als 'verkehr' hat sich im wesentlichen nur in der verbindung handel und wandel erhalten; wo jetzt einfaches wandel in diesem sinn vorkommt, hat es sich erst aus der verbindung losgelöst. auch wandel als 'änderung' war so gut wie verschwunden und erst die neuere sprache hat es mit neuer anlehnung an wandeln wieder in aufnahme gebracht (neben wandlung). am verbreitetsten sind jetzt zwei erst im spätmhd. auftretende bedeutungen, die von 'gang', die in ihrem gebrauch dem verb. wandeln 'gehen' parallel geht, und die von 'lebensführung'; letztere hat von der bibelsprache ausgehend bald allgemeine annahme gefunden. dazu kommen einige reste älterer gebrauchsweisen in den mundarten.
A.
an wandeln in der ursprünglichen bedeutung 'ein ding hin und her wenden' ist anzuknüpfen bei der vereinzelt vorkommenden bedeutung 'winde': volvella, ein wandel, als an ainer presz. Diefenbach nov. gl. 385ᵇ; ferner wol (vom refl. ausgehend) bei wandel als 'spielraum, lockerung, bewegung, veränderung, besonders von gegenständen, die sonst festgefügt zu sein pflegen', das aus dem Elsasz als gebräuchlicher handwerksausdruck angeführt wird Martin-Lienhart 2, 834 (dis ding het ze vil wandel); dann auch einer person oder sache wandel lassen. ähnlich in der Pfalz Autenrieth 149 (der fusz musz im schuh wandel haben), wo daneben auch wand vorkommt.
B.
von wandeln 'sich hin und her bewegen' aus erklärt sich wandel als 'verkehr', 'gang' und 'lebensführung'. die bedeutungen berühren sich mehrfach in ihrer weiteren entwicklung, so dasz einige gebrauchsweisen unter der einen oder andern hauptbedeutung angeführt werden könnten. überall die bewegung des gehens zum ausgangspunkt zu nehmen, ist kaum zulässig. als 'verkehr' hat sich das wort wol nicht von 'hin und her gehen' aus entwickelt (das freilich auf die ausbildung der bedeutungen von einflusz war), sondern direct von 'sich hin und herwenden' und geht in seiner anwendung zunächst dem aus gleicher grundvorstellung entwickelten lat. conversatio parallel; fruchtbar für den späteren gebrauch war die beziehung auf den verkehr in der bürgerlichen gesellschaft, namentlich den geschäftsverkehr, wo sich die verbindung handel und wandel ausbildete. von 'hin und hergehen' aus haben sich mit wegfall der iterativen auffassung die bedeutungen 'art des gehens, gang' entwickelt, die nicht über das spätere mhd. hinauf zu verfolgen sind. wol schon früher (vgl. wandlung in gleicher bedeutung) ist aus 'verkehr', wieder im anschlusz an conversatio, die bedeutung 'art sich im verkehr zu benehmen, lebensführung' hervorgegangen, die sich zunächst vornehmlich auf die bibelsprache stützt; hier macht sich dann auch besonders die auffassung 'gang durchs leben' geltend (vgl. die verhältnisse bei wandeln, wo die bedeutung 'ein leben führen' in noch entschiedener weise durch die auffassung 'durchs leben gehen' bestimmt worden ist). auch hier begegnet die verbindung mit handel (wie mit anderen bedeutungsverwandten subst.).
1)
wandel als 'verkehr'.
a)
als 'verkehr, umgang, gemeinschaft' (vgl. wandlung 2) erscheint das wort bei Notker, wo es nach lat. weise mit dem genetiv verbunden ist: daʒ siê (Moses, Aaron und Samuel) tagelicha muohi hábeton fone déro úbelon wándele (conversatione), under dien sie wurben. ps. 98, 8 (2, 414 Piper). sonst erscheint der gebrauch (von den nachher zu erörternden fällen abgesehen) nur selten in der älteren sprache:
mit nihtiu frô kan siu (die minne) machen.
er heiʒet wol der arme,
der sich mit irem wandel muͦz besachen.
Hadamar v. Laber 193, 7 Steijskal (ähnlich noch an 2 stellen);
hab nit wandels mit im (dem feinde) ..., lig nit an seinem bett, trag nit sine cleider buch der beispiele 119, 20 Holland; noch Dentzler 2, 342ᵃ giebt an: wandel, gemeinschafft, conversatio, commercium; bei Lehmann 1, 875 ist wandel, gesellschaft die überschrift eines abschnitts, wo vom verkehr mit den menschen die rede ist. am anschlusz an die ältere sprache bei Voss:
drum nun grade hinein euch gewandt, und entweder gestorben,
oder heil euch erkämpft! denn das ist der wandel (ὀαριστύς 'umgang') des krieges!
Ilias 17, 228.
b)
schlieszen sich örtliche bestimmungen an, so entwickelt sich aus 'verkehr an einem ort' die vorstellung 'wirken, leben und treiben an einem ort' oder auch nur 'aufenthalt an einem ort'. so hat schon Notker in der einleitung zu ps. 93 (2, 393 Piper): dero libwandil in himilin ist (quorum conversatio in celis est). in späteren belegen tritt auch die auffassung 'gehen an einem ort' (vgl. wandeln B 2, c, δ) hervor.
α)
swâ der minnencliche got
ûf erde ie hatte wandel
mit werken ald mit handel
und dâ zuo unser frouwen,
daʒ was von im mit schouwen
ervaren eigenlîche.
Reinfrid v. Braunschweig 18177;
wilcher vorbannet wirt, muss entsetzt seyn des gemeynen sacramentis und wandel unter den menschen Luther 6, 66, 20 Weim. ausg.; das der herr Christus unter inen sey aus und eingangen, das ist, seinen wandel und wesen unter inen gehabt 16, 224, 18; Wifflisburg .. hat auch noch viel antiquitates und alter urkund, welche der Römer wandel anzeigen, so sie vor 1650 jahren an diesem ort gehabt han Quadt von Kinckelbach teutscher nation herligkeit (1609) 62;
hat er bey obrigkeit sein wandel,
lasz er sich brauchen, halt trewlich drob,
so erlangt er rhum, preis und lob.
H. Sachs 19, 84, 24 Götze.
was machst du denn ausz diesem handel,
und hast in wolcken deinen wandel?
Spreng Äneis 263ᵃ (12. ges.).
β)
da derselbig (der körper) sein wohnung und wandel gepflogen hatt Paracelsus (1616) 2, 493.
γ)
der anfang mins (der maus) wandels in dem land was in einem husz eines säligen einsidels buch der beispiele 90, 10 Holland; folget mir, lieben brüder, und sehet auff die, die also wandeln, wie ir uns habt zum furbilde ... unser wandel (τὸ πολίτευμα, bis 1527 burgerschafft, Mentel: wandelung, Koburger: wanderung, vulg. conversatio) aber ist im himmel, von dannen wir auch warten des heilands Phil. 3, 20; im himel ist unser bürgerschaft, wandel und wonung Luther 34, II, 112, 16 Weim. ausg.;
herr Jesu, zieh uns für und für,
dasz wir mit den gemühtern
nur oben wohnen stets bey dir
in auszerwehlten gütern.
lasz' unsern sitz und wandel seyn,
wo fried' und warheit gehn herein.
Rist, Fischers kirchenlied. 2, 188, 11.
δ)
anderen, weit von den menschen verkehr und wandel gewährend,
ordnete Zeus der vater den sitz am rande des erdreichs.
J. H. Voss antisymbolik 210.
c)
treten richtungsbestimmungen hinzu, so kommt bei 'wohin gerichteter verkehr' die vorstellung 'wiederholtes gehen wohin' auch stark mit in betracht. das alemannische hat einige hierher gehörige wendungen ausgebildet.
α)
täglicher wandel zuͦ eim, congressus quotidianus Maaler 483ᵈ; vor grosser scham darff ich keinen wandel zuͦ im haben, clausit mihi consuetudinem pudor, ebenda; wandel zu einem haben, commercium habere, versari cum aliquo Dentzler 2, 342ᵃ; villicht hört er erlogne wort ... dann ich weisz, das etlich wandel zuͦ im haben, die voll aller boszheit sind buch der beispiele 44, 36 Holland;
so do der man hat wandel zuͦ euch here.
lied (1515) bei Montanus 531 Bolte;
darneben haben sie wonung zu den leuten gehabt, und sie besucht auch in irem anligen, dieselbigen getröst und underweisen (dazu am rande: die moͤnch hatten wandel zu den leuten) Stumpf Schweytzer chronik (1606) 349ᵇ; vil zuͦgang und wandels war zuͦ ihm auss der statt 526ᵇ.
β)
wann vil der júngling hetten wandel in ir (der hure Leena) husz zuͦ froͤden Steinhöwel de claris mul. 177, 13 Drescher; gen Zürich und gen Lucern, dahin si mit marckten iren grösten wandel hattend Tschudi chronicon Helveticum 1, 72ᵃ.
γ)
noch jetzt schweiz. den wandel zu einem haben, schwäb. seinen wandel in ein wirtshaus haben.
d)
noch mehr wirkt die vorstellung des hin- und hergehens ein bei der bedeutung 'straszenverkehr, leben und treiben auf den straszen', die in obd. quellen seit dem spätmhd. erscheint und auch noch im alemann. lebendig ist: wer fürbas púchssen versuchen oder damit kurtzweilen und schiessen will, der sol das thun vor den ewssern statthoren an steten und enden, do nicht wandels ist und do dy lewt dovon nit schadens gewarten dorffen Nürnberger polizeiordnungen 54 Baader; und süllen ... si nihsnit buwen weder von holtz noch von stain in dhein wise dafür (vor den kellerhals) ... noch dheinen wandel daruff hǎn württemberg. geschichtsquellen 7, 137, 31 (1374); es sol ouch kein hegeuner (fischer) noch nieman andre kein gelti noch geschirr mit vischen ze verkouffen zwischen dien benken uf den herd nider setzen, won si súlent usser dem weg an einem ende ir visch embode setzen, durch daʒ erber lút iren wandel dester bas an dem vischmarkt gehaben mugen Zürcher stadtbücher 1, 194 Zeller-Werdmüller; dasz die strasz zuͦ riten und faren, wie vor, fri und ongespert wer, und die zit vom maiabend bisz uf Jacobi man ouch den wandel daruf han möcht fri wie vormals Joach. von Watt deutsche histor. schriften 2, 163, 18 Götzinger; hab ich vermainet, ich werffs (den unrat) schlecht in ein winkel hinab, da kein wandel fúriber gehe Krafft reisen 180 Haszler; ein zeughausz das soll gebauwt seyn etwan an einem orth, da es dem gemeinen wandel der leut nit zu nahe Fronsperger kriegsb. 1, 89ᵃ (1573); in oder bey solcher schantz seindt auch drey stück lucken oder porten unvermacht, aber wol bewart und bewacht offen gelassen, durch welche der gemein wandel der proviandt und fütterung ausz und einpassieret kan und mag werden 3, 126ᵇ; weingärten .., so an die strassen und gassen (besonder da ein gemeine strasz, wandel und tröff ist) stossen würtemberg. revid. bawordnung (1654) 35; dieweil die creutz- und abgassen in unsern städten gemeiniglich so eng, dasz sie ... mit dem gemeinen täglichen wandel beschwerlich zu gebrauchen 43; gegen den märckten, plätzen, und gemeinen gassen, da täglicher wandel mit fahren und gehen, und hievor eine enge ist 47; dem allgemeinen wandel mit gehen und fahren zum nachtheil 48. in Schwaben liest man in amtlichen bekanntmachungen: der wandel durch den posthof ist verboten u. dgl.; auch in der Schweiz ist der ausdruck noch bekannt:
sieh! im regen brückenwandel
malet sich ein schönes bild;
liebend hebt ein kleines dirnchen
seinen bruder vor den (wappen-)schild.
G. Keller 10, 64.
auch verkehr zwischen entfernteren orten: im frîen wandel von ort zuͦ ort Val. Anshelm Berner chronik 4, 504, 21; sobald sicherer wandel, die pensionen und der puͤnden bullen zeschicken 129, 28; deszhalb mir freyer wandel und handel meiner geschefft daselbs verhept ist Riederer spiegel der rhetoric 74ᵃ.
e)
auch von thieren wird wandel 'verkehr' gebraucht:
doch weil sie (die vögel) nur im lufft und erdt
ihren wandel haben allein
und können nicht im wasser seyn.
Ganszkönig A 7ᵇ;
vom hirsche bezeichnet wandel das hin- und hergehen von einem standort zum andern, den wechsel: wie der hinden wandel ist, so sie von dem essen geht Sebiz feldbau (1579) 572; so ist auch ein groszer unterscheid zwischen eines hirsch und eines wilds wandel, der hirsch ist gern in den vorhöltzern ... jag und weidwerckbuch (1582) 1, 36ᵇ; einen wandel thun wird nur allein von guten hirschen gesagt, deren jeder vor sich zu gewissen jahreszeiten seine besondere stände hält, und von und zu solchen bogen, darinnen er alsdenn gerne stehet, den wandel thut C. v. Heppe vom leithund 98; dann ist es wie wechsel (was jetzt der gewöhnliche ausdruck ist) 'diejenige gegend, wo das wildpret gerne hin und her ziehet' v. Heppe wohlred. jäger 325 und 'derjenige ort, wo die jagdtücher zusammen geknebelt, und auch die netze oder garne zusammen gestellet werden' v. Heppe a. a. o. 324. Stahl forst- fisch- u. jagdlex. 4, 1061.
f)
in der litteratursprache kam diejenige auffassung von wandel zur herrschaft, nach der es auf die thätigkeit im kreise der menschen, das wirken in der bürgerlichen gesellschaft bezogen wird. hierher gehört wohl schon die glosse wantala, negotium Steinmeyer-Sievers gl. 1, 285, 17 (Rd., zu 2. Mos. 18, 18, Luther: das gescheffte).
α)
zuweilen wird wandel fast so gebraucht, dasz es das bürgerliche leben selbst bezeichnet, darum auch die verbindung leben und wandel (vgl. unten 3, f): die jüden aber seind nicht inn täglicher bewegung und arbeit, noch wesen oder wandel der menschen problemata Aristotelis (Frankf. 1568) G 5ᵇ; entweder im leben und wandel; oder in der schwehrmuht und langweil Butschky Pathmos (1677), einführung 4ᵇ; bey solcher beschaffenheit hätte die natur gar nicht, sondern die wollust alleine vonnöthen gehabt dem menschen die begierde zu bürgerlicher gemeinschaft einzupflantzen, ungeachtet der mensch eine fähigkeit an sich hat, dasz er zum bürgerlichen wandel ausgearbeitet werden könne Lohenstein Arminius 1, 352ᵇ; entweder sie (die gesetze) sind weltliche, dasz ist, sie gehen das gemeine leben und den bürgerlichen wandel an Ch. Weise politische fragen 58; discours, welcher gestalt man denen Frantzosen in gemeinem leben und wandel nachahmen solle (titel der 1687 von Ch. Thomasius veröffentlichten schrift); was Huartus, Claramontius ... in ihren schrifften davon hinterlassen, ... handelt mehr von speculativischen subtilitäten, als die man im gemeinen leben und wandel nutzen kan (nachher: im bürgerlichen leben und wandel) Ch. Thomasius kleine teutsche schrifften (1707) 475; man will ... seinen genialen einfall ... nicht davon fliegen lassen, man musz ihn also einrenken in die gelenke des gewöhnlichen wandels Gutzkow werke (1845) 5, 217.
β)
ferner kann es 'art seinen lebensunterhalt zu erwerben, beruf' sein: dieweil er ... wust ..., dasz ein rechtgeschaffener medicus in allem seim ... wandel dahin sinnen und schalten sol, die leut auff alle mögliche weg ... frisch zuerhalten Fischart Gargantua 11 neudr.;
jedes land hat sein gewerb, sein gesuch und seinen wandel;
die die gegen norden sind, machte reich der seelen-handel.
Logau 2, 7, 66;
ähnlich von thieren 'lebensweise': ich sahe ihren (der ameise) wandel, und lernte von ihr fleissig seyn, und sammeln Lessing 1, 155.
γ)
besonders wird es auf die kaufmännische thätigkeit bezogen. die bedeutung 'handel' ist nach den belegen für wandeln B 1, g schon sehr alt, in den stellen bei Zink tritt aber die grundbedeutung 'verkehr' (oben b. c) noch deutlich hervor: wer do bey uns hie in der stat sitzt, muh und wandel mit kauffen und verkauffen treibet, der sal der stat recht thun an geschos Michelsen rechtsdenkm. aus Thüringen 426 (stadtrecht zu Leutenberg 5); der Ochsenfuesz ... hat vil wandels hie in der stat gehapt mit den burgern, kaufleuten und metzgern und gemain mit in gehapt mit ochsen von Ungern, küen und säwen und ist wol bekant hie gewesen Zinks Augsburger chron., städtechron. 5, 309; das der von Argon unser burger nit ist, darumb er billich, sol er in unser statt wandl haben, sich halte als ain gast (nachher: das er seinen wandl sol haben als ain gast, nachdem er kain burger ist) 5, 409; sie rügen auch zu recht das all kauf und wändl haben iren fürgank. wer dawider thät, der wär der herschaft verfallen ain phund phening österr. weisth. 8, 162 (1561); vgl. auch i) die belege aus Eyring und Lugau, die wol schon die verbindung handel und wandel voraussetzen, ebenso: wandel, negotium Schottel 1440.
g)
die seit dem 15. jahrh. vorkommende verbindung handel und wandel kann die allgemeine bedeutung 'verkehr mit den menschen, in der bürgerlichen gesellschaft' haben, auch noch in der neueren sprache: das wir mit denen lebent, die uns sint mit handel und wandel, mit gunst, sipschaft und früntlicher dienstbarkait verainet. N. v. Wyle translationen 118 Keller; mit den selben (den grafen) denn der kayser in gespraͤch, handel und wandel vil geheimnuss hat Stumpf Schweytzer chronik (1606) 312ᵇ; wie grosz ist der einflusz, den die begierde übels von andern zu schreiben, und dieses zu lesen in handel und wandel hat Rabener schriften 4 (1755), 419; nicht mit worten, ach! diese schienen ihm so lediglich von der oberfläche abgegriffen und abgehört, so blosz zum handel und wandel erdichtet und eingerichtet, so allgemein, so verbraucht Heinse bei Gleim briefwechsel 1, 327 Körte. mit jemand: nachher entstanden aus den veränderten regierungen, aus neuen kriegen handel und wandel mit fremden Schlesw. literaturbriefe 67, 7 neudr. meist macht sich später der nebensinn der nutzbringenden thätigkeit bemerklich: ein yglicher handel und wandel, sol er gott wolgefallen, so sol er andern leuten mehr dienen denn yhm selbs Agricola sprichw. (1529) 2, 27ᵃ; fromme regenten .., welche ... sichs lassen recht blutsauer werden, sich verzehren, hingegen genieszen die unterthanen ihres handels und wandels, nützigen vortheils und genieszes G. Treuer deutscher Dädalus (1675) 1, 107; ein würdiger alter herr, der seine freude am verkehr der menschen hatte, handel und wandel, wo er nur vermochte, forthalf, und einen steindamm einst bauen liesz, weil mir eine stute drauszen, wo der weg in's dorf geht, das bein gebrochen H. v. Kleist 3, 8 (Kohlhaas).
h)
besonders geht sie aber auf den geschäftlichen, kaufmännischen verkehr, mittel und wege seinen lebensunterhalt zu erwerben. es mischt sich hier bei wandel auch die bedeutung 'austausch' ein (von der Adelung ausgehen will) vgl. unten die stelle bei Bode.
α)
so ist die verbindung seit dem 17. jahrh. allgemein üblich (Stieler führt sie noch nicht an): im handel und wandel, dans le commerce du monde Rädlein 1028ᵇ; in gemeinem handel und wandel in matter of common trading, traffick or negotiating Ludwig 2378; der handel und wandel, negotia Steinbach 2, 925; handel und wandel, negotia, geschäffte, verrichtungen im täglichen leben und beruff, im bürgerlichen wesen, actiones hominis Frisch 2, 421ᶜ; handel und wandel, die handlung, kaufmannschaft, mercatura, commercium Nieremberger; dieselbe bei ihrem handel, wandel und gewerb aller orten frei, sicher, unverhindert und unaufgehalten passiren und repassiren lassen Wustmann quellen zur gesch. Leipzigs 2, 216 (1638); womit er sich doch ernähre, was sein stand, handel und wandel wäre Grimmelshausen 3, 49, 9 Keller; im handel und wandel musz allemal einer verlieren, wenn der andre gewinnen soll Rabener schriften 3 (1752), 155; münzen, die, wenn sie schon nicht im handel und wandel gelten können, doch immer schöne spielmarken abgeben Lessing 8, 456; zug um zug ist eine regel in der handlung, aber nicht in der freundschaft. handel und wandel leidet keine freundschaft; aber freundschaft leidet auch keinen handel und wandel 12, 150; wenn er die religion in die erziehungskammern, in das gemeine leben, in den handel und wandel, in die gesellschafts- und geschäftszimmer einführet Herder 2, 235 Suphan; denn sie waren das höchste gericht im lande. auszerdem berechner der zeit, bewahrer des rechten gewichts und maaszes im handel und wandel 12, 91; treu und glaube ist der eckstein aller menschlichen gesellschaft. auf treu und glaube sind freundschaft, ehe, handel und wandel, regierung und alle andre verhältnisse zwischen menschen und menschen gegründet 17, 91; die griechische sprache, die den Juden bei ihrem handel und wandel unter den völkern, zur zeit der herrschaft der Griechen und Römer, unentbehrlich war 19, 8; diesz (der betrug mit assignaten) verwirre .. handel und wandel in's unendliche Göthe 33, 142 Weim. ausg.; aber sie sind .. nicht schlau genug, sich vor den betrügereien der meisten im handel und wandel zu sichern Ritter erdkunde 1, 393; dasz ich, als edelmann von alter familie mich thätig bei einer unternehmung bezeige, welche denn doch ... keinen andern zweck hat, als handel und wandel und geldprofit Immermann Münchh.² 2, 57; F. List war mit den anhängern Metternichs darüber einig, dasz der norddeutsche groszstaat unseren handel und wandel zu grunde richte Treitschke hist. u. pol. aufsätze 1, 237; der .. ging seine geschäftswege und vergasz in handel und wandel frau und kinder Frenssen Jörn Uhl 309;
handel. wandel
sei gerichtig.
Arnim (1853 ff.) 11, 256.
übertragen: alle andre dinge kommen in handel und wandel; wir leihen unsern freunden unsre güter, und stehen ihnen im nothfall mit unserm leben zu diensten Bode Montaigne 2, 262; wenn jemand wort und ausdruck als heilige zeugnisse betrachtet und sie nicht etwa, wie scheidemünze oder papiergeld, nur zu schnellem, augenblicklichem verkehr bringen, sondern im geistigen handel und wandel als wahres äquivalent ausgetauscht wissen will Göthe 7, 115 Weim. ausg.; seine gesellschaft war von meines ganzen lebens wandel und handel der beste gewinn 7, 150.
β)
feste verbindungen mit verben. handel und wandel blüht, gedeiht, liegt darnieder, stockt u. dgl.: handel und wandel blühen Schiller 1, 156; das beispiel benachbarter reiche .., wo .. handel und wandel auf das beste gedeihe Ranke werke 2, 34; als sich handel und wandel ... zu heben begannen W. v. Polenz Grabenhäger 1, 172; fällt die begierde nach reichthum weg, so liegt aller handel und wandel Liscow sat. schriften (1739) 455; die wuth des aufruhrs ergreift die entferntesten provinzen; handel und wandel liegen danieder, die schiffe verschwinden aus den häfen, der künstler aus seiner werkstätte, der landmann aus den verwüsteten feldern Schiller 7, 10; handel und wandel stockten Treitschke d. gesch. 1 (1879) 277. handel und wandel treiben (vgl. wandel treiben oben f): handel und wandel treiben Schottel 1440; handel und wandel treiben, mercaturam facere Nieremberger; was sind diese glücks - güter mir und den meinigen auf dieser insul nütze, da wir mit niemanden in der welt handel und wandel zu treiben gesonnen? Schnabel insel Felsenburg 337 neudr.; aber menschen auf die schlachtbank oder an die kette liefern, sollen sie nicht, sonst können sie handel und wandel treiben, womit und mit wem sie wollen Lenz 3, 311 Tieck; weil die Engländer das ausdrückliche versprechen verlangten, handel und wandel in ruhe treiben zu dürfen Ranke werke 38, 242. handel und wandel stören u. dgl.: besser werde ihnen sein, auszuwandern, nach Venedig oder ... Frankreich, wo man ehrlichen handel und wandel nicht beschränke Ranke werke 1, 123; diess (der zwangsumlauf der falschen assignaten) verwirre aber handel und wandel ins unendliche Göthe 33, 142 Weim. ausg.
i)
aus der verbindung handel und wandel erscheint manchmal wandel abgelöst in selbständigem gebrauch:
am marckt und handel
kent man den wandel.
Eyring 1, 64;
es sitzt der schlaf am zoll, hat einen guten handel,
sein ist der halbe theil von unsrem gantzen wandel.
Logau 1, 6, 1.
noch blüht gesegnet in der runde
der städte wandel, kunst und fleisz.
Geibel 4, 232;
handel schafft wandel aufschrift der handelshochschule in Leipzig. mit anspielung auf wandel 'hin und hergehen': seit die Barkas den kaufmann aufgegeben, und soldaten geworden, haben wir den kahlen nord, statt des üppigen Sudan, eisen statt gold, wandel statt handel Grabbe 3, 391 (Hannibal) Blumenthal;
2)
wandel als 'gang'. die bedeutung ist aus 'hin und hergehen' (vgl. 1 b bis e) abgeschwächt und tritt im späteren mhd. (zuerst im jüng. Titurel) auf, besonders in alem. quellen; häufiger wird sie erst seit dem 18. jahrh., nachdem sich wandeln 'gehen' eingebürgert hat, doch beschränkt sie sich fast ganz (vgl. f) auf die poetische sprache (dagegen gehört ndl. wandel 'spaziergang' der umgangssprache an).
a)
art und weise zu gehen.
er (der wolf) gienc zem stalle trügenlîch,
und gebârte gelîch
der alten geiʒe in valschekeit
an stimme, an wandel.
Boner edelstein 33, 14 Pfeiffer;
dein gang sey nit unzüchticlich,
dein wandel gantz unstraffberlich.
Hätzlerin II 61, 42 (s. 251).
meist ist wandel mit adjectiven verbunden, die den gang kennzeichnen:
mit leysen drieten, wie ein pfab,
gieng zu dem hausz mit einer kandel
ein hauszmagd mit züchtigem wandel.
H. Sachs 5, 208, 10 Keller;
der aff, weil er ist lächerlich,
scheuet die schnecken sonderlich,
dieweil sie ernsthafts wandels sint.
Fischart ehzuchtbüchlin 155, 25 Hauffen;
was hastu mangel und fehls, ob du schon nicht durch den reyff und zirckel springen und auff dem seyl gehen kanst? gehe mit frommen leuten herein mit nüchterem wandel, krumme geberden und springen gehören spilleuten zuͦ Petrarche trostbücher 194ᵇ; sein gang und wandel schlotterig Stilling häusl. leben 157; trat herein ein mann mit gebrechlichem mantel — und schwächlichem wandel — der den einen fusz schleifte Rückert werke 11, 236 (2. makame);
diesen schönen gang betrachte,
diesen abgemessnen wandel!
Platen 159 (aus Hafis);
er ... schreitet
mehr im lauf, als im gemessnen wandel
steile felsenwege fröhlich abwärts.
324 (Abbassiden 1);
könnt' ich tauchen nieder, nieder
bis in eure (der seejungfrauen) nähen!
könnt' ich eurer schlanken glieder
leisen wandel sehen!
sehen euch den reigen üben,
schwesterlich verschlungen.
Lenau ged. 1, 265;
und rings gestalten hohen wandels nahen,
dich in dem land der schönheit (Italien) zu empfahen.
Greif gedichte² 134.
wortspielend: lasz die leute sagen, dasz wir leute von gutem wandel sind, denn wir wandeln, wie die see, mit dem monde, unsrer edlen und keuschen gebieterin, unter deren begünstigung wir stehlen Shakespeare, Heinrich IV, 1. th. I, 2; (mein, des flickschusters gewerbe) besteht darin, einen schlechten wandel zu verbessern J. Cäsar I, 1.
b)
daraus scheint die bedeutung 'äuszere haltung hervorgegangen zu sein, die im älteren nhd. und jetzt dialektisch vorkommt (vgl. auch unten 3 a): habitus, wandel. voc. pred. k 8ᵃ; diez kind (Cupido) ... gibt rǎt den lyb zezyeren, guͦt sytten zehalten, erber geberd zehaben, guͦten wandel (corporum mores compositos), lustlich rede sagen und singen Steinhöwel de claris mul. 58, 8 Drescher; umb ir (der Helena) suͤsse stimm, umb iren loblichen wandel und guͦt geberd (ob vocis suavitatem nec non et gestus quosdam), umb iren rosenfarben, wolschmekenden mund 124, 15; auff disen tag zohen bisz in neün oder zehen tausent menschen ausz Wien ... als flüchtig mit einem solchen erbermklichen wandel und geschrey, es möcht ein stein erbarmt haben S. Franck chronica 245ᵇ; von stund an, die weil jederman an allen orten schreye, ist die statt versperrt worden, des reichs wandel (regni habitus) ungestalt gemacht, und der bürgerschafft angesichter inn kläglicher und tödtlicher weise vermachet J. Herold Dictys (1554) 44. als 'körperliche haltung' ist das wort noch jetzt in der Schweiz üblich z. B. in Davos: där hed doch an hübscha wandal Bühler 1, 287; dann auch 'betragen, aufführung' (ein wändeli verfüere 'sich ausgelassen benehmen'). prägnant 'gute haltung': demnach als Rengnold urlob von Anthea genommen hat, reyt er wyder in die stat, so gantz entzunt inn ir liebe, das er all sin wandel (contenance) verlor, so bald er die gsicht verloren hat, und och all sin stercky Morgant der riese 174, 22 Bachmann; 'einnehmendes, geziemendes benehmen' Bühler a. a. o. ähnlich pfälz.: es isch ke wandel (geschick) in em Autenrieth 149.
c)
das gehen: wandel, ambulatio Steinbach 2, 925. Kirsch 2, 380ᵃ. Hederich (1753) 2577; Adelung führt 'handlung des gehens' als veraltet an;
dort seind zween buben umgekehrt,
die füsz gen berg, der kopff zur erd:
wollen jetzt auf den händen gehn,
eh sie den wandel recht verstehn.
jahrbuch f. Elsasz-Lothringen 25, 147 (Straszburg 1632);
ja, hier wandle der dichter allein und im wandel betracht' er,
durch die cypressen hindurch, küsten und meer und Vesuv.
Platen 147 (epigr.);
der engel, schwebend, fuhr hindurch, dem schroffen
gestein rücklassend seines wandels spuren.
Rückert werke 3, 146;
demuthsvoll küszt er die spuren ihres wandels Bettine die Günderode 1, 298. übertragen vom wasser, licht:
gleich wie ein felsen,
hochgethürmt und grosz, an des bläulichen meeres gestade,
welcher besteht der orkan' in gesaus' anstürzenden wandel (λαιψηρὰ κέλευθα).
Voss Ilias 15, 620;
ihn (den sonnengott) erwartet, auch ihn nimmt, wo die stunde kömmt,
seine purpurne flut; sieh! und das edle licht
gehet, kundig des wandels,
gleichgesinnet hinab den pfad.
Hölderlin 1, 239 Litzmann.
d)
vom lauf der himmelskörper:
es drehte sich oben, unzählig entfacht,
melodischer wandel der sterne.
Platen 22 (lied. u. rom.);
nun fass' ich erst den wandel der cometen,
sie schweifen hin und fragen alle sterne:
wo ist sie?
95 (son. 18);
die zeit des festes gibt solchem einlasz raum,
vom morgen bis zum mittag währt die freiheit ...
denn wenn die sonn' auf ihres wandels zinne
mit durst'gen zügen auf die schatten trinkt,
dann tönen her vom tempel krumme hörner,
dem feste schlusz, dir kündigend gefahr.
Grillparzer 5, 46 (des meeres u. d. liebe wellen II).
von den verflieszenden tagen:
an fleisz und mühe hat es nicht gefehlt.
der heitre wandel mancher schönen tage,
der stille raum so mancher tiefen nächte
war einzig diesem frommen lied geweiht.
Göthe 10, 212 (Tasso 4, 4) Weim. ausg.
e)
wandel 'gang' mit örtlichen bestimmungen:
nu was also gefuge   die brucke wol bescheiden,
der spot und valscheit truge,   daʒ sie den warf
mit rossen und ouch mit kleiden:
in daʒ waʒʒer het er wandel groʒʒen,
ie dar noch vil er tiefer,   so riten sunder val die valscheit bloʒʒen.
jüng. Titurel 2341 Hahn;
das bestehende ist die natur,
und alles kehrt zur natur zurücke;
die geschicht' ist ein wandel nur
über des daseyns schwankender brücke.
Rückert ges. ged. 5, 372:
Meph. was hast du da in höhlen, felsenritzen
dich wie ein schuhu zu versitzen? ......
Faust. verstehst du, was für neue lebenskraft
mir dieser wandel in der öde schafft?
Göthe 14, 165 (Faust 1 v. 3279) Weim. ausg.;
so etwas lernt sich im freien, im aufmerksamen heiteren wandel auf dem klassischen boden Wienbarg Quadriga 79. übertragen: in allen hoffnungen eines fortdaurenden wandels auf den blumengefilden der verborgenheit Dya Na Sore 4, 52.
f)
mit adjectiven ist es auch 'möglichkeit zu gehen': auf den schrittsteinen hatte man nach wie vor reinlichen wandel, im innern der stadt hingegen ...... war es fast unmöglich durchzukommen Göthe 31, 146 Weim. ausg.; dann untersuchten sie die beschaffenheit des erdbodens, die allerdings wenig aussicht auf trocknen wandel verhiesz Holtei erzähl. schriften 1, 8. ferner 'begangener weg':
mir war's, der mond sei aufgegangen,
mein dunkler wandel ward voll licht.
Geibel 3, 23 (neue ged.).
3)
wandel als 'lebensführung'. die bedeutung knüpft zunächst an das lat. conversatio an, das sich in der späteren sprache in gleicher richtung entwickelt. Notkers lîbwandil (oben 1 b) nähert sich schon unserm lebenswandel. ausgeprägt ist wandel 'art der lebensführung' (schon früher in diesem sinne wandelunge s. wandlung 4) bei K. v. Megenberg: pei dem gespaltenne fuoʒ des vogels verstên ich daʒ wandel der gaistleichen läut in diser werlt, wan daʒ ist gespalten und hât ain wegschaiden zuo den zwain worten: eʒ ist alsô, eʒ ist niht alsô 212, 20. dann setzt die alte bibelübersetzung wandel für conversatio in diesem sinne (im N. T. entspricht ἀναστροφή) ein, doch steht an einigen stellen dafür wandelung und auch wanderung. ebenso kennen es mystiker (Eckhart, Seuse) und im 15. jahrh. tritt es auch in der dichtung auf. Luther hat das wandel der älteren bibeln nicht nur durchweg beibehalten, sondern hat dem wort noch eine weitere ausdehnung gegeben. entsprechend dem biblischen wandeln 'durchs leben schreiten' (s. wandeln B 2, c, δ) tritt bei ihm aber noch in höherem grade die auffassung 'gang durchs leben' hervor. durch Luthers bibel hat das wort allgemeine verbreitung gewonnen. aus der bibelsprache stammt es auch besonders, dasz wandel ganz vorwiegend später als bekundung des sittlichen wesens durch handlungen genommen wird, während die beziehung des wartes auf die äuszere lebenshaltung, die im älteren nhd. auch nicht selten ist, sich in der späteren sprache nur wenig fortsetzt. die wörterbücher, die unser wort durch conversatio (ital. conversazione, franz. engl. conversation) wiedergeben, werden meist 'art der lebensführung' meinen, worauf dann auch durch erklärungen wie vitae ratio u. dgl. deutlich hingewiesen wird: wandel, conversazione Hulsius 272; vita, conversatio Schottel 1440; conversazione, tratto, vita Krämer 1208ᵃ; in specie cursus, status, et conditio vitae, sein leben und wandel, ratio vitae ejus Stieler 2502; vitae ratio, vita, mores Dentzler 2, 342; wandel, wesen und leben des menschen, conversazione, tratto, maniera da vivere Rädlein 1028ᵇ; der wandel eines menschen, sein leben, umgang, verhalten, thun, aufführung, a man's behaviour, carriage, bearing, conduct, way or deportment Ludwig 2378; ein mensch von holdseligen wandel oder umgang, a man of a friendly, lovely, amiable or sweet, conversation, ebenda; conversatio, vitae ratio Steinbach 2, 925; gieb achtung auf seinen wandel, attende ejus conversationem, ebenda; wandel, so viel, als die conversation, der umgang, die lebensart Zedler 52, 1942.
a)
der zu grunde liegenden bedeutung 'verkehr, umgang' steht wandel noch näher, wenn es auf die äuszere lebenshaltung geht, die art sich im leben und in der gesellschaft zu benehmen, lebensgewohnheiten; diese namentlich im 16. jahrh. auftretende bedeutung wirkt doch auch später noch nach (vgl. oben die bestimmungen bei Ludwig): der selb handel hat alsdann ein überflusz geben zuͦ urteilen den brauch irs täglichen wandels (cottidianae vitae consuetudinem) Boltz Terenz deutsch (1539) 67ᵇ (Heautont. 2, 3, v. 283); so will ich gon zuͦ Senespa, zuͦ erfaren, was er thuͦ und was wandels er habe buch der beispiele 43, 26 Holland; ir habt je wol gehöret meinen wandel (αναστροφήν, Mentel: wandlung, Koburger: wanderung) im jüdenthum, wie ich über die masse die gemeine gottes verfolgete und verstörete sie Gal. 1, 13;
ewr schön, die tuͦt mir ungemach,
ewr wandel cluͦg hatt mir mein hertz bezwungen.
Hätzlerin 115, 43 (s. 79);
derhalb seh yeder umb und auff
in all seinem gewerb und handel,
mit thun und lassen in seim wandel,
wo unfleysz sich bey im zuschlag,
das er in zeytlich von im jag.
H. Sachs fab. u. schw. 41, 80 Götze;
der jung den trewen rath verlacht,
hielt hausz wie vor mit prechtigm wandel,
het kein acht auff sein gwerb und handel.
werke 21, 265, 22 Keller-Götze;
nicht mehr sich der erbarkeit fleist,
ihr eusserlichr wandel aus weist,
wie man sicht an der hosen tracht.
G. Wagner bei Musculus hosenteufel 3 neudr.;
wie nun der könig hett vernommen,
dasz Eulenspiegel an wer kommen,
der bkant war vom närrischen wandel.
Fischart Eulenspiegel 3001 Hauffen;
wohin die Venus sich laszt tragen
da ziehen die tauben den wagen,
auf das sie an derselbigen wandel
sich spigel, wie ein weib recht handel.
ehezuchtb. 182, 14 Hauffen;
Julius in commentariis sagt, der Teutschen wandel sey den mehren theil uf jagen württemberg. geschichtsquellen 6, 36, 23 (Widmanns chronica); phantasmata: das sind geburt, die da ohn menschen geboren werden, und doch menschen geacht und ihren wandel führend Paracelsus (1616) 2, 485;
schiltst du der verliebten wandel?
schiltst du trunkener gebrauch?
sind doch rote lippen lieblich,
süsze weine sind es auch.
Platen 159 (aus Hafis);
dem jungen nachwuchs der romantiker stellte Achim von Arnim die aufgabe: die frische morgenluft altdeutschen wandels zu athmen, sich andächtig zu vertiefen in die herrlichkeit der alten heimischen sage und geschichte Treitschke d. gesch.³ 1, 308. verbindung mit bedeutungsverwandten subst.:
dardurch wirt gebildet an
der welt louff, übung und wandel.
H. R. Manuel weinspiel 1941 neudr.;
an der person, an seinem wesen und wandel Paracelsus (1616) 2, 388; dasz sein geburt und sterben, thun und lassen, alle seine werck und wandel durch vorbotten angezeigt werden 2, 407; alle länder ... mit ihren eigenschafften, wandel und wesen 2, 496; vom itzigen wandel und maneeren der minschen Lauremberg scherzged. 5 neudr.; sprichwörtlich: gesunder wandel, weiser handel macht alt und reich Petri 2, 336 bei Wander 4, 1778. ergänzung von wandel durch worte (unten c, β): es (Augsburg) hat an menner und weiber ein schones volck, an kleidung prechtig, mit essen und drincken köstlich, im wandel und worten prengisch, in handlungen geschicket Quadt von Kinckelbach teutscher nation herligkeit (1609) 114. seinen wandel treiben: die weyber treyben all ihren wandel mit radt des spiegels Agricola sprichw. 2, 142ᵃ (nr. 682);
und der hat eben nicht das schlimmste theil gefunden,
der in der einsamkeit den stillen wandel treibt.
Canitz (1727) 147.
b)
gewöhnlich wird aber wandel in das moralische gebiet erhoben, so dasz es die art des sittlichen verhaltens bezeichnet, wie sich dies durch äuszere handlungen im leben kundgiebt: wie ist geschaffen sin ussere wandel? Heinrich Seuse 359, 15 Bihlmeyer; seid auch ir heilig, in allem ewrem wandel (ἀναστροφή, Mentel: wandelung, Koburger: wanderung, vulg. conversatione) 1. Petri 1, 15; der wandel (τρόπος, Mentel: sitten, vulg. mores) sey on geitz, und lasset euch benügen an dem das da ist Hebr. 13, 5;
dein wandel sey
alsz tadels frey,
dein bett mit zucht
sei unverrucht.
bewar dein ehr.
Forster teutsche liedlein 118 (3, 8, 3) neudr.;
wenn gleich ihr (der pietisten) wandel, so viel man sehen kann, vor dem der von ihnen so benannten weltkinder in der moralität nicht den mindesten vorzug zeigt Kant 1, 258; so ist sein (Christi) wandel ... noch belehrender und fruchtbarer als sein tod Göthe 24, 253 Weim. ausg.; unmittelbar sichtbar ... erscheinet die gottheit, und tritt ein in die welt in dem wandel göttlicher menschen Fichte wesen des gelehrten (1806) 170. richtschnur des wandels: dieses ist das system meiner jugendlichen sittenlehre, die richtschnur meines wandels Mendelssohn philos. schriften 1 (1777) 10. muster des wandels: muster eines guten wandels, exemplar vitae morumque Nieremberger, vgl. exemplarischer wandel. wandel prägnant 'gute sitten':
ir zarter leib nie mailes pein
verschart, zucht, tugent, eitel rein,
junk, edel, adellicher schein
mit wandel sich probiert darein
nach maisterlichen siten.
an allen tadel ist sie vein.
Oswald v. Wolkenstein 3, 26 Schatz.
alter, neuer wandel: o du liebes Teutschland, bist du denn so gantz und gahr von deinen alten sitten, wandel leben, gewohnheiten und gebräuchen abgewichen J. Rist das friedewünschende Teutschland (1648) 55 (1, 2); wenn züchtigung und buszpredigt vergeblich seyn sollte, und er wieder auf seinen alten wandel verfiele, ihn dem zuchthaus der residenz zu überliefern Tieck novellen (1853) 4, 28;
zwang meinen Adam durch den geist
und mich eines newen wandels vleist.
Ringwaldt christliche warnung B 3ᵃ.
einen gegensatz zwischen dem äuszeren verhalten und der gesinnung bezeichnet äuszerer wandel: wir rumpffen die stirn ... schelten auff alles was nur ein wenig oberzwerch gehet: und dieses ist der äuszerliche wandel; wann man aber den mantel hienweg thut, und das hertz ansiehet, so ist es anderst Philander (1650) 1, 7. wandel des lebens:
im hærtzen sein spricht der doͤrechtig gauch,
es sei kain got: han verdẹrbt lebens wandel,
in yrem wuͦst fụrn si greulichen handel.
Melissus psalmen 49 (ps. 14, 1) Jellinek;
führet einen erbaren wandel seines lebens Thym Thedel von Walmoden 4 neudr.; dasz wir reiner in sitten, rechtschaffener im wandel des lebens sind, als sie Klinger 4, 74 (Raphael);
der wandel deiner lebenstage
ist von der thorheit weit entfernt.
Stoppe Parnass (1735) 51.
c)
diese bedeutung von wandel tritt auch in einigen herkömmlichen verbindungen hervor, bei denen das angeschlossene substantiv entweder einen verwandten begriff darstellt oder eine begriffliche ergänzung zu wandel giebt.
α)
wandel und leben:
welcher ... im all sein wandel und leben
ist gottes handen untergeben.
H. Sachs 18, 474, 19 Keller-Götze;
meist leben und wandel: was er (der pfarrer) jetziger zeit für ein leben und wandel führe kirchenordnung f. Braunschweig (1569) 188; soll ein jeder zusehen, dasz er ergernusz mit seinem leben und wandel verhüte Sandrub hist. u. poet. kurzweil 82 neudr.; nach dessen leben und wandel wir unser leben und sitten richten sollen Albertinus hirnschleiffer (1664) 72; von ihrem (der heil. drei könige) leben und wandel im Orient sei noch manches dort bekannt geblieben Göthe 41, 1, 169 Weim. ausg.; jemandes leben und wandel beschreiben Adelung. wandel und wesen, wesen und wandel: dasz er allwaͤg eines loblichen keysers wandel und waͤsen gefuͤrt habe Stumpf Schweytzer chronik (1606) 199ᵃ; was dasz fir ain frauenpersohn sei, was wesen und wandls sie fier, ob ihr darinnen zu glauben sei österr. weisth. 1, 185, 34 (Salzburg); ob sie ... sich bekeren, ein jglicher von seinem bösen wesen, damit mich auch rewen möcht, das ubel, das ich gedencke inen zu thun, umb ires bösen wandels willen (Koburger: umb die boszheyt ihrer übungen) Jerem. 26, 3; so bessert nu ewer wesen und wandel (Koburger: machet gut ewer weg), und gehorchet der stimme des herrn ewers gottes 26, 13; dasz du einem jglichen gebest nach seinem wandel (seinen wegen Koburger, Dietenberger), und nach der frucht seines wesens 32, 19; mit heiligem wandel (ἀναστροφή, Mentel: in heiligen wandelungen) und gottseligem wesen 2. Petri 3, 11; die heilig geschrifft ... thut melden von irem wandel und wesen S. Münster cosmogr. 40; mit achtgebung auff seins gesinds wandel und wäsen Sebiz feldbau (1579) 26; dann dein wesen und wandel hat mir die zeit her so wol gefallen buch der liebe (Frankf. 1587) 191ᵃ; welche (obrigkeit) ... sie (die tagdiebe) zu rede stellet, von ihrem wesen und wandel fleiszig nachforschet Agyrta grillenvertreiber (1670) 3, 29. wandel und sitten, sitten und wandel: dieweil ir nun inn dem alter stehet, welchs die philosophische weiszheitkünst und tugendlehren zubegreiffen ... ist, so ziret eueren wandel und sitten auch damit Fischart ehezuchtb. 177, 25 Hauffen; du ... hast ... in in allen sinen sitten und wandel gerecht funden buch der beispiele 169, 4 Holland. wandel und werk, thun und wandel: die süne des fleisches, der wandel unde werc nâch dem bluote smecket und der leben ûʒ sünden kumt mystiker 2, 369, 27 (meister Eckhart);
vom propheten Elia eben
und seinem wandel, thun und leben.
griechische dramen 2, 250 (argum. zu Aristoph. nubes v. 34) Dähnhardt;
iedoch fürbasz fürsichtig handel
in allem deinem thun und wandel.
H. Sachs 17, 56, 30 Keller-Götze;
schawt beede fürsten lobesam,
regieren billich Lyciam,
ihr thun und wandel ist ohn straff.
Spreng Ilias (1610) 163ᵇ (12. ges.);
in ihrem tun und wandel ist nicht das geringste, was an ihre vergangenheit erinnern könnte Fontane I, 5, 147;
das wissen macht es auch nicht aus (den Christen),
vielweniger das hören:
der wandel und die gute that
musz unsern glauben lehren.
Günther ged. 22.
handel und wandel:
zal si nach yrm verdînten handel
uͦnt yrm verfluͦchten boͤsen wandel.
Melissus psalmen 100 (ps. 28, 3) Jellinek;
erkundigt ihres lebens handel
und in der welt geführten wandel.
Spreng Aeneis 116ᵇ;
sein (des predigers) leben, handel und wandel soll überein stimmen mit seiner lehr Albertinus zeitkürtzer (1610) 88; das jenige, so ich ... under und bey den mänschen ausz ihrem thun und leben, handel und wandel absehen und vermercken können Philander (1650) 1, 5; dise (Calvinische) sind in ihrer kirche sehr eyfferig und andächtig ..., auffrichtig und redlich in äuszerlichem handel und wandel Moscherosch insomnis cura parentum 119 neudr.
β)
wandel und geberden: und wenn ettwan ein klein weniglin zuntel des hertzens ... ist angangen mit dem füer heiliger guͤter, usz übung dines wandels und geberden Keisersberg bilgersch. (1512) 14ᵈ;
ich weisz er (Murner) wirt eins nit vertragen,
das er in hat Murmaw gnent,
so man in allenthalben kent,
in guͦtem wandel und gebaͤrden.
Gengenbach 16, 669 (s. 279) Goedeke.
wandel und gemüt, herz und wandel: Elsbet Staglin ... hate einen vil heiligen wandel von ussnan und ein engelschliches gemuͤt von innen Heinrich Seuse 96, 8 Bihlmeyer; sein schöner wandel und mannlich gemüt nit zuͦ erzalen was Wickram 1, 33, 13 Bolte; ain christlich wäsen stot darinn, das man ein andächtig härtz trag zuͦ got, und ain erlichen uffrechten wandel zuͦ dem nächsten menschen Eberlin v. Günzburg 1, 2 neudr.; was ist also reine ... religion? ... es ist innere und äuszere reinigkeit des herzens und wandels Lavater verm. schriften (1774 f.) 2, 352;
dein herz, dein wandel sind der unschuld stärkste zeugen.
J. E. Schlegel 1, 46 (Orest 4, 1);
was weiht den priester ein zum mund des herrn?
das reine herz, der unbefleckte wandel.
Schiller 12, 560 (Maria Stuart 5, 7);
vgl.: ein truglicher ablistiger mensch, dú truͦg ein wúlfin herz under einem guͤtigen wandel Heinrich Seuse 119, 3 Bihlmeyer; die verführung hat meinen wandel befleckt, aber mein herz hat sie nicht vergiftet Schiller 3, 571. worte und wandel u. dgl.: hab einen ingetanen wandel und bis nút usbrúchig weder an worten noch an wandel Heinrich Seuse 96, 8 Bihlmeyer; welche unschuld und reinigkeit der sitten will man aber von einem volck verlangen, wann diejenige selbst knechte und freunde des lasters seynd, so über jene die aufsicht haben und ihnen in wort und wandel voranleuchten sollten F. C. v. Moser beherzigungen (1763) 424;
wenn Deutschland ...
die alte deutsche sitt' und art
in wort und wandel treu bewahrt.
Schubart (1825) 3, 101;
in ihrer (Ang. Kaufmanns) gestalt und ihren gemälden, in ihrer rede und ihrem wandel, ist überall nur ein ton herschend; nämlich sanfte jungfräuliche würde Sturz 1, 33; daʒ er daʒ liden deʒ gekrúzgeten Cristus sol in sich bilden und sin suͤssen lere und senften wandel und luters leben Heinrich Seuse 192, 24 Bihlmeyer.
d)
wandel in verbindungen mit adjectiven, die die art der lebensführung bezeichnen (s. auch unten e):
α)
göttlicher, christlicher wandel: nach dem allerley seiner göttlichen krafft (was zum leben und göttlichen wandel [εὐσέβεια, Mentel: zuͦ der erbarmbd] dienet) uns geschenckt ist 2. Petri 1, 3; seyt ... lieplich ynn gottseligem wandel gegen yhn Luther 18, 427, 28 Weim. ausg.;
sie hand ein berd eins gottseligen wandel
N. Manuel 197 Bächtold (Barbali 1785);
aber sein christlich gebett und wandel hat dem bösen feind ein solchen stosz gethan, dasz er im nit hat beykommen mögen volksbuch von dr. Faust 100 neudr.;
der papist sprach: solch cristling wandel
sicht man pey der lutrischen menig
sunder schir weder vil noch wenig.
H. Sachs fab. u. schw. 2, 318, 168 Götze.
frommer, reiner, guter, tugendhafter wandel: eutropolia, bona conversatio, ein guter wandel voc. pred. b 5ᵇ; alle sein geschlecht, bleib in heiligem wandel und leben (Züricher bibel: in einem guͦten läben, und frommen wandel), also, das sie angenem waren, für gott und den leuten Tobias 14, 17; das er von kindt auff ein ehrlichen frommen wandel gefüret hatt Dietenbergers bibel 2. Macc. 6, 23; mit mässigkeit, und reinem wandel W. Xylander Polybius (1574) vorr. 3;
hast mich herabgestoszen aus dem licht,
aus hoher sphäre friedlich reinen wandels.
Göthe 11, 357 Weim. ausg.;
ich hab den fuchs dickers mals versuͦcht und find an im guͦten wandel und getrüwen, wysen rat buch der beispiele 171, 21 Holland; ist (ein geistlicher) ein ignorant und doch exemplarisch .., so verehre man ihn wegen seines guten wandels Rabener schriften 1 (1751) vorr. 24; der danck, den die gottheit begehret, bestehet in einem rechtschafnen wandel Hippel über die ehe (1774) 177; sie predigen eine glänzende sittenlehre und einen tugendhaften wandel Göthe 37, 169 Weim. ausg. keuscher, züchtiger, ehrbarer wandel: wenn sie ansehen ewren keuschen wandel, in der furcht 1. Petri 3, 2; weiber sollen eines züchtigen wandels seyn buch der liebe (Frankf. 1587) 290ᶜ; wir sollen aber ... unsern glauben mit ... eingezogenem ehrbaren wandel beweisen v. Schweinichen denkwürd. 4 Österley. exemplarischer wandel u. dgl.: ein exemplarischer wandel, vita essemplare Krämer 1208ᵃ; ihr pocht auf ehrlichkeit und exemplarischen wandel Schiller 2, 104 (räuber 2, 3 schausp.); solcher miszbrauch der justiz gegen männer fleckenlosen wandels Mommsen röm. gesch. 2, 212; was von hohen leuten, die aines unsträflichen wandels und von ... gerechtigkeit vorscheinbar sind, zu gewarten stehet Fischart pod. trostb. 67, 9 Hauffen; so dasz der graf, der an seiner stelle auf die höchste gerechtigkeit, unbestechlichkait und ehrenvollen wandel den gröszten stolz setzte, auch hier sich als einquartierter musterhaft zu betragen vornahm Göthe 26, 133 Weim. ausg.; wir hörten seit gestern schon genug von ihrem wahrhaft apostolischen wandel v. Holtei erzähl. schriften 16, 47;
saht ihr die meisterinn ...
die glänzendes talent durch seltnern wandel ehret,
die tugendhafte Starkinn nicht?
Gotter 1, 270.
β)
ungöttlicher wandel: do mit yhnen ains tails ursach abgang an yhrem ungotlichen ergerlichen wandel Eberlin v. Günzburg 1, 185 neudr. scheinheiliger wandel: maulchristen, welche einen scheinheiligen wandel äusserlich führen, aber in heimlichen sünden stecken Schupp schriften 641. eitler, arger, wilder, lasterhafter wandel: das ir nicht mit vergenglichem silber oder gold, erlöset seid, von ewrem eiteln wandel (ἀναστροφή, Mentel: wandelung, Koburger: wandel, vulg conversatione) 1. Petri 1, 18;
damit die zucht und ehr
in ewrem thuͦn und handel
nicht durch ein bösen wandel
sich in schaden verkehr.
lied bei Montanus 656 Bolte;
darinn er erstlich thut verglosen
den argen wandel der gottlosen,
darinn sie unverschemet leben.
H. Sachs 18, 22, 7 Keller-Götze;
seines ärgerlichen wandels überdrüssig A. v. Arnim 3, 302;
dasz meinem gott so milde
ich dörffte frey zu wider gan,
mit meinem wandel wilde?
Spee trutz-nacht. (1649) 92;
dasz ich mich hinführo in allweg will bessern und von diesem lasterhaften wandel abstehen Stranitzky Fuchsmundi 293 neudr.; dasz sie (die römischen priester) sich nemblich mit allerhandt hurerey und unzucht beflecken, und also die welt mit ihrem unzüchtigen wandel erfüllen Sandrub hist. u. poet. kurzweil 64. leichter wandel: ehrbare töchter des handwerks, züchtige klosterfrauen, hübsche dirnen von leichtem wandel eilten neben runzligen, hustenden groszmüttern C. F. Meyer könig und heiliger 4. für sündhafter wandel frei wandel der sünden:
denn Allah gab die gabe jedem dichter;
miszbraucht er sie im wandel seiner sünden,
so seh' er zu, mit gott sich abzufinden.
Göthe 6, 38 Weim. ausg.
e)
wandel als 'lebensführung' in verbalen verbindungen.
α)
eines wandels sein, einen wandel haben, führen: gutes wandels seyn Schottel 1440; einen unsträflichen wandel haben, integre vivere Frisch 2, 421ᶜ; und was ir herz und ir leib rein und keusch und hett einen seligen wandel heiligen leben 1472 s. 134ᵃ; und haben förder weder reinen wandel noch ehe, sondern einer erwürget den andern mit list, oder beleidigt in mit ehebruch weish. Salom. 14, 24; nach dem geist, der zu dieser zeit sein werck hat in den kindern des unglaubens, unter welchem wir auch alle weiland unsern wandel gehabt haben (ανεστράφημεν, Mentel: wir ... wandelten, Dietenberger, Eck: gewandert haben, vulg. conversati sumus), in den lüsten unsers fleisches Eph. 2, 3; conversari, wandel furen Diefenbach gl. 148 (aus voc. pred.).; ein mensch der einen gantz heiligen wandel führt, huomo di santissima conversazione Krämer 1208ᵇ; einen erbarn, frommen wandel füren, exemplo prodesse, sancte vivere Stieler 2502; einen gottlosen wandel führen, mener une mauvaise vie Rädlein 1028ᵇ; ein mann, der einen guten wandel führet, a man of good behaviour Ludwig 2378; er führet einen unsträflichen wandel, he is uncontrolable in all his doing. ebenda; einen rühmlichen wandel führen, praeclare vivere Steinbach 2, 925; wie es denn seinem grossen alter und eisgrawen kopff, auch seinem guten wandel (Koburger: werck seines guten wandels), den er von jugent auff gefüret hatte ... gemes war 2. Macc. 6, 23; so füret ewren wandel (ἀναστράφητε, Mentel: wandelt, Koburger: wandert), so lange ir hie wallet, mit furchten 1. Petri 1, 17; und füret einen guten wandel (ἀναστροφή, Mentel: wandelung) unter den heiden 2, 12; und vleissigen uns guten wandel zufüren (ἀναστρέφεσθαι, Mentel: wol wellen wandeln) bey allen Hebr. 13, 18; ein christlich wandel zu furen Luther 20, 542, 35 Weim. ausg.; sie fuͤrten einen geizigen, buͤbischen, fleyschlichen wandel S. Franck chronicon Germaniae (1538) 143ᵃ.
β)
sich eines wandels befleiszigen u. dgl.: ich habe ihn ernstlich vermahnet, sich eines guten wandels zu befleiszigen, I bound him to his good behaviour Ludwig 2378;
schawt, das ihr als die heupter gut
euch jderzeit befleissen thut
eins erbarn wandels auffgericht.
Ringwaldt die lauter wahrheit v. 189;
das wir die welt, mit irem geld ...
fein lernen ubergeben
und gflissen sein, eins wandels rein.
evangelia O 1ᵃ;
befleissige dich hinführo eines züchtigen wandels Happel akad. roman (1680) 700;
dasz sy nit understandind mer
ein solchen fraͤfenlichen handel,
sonders annaͤn ein andren wandel.
H. R. Manuel weinspiel 3701 neudr.;
er masset sich eines erbaren wandels an und hett zucht lieb S. Franck chronicon Germaniae (1538) 27ᵃ; da legte der geängstigte in seinem innern das feierliche gelübde ab, einen tugendhaften wandel einzuschlagen L. Steub drei sommer in Tirol (1895) 1, 82; dasz sehr viele menschenstämme grosze gleichgiltigkeit gegen jugendliche unkeusch heit zeigen und erst mit der ehe den frauen strengen wandel auflegen O. Peschel völkerkunde (1874) 229.
γ)
den wandel ändern, bessern u. dgl.: wenn es ihm dann nach geändertem wandel gut geht Iffland (1827) 1, 254 (verbrechen aus ehrsucht 5, 15);
absagen in all unserm handel
allen bösen gottlosen wandel.
H. Sachs 6, 190, 16 Keller;
einen von seinem unordentlichen wandel abziehen, to take one off from an ill course of life Ludwig 2378.
f)
wandel nimmt manchmal geradezu die bedeutung 'lebenslauf' an, so namentlich in der verbindung mit leben: der gantze wandel eines menschen, sein gantzer lebenslauff Ludwig 2378; leben und wandel, curriculum vitae Frisch 2, 421ᶜ; vita anteacta, das vorgeführte leben, das vorhergehende leben und wandel Kirsch 1, 1252ᵇ; kurzer wandel, lebenswandel, exiguum vitae curriculum Nieremberger; sie halten auch das menschlich leben für einen schertz, und menschlichen wandel (Koburger: wandel des lebens, vulg.: conversationem) fur einen jarmarckt Salom. 15, 12; die zunge ist auch ein fewer ... und befleckt den gantzen leib und zündet an allen unsern wandel (τόν τροχὸν τῆς γενέσεως, spätere bibeln auch wandel) Jacob. 3, 6;
ihr (der feinde) wandel ist uns abzukürzen
des wandels und des lebens trumb.
Weckherlin 2, 38 Fischer (ps. 17, 12);
viel mörder pflegen uns im wandel zu umgeben.
Logau 1, 9, 55;
zum letzten unglück musz noch dieses mich verdrieszen,
dasz er im elend nicht soll seinen wandel schlieszen.
v. Petrasch lustsp. (1765) 1, 942;
mein ganzes leben sey gesang!
mein wandel wandelnd lied der harfe!
J. Stilling wanderschaft 156;
ihr leben und wandel durch vorschriften so einrichten, dasz sie immer glücklicher ... werden Abbt 1, 192; gar oft im laufe des lebens, mitten in der gröszten sicherheit des wandels, bemerken wir auf einmal, dasz wir in einem irrthum befangen sind Göthe 42, II, 113 Weim. ausg. irdischer wandel: zum spiegel und muster ... in allem irdischen wandel Wackenroder herzenserg. (1797) 169; dieses thun, soweit es der vergangenheit und seinem irdischen wandel angehörte D. F. Strausz 3, 3; des ... schöpferwortes, das während seines vorübergehenden wandels im fleische die erinnerung an ... sein bei gott ... nicht verloren hat 3, 127. wie sich schon in den obigen belegen die bedeutung 'gang durchs leben' geltend macht, so besonders in den verbindungen weg und wandel, gang und wandel: alles was du thuest, dein gantzes leben und wandel, auch gegen die gottlosen, wird schleunig seyn und fortgehen, darümb das du gott trawest ... damit machstu, das er gefallen, lust und gleich ein begird hat, deinen weg und wandel zu foddern Luther 19, 563, 23 Weim. ausg.; den 1. mai zog er ... in sein bestimmtes haus, und fing seinen beruf an. herr doktor Dinkler und herr Trost sind daselbst die treuen gefährten seines ganges und wandels J. Stilling lebensgeschichte (1835) 292; vgl.:
du sahest, gott, auff meines wandels pfadt,
ietzt bin ich nun des eiteln lebens sat.
S. Dach 189 Österley.
anschlusz einer lokalen bestimmung: kehre dich nicht tadelnd von der welt wie sie ist; suche ihr gerecht zu werden, dann wirst du dir gerecht. und in diesem sinne sei dein wandel: zwischen himmel und erde O. Ludwig 1, 384.
C.
an wandeln 'sich nach einer seite hin bewegen' schlieszt sich wandel als 'wendung' an, das dann übertragen als 'änderung, wechsel' erscheint; diese bedeutung, die im mhd. nicht selten ist, dann aber zurücktritt, ist auch im jetzigen nhd. wieder aufgelebt. ferner hat sich bei der auffassung 'wendung zum schlechteren' (vgl. mhd. missewende) 'makel, fehler' ergeben, eine im mhd. sehr verbreitete bedeutung, die aber, obgleich sie Luther in der formel ohne wandel sehr liebt, jetzt im wesentlichen abgestorben ist. die auffassung 'wendung zum besseren' tritt fast nur in der verbindung wandel schaffen hervor.
1)
wandel als 'wendung' darf vielleicht noch in einigen fällen angenommen werden, wo indes auch mit 'wechsel' auszukommen ist:
er lent, âne sitzen,
mit siufzebæren witzen.
gein des mânes wandel ist im wê.
W. v. Eschenbach Parzival 491, 5
(vgl. 490, 7: unt des mânen wandelkêre
schadet ouch zer wunden sêre);
vom glück: der gedult leben, dasz im kriegswesen in einem augenblick das glück und unglück kehrung und wandel zu nemmen pflegen Zincgref apophth. 39; das glück hat seinen wandel und wiederkehr Schupp schriften 552.
2)
wandel als 'änderung, wechsel'.
a)
der älteste beleg findet sich bei Notker, wo wandil 'sinnesänderung' ist: in neist sar neheîn wándil (commutatio) unde sie neforton got niêht 2, 377 Piper (zu ps. 88, 52) aus ps. 54, 22, wo Notker lîbes wehsal hat. mhd. wandel geht auf die änderung des inneren oder äuszeren wesens:
ir hât alsô gelebt unz her
daʒ ich an iu niht wandels ger,
nâch êren als ein guot knecht.
Hartmann v. Aue Iwein 2900;
die himele sint dîn hantgetât,
der beider kraft vil gar zergât.
sie zergânt, dû gestâst,
wandels dû sie niht erlâst.
an in wirt wandelunge erkant,
sie veraltent als ein gewant,
und als ein decke gar vür wâr
wehselnt sie sich.
Rud. v. Ems Barlaam 329, 4.
auch von einer änderung der besitzverhältnisse ('alienatio' Haltaus 2027): ob zwene man mit einem guͦte belehent sint von einem herren, und den nutz beide hant, der eine mag ane den andren niht daʒ guͦt uf geben dem herren, noch mag (er) deheinen wandel da mit getuͦn, daʒ eʒ dem andren schaden muͥge Schwabenspiegel lehenrecht cap. 16 (s. 176) Laszberg; ouch szo hetten sie dorf, gerichte und slosz ..., die weile das her eyn lehnherre von des landes wegen obir were, ane seynen willen unde wort, unde mute (verlangte) do eyn wandel umbe Rothe düring. chron. 524. des lîbes wandel hân 'sterben' (vgl. den lîp wandeln):
die schieden sich dâ
mit so getânen leiden,
solden sie vurscheiden
und des lîbes wandel hân,
eʒ hette in vil baʒ getân.
Herbort v. Fritslar troj. krieg 8543.
mit der bedeutung 'änderung' berührt sich die von 'wechsel, austausch' (namentlich in verbindungen wie wandel tuon, hân, nemen, gern):
ein harte gût vingerlîn
daʒ stieʒ sie an die hant sîn
und er gab ire ein ander.
sus ein ander wandel
tâten sie beide.
graf Rudolf² Eᵇ 4;
sî sprach 'frou maget wol getân,
dirre kleider sult ir wandel hân' ...
ir lieben gast sî kleite:
wan dâ was bereite
vil rîcheʒ gewant.
Hartmann v. Aue Erec² 1531;
ob ich des niht gerâten kan
ichn müeʒe mit eim andern man
mînes herren wandel hân .......
sô gewinn ich gerne einen,
und anders deheinen,
den ich sô vrumen erkande
daʒ er mîme lande
guoten vride bære
und doch mîn man niht wære.
Iwein 1901;
ir schœniu varwe ouch wandel nam:
ir wîplich kiusche unde ir scham
machte si rôt, und dar nâch bleich.
Wirnt v. Gravenberg Wigalois 229, 24;
dô ir varwe wandel nam,
von grôʒer schame daʒ geschach.
Hartmann v. Aue Erec² 1731;
wand diu (Steier und Österreich) sint ein solher hort,
swelich furste ir bekort,
der gert ir dheinen wandel.
Ottokar reimchr. 7924 Seemüller.
mit beziehung auf die stellung, die jemand einnimmt (vgl. einen beamten wandeln 'absetzen und einen andern dafür einsetzen'): do wart er (der bischof) alse geneme und liep dem lande und der stat, pfaffen und leien, den richen und den armen, daʒ sü sinen keinen wandel gertent Closeners Straszburger chron., städtechron. 8, 93; wellicher aidschwerer im gericht Nauders dreu jar aidschwerer gewesen ist, desselben soll man ainen wandl haben und ain andern erwellen und an sein statt setzen österr. weisth. 3, 317 (v. j. 1436). so wol auch wandel schaffen an folgender stelle (kaum 'dem abhelfen'): obe ieman tumber oder schedelich dem armen oder dem richen zuͦ dem rate würde genennet, daʒ wir deʒ wandel schaffen, wande wir billiche beide armen und riche berihten und schirmen süllen städtechron. 9, 1031 (Straszburg 1261). die bedeutung kann auch die von 'veränderlichkeit' sein:
vone diu ne bedurfen si dere badeguante alanch niht,
si ne vorderent ou(ch) vælen niht unde mantele
sumeres noh winteres ze weterlichem wantele,
si ne legent ze nahiste dere lih hemide noh bruoche.
daʒ himilrîche v. 260 (zeitschr. f. d. alt. 8, 152);
da leit si (die aus Eisenach vertriebene Elisabeth) kummers ungeval.
eia wi gar wunderlich
unde ummer me erbarmeclich
der dinge wandel man gesiht!
wi unversehenlich geschiht
an werltlichen sachen ist!
wi gar unstedeliche list
wendet sie her unde hin!
heil. Elisabeth 5007 Rieger.
b)
im älteren nhd. kommt wandel in diesem sinn nur selten vor: wandel, vicissitudo, mutatio, voc. inc. teut. C 2ᵃ. bei Luther als 'sinnesändrung': und erzeleten den wandel (τὴν ἐπιστροφὴν, Mentel: wandelung, Koburger: bekerung) der heiden, und machten grosse freude allen brüdern apostelgesch. 15, 3; sonst als 'änderung':
bestehest du (Rhammusis) in einem steten wandel,
wenn werden wir denn einst auf leid erfreut?
Fleming 104;
da sorge, kwal und schmertzen,
hasz, thorheit, mangel, schrekk, begürden, wandel (wechsel?), noth, ...
und alles ungemach ist gäntzlich ausz-geschlossen.
Rompler v. Löwenhalt reimgetichte (1647) 10;
treib (Jesus) allen sünden-handel im hertzen-tempel aus, und mache durch den wandel ein rechtes bet-hausz draus Schmolcke trost- u. geistr. schr. (1740) 1, 537. als 'tausch':
krieg, der macht ausz bauern herren; ey' es war ein guter handel?
friede, macht ausz herren bauern; ey' es ist ein schlimmer wandel.
Logau 2, 6, 87.
die wörterbücher führen es nur selten an: der wandel idem est, quod wandelung, mutatio Stieler 2502; wandel, mutabilité, changement Rondeau. Adelung nennt es 'im hochdeutschen veraltet und nur noch in einigen provinzen gangbar' und führt aus einer 'oberdeutschen schrift' an: so muszte nothwendig die bisherige regierungsform wandel erleiden. doch kennt es damals auch das nd.: Dähnert 537ᵃ giebt neben wandelinge auch wandel als 'abänderung, unterschied' aus älterer sprache an; na wandel der saken, nach den umständen oder unterschied der sachen. die angeführten wendungen scheinen der kanzleisprache anzugehören. nachdem wandeln für 'verwandeln, verändern' wieder aufgekommen war und das subst. wandlung, kommt gegen ende des 18. jh. auch wandel 'änderung' wieder in allgemeinen gebrauch. sehr beliebt sind jetzt wendungen wie es tritt ein wandel ein, erfolgt, geht vor sich, wo die bedeutung meist die von 'umschwung' ist:
Wallenst.: nun — und wie war die aufnahm' sonst am hofe?
Herzogin: o! mein gemahl — es ist nicht alles mehr
wie sonst — es ist ein wandel vorgegangen.
Schiller 12, 97 (Piccol. 2, 2);
diese unglücksfälle nehmen ... in einer solchen weise überhand, dasz unser gut deutsches weidwerk tatsächlich in einen gewissen miszkredit kommt, wenn nicht wandel zum bessern eintritt Leipziger neueste nachrichten 9. 8. 1909; einen wandel bewirken, hervorrufen u. dgl.: diesen bedeutsamen wandel brachte ebenfalls der 3. juli mit sich v. Bennigsen die nationalliberale partei 10. wandel mit dem gen. eines subst., meist in der bedeutung 'fortgesetzte veränderung': unter so vielem wechsel und wandel der dinge Bode Montaigne (1799) 5, 11;
wie stürzte sonst mich in so viel gefahr
ein krausgelocktes haar ...
da sah ich bald im wandel der gestalt
vor mir die jugend alt,
und jede schöngeschwungne form verschwand;
Platen 24 (lied. u. rom.);
wer erfuhr mehr denn du selbst raschlaunigen wandel des tags?
dir wurde manch freudiger kranz neidvoll entführt.
132 (festges.);
dasz unveraltet liebe doch und treue bleibt,
was auch der zeiten wandel sonst hinnehmen mag.
Mörike ged.²² 275;
so treu und liebevoll hat keiner der lebenden dichter die in allem wandel der zeiten unverwüstliche kraft des deutschen gemüthes geschildert Treitschke hist. u. pol. aufsätze 1, II; diese selbstsucht ist das einige beharrende, sich gleichbleibende, und sicher zu erwartende in dem unaufhörlichen wandel seines lebens Fichte reden an die deutsche nation 94; wie der rechtbildende gemeingeist der deutschen nation in allem wandel der staatsverfassungen doch immer lebendig geblieben Treitschke deutsche gesch. 1, 313. von den tönen (s. wandeln C 1, b, ι):
dort hörest du das ernste saitenspiel
Uraniens und seiner töne wandel.
Hölderlin 2, 227 Litzmann (Emped. 303).
in der wissenschaftlichen sprache: wandel der laute, der bedeutungen; auch in zusammensetzungen oder verbindungen mit einem adj.: selbständige wörter erblaszten zu bloszen beziehungsmitteln im satze; zufall, bequemlichkeit, nachlässigkeit u. s. w. veranlaszte lautlichen wandel aller art Hehn Italien 141; fand ... ein psychologischer wandel in seiner stimmung ... statt Bismarck gedanken u. erinnerungen, volksausg. 2, 34. wandel absolut: es ist lauter wandel und wechsel in der welt G. Forster schr. (1843) 8, 213;
sonne geht, und sterne kommen,
auf und nieder schwebt der aar,
alles auf der welt ist wandel,
sie allein unwandelbar.
Fouqué zauberring (1812) 1, 155;
wenn nicht an sich schon veränderung und wandel dem leben so nothwendig wären Niebuhr röm. gesch. 2, 343; ein unendliches leben, bleibend im wandel Bettine die Günderode 1, 32;
und wird uns nicht, im wandel froh,
das schöne glück verlassen?
Platen 2 (lied. u. rom.);
der glaube lehrte, dasz die gottheit ewig, unveränderlich über allem wandel und schicksal throne Freytag 17, 244 (bilder 1, 4). auf einer anlehnung an die ältere sprache beruht es wol, wenn es vereinzelt als 'veränderlichkeit' vorkommt:
o liebste mein! kein flitterschein,
kein wandel ist in dir!
von allen ja, die ich ersah,
bist du die treue mir.
Herder 25, 419 Suphan.
ebenso als 'tausch': eine spur dieser (internationalen) rechtsbildung ist das merkwürdige mutuum, der 'wandel' (von mutare, wie dividuus); eine form des darlehns, die nicht wie das nexum auf einer ... bindenden erklärung des schuldners beruht, sondern auf dem bloszen übergang des geldes aus einer hand in die andere Mommsen röm. gesch. 1, 108. dasz wandel 'änderung, wechsel' auch in nd. mundarten boden hat, bezeugt ten Doornkaat Koolman 3, 506 z. b. dâr is 'n wandel in de sake (oder in 't wer 'wetter') kamen.
c)
die schon im mhd. vorkommende formel ohne wandel 'unveränderlich' ist auch im nhd. immer üblich gewesen:
nû hâter einen râtgeben,
der was im alleʒ sîn leben
der liebeste âne wandel ie.
Rud. v. Ems Barlaam 8, 15;
gott bleibet ohne wandel, dieu reste immuable Rondeau; ewig während ohne wandel Claudius 7, 119; (das göttliche leben) ist ... durchaus ohne veränderung oder wandel Fichte wesen des gelehrten (1806) 26;
drey dinge sind es nur, die ohne wandel stehen:
dein hasz, der liebsten zorn und diese meine pein.
Fleming 621 (sonnette 3, 32);
mein schwacher mund sol sagen
mit grossem wolbehagen,
wie deine gut und treu
ohn end' und wandel sey.
Rist, Fischers kirchenlied 2, 208, 1;
weisz ich eins doch fest zu halten
ohne wandel, ohne wanken.
Tieck 1, 328;
treu bin ich ohne wank und wandel.
Daumer Hafis 1, 17;
wand ist todtes, und das todte
ohne wandel. das gesicht
trägt des augenblickes farbe.
Müllner dramat. werke (1828) 2, 92 (die schuld 3, 2).
ähnlich wandels frei (nach dem mhd. wandels vrî, das aber 'ohne makel' bedeutet):
ihr wohnt die wahre minne bei,
sie ist unstetes wandels frei.
Rückert ges. ged. 4, 360.
3)
in bestimmten wendungen hat sich die bedeutung 'wendung zum besseren' entwickelt (vgl. auch D 1 'rückgängigmachung', das auch hier herangezogen werden kann). so besonders wandel schaffen 'einem übel abhelfen', das die neuere sprache wol aus der kanzleisprache aufgenommen hat (Heynatz antibarbarus 2, 611 führt die redensart als im hochd. ungewöhnlich an, s. auch oben 2 a städtechr. 9, 1031): wir haben einen tatkräftigen bibliothekar, der nichts mehr wünscht, als dasz wandel geschafft werde Mommsen reden u. aufsätze 219. mit dativ: sagen sie, kann dem dinge noch wandel geschaft werden, Yorik? sagte mein vater Bode Tristram Schandi 4 (1774) 4, 149; um dem besorglichen stand der ... angelegenheiten wandel zu schaffen Mommsen röm. gesch. 2, 33; in immer weiteren kreisen verbreitete sich die hoffnung auf einen gewaltsamen umschwung, der mit einem schlage dem deutschen elend wandel schaffen sollte Treitschke deutsche gesch. 4, 682; jetzt auch es tritt wandel ein 'es erfolgt abhilfe'. ähnlich schles. wandel werden 'besserung eintreten': nu, da sieh ock den rauch. na da nimm amal an, kann woll hier wandel wer'n? a sterzt heilig bald ein, d'r owen G. Hauptmann 1, 118 (die weber 2). auch mnd. eines dinges wandel werden: do des (der bedrückung) nyn wandel mochte werden, do makede he en wandel mit deme swerde Lüb. chr. 2, 401 bei Schiller-Lübben 5, 587. auf die kanzleisprache weist auch das folgende sorg noch wandel tragen, wo tragen sich aus der verbindung mit sorge erklärt:
fürt hin den narn von mir dratt
widerumb zu eurn richter Pilat,
das er selbs gleich wol mit im handl,
des ich dan nit sorg trag noch wandel.
altd. passionssp. aus Tirol 101 (var. der Brixener passion zur Sterzinger passion v. 1584).
4)
häufiger ist wandel als 'wendung zum schlechten' aufgefaszt worden und hat so die bedeutung 'fehler, makel' angenommen. die folgende stelle zeigt, wie sich aus der bedeutung 'veränderung' die von 'entstellung' entwickeln kann:
dâ sâhen si ûʒ dem perge gân
sehs hêrlîche man (die siebenschläfer);
si wâren âne wandel
in hâre unt in gewande.
an in newas mail nehain.
kaiserchronik 13589 Schröder;
vgl. auch wandel neben missewende bei Walther 59, 21 (neben missewendich im Mühldorfer stadtrecht, unten a) und die gleiche entwicklung bei wandlung 5, c. beeinfluszt wurde wandel auch durch das wort in der bedeutung 'rückgängigmachung', dann 'fehler, wegen dessen ein verkauf rückgängig gemacht werden kann' (von pferden s. wandel D 1, f); dasz aber wandel 'fehler' sich ausschlieszlich von dieser bedeutung 'gewährsfehler' aus entwickelt habe, wie Schmeller 2, 937 und Müller im mhd. wb. 3, 397ᵃ annehmen, ist nicht wahrscheinlich, da wandel besonders im moralischen sinn genommen wird; auch von wandel 'busze, strafe', das sich besonders in der wendung âne wandel 'straffrei' (unten D 2, c) einmischt, und auch sonst berührungen zeigt (s. unten c S. Helbling), kann wandel 'fehler' nicht ausgegangen sein.dies wandel ist im mhd. sehr gewöhnlich, allerdings besonders in negativen wendungen, hat aber im nhd. nur noch geringen umfang. Luther hat die wendung ohne wandel in die bibel eingeführt, die aber offenbar nicht allgemein verstanden wurde, denn sowohl die Züricher bibel als die katholischen übersetzer haben andre ausdrücke. die wörterbücher führen ohne wandel im anschlusz an die bibelsprache an, sonst weisen sie nur theilweise auf wandel 'fehler' hin: wandel ist ein fähl oder mangel, fallo, mendo, mancamento. Güntzel 832; vitium, affectus Schottel 1440; corruptio, macula. Stieler 2502; flecken, mackel, gebrechen Kramer (1719) 259ᵃ; fehler, mangel, defectus, macula Frisch 2, 421ᶜ als 'biblisch' und 'im gemeinen leben nicht mehr gebräuchlich'; 'im hochdeutschen veraltet' Adelung.
a)
seltener geht wandel auf einen äuszerlichen fehler oder mangel. von dingen: und umb daʒ prot sol niemant sagen vor dem recht dann drey genant pekchen .., daʒ si sagen .., swaʒ misswendich sei an dem prot ... und so süllen si dann sagen pei irm aide .., waʒ wandels an dem prot sei d. städtechron. 15, 395, 41 (Mühldorfer stadtrecht 14. jh.). von personen:
daʒ dû sîst schoen und rein gar
und hâst niht wandels umb ein hâr.
Enikel weltchronik 12512 Strauch;
sy enhetten kainen wandel
an schon und an gute:
drey kran waren ir hute.
H. v. Neustadt Apollonius 18508 Singer;
es wird kein wandel an diesem schönen leibe seyn, nullus in egregio corpore naevus erit Nieremberger (als veraltet); von thieren (vgl. D 1, f):
deshalb so ist mein gaul on wandel.
H. Sachs 9, 494, 19 Keller;
'gebrechen', von einem lande: das ungarische reich ist fast dahin, die andern haben auch allerley wandel und anstösz Pomarius Magdeburgsche stadtchronik (1587) 4ᵇ.
b)
von einem makel an der ehre: die sullen .. sweren .., alsodat der (lehr-) junge geinen wandel an iem en have, dat weder dat ampt sij Kölner zunfturkunden 1, 85, 7 (um 1460) v. Loesch; von der jungfräulichen ehre:
deʒ morgens, da der rytter sach,
daʒ der tag uff brach,
er liesz die maget wol getan
an alles wandel von ym gan.
Keller altd. erzähl. 50, 36;
was ist ihr (der satyrn) gantzes thun? fluch, schand und üppigkeit.
beschützt der keuschheit schnee in reiner sauberkeit! ...
helfft von dem bocksfusz, und ich werd' ohne wandel bleiben.
Gryphius lustsp. 394 Palm;
eine jungfrau ohne wandel, a chast or undeflowered virgin Ludwig 2378.
c)
am häufigsten im moralischen sinn, 'untugend, laster':
ich hân iu gar gesaget daʒ ir missestât:
zwei wandel hân ich iu genennet.
nû sult ir ouch vernemen waʒ si tugende hât.
Walther 59, 29;
daʒ sie alsô freidic ist,
daʒ ist ein wandel, sammir Krist!
S. Helbling 1, 1229;
'zweier wandel ich iu gich:
daʒ ein ist nît, daʒ ander lüg'.
'swer diu niht ze wandel züg,
der tôrt sich', sprach diu Triuwe.
2, 196
(in dem gedicht ist wandel zunächst 'strafe', dann 'strafwürdige sünde');
doch hete si begangen
vil dicke wandel unde mein.
si kunde werren under ein
mit haʒʒe werde liute.
K. v. Würzburg troj. krieg 1259.
schwächer 'unrecht':
got hêrre, wunderære,
ist iht des wandelbære,
dest' ie begienge oder begâst ...
sô ist hie zwâre wandel an,
daʒ dirre hêrlîche man ..
von rîche ze rîche
sîne nôtdürfte suochen sol.
G. v. Straszburg Tristan 10017.
d)
verbindung mit bedeutungsverwandten substantiven:
swelch frouwe sî noch hiute
diu schœnste ûf disem veste,
sô daʒ an ir kein breste,
noch kein wandel werde schîn.
K. v. Würzburg troj. krieg 1457;
ob sie gleich gering, arm, gebrechlich, und seltzam seien, das sie dennoch vater und mutter sind, von gott gegeben; des wandels oder feils halben, sind sie der ehren nicht beraubt Luther 4 (1586) 395ᵇ; (die bücher sollten nicht verbrannt werden) wan sie sunst kainen bösen und verdampten tadel und wandel hetten, dan das allain, das sie wider uns wern Reuchlin verst. 9ᵃ. sie dienen auch zur umschreibung (wandels vlec, ruoʒ, meil):
wand si nicht haben mochte rum
an im, als ir bosen beger ...
noch bleib da sunder wandels vlec
Bernhardus der reine.
Passional 398, 16 Köpke;
wie wir sunder wandels ruʒ
wol mugen erwerben gotes gruʒ.
578, 69;
das ich schir verzag,
seit mein höchstes hail
mir machet fail   die gail
und in kainerlai   wandels mail
prach das sail (strauchelte).
Oswald v. Wolkenstein 15, 47 Schatz.
e)
verbale verbindungen.
α)
wandel haben (s. oben), tragen, sehen:
den stein niemen sehen sol,
des lîp deheinen wandel treit.
er sol vor aller valscheit
sîn herze hân gereinet gar.
R. v. Ems Barlaam 38, 13;
mîn frowe mac wænen daʒ du tobst,
sît du mich alsô verlobst.
dune maht mîn doch verkoufen niht,
wan etswer wandel an mir siht.
W. v. Eschenbach Parzival 86, 8;
ain fraw mir iren dienst ab spricht
durch wandel, den sy an mir sicht.
Hätzlerin II, 13, 1 (s. 150);
swer hunger ze fremden tischen spart,
wirt der durch spot vil an gesehen,
des sol er niht für wunder jehen:
entlihen tugent gît wandelspehen.
Ulrich v. d. Türlin Willehalm 19, 31 Singer.
β)
sich wandels, vor wandel behüten:
swer wil des steines nemen war,
der sol sich wandels hân behuot.
Rud. v. Ems Barlaam 38, 17;
der ist reine unde gut
und alles wandels wol behut.
Passional 112, 78 Köpke;
ob ich ein wîp
ze frowen vinde, alsô gemuot,
diu sich vor wandel hât behuot
und niht wan daʒ beste tuot.
Ulrich v. Lichtenstein frauendienst 425, 14;
ein wîp von guoter art,
der sinne, lîp, sêl unde muot
vor allem wandel sint behuot.
Boner edelstein 96, 58 Pfeiffer;
ihr (der frauen) lob ist unverhauen,
lont sich inn ehren schauen,
und seind vor wandel wol behuͤt.
Fischart ritter v. Stauffenberg 129 Hauffen.
f)
in der wendung ohne wandel (mhd. auch sunder wandel) zeigt wandel die oben dargelegten bedeutungen:
wis gegrüezet, spica nardes, ...
dû cypresse sunder wandel.
Mariengrüsse 200 (zeitschr. f. d. alt. 8, 281);
do der gewaltige got   sin werch het verendot
mit sinen reinen handen   an allerslahte wandil
in gotlichen gebæren,   wand si vil guͦt waren.
Genesis 8, 23 Diemer;
ich wânde daʒ si wære missewende frî:
nu sagent si mir ein ander mære,
daʒ niht lebendiges âne wandel sî.
Walther 59, 21;
ân wandel nieman mac gesîn,
deist an al der werlde schîn.
Freidank 120, 20;
daʒ si eines suns genas,
der âne wandel schœne was.
Mai und Beaflor 128, 2;
lieber herr, ist aber diu
ân allen wandel?
S. Helbling 1, 1289;
wer mit gedancken, wort und werck
herein tritt gar ohn allen wandel.
H. Sachs 18, 73, 16 Keller-Götze;
das ist der allerschönste baum
an allen wandel auff dem rawm.
Voith von dem herlichen ursprung des menschen 186 (s. 222) Holstein;
der künig hat gar eine schöne schwöster, hübsch und gantz an allen wandel Tristrant 1, 10 Pfaff; Noah war ein from man und on wandel (Mentel: durnechtig, Züricher bibel: aufrecht, Dietenberger, Eck: volkommen), und füret ein göttlich leben zu seinen zeiten 1. Mos. 6, 9; sol sie ir schuldopffer dem herrn bringen, einen widder on wandel (Mentel: unfleckhafftig, Züricher bibel: on prästen, Dietenberger: on bresten, Eck: unvermailt) von der herd 3. Mos. 5, 15; sol er zwey lemmer nemen on wandel, und ein jerig schaf on wandel (Eck: on mackel), und drey zehenden semelmehl zum speisopffer 3. Mos. 14, 10 (so noch oft von opferthieren); wer solchs thut, der ist dem herrn ein grewel ... du aber solt on wandel (Mentel: on fleck, Züricher bibel: styff und auffrecht, Eck: volkummen) sein mit dem herrn deinem gott 5. Mos. 18, 13; gottes wege sind on wandel (Mentel: unfleckhafftig, Züricher bibel: steyff, Dietenberger: on unreinigkeit, Eck: unvermasget) 2. Sam. 22, 31; wer on wandel (Koburger: on flecken, Züricher bibel: unschuldig und frommcklich, Dietenberger: on befleckheit oder on fehl, Eck: on mackel) ein her gehet, und recht thut, und redet die warheit von hertzen psalm 15, 2; meine rede sollen on zweivel nicht falsch sein, mein verstand sol on wandel fur dir sein Hiob 36, 4; und warest on wandel (Koburger: volkummen, so auch die späteren) in deinem thun .. so lang, bis sich deine missethat funden hat Hesek. 28, 15; das blut Christi, der sich selbs on allen wandel (Mentel: unfleckhafftig, Züricher bibel: unbehaglich, Dietenberger, Eck: unbefleckt) .. gotte geopffert hat Hebr. 9, 14; ich bin der allmechtige gott, wandele für mir und sei on wandel (1. Mos. 17, 1, in der bibel später from) Luther 24, 316, 16 (pred. über 1. Mos. 1527) Weim. ausg. die anführungen in den wörterbüchern des 17. und 18. jahrh. beziehen sich meist deutlich auf Luthers bibel (doch s. oben b eine jungfrau ohne wandel bei Ludwig): integer, ohne wandel. Corvinus fons latinitatis (1646) 435; gantz ohne wandel. Kirsch 1, 649; ein opfer ohn wandel Schottel 1440; wandel, flecken, ein lamm ohne wandel, un' agnello senza macola Krämer 1208ᵃ; ein ziegenbock ohne wandel, mangel oder makel, a goat without blemish Ludwig 2378; ohne wandel seyn, n'avoir aucun défaut Rondeau (als veraltet). auch in der litteratur tritt meistens anschlusz an die bibelsprache hervor: Noah, der nicht weniger from und ohne wandel, ja eben so götlich lebete Zesen Simson (1679) 194; er war ein frommer mann und ohne wandel oder fehler J. M. Miller predigten fürs landvolk (1776— 1784) 2, 99;
wol dem, der ohne wandel
auff gottes wegen geht,
in seinem gantzen handel
nicht bey den sündern steht.
G. Werner, Fischers kirchenlied 3, 34, 1;
wer weisz nicht, wie sie war geschickt zu allem handel
im lassen und im tuhn, im leben ohne wandel.
Fleming 127.
auch im 19. jahrh. noch gebraucht:
nein! ein engel dieser erden
ohne wandel bleibet sie.
eine fürstin kann sie werden,
eine dame wird sie nie!
Mörike ged.²² 15.
wortspielend:
ich suche nicht händel im handel,
und bin in meinem wandel ohne wandel.
Rückert werke 11, 249 (4. makame).
g)
gleichbedeutend mit âne wandel begegnen im mhd. auch genetivische wendungen wie wandels âne, bar, eine, frî, reine u. dgl., von denen die beiden letzten bis ins 16. jahrh. vorkommen:
swie ir tugentlicher site
was alles wandels ane.
Passional 388, 43 Köpke;
hie ligt begraben Seufrid Swerpferman,
alles wandel an,
ein ritter keck und fest.
städtechron. 3, 315 (grabinschrift im kloster Kastel 1337);
du (Maria) liechter denn der sunnen schin,
du erwelter denn der mane,
du alles wandels ane.
Mone schausp. des mittelalters 1, 160 (kindheit Jesu 480);
dô was mîn frowe Larîe,
des Wunsches âmîe,
an wîbes schœne wandels bar.
Wirnt v. Gravenberg Wig. 235, 9;
sô was sîn innerʒ leben gar
gelîche unde wandels bar.
Lamprecht v. Regensburg Franzisk 3189 Weinhold;
kiusche unt wandels eine
ist diu liebe an allen wank.
K. v. Kilchberck, minnesinger 1, 26 Hagen;
der lop noch nî wart beschelt
und der di werlt al gemeine
sprichit 'sie ist wandels eine'.
Bartsch md. ged. 76 (daʒ brechen leit 104);
ir ist ze lützel sorge bî,
dâ von ist sie niht wandels frî.
S. Helbling 1, 1274;
die herzogîn Kassîe,
die kiusche, wandels vrîe.
H. v. Freiberg Tristan 482 Bechstein;
zu guden wiben han ich plichte,
wan si sin alles wandels fri.
Limburger chron. 37, 18 Wyss;
das er nun sey
als wandels frey,
ain man von hochem eren.
Hätzlerin 1, 27, 20 (s. 32);
des mag ich mich ye wol jehen
unschuldig und alls wandels frey.
Theuerdank 46, 63;
halt fest und sthet,
wo einer dich bett
umb liebe dein,
bisz wandels rein.
volks- u. gesellschaftslieder des 15. u. 16. jh. 1, nr. 43, 44 Kopp;
selten in der neueren lyrik nachgebildet:
denn zu den süszen paradiesen
der mühen und des wandels frei
hast du im pförtneramt gewiesen.
Arndt 4, 166;
ach, da (im himmelssaal) möcht' ich, rein
alles wandels, sein!
Hölty ged. 151 (83,6) Halm.
mhd. auch vor wandel frî u. dgl.
si vil süeze, valsches âne,
vrî vor allem wandel gar.
Ulr. v. Lichtenstein frauend. 97, 26;
nû wart ein künic dar genomen,
der was sô gar vollekomen,
daʒ im an tugenden niht gebrast.
er was vor allem wandel gast
nâch dirre welte prîse.
Rud. v. Ems Barlaam 128, 34.
D.
wie dann wandeln weiter bedeuten kann 'zum ausgangspunkt zurückkehren', so musz auch für wandel die bedeutung 'rückgang' oder 'rückgängigmachung' schon für die älteste zeit angenommen werden (vgl. wandlung 6), obgleich sie erst aus dem mhd. zu belegen ist (zuerst in der Genesis). dies wandel hat namentlich im altdeutschen rechtsleben bestimmte bedeutungen entwickelt und klingt in mundartlichen wendungen noch jetzt nach; auch die bis in die neuere zeit vorkommende bedeutung 'gewährsmangel' ist darauf zurückzuführen, die zur festsetzung der bedeutung 'fehler, makel' jedenfalls mit beigetragen hat (C 4). an 'rückgängigmachung' schlieszt sich dann 'wiedergutmachung, schadenersatz' an (wobei auch an 'wendung zum besseren' C 3 angeknüpft werden kann vgl. busze und mhd. beʒʒerunge, mnd. beteringe 'busze, entschädigung'); in diesem sinn hat das wort ebenfalls im rechtswesen grosze bedeutung gewonnen, indem es die dem verletzten zu entrichtende busze und dann die an den richter fallende strafsumme bezeichnete; seltener nimmt es die bedeutung 'busze' im kirchlichen sinn an. wandel als 'entschädigung, busze', das früher allgemein verbreitet ist, kommt mit dem absterben des altdeutschen rechts auszer gebrauch, doch weisen einige mundartliche wendungen noch darauf hin. wandel 'geldstrafe' ist namentlich im bair.-österr. gebiet entwickelt und läszt sich hier bis weit in die nhd. zeit hinein nachweisen.
1)
wandel als 'rückgängigmachung'.
a)
eine allgemeinere bedeutung 'zurücknahme einer rede, abstellung einer handlung' zeigt sich in der mhd. litteratursprache. wandel haben c. gen. 'eines dinges enthoben sein':
diu vrowe wolde niht enbern,   Joseph muͦse si geweren.
der bete wolde er haben wandil,   si ruhte im sinen mandil.
Genesis u. Exodus 79, 2 Diemer (noch nicht in der Wiener hs.);
der rede giengen sî dô nâch:
wand mir was gewesn ze gâch;
man lieʒ mich ir niht wandel hân,
(nahm mich beim worte)
und enwart ouch des niht erlân
ichn schüef in rehte sicherheit
daʒ ich der rede wære gereit
als ich dâ hete gesprochen.
Hartm. v. Aue Iwein 4155;
sît ab ir ein sarjant,
sô wert ir gâlûnt mit stabn,
daʒ irs gern wandel möhtet habn.
W. v. Eschenbach Parzival 520, 26;
Helena gehorte,
daʒ daʒ was in worte,
daʒ man sie solde widergeben.
sie begunden sêre widerstreben,
daʒ eʒ niet geschehe,
doch was eʒ also wehe,
sint sie es wandel niet enhete,
daʒ sie eʒ willeclichen tete.
Herbort v. Fritslar troj. krieg 15545;
ich han recht getan, ich wolt sin niht wandel han (ich wollte nicht, dasz es anders würde) beichtbuch bei Schmeller² 2, 937; in etwas wandel haben: dasz euere pfleger, richter, und schergen uns ... beschweren ..., wann wir oder die unsern oder uns selbst beschau, oder muetmarch guͤtlich verrainen, dabey wollen sie seyn, und darinn wandel haben, das wider unsere freyheit ... ist Krenner bairische landtags - handlungen 7, 61 (Landshut 1460). wandel gern 'es anders wünschen':
'frouwe, wiltu toufen dich,
du maht ouch noch erwerben mich'.
des engerte se keinen wandel niht.
W. v. Eschenbach Parzival 56, 27;
hierher auch eʒ ist nehein wandel 'es musz so sein':
sie spileten mit ein ander,
daʒ en ist nichein wandel,
wande gerne si en gewerte
alles des er gerte.
graf Rudolf² E 26.
b)
im altdeutschen gerichtsverfahren verstand man unter wandel (in gleichem sinn erholung) das recht, eine verabsäumte oder in ihrem erfolg nachtheilige proceszhandlung nochmals vorzunehmen, jus emendandi. so erscheint das wort noch in den kriegsordnungen des 16. jahrh., doch kommt es in der Carolina nicht mehr vor.
α)
wandel dingen (von seiten des anwalts zu gunsten desjenigen dessen sache er führt): 'her richter habit ir mych dysem manne tzu eynem vorsprechen gegeben, so vroge ich umme eyn orteyl tzu vorsuchen, ab ich von ymande icht vyntschaft haben sulle, das ich syn wort spreche dorch rechtes wille so ich beste kan und mag.' wenne ym das gevunden wirt, so dynge her ym das wandil: 'und ab ich yn an keynen dyngen vorsumete, ab her sichs icht irholen musse myt myr adir myt eyme andirn' Kulmisches recht 2, 83ᵃ; kumen si abir beidersit zu dinge, der vorderer tritet dar unde bitet eines mannes, der sin wort spreche. den sal im der voit geben. der vorspreche sal im sin wandil dingen unde sin recht unde spreche also ... stadtrecht von Freiberg 52, 25 (um 1300) (ebenso 57, 15); der (vorspreche) spreche also: 'her richter, sal ich sin wort sprechen? ich irdinge im sin wandel, als recht ist; ab ich in versume, daʒ he des holunge habe mit mir oder mit eime baʒ sprechenden manne, e dan iʒ zu urteilen kume' 75, 5 (ähnlich 76, 2. 119, 2); he solde dat bewisen sellef sevede, dat he des mit oͤm gesunet were (dasz er die schuld bezahlt hätte); do dingede sin vorspreke wandel unde irhalunge mit ordelen unde oͤm wart gedielt, af oͤm der tuͤge brok worde, dat he sik mit anderen mochte irhalen, die wile dat ding werde Hallische schöffenbücher 1, 445.
β)
wandel haben: unelich man unde syne kinder, dy unelich sint, sullen hol unde wandel haben glich dem, der elich geborn ist Magdeburger fragen 1, 14, 7 (s. 134) Behrend; ob ich meine (wort) oder mein red, alsz ich reden soll (verfehlte), dasz ich doch meine (l. meiner) wort und rede wandel hett und brächte hero ein, wie recht ist weistümer der Rheinprovinz 1, 1, 47, 1 (Gallscheider gericht, anf. 16. jh.) Lörsch;
dô suochte reht her Îsengrîn.
eins vorsprechen er gerte.
der künec in eines gewerte;
daʒ muoste Brûn der bere sîn,
er sprach 'herre, nu gert Îsengrîn
durch reht und iuwer güete,
ob ich in missehüete,
daʒ er mîn müeʒe wandel hân'.
der künec sprach 'daʒ sî getân'.
Reinhart fuchs 1373 Reiszenberger;
si (die minne) batt, daʒ man ir ains gund
der ir ir wort sprechen kunt.
ertailet ward ir daʒ ze hant.
vil bald si daʒ gelücke vand,
daʒ hett si ie dar umb versölt,
daʒ es ir wort sprechen wölt,
ob si versumpt wär dar an,
so möcht sy sin wol wandel han.
liedersaal 1, 201, 114;
γ)
wandel nehmen: also, da ich dem N. N. vielleicht zuviel oder zuwenig reden würde, soll er meiner wort wandel nemmen Kirchhof milit. discipl. 212; das ihr möget wandel von mir nemen zu verstehn, vom ersten zum andern ... bis auf sein selbst eigne antwort Reutter v. Speier kriegsordnung 46.
δ)
wandel geben: wer eid an gerichte tun schol, einer oder mer, den wandel und holunge wirt gegeben mit urteiln rechtsbuch nach distinctionen 4, 53, 58 Ortloff.
c)
wandel wird auch von dem recht gebraucht, von einer verpflichtung zurückzutreten, vgl. wande 3: wann uns nit mer gmeint ist in furter also zu unserm diener ze haben, sollen wir im ein vierteil jars zevor abkunden ...; der glich soll er auch den wandel haben und uns der mass abkunden Th. Knapp ges. beiträge zur rechts- und wirtschaftsgeschichte 77, anm. f. (Neckargartach 1479); ähnlich von den in ein kloster eingetretenen novizen: swie alt aber der knabe oder diu juncfrowe ist, tunt sie sich in geistlich leben, daʒ si wandel haben ze einem jare, und varent si vor dem jar uʒ, si habent ir reht niht verloren Schwabenspiegel 26 Gengler, ebenso im Kulmischen recht 5, 50 Leman.
d)
ferner von dem recht des rücktritts von einem rechtsgeschäft: swelher burger zu Ingolstadt nu fürbaʒ erb und aigen verkaufen wil, eʒ lig in dem gericht oder nicht, der sol dem kauf wandel dingen von ainem mittem tag ze dem andern, und daʒ wandel sol ietweder, der kauft oder verkauft, haben, den kauf ab ze sagen, ob er wil Münchener stadtrecht art. 448 Auer (fast ebenso in einem Ingolstädter rathsbeschlusz von 1448 bei Schmeller² 2, 937); Sempronius verkaufft sein pferd dem Titio haar um haar, wie es gehet und stehet, sonder nachspruch oder wandel J. F. Behamb roszteuscherrecht (1715) 19; später in diesem sinn nur wandlung (s. d. 6).
e)
mit diesen wendungen der älteren sprache hängt ein mundartliches ich will es wandel haben 'behalte mir die wahl vor' zusammen. bei Fischart in bezug auf gleichbedeutende ausdrücke: als er nun den salat erstlich beim bronnen, wasserstein oder röhrkasten (dann ich wills wandel haben) geweschen Garg. 237ᵇ (377 Alsleben); in Cronenberg (südl. Elberfeld) des wel ech wandel han 'das glaube ich noch lange nicht, behalte mir meine meinung vor' Leihener 131. ähnlich elsäss. dem will ich wandel losse 'dahingestellt sein lassen' Martin-Lienhart 2, 834. das daselbst angeführte eine rechnung will wandel haben 'musz abgeändert werden' gehört vielleicht auch hierher. ferner scheint sich aus dergleichen früher wol weiter verbreiteten wendungen ein mit wahl zusammengestelltes wandel 'freie entschlieszung' entwickelt zu haben:
Carges, du bist mein erster sun;
du hast die wal, was ist dein wandel?
sol ich dir schaffen den kaufmanshandel
oder wiltu heuser, rend und zinst,
darin du järlich nutzung findst?
H. Sachs fastnachtsp. 7, 45 Götze;
solt ich wahl und wandel führen
unter aller orte thieren,
solte mir kein liebers seyn
als des Natans schäfelein.
Logau 1, 7, 53.
f)
an d) schlieszt sich an wandel als 'gebrechen auf dessen grund ein kauf rückgängig gemacht werden kann, gewährsfehler'. Schmeller 2², 937. der ausdruck war noch im 18. jahrh. beim pferdekauf üblich (jetzt scheint er verschwunden zu sein): wandel ist so viel als pferdmängel M. Zeiller episteln 4, 398; wandel, mangel eines pferdes, davor der verkäuffer stehen musz. derselben sind nach Sachsenrecht drey: stätig, staarblind und haarschlechtig. zu Franckfurt am Mayn hat ein pferd vier wandel: geraubt oder gestohlen, haarschlechtig oder bauchschlägig, stätig und hauptsiech, d. i. monig oder rotzig. nach gemeinen rechten werden derer noch mehr erkannt, als wenn es schlägt, kollert, scheu ist und ingemein ein ieder innerlicher und unsichtbarer mangel, der von dem verkäuffer verschwiegen worden Jablonski (1721) 846ᵇ. ähnlich Hübner (1727) 2064. Zinke (1753) 3096; im pferdehandel werden die hauptmängel eines pferdes noch zuweilen wandel genannt Adelung;
bringe mir durch den willen min
ros die ane wandel sin ...
ichn gesach noch nie deheines
daʒ tugendhafter were.
eʒ ist unwandelbere
kleinere mhd. erzählungen 3, 185, 88 Rosenhagen;
du hest ein pfert zu kauffende geben für die vier wandel Straszburger quelle von 1439 bei Scherz-Oberlin 1936; wenn einer dem andern ein pferd verkaufft, so soll er im verpflichtet sein für die hernachvolgenden wandel als rützig, rewdig und harschlechtig Nürnberger reformation (1484) tit. 11 § 3 (drey wändl auch im bair. ref. landrecht tit. 23 art. 4 nach Schmeller 2, 937);
grosz beschisz an allem ort
hab ich dick vom roszdusch ghort.
wann schon das rosz vier wandel hat
und kumm uff synen beinen stat,
noch schwört der böszwicht also hart,
bisz syn rosz verkouffet wart.
Murner narrenbeschw. 70, 42;
fragt, ob es (das pferd) sonst kein mangel hat,
ob es wer der vier wandel frey,
nit rützig, noch reudig darbey.
H. Sachs 21, 269, 18 Keller-Götze;
doch versprecht ir mir in dem handel
den gaül füer die verpotten wandel:
das er nit sey reüdig noch rüeczig,
auch nit harschlecht, stetig noch stüeczig.
fab. u. schw. 2, 328, 26 Götze.
scherzhaft wird der ausdruck dann auch auf menschen übertragen Frisch 2, 421ᶜ:
sie sprach: 'gesell, lasz dir nit laiden
und ker herwider schier!
du ainfeltigs thier!
ich musz dich vor probiern
und mit dir disputiern,
ob ich fünd ain wandel.'
Zimmerische chronik² 4, 226, 31;
welcher eehalten dinget umb grossen lon,
der haiszt in billig ain benugen thon
und versprechen fur schaden und bosen handel,
und in sonderhait fur die vier wandel,
das ist fur untrew, fur frasz und fur faul
und fur bosz antwort aus dem maul,
als man oft an dirnen und knechten spürt.
Keller alte gute schwänke 31, 4;
einen ehalten, der der vier wandel keinen an im het Schmeller² 2, 937 aus einer handschr.; es ist kein mensch on ein aber ... es ist kein mensch, er hat einen wandel, hats nit alle vier S. Franck 2, 115ᵇ; vgl. auch 2, e die stelle weisth. 6, 275 wo die vier wändel 'leichte vergehen' sind.
2)
wandel als 'schadloshaltung, busze'.
a)
es ist zunächst eine genugthuung, die dem geschädigten zu theil wird, durch worte oder durch thaten, namentlich wiedererstattung, entschädigung, ersatz: wandel, emenda, melioratio, anzeiger f. kunde d. teutschen vorzeit 7, 306 (15. jahrh.). Diefenbach nov. gl. 148ᵇ; wandel, restitutio. kahr, wandel und abtrag machen Schottel 1440; wandel, violatae rei restitutio Stieler 2502; 'emenda, satisfactio civilis parti laesae praestanda, in integrum restitutio' Haltaus 2027. übliche verbindungen sind kahr und wandel, kehrung und wandel, wandel und abtrag u. dgl.: kahr und wandel ist so viel als kehr und abtrag und wiederkehrung thun M. Zeiller episteln 4, 398; kahr und abtrag, kahr und wandel, compensatio et emendatio Th. Hayme jur. lex. (1738) 407; einem kar und wandel tuhn, damnum resarcire, satisfacere alicui, restituere noxam Stieler 2502; das sie sich bynnen den vier wochen wider gesteln unde uns umbe sulch ubirtretung kar unde wandel theten urkundenbuch der stadt Chemnitz 223, 2 (1475) Ermisch; danner curator ... umb alles so er ... verlasset, auch untreuwlich oder unfleissig verhandlet hat, red und antwort zu geben, auch kahr und wandel zu thun, schuldig und verpflicht ist Frankfurter reformation VII, 10 § 3; bit hierumb zu erkenne ine (für die verletzung) kor und wandel zu thun und sein schaden zu keren aus Marburger akten (1531) bei Crecelius 892; (dafür dasz sie) die jüdischait ... ausz der benanten ... statt vertriben ... uns und dem haylichen reych ... kerung und wandel ze tuͦn städtechron. 5, 379 (urkunde kaiser Friedrichs III. 1456); wellichen aber beducht, das ime oder den sinen unrecht beschehen were, der mag an den andern fordern einen fruntlichen wandel und bekerung Straszburger ratsprotokoll von 1439 bei Scherz-Oberlin 19, 36; nochdeme ich underricht byn von in en wandel und gulde phlegin, das meynen (beraubten) armluten ... auch wederkarunge oder wandel und fug geschee urkundenbuch von Freiberg 1, 261, 5 (1469); den gefangenen, die losz gegeben, soll der gefengnusz halber kein wandel und abetrag ... geschehn städtechr. 27, 181, 2 (Magdeburg 1524); wurden sie (der rat) doch beid vom kaiser und dem bapste in der sachen verdhampt, das sie solten den kindern (deren vater ermordet wurde) wandel und abtrag thun Kantzow chron. v. Pommern (letzte bearb.) 287 Gäbel; darumb sey er schüldig der magd (der er die ehe gelobt hat) wandel und widerstattung zu thun Luther tischr. 319ᵇ;
do antwurt si (die stadt) kunic Ruodolf
von Basel dem bischolf
ze wandel und ze phande
für alle die ande,
diu im ie erboten wart
von deme grâven, unde missetât.
Ottokar reimchr. 35460 Seemüller.
im mnd. sind die verbindungen wandel unde bote, wandel unde beteringe häufig Schiller-Lübben 5, 587. verbale verbindungen:
α)
vom standpunkt des schädigers wandel thun, geben, bieten:
quam vor den keisir der judin clage,
wi en Pilatus tete bedrang
und legite an si grossin getwang.
daʒ sin gnade en wolde wandil tu
und gnediclichin en ratin dar zcu.
Rothe passion 1346 Heinrich;
so hat er offenlich uf unser stuben gerett, das ich der sy, der in usz dem cleinen roth gesetzet habe, und swur damit, werlich, er wol lib und sel daran setzen, ich müszt im einen wandel darum tune Straszburger ratsprotokoll v. 1439 bei Scherz-Oberlin 1936; von sollicher reubrey, nem, ubergriff und beschedigung wegen nach verhandlung und gepurlichkeit der tat wandel zu tun städtechr. 2, 73, 28 (Nürnberg 1444); der soll dem kläger wandel und busze thun Bauer-Collitz 180 (16. jh.); welcher zuͦ dem anderen in einem gächen zorn also greth hat 'du bist ein schölm, böswicht' .. und deszhalb dem jenigen, dem er zuͦgreth, umb sölche ehrruͤrige wort am rächten wandel gethan ... hat stadtrecht von Brugg 219, 17 (1620) Merz; wo yemant soliche beschediger hauset ..., den oder dieselben wil ein rat straffen ... und muste darzu dem beschedigten alle die wandel aussrichten in massen der tetter .. het thun sollen Nürnb. polizeiordn. 46 Baader;
ir gebâret, hêrre, als ir sît vrô,
daʒ hie ein künec mit volke ligt.
swie unhôhe iuch daʒ wigt,
ir müeʒt im drumbe wandel gebn,
odr ich verliuse mîn lebn.
W. v. Eschenbach Parzival 287, 25;
friunt guot unde man
und swaʒ ich mâge ie gewan,
daʒ ist mir alleʒ benomen ...
darf mir niemen wandel geben,
ich næme den tôt für daʒ leben.
Stricker Karl 8839;
gein dirre ungeschihte
bôt sîn gerihte
und anders wandels genuoc
Lyppaut, der unschulde truoc.
eʒ wære krump oder sleht,
er gerte sînre genôʒe reht.
W. v. Eschenbach Parzival 347, 21;
het er mir dô gelônet baʒ
ich dient im aber eteswaʒ:
noch kan ich schaden vertrîben.
er ist ab sô gefüege niht,
daʒ er mir biete wandels iht.
Walther 106, 13;
kain wandel nieman bieten
mir kan, des ich mich nieten
welle in miner irrekait.
Joh. v. Würzburg Wilhelm v. Österreich 11563 Regel.
im älteren nd. wandel dōn Dähnert 537ᵃ und noch jetzt schweiz. wandel tue 'entschädigung geben' Stalder 2, 433. Tobler 439. zu wandel stehn, geben, verfallen:
ouh was des luzele nôt,
daʒ er uns her enbôt
sô smêlîche eine botescaft.
mir ne geswîche mîne craft,
er solis ze wandele stân.
Lamprecht Alexander 4286 Kinzel;
und het ich ir leides mê getân,
sî müese ir zorn allen lân
und mich in ir herze legen ...
und westes wie mîn muot stât,
daʒ ich ze wandel wil gebn
mich selben unde mîn lebn.
Hartm. v. Aue Iwein 1645 (ähnlich 7555);
so sol der oder dieselben ... gemeiner stat zehen pfunt newer haller und dem beschedigten zusampt ablegung seines schadens, wie vorstet, auch sovil zu wandel und abtrag verfallen sein Nürnb. polizeiordn. 329 Baader; ähnlich: da herczog Heinrich herczog Ludwig mit einem swert stach, und des verviel herczog Ludwig herczog Heinrich ein recht nach clag und antwort, und herczog Heinrich verfiel herczog Ludwig wider umb soliche wandel: also das er im ein fart gen dem heiligen grab musz tun städtechron. 1, 379, 11 (Nürnberg ca. 1441). zu wandel etwas thun: nach dem pawt oder stift er das closter zu Fürstenfeld; das tet er zu wandel, umb das er sein frawen .. unschuldigklich liess ertöten Ulrich Füetrer bayerische chronik 169, 12 Spiller; ze wandel musten si über die Tunaw varen mit dem herczogen und helfen die ungehorsamen herren ze nöten, mit den si sich vormalen .. hetten verpunden österreich. chronik von den 95 herrschaften 177, 17 Seemüller.
β)
vom standpunkt des geschädigten sich wandels nieten, wandels pflegen, begehren, wandel nehmen, haben:
si daht: 'im hat diu minne braht
ain geschoʒ uʒ minem hertzen.
sit ich in quale smertzen
han von siner angesiht,
so waiʒ ich niht wie mir geschiht,
schol ich sins wandels nieten mich'.
Joh. v. Würzburg Wilhelm v. Österreich 5895 Regel;
das wir uwer ... fynde sein wollin (wegen gewaltthat) ... und wollin unsz hierumb nicht wandels pflegin. sulchs wandels wir obingemelte unsz an allin den dye do studenten synt, junck adir alt, irholin wollin urkundenbuch der univ. Leipzig 194 (nr. 156) Stübel (fehdebrief der Leipziger schuhknechte 1471); da lueden die von Augspurg den von Argun für das kaiserlich hofgericht .. da antwortet in der von Argun .., die von Augspurg hetten in gar unpillich für den kaiserlichen hof geladen, und begeret grosz wandels Zinks Augsburger chron., städtechron. 5, 206; er were fur unser stat kumen, und hetent mit búchsen zuͦ im geschosen, do begerde er wandel umb Basler chroniken 4, 181, 15 (1444);
was ist wider Jhesum ewer handel? (sagt Herodes)
oder pegert ir von im abtrag oder wandel?
altd. passionssp. aus Tirol 95 (Sterz. passion 1800);
dar gy (die stadt Bremen, die Lüdeke Frese fehde ankündigt) my groten schaden myd vorsate mede deden, dar ek gerne wandel umme neme Bremisches urkundenbuch 5, 4 (1411); auch schuldigeten die zonfte ir rathern und wolden des ein wandel han städtechr. 17, 41, 22 (Mainz). etwas zu wandel haben:
sendet meinen herren hin
der euren zehen man
und heisset in dy han
zu wandel vor sein serjant (erschlagene diener).
quelle bei Frisch 2, 421ᵇ.
b)
verwandt ist wandel als 'wergeld', das vereinzelt vorkommt: einer hennen wandel sind czwen pfenning rechtsbuch nach distinctionen 4, 34, 16 Ortloff.
c)
wird der entschädigungsanspruch bei gericht anhängig gemacht, so erhält die verurtheilung des schädigers den charakter einer strafe (öffentliche strafe neben der busze an den geschädigten oben a im stadtrecht von Brugg und in den Nürnberger polizeiordnungen); wandel gewinnt so die bedeutung 'überhaupt nachtheilige rechtliche folge einer handlung, so dasz auch die öffentliche strafe mitbegriffen sein kann' (Homeyer Sachsenspiegel 1, 395). im Sachsenspiegel und in quellen, die unter seinem einflusz stehen, kommt öfters âne (sunder) wandel blîben als 'ohne verantwortung bleiben' vor: slêt aber ein man ein kint tôt, her sal sîn volle weregelt geben. schilt aber ein man ein kint oder roufet erʒ oder slêt eʒ mit besemen durch sîne missetât, her blîbet es âne wandel. II art. 65, 2; swer sô tôtet oder wundet einen vredebrechêre, her blîbet es sunder wandel. art. 69 (vgl.swer des andern lant unwiʒʒene eret, dâr en volget niechein wandel nâh. III art. 20, 1); spreche her (der scheppe) abir, das yn ehaffte not gehindert hette (zum ding zu kommen), und bewiste das noch rechte, so blebe der scheppe des ane schaden (var.: ane wandel) Magdeburger fragen 1, 3, 9 (s. 62) Behrend; unde sulden deʒ von allen teilen gancz unverdacht und ane wandil sein und blibin urkundenbuch v. Freiberg 1, 187, 20 (1448); verseimt er (der handwerker) aber die gantze morgengesprech, sol er in die zech geben ein halb pfundt wax und sonst one wandel bleiben Hüttel chronik v. Trautenau 139 (16. jh.).
d)
es kann auch bei wandel nur an die öffentliche strafe gedacht sein. für körper- oder ehrenstrafen kommt es nur selten vor:
ain gelubede wart dâ getân:
ze dem sende (geistl. gericht) nechôme nehain man,
der dehain wort getorste gereden,
er newolte den hals ze wandel geben.
kaiserchronik 8583 Schröder;
sus wart sîn lîp gereinet,
solch wandel im bescheinet:
eʒ wær vorlouft od leithunt,
ûz eime troge aʒ sîn munt
mit in dâ vier wochen.
sus wart diu frouwe gerochen.
W. v. Eschenbach Parzival 528, 26;
ein grosze klag get uber dich.
kanst du die klag nit machen ringer,
so gilt es dir den ainliften finger
und die eier, die daran kleben,
die must du hie zu wandel geben,
das du hast dem gesellen dein
hast ab entspent den pulen sein.
fastnachtsp. 156, 18.
e)
besonders ist wandel die vom richter ausgesprochene und diesem ganz oder theilweise zufallende geldstrafe: 'emenda, satisfactio publica judici et magistratui debita' Haltaus 2027; pena pecunialis, quae dicitur wandel geschichtsqu. d. stadt Wien 1 urk. IX (1244); ist daʒ ein jude seim richter gevelt einer puʒe daʒ da wandel haist, ..., so geit er dem richter czwelf phenning stadtrechte v. Brünn 370 Rössler (anfang 14. jh.); swer sô holz howet oder gras snîtet, oder vischet in eines andern mannes waʒʒere an wilder wâge, sîn wandel daʒ sint drî schillinge, den schaden gilt her uffe recht sachsenspiegel II art. 28, 1. wandel wird in diesem sinn gern mit verwandten subst. wie busze, strafe, pene, frevel, geld, fälle verbunden: so soll er ... den begangen frevel mit vierfeltiger pene, wandel und straffe nach laut und unterschid der obgemelten gesetze gegen gemeiner stat, auch dem clager und richter ze wandlen schuldigsein Nürnb. polizeiordn. 50 Baader; was phening, vall und wandl so voran nit gemelt sein, darumben sich unser lantrichter mit dem gewandleten man .. nit verainen mag öster. weisth. 6, 32, 35 (Steiermark 1478); haben s . f . g ... bewilliget, was geld, puess, peenvehl, straf oder wandel ein mark oder darunder betreffend, dass dieselben alle zu erhaltung der gerichtsdiener .. gebraucht werden sollen cod. dipl. Silesiae 21, 29 (1533); wandel oder straffgelt Aventin 1, 347, 33; hernach kamen nur ungelerte und unzüchtige officiell, die suchten auffm rügetag gelt, busz und wandel Mathesius historie d. Luthers 124, 15 Lösche;
das sie offt für den richter musz,
geben viel wandel, straff und busz.
H. Sachs 4, 380, 21 Keller;
der procurator und ghrichts-handel,
der frevel, buszgelt, straff und wandel ...
die haben meiner taschen gstrelt.
5, 316, 8;
der richter straff und wandel numb (von den parteien),
der procurator das schreibgelt.
17, 335, 27;
ich hoff, werd darfür schuldig, kein
frefel noch wandel euch (dem richter) zu geben.
21, 99, 33.
man unterschied zwischen dem gemeinen oder kleinen wandel und dem groszen (auch freventlichen) wandel, deren höhe verschieden angesetzt wird: dasz gemain wandl ist zwölf pfening österr. weisth. 8, 157, 34 (1521); der wer umb ain gemains wandl, von iedem burger umb sechs schilling zwen phening und von der gemain von iedem 72 [[undefined:curundefined3sch]] 8, 159, 19 (mitte 15. jh.); der hat zum erstenmahl das kleine, das andertmahl das grosze wandl und das drittemahl dopeltes wandl zur straf verfahlen 8, 1007, 43 (18. jh.); so währ er (der in nothwehr gehandelt) doch nur umb das clain wandl 1, 20, 8 (Salzburg); welcher darüber an frembts gericht clagt, der ist umb das gross wandl 5 [[undefined:poundsign]] sechzig pfennig ân alle begnadung verfahlen wie vor alter herkomen 1, 18, 2; den soll man darumb straffen mit dem groszen wandel von iedem mann zwei und sechs schilling pfenning 8, 287, 34 (anf. 18. jh.); das grosse wandl, dasz ist fünf gulten 8, 706, 7 (anf. 15. jh.); der ist vervallen des groʒʒen wandels das ist LX. und V. lib. den. salbuch des stiftes Niedermünster in Regensburg (verhandl. des histor. ver. für Niederbayern 23, 279); wo ainer oder mer verschulden den grossen wandl .., so ist der gros wandl zehen guldein reinisch drey schilling sechs pfening corpus iuris metalliei 65 (österr. bergordnung 1517); nach dem wir in dieser ordnung die straff etlicher verbrechung auff den groszen wandel gestelt haben, so (setzen wir ihn fest auf) zehen gülden, drey schilling, sechs pfenning urkunden und ordnungen der bergwerge in Böyheim (1616) 199;
schrîbet daʒ grôʒe wandel an!
S. Helbling 2, 559;
nun haltet frid pey dem grossn wandl!
weder maintz, es sey ain klainer handl
enckher schlahn und greinn?
Sterzinger spiele 22, 195, Zingerle;
welcher des gotzhaus gueter auffieng zu den seinen .., derselbig ist umb das frävenlich wandl 5 [[undefined:poundsign]] 60 [[undefined:curundefined3sch]] österr. weisth. 1, 48, 9 (Salzburg). wandel wurden wegen sehr vieler übertretungen verhängt: wie wenig ainer übel tut, zehant ist im das wandel auf dem hals Schmeller 2, 938 aus e. handschr.; doch konnten sie erlassen werden: won di armen zu recht gevordert werden, so stent alle wandel nach genaden weisth. 3 899 (Niederbayern); alle wandl stehen dem herrn auf gnad österr. weisth. 7, 79, 44 (1617); alle wändl sein auf des herrn gnadt 7, 255, 15 (1630); sie galten nicht als ehrenrührig: dasz man kein wolgesesznen man vahen soll umb wandl noch umb ander erber sach österr. weisth. 7, 577, 21 (1643); wird alsdann ain wandl erkennt, gibt ers nit, soll richter ine darumben pfenden und nit fänknussen 1, 69, 9 (Salzburg); ungewöhnlich ist, dasz als gleichwerthig damit eine leibesstrafe erscheint: hat er weder pfenninge noch hewser, so slahe man im ab die hant für daʒ wandel Gemeiner Regensburger chronik bei Schmeller² 2, 938 (statut von 1269). verbale verbindungen.
α)
vom standpunkt des schuldigen wandel geben, zu wandel geben, wandel erlegen, ausrichten: und wer wider der vier purger gepot und gesatzt tuet, der geb dem richter daʒ wandel, daʒ von im darumb aufgesatzt wird Senckenberg visiones diversae 281 (Heimburger handfeste); und geb dem richter die wandel, die nach der schuld recht sind, darumb er beklaget ist Ludewig reliquiae manuscriptorum 4, 5, § 4; als oft einer den andern überzewnt, überraint, oder überakchert, einen schuech, ye als oft sol er dem probst zu wandel geben LXXV dn. salbuch des stiftes Niedermünster in Regensburg 304;
ich red das in der still,
dasz Fuxstainer ainem weibspild,
darumb dasz si furs kamergericht gedingt het,
ausztragen liesz leilach polster und pett;
wolt si ir gewandlich wider haben,
muest si sich mit Fuxstainer vertragen,
drei gulden reinisch tet si zu wandel geben.
Liliencron hist. volksl. 2, 163, 607 (1486—92);
die neu aber in die weingärten gesezte baum seind alsogleich auszureissen und dabei vor ieden baum den kleinen wandl mit 72 [[undefined:curundefined3sch]] zu erlegen verbunten österr. weisth. 8, 1004, 26 (18. jh.);
zu morgen frü, eh das es taget,
ist bey dem richter er verklaget,
wie er hab dis und jhenes gestifft ...
dann mus er an den kloen saugen,
bisz er auszricht die wandel sein.
H. Sachs 4, 240, 28 Keller.
wandel schuldig werden, verwirken, verfallen sein, um, mit wandel verfallen sein: die vorgenanten stuck alle, so ainer darin wandl schuldig wuert, das sol durch di vier ... durch recht erkant werden österr. weisth. 8, 776, 3 (1489); wo dieselben dienër umb frävel gen dem lantgericht wändel verworchten 1, 52, 5 (Salzburg 1435); wan der becker sin wandel vorbord in keyserwichbilde umbe kleyne brod rechtsbuch nach distinctionen 5, 3, 28 Ortloff; welcher das nit tut und überfuer, der sol dem andern sein schaden ... ablegen, dartzu unserm richter das gros wandel vorfallen sein corpus iuris metallici 40 (österr. bergordnung 1517);
nu tret her wer hab zu clagen,
doch wil ich im die wandel sagen.
wer wandel hie verfällen tut,
von dem nimpt man kein gelt noch gut.
fastnachtsp. 155, 3 5;
der wär einer äbbtissin des wandels vervallen salbuch des stiftes Niedermünster in Regensburg 279; der ist umb das grosz wandl verfalln nach genaden abzutragen österr. weisth. 1, 16, 42 (Salzburg); ob es sich begebe, das ir eins armleuth in des andern gerichten etwas mit pussen ader wandel verfulen, so sal einer dem andern dy seinen mit sulcher pues heym weisen böhm. chron. 1, 11 (Elbogen 1489);
und mit solchem zenckischen handel
komt sie beim pfleger umb vil wandel.
H. Sachs 21, 188, 19 Keller-Götze.
in den österr. weisth. oft nur zu, zum wandel sein: alsz oft er verclagt wierdt, so ist er zu wandl umb 72 [[undefined:curundefined3sch]] 7, 628; wer des gemein nutz zuwieder ist ..., der ist als oft zum wandel 72 [[undefined:curundefined3sch]] 7, 935. um das wandel sein (s. oben): wenn das gut, das ainer in hat, gevordert wird und nicht aufgäb, der ist umb das wandel weisth. 3, 674 (Chiemsee 1393).
β)
vom standpunkt des richters wandel nehmen, zu wandel nehmen, wandel fordern: daz dhain landrichter darin nicht greifen soll noch ander wandel nemen, denn der hofmarch recht ist österr. weisth. 6, 3, 11 (Steierm. 1423);
ey warumb woltst bescheissen dich
mit im so umb ein ringen handel?
du weist der ambtman nimt das wandel,
wo du anfiengest einen hader.
H. Sachs 21, 36, 26 Keller-Götze;
nu habent dieselben hofmarchen die rechten, daʒ ain landrichter nicht mer nemen sol ze wandel, wenn von ainem messerzukken zwelf pfenning österr. weisth. 6, 3, 12 (Steierm. 1423); swer haus und hof hat hie in der stat ze Münichen, den noch seineu chint sol der richter nicht vahen umb chain puosz, diu man mit pfenning püʒʒen und peʒʒern sol; neur er piet im für daʒ recht drey stunt, und voder sein wandel und sein puoʒʒ, als recht ist stadtrecht v. München, art. 290 Auer. jemand in wandel nehmen u. dgl.: es hat sich auch der rector der hohen schule erbothen, diejenigen, die sich dieses thuns unterstanden, in wandel zu nehmen schreiben des raths zu Wittenberg bei Melanchthon op. 1, 488 Bretschneider; die über ihren stand dem kleiderpracht nachhängen, sollen auf den wandel notiert werden revid. Bayreuther polic.-ord. v. 1746 bei Schmeller 2, 939; ein ieder angeseszner gerichtsman sol sein kraut- pflanz- und paumgarten friden als sein schlafcamer, das wëder darein noch dorausz schaden gescheh, oder er ist umb das wandl abzestraffen österr. weisth. 1, 20, 45 (Salzburg); etwas steht zu wandel:
waʒ sol daʒ vor uns geseit,
des mîn herr niht rihten sol?
doch stêt eʒ ze wandel wol.
S. Helbling 2, 818.
γ)
präpositionelle wendungen, die sich freier an die satzaussage anschlieszen, sind mit wandel, bei dem wandel: der gult wird aller ain halbes phunt und dient man die ze sand Michels misse und versitzet mans an dem tag, so sol mans dar nach dienen mit wandel urk. v. Heiligenkreuz 2, 106 (nr. 103 v. j. 1324); (so solle der richter) den vorgenanten Petern den Röttler mit dem wandel daczue nötten, dasz er dem obgenanten herrn Hainreichen ... an den egenanten 46 [[undefined:poundsign]] dn dhain irrung noch invêl nicht tun solt quellen z. gesch. d. stadt Wien 2, 2, nr. 2398 (1432); wan der pfleger, richter, der ambtman oder ir diener ainen gerichtsman von gerichtswëgen anrueft, ime ain beistand ze thuen, ist der gerichtsman schuldig bei dem wandl inen beizusteen österr. weisth. 1, 26, 11 (Salzburg 1625); aus bevelch eur fürgesetzten obrigkaiten so gepeut ich euch hierauf, ainen ieden handl bei seinem wandl, erstlichen das die nachbarn ain ieder vor seinen gründen die weg und steg machen 1, 347, 20 (1588).
f)
übertragen steht wandel dann für ein leichtes, durch eine geldstrafe zu sühnendes vergehen; 'delictum leve, mulcta luendum' Haltaus 2097. z. th. von frevel unterschieden: item kain landvogt hat im etter zue Benzenzimmern nichts zu strafen noch zue biszen, dan allein die vier wändel (vgl. oben 1, f). was sich aber sunst von auflef begibt, es sei mit messerzucken oder mit flieszenden wunden oder ander frävel, das hat ain richter an stat unser gnedigen frawen von Kirchaim zue bieszen und zue strafen weisth. 6, 275 (Schwaben 1450); das sind die recht und wandel die unser herr der fürst der unser chastenvogt zu richten hat ... das sind die wandel umb unzucht oder frävel salbuch des stiftes Niedermünster in Regensburg 321; gleichbedeutend gebraucht: von aufmerckung und theidigung der freveln, wandel und unthaten churf. Pfaltz fürstenthums in Obern Bayern lands ordnung (1599) 189 (tit. 11); wie er sy ... umb eyn kleynen fraͤfel oder wandel liesz toͤdten und hencken S. Frank weltb. (1542) 242ᵃ.
g)
nach den wörterbüchern des 18. jahrh. wäre wandel auch für gerichtsbarkeit üblich gewesen. Th. Hayme jur. lex. (1738) 1293; 'jurisdictio circa delicta leviora' Haltaus 2027; 'auch das befugnisz ... geringe verbrechen zu bestrafen, d. i. die niedere gerichtsbarkeit ward daher zuweilen der wandel genannt' Adelung; auch der ausdruck hohe wandel für die obergerichte wird angegeben Hayme a. a. o.; Zedler 52, 1517.
h)
im mhd. wird wandel gelegentlich auch in kirchlichem sinn gebraucht, entweder als 'busze' oder als 'vergebung, absolution'. die spätere sprache kennt es in diesen bedeutungen nicht.
α)
so iʒ in danne ruͦwit und sine bicht tuͦt und buͦʒe enphet und wandel gelobt, so vergibt im unser herre alle sine schult Leyser deutsche predigten d. 14. jh. 76, 2; so ersuͦfzete er und weinte vil sere und gelobte unserm herren wandel siner suͦnden vil innecliche Schönbach altd. predigten 1, 123, 29;
gote von himile her dicke gehieʒ
grôʒ wandel vor sîne missetât.
graf Rudolf² Gᵇ 24;
ir sult ûf in (Christum) verkiesen,
welt ir sælde niht verliesen.
lât wandel iu für sünde bî.
W. v. Eschenbach Parzival 465, 13;
wilt du gein got mit triwen lebn,
sô solte im wandel drumbe gebn ...
nu volge mîner ræte,
nim buoʒ für missewende.
499, 18.
β)
ze Baldac nement se ir bâbesreht ...
der bâruc in für sünde
gît wandels urkünde.
14, 2 (ähnlich 708, 8);
iu ensitzet niht ze verre vor
ein heilec man: der gît iu rât,
wandel für iwer missetât.
welt ir im riwe künden,
er scheidet iuch von sünden.
448, 24;
E.
schlieszlich sind zwei concrete bedeutungen von wandel zu erwähnen.
1)
der obere theil (der geige), der kopf ..., ist an den seitenwänden durchlöchert, in welchen runden löchern die stimmwirbel sich befinden ... dieser hohle theil des kopfes heiszt der lauf, der wandel und der wirbelkasten Mendel-Reiszmann musik. convers. lexikon 11, 173.
2)
wandelgang vgl. wandlung 7 a: welche ausladungen (übergreifende simse) bringen gemachsamhayt und zier: gemachsamhayt, so man ain wandel oder spacierung oben auff machen will, wurde der so vil raumer Serlius reglen der architectur (Antwerpen 1542) a 4ᵇ.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 9 (1910), Bd. XIII (1922), Sp. 1524, Z. 58.

wandel, f.

wandel, f.,
muhre. nach Schmeller² 2, 940 (aus Schottky bilder a. d. alpenwelt) am Ortler üblich, aber in Schöpfs tirol. idiot. nicht verzeichnet. wahrscheinlich miszverständnisz eines wortes, das zu wand 'fels, stein' gehört.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 9 (1910), Bd. XIII (1922), Sp. 1557, Z. 3.

wandel, n.

wandel, n.,
in Österreich ein kleines wannenförmiges blech, sowie darin gebackene kleine kuchen oder krapfen. Klein prov. wb. 2, 226. Castelli 264. Höfer 2, 269. Loritza 140. eigentlich diminutiv zu wanne. in andern gegenden wurde es nicht als solches empfunden und schwankt daher im genus: alsdann bestreicht man den wandel allg. küchenlexikon (Leipzig 1794) 2, 1358; in die bestrichene wandel 1360; wandeln von butter, erbsen, mandeln, milchrahm, semmel u. s. w. 1358 f.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 9 (1910), Bd. XIII (1922), Sp. 1557, Z. 7.

wandel, adj.

wandel, adj.,
veränderlich, mangelhaft. aus dem subst. wandel entwickelt. nach dem vorgang des mnd. (myn vader ... reyneget alle dat wandel is quelle bei Schiller-Lübben 5, 586) und mndl. (Oudemans 7, 845) auch in älteren md. quellen:
doch glück und schaden wird in einem nun entdecken,
wer fest, wer wandel sey.
A. Gryphius (1698) 2, 508;
die brücke ist der starcken strasze wegen offters wandel worden Knauth altzellische chronik 5, 27. in dieser bedeutung 'schadhaft' kennt auch Adelung das adj. noch aus dem 'churkreise': die dächer werden wandel.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 9 (1910), Bd. XIII (1922), Sp. 1557, Z. 16.

wändel, wentel, f.

wändel wentel, f.,
wanze. alemannische kurzform, auf wantlûs zurückgehend (mit verhärtung des d von wand); noch jetzt wird in der Schweiz im inlaut t gesprochen, die schreibung ist früher meist wentel (wäntel), nur im Elsasz, wo frühzeitig d mit t zusammenfällt, schon im 16. jahrh. auch wendel (wändel): schweiz. wäntele Seiler 309. Hunziker 286. Greyerz 23. wentela Tobler 444. elsäss. (wo das wort unter dem einflusz der diminutive auch n. ist) wendele Martin-Lienhart 2, 834. wändel Halter 192. vaͦntl Henry 236. schwäb. wentel f. wentele n. Schmeller² 2, 962. andere kurzformen von wandlaus sind das ndsächs. wandje Schambach 285 und wanze, wanzke (s. d.) das wort wird seit dem 15. jahrh. angeführt, und zwar in den alemann. wörterbüchern, doch führen es auch einige andere lexikographen (zuletzt Stieler) neben den synonymen an: cimex, wentel Brack voc. rer. (1487) g 2ᵇ; cimex, wentel Diefenbach gl. 119ᵇ. nov. gl. 90ᵃ; wentel, wandlaus, cimex Dasypodius 456ᵈ; cimex, wandtlausz, wentel, qualster, wantz Alberus X x 2ᵃ; wentelen (die), cimex Maaler 489ᵇ; cimex, ein wentel Calepinus (1584) 219ᵃ; wentel, cimice Hulsius 275; cimex, wantlausz, wentel Golius onom. 305; wentel, wantz Crusius gramm. lat. (1562) 300; wentel v. wantz Schottel 1442; wanze, wanzke, wentel et wandlaus, cimex Stieler 2430; auch bei Gueintz d. sprachl. wentel oder wantz, cimex. in der litteratur des 16. 17. jahrh. kommt das wort auch nur im alemann. gebiet vor, auszerhalb desselben fallen abgesehen von dem in Grenchen lebenden Grimmelshausen nur Fuchs und Lehmann (Speyer, also dem Elsasz benachbart): flüh ursachen der sünd, böse geselschafft, flüh das lotterbeth. nit bysz also unentpfindlich, das du nit entpfindest die wendelen, das ist die arbeitseligkeit, angst und not, so die sünder teglich lyden Keisersberg bilg. 153ᵇ; soll er den zuͦ nacht schloffen an das bett gon und sicht was an dem bett krücht, wentlen lüse und flöhe 206ᵇ; so fürt man in (den pilger) ettwan in ein wüst ellendt bett, das louft vol flöhe, lüsz und wentelen 213ᵃ; flöch, leusz, meusz, und wänteln und ander unfasel has im pfeffer D d 3ᵃ; es seind hundsmucken kommen und wentlen Nachtigall psalter 270 bei Schmidt els. wb. 417; die häringköpff ein zimliche zal an ein faden gezogen, sol man legen under das bet in das strouw oder loubsack, so vertreybt es die wentelen Forer fischb. 6ᵃ; die glyssling ... sind gleich einer waͤntelen 197ᵇ; die flöh und wänteln zuvertreiben Sebiz feldbau (1579) 243; wann einer überland zeucht und kumpt an ein ort, da vil wäntlen seind, so setz er ein geschirr voll kalts wassers under sein beth, so beschürt in kein wentel und lassen in mit rugen schlafen Herr feldbau 117ᵃ; scorpionen in Apulien, leusz in Ungarn, wändeln zu Parisz, mästschwein in Pomern Fischart groszm. 656 Scheible; wendeln im bret (ein spiel) Garg. 262 neudr.; bey den Arabischen wird das thier igil genant, das ist ein wantze oder wentel, die eine schwartze haut hat Thurneisser magna alchymia (Berl. 1583) 2, 27; im summer im höw ligen, im winter uff eim strowsack voll wentellen und lüsen, so ligend gmeinlich die armen hirtlin Th. Platter 13 Boos; das best aber ist zibeta, welches nit allein vor schaben praeservirt, sondern auch dasselbige mit sampt allen andern ungeziffer, flöh, leusz und wäntlen, vertreibt und auszmustert Paracelsus op. (1590) 6, 275; flöhe, fliegen, mücken, wendel, läusz und mäusz machen mehr beschwernusz, als kein zam thier Lehman 1, 462; die grösze oder breyte der fischlausz ist wie eine grosze wendel oder wandlausz Baldner thierbuch 164 Lauterborn; stincken als die wendlen 165; da wisten theils (der Zigeuner) die wantzen oder wändel in ein ander hausz zu baunen Simpl. schriften 1, 194, 8 Kurz (vogelnest 2, 26); es stunden in derselben (kammer) 4 bettladen, der reyhen nach mit so vollen wäntelen oder wandläusen umkrochen, dasz man von schwartzen dupffen, als dero geschmeisz, kaum das holtz ... darvon sehen konnt der frantzösische kriegs-Simplicissimus (Freyburg 1682) 134;
flöh, wentlen und darzu lüsz.
schweiz. schausp. 2, 305, 4942;
Socrates. hola! Strepsiades herfür!
und bring dein bettlein auch mit dir.
Streps. ich kans vor den wendlen nit tragen.
Fröreisen nubes 966 Dähnhardt;
es ist ein thier, das wentel heist,
welchs sich umb das gemawer fleist
zu wohnen.
Fuchs mückenkrieg 2, 827 Genthe.
der Brandenburger Coler kennt die form wantel: cimices, wanzen, wanzeln, wanteln oder wantläuse sind auch einem wirth böse gäste in den betten hausbuch (1640) 220. auch im 18. jahrh. wird das wort in encyklopädischen werken neben den andern formen mit angeführt: die hausz-wantzen oder wand-läuse, welche auch bett-wantzen, bettwändeler (für wändelen) heiszen Zedler 52, 2003; cimex, die wanze, wandlaus, .. an einigen orten wentel Nemnich 2, 1041. selbst Campe kennt es als landschaftliches wort. die schweizerische volkslitteratur gebraucht es noch: von der bäuerin erhielt ich .. das bett ... mit dem bescheid, dasz das wiedergeben nicht pressiere; nur möchte sie nicht, dasz wäntelen hinein kämen Gotthelf 2, 189 Vetter. in redensarten wie wanze: wenn das nüd gued för d' wentela n' ist, was tüfels ist denn gued? Tobler 444; er ist so mager wie eine wentele ebenda; eim ge für d' wendele 'tüchtig durchprügeln', de het für d' wendele Martin-Lienhart 2, 835. die bedeutung ist gewöhnlich 'bettwanze', daneben auch 'mauerwanze' (s. oben Fuchs); im elsäss. auch 'schwarze johannisbeere' (s. wändelbeere und wanzenbeere; die bei Martin-Lienhart a. a. o. noch angegebene bedeutung 'waldweg' gehört wol zu wandeln 'gehen'). das wort wird wol auch wie wanze auf menschen übertragen: in Schwaben nennt man kurze und dicke leute bantleⁿ, wantleⁿ Buck medicin. volksaberglaube aus Schwaben 12.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 9 (1910), Bd. XIII (1922), Sp. 1557, Z. 27.

wändel, n.

wändel, n.
ein schlesisches wort, zu wandeln 'gehen': das dach ladet nach der hofseite oft ziemlich weit aus und bedeckt einen schmalen, etwas erhöhten, bisweilen auch gemauerten, an der langseite des hauses sich hinziehenden streifen, das wändel, pflastergang, der auch an den stallungen sich fortsetzt und bei regenwetter einen trocknen verkehr mit denselben ermöglicht mitteil. der schles. ges. f. volkskunde 3, 37. ähnlich 'beim fränkischen hause' das wandele Meitzen siedelung u. agrarwesen 3, 222.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 9 (1910), Bd. XIII (1922), Sp. 1558, Z. 57.

wandeln, verb.

wandeln, verb.,
verkehren, gehen, ändern, rückgängig machen, büszen usw.
I.
herkunft und form.
1)
wandeln, ahd. wantalôn, wantilôn, asächs. wandlôn (in den Straszburger glossen), ist eine ableitung von ahd. wantôn 'wenden', das seinerseits von wintan gebildet ist; es erscheint nur im deutschen und friesischen, afries. wantelia Richthofen 1124ᵇ hat nur die bedeutung 'mutare', mnd. mnl. wandelen ist 'verändern, verkehren, gehen', nnl. wandelen 'spazieren gehen' (schwed. vandla ist entlehnt).
2)
umlaut zeigt das wort zuweilen in der bedeutung 'strafen, bessern' urkundenbuch v. Freiberg 3, 163, 14 (wendeln), monum. Habsburg. 2, 336 und 937 (wendlest, wendlen), österr. weisth. 6, 282, 37 (wändlen), zurückzuführen wol nicht auf das i in wantilon, sondern auf den häufig mit umlaut gebildeten plur. von wandel 'geldbusze' (s. sp. 1525). vereinzelt wendelt 'ändert' in der Teutschen planet (1639) A 4ᵃ, wo subject Wendelin Frantzmänlein ist (s. u. C 1 b ε), vielleicht von wenden abgeleitet, dann als wendeln zu verzeichnen; vgl. auch wendelmut neben wandelmut.
3)
die umschreibung des perfects bei dem intr. wandeln 'verkehren' geschieht stets mit haben, in der neueren sprache kommt nur die verbindung handeln und wandeln in betracht, bei der das hilfsverb durch handeln bestimmt ist. bei der bedeutung 'hin und her ziehen, reisen, gehen', übertragen 'leben, sein leben führen' ist in der älteren zeit haben das gewöhnliche, Luther gebraucht es stets, und noch Adelung fordert es als regel, im 19. jh. kommt es aber bei der eigentlichen bedeutung nur noch selten vor, bei der übertragenen bedeutung, die ganz der bibelsprache entstammt, hat es sich gehalten. vgl. Paul in den abhandl. der Münchener akad. d. wiss. 22, 1, 185 und Kehrein grammatik 3, 37, § 47.
a)
ich hân die welt gewandelt wol Hugo v. Montfort 27, 181 Wackernell; ich han gewandelt manig her Oswald v. Wolkenstein 59, 45 Schatz; ich han gewandelt hin und har deutsche volksbücher 196, 21 Bachmann u. Singer; der noch nie gewandelt hatte apostelgesch. 14, 8 (gewandlet hatt Züricher bibel); so lange wir bei inen gewandelt haben 1. Sam. 25, 15; durch allen weg, daher ir gewandelt habt 5. Mos. 1, 31; wir haben gewandelt wüste umwege weish. Salom. 5, 7; in allem wege, den sein vater gewandelt hatte 2. kön. 21, 21; hast (du) in den fusstapffen der tieffen gewandelt? Hiob 38, 16; da David gewandelt hatte 1. Sam. 30, 31; ich habe gewandelt in den hütten 2. Sam. 7, 6; bei Luther auch mit richtungsangabe: hast du nirgend hingewandelt randglosse zu 2. kön. 5, 26 (7, 497 Bindseil); die Schotten haben gern gewandlet Stumpf Schweytzer chronik (1606) 208ᵇ; hat stets von hand auf hand gewandelt Assurs stab Opitz (1690) 4, 296; hat der söhne fusz ... gewandelt Klopstock Messias 4, 963; der in dem licht eines glänzenden hofes gewandelt hat Moser beherzigungen³ 33; wo er gewandelt hat J. H. Schmidt bei Herder 12, 281 Suphan; ich habe arm und unbemerkt in der welt dahingewandelt J. Stilling 1, 46; wo sie (die verstorbene) gewandelt hätte Rückert ges. ged. 2, 67; Maria, die du hast gleich mir gewandelt A. v. Droste-Hülshoff 1, 2, 75 Kreiten; wo gottes majestät gewandelt hat Fr. Ahlfeld bei Flathe deutsche reden 2, 129.
b)
sein begegnet vereinzelt in oberdeutschen, besonders alemannischen quellen seit dem 15. jh., im 18. jh. wird es häufiger, Campe läszt neben haben auch sein zu, dies erscheint jetzt, wie bei andern verben der bewegung (von der übertragenen bedeutung abgesehen), als das gewöhnliche; eine bevorzugung von sein bei perfectivem sinn zur zeit des schwankens ist nicht ersichtlich, die belege zeigen vielmehr durativen sinn, auszer dem folgenden: was eins manns stieffsun von der selben gegny gewandelt 'fortgezogen' Riedrer spiegel der rhetoric 20ᵃ; im nachstehenden gehört das hilfsverb zunächst zu fahren: die irr choufmannschaft gewandelt und gevaren sind quellen zur gesch. d. stadt Wien 2, 1, nr. 288 (1345). sonst: ich bin gewandelt den weg Zainers bibel 1. kön. 15, 20; du bist nit gewandelt Koburgers bibel 2. chron. 21, 12; in der Züricher bibel öfters: durch allen wäg dahär ir gewandlet sind 5. Mos. 1, 31; bist du in den wincklen der tieffe gewandlet? Hiob 38, 16 (daneben haben z. b. 2. kön. 21, 21. 2. chron. 21, 12); als unser lieber hergot noch auff erdrich gewandelt ist Montanus schwankb. 25 Bolte; menschen ... die do weit gewandlet waren Münster cosmogr. vorr. 3. im 18. jh. bei dem Elsäszer Pfeffel: wenn dein tritt durch den cedernhayn gewandelt ist poet. versuche 1, 46; war gewandelt pros. versuche 9, 120; bei Schiller: von dem guten pfade, auf dem ihr vierzig jahre seyd gewandelt 12, 260 (Wallenst. tod 2, 6); doch auch bei dem Thüringer Heinse: dieser jüngling will ... den weg gehen, welchen Homer, Cervantes ... gewandelt sind? bei Gleim briefwechsel 1, 19 Körte. auch bei wandeln mit adv. 'sich im leben verhalten', ist der gebrauch von sein jetzt nicht ausgeschlossen.
II.
bedeutung und gebrauch. die ursprüngliche bedeutung von wandeln ist, dem charakter der ableitung -alôn, -ilôn entsprechend (Wilmanns d. gramm. 2 § 75), ein wiederholtes oder abgeschwächtes wenden. 'hin und her wenden', das vereinzelt im ahd. und mhd. im eigentlichen sinn vorkommt (A), wird übertragen zu 'hin- und her überlegen', im bairisch-österreichischen zu 'gerichtlich eine sache erörtern, verhandeln'. der intransitive gebrauch 'sich hin und her wenden' erscheint schon ahd. und mhd. übertragen als 'sich mit etwas abgeben', 'mit einem verkehren, umgehen, verfahren' (B 1), aus dieser gruppe hat sich die verbindung handeln und wandeln als 'verkehren' bis ins 18. jh., auf den kaufmännischen verkehr beschränkt bis jetzt erhalten. das intrans. wandeln (in der ursprünglichen sinnlichen bedeutung) wird ferner seit dem 14. jh. eingeengt auf die gehbewegung von personen und thieren (B 2), als 'hin und hergehen' traf es mit wandern zusammen; wie dieses kann es auch zu 'nach einem ziele gehen, reisen' abgeschwächt werden oder das gehen schlechthin, im gegensatz zur ruhelage, bezeichnen. im älteren nhd. ist wandeln das gewöhnliche wort in alem. quellen, kommt indes auch im md., am seltensten im bair., vor. Luther, der in der bibel wandeln vor wandern entschieden bevorzugt, begründet auch die unterscheidung zwischen beiden verben, indem er wandern auf die zurücklegung gröszerer strecken beschränkt. wandeln kommt in der folgenden zeit am ersten für 'über eine kurze strecke hin- und hergehen, spazieren gehen' vor, ist sonst in der eigentlichen bedeutung nur wenig üblich. erst Klopstock hat das wort in der dichtung wieder in aufnahme gebracht, indem er es dazu verwendet eine edlere art des ganges zu bezeichnen. so zeigt es sich in gehobener sprache wieder in reicher verwendung (in der volkssprache lebt es nur im alem.). auszerdem sind dem gehobenen ausdruck aus der bibelsprache noch einige andre gebrauchsweisen zugeflossen, so die von 'sich irgendwo aufhalten'. besonders aber wird an den biblischen sprachgebrauch angeknüpft, indem man das leben des menschen als ein wandeln bezeichnet; wird dies vom religiösen und sittlichen standpunkt aus angesehen, so entsteht die bedeutung 'sein leben führen', 'sich in moralischer hinsicht irgendwie verhalten' (B 3). diese bedeutung steht auch im zusammenhang mit 'verkehren' (B 1), dann 'sich im verkehr, umgang verhalten', dieser bei den subst. wandel und wandlung zu tage liegende zusammenhang läszt sich aber bei dem späten auftreten von wandeln 'sein leben führen' hier nicht nachweisen, doch vgl. B 2 am anfang. die seit ahd. zeit belegten transitiven bedeutungen 'ändern, verwandeln, wechseln, tauschen' (C), dann auch intransitiv 'sich ändern', sind zu erklären als ein der sinnlichen bedeutung des stammwortes gegenüber abgeschwächtes wenden; das im mhd. (auch mnd.) in diesem sinn sehr häufige wort trat im früheren nhd. hinter verwandeln und ändern, verändern zurück; obwohl Luther in der bibel wandeln häufiger als verwandeln gebraucht, sind die belege, von Logau abgesehen, bis ins 18. jh. hinein selten, von Klopstock aber, der sich wol an Luther anlehnte, wurde das simplex wieder in die gehobene sprache eingeführt. aus einer besonderen art des wendens, nämlich der zum ausgangspunkte zurück, entstanden die mhd. und frühnhd. bedeutungen 'zurücknehmen, rückgängig machen, wieder gut machen, büszen' (D), besonders in rechtlichem und religiösem sinne; auf dem rechtsgebiete zweigte davon weiter ab die (bes. im bair. eingebürgerte) bedeutung 'strafen'. diese bedeutungen sind jetzt völlig verschollen (anders bei wandel und wandlung), nur die wendung ein pferd wandeln 'zurücknehmen' kommt bis in die neuere zeit vor. wandeln bietet den dichtern den einzigen naheliegenden reim auf handeln, besonders im mhd. wird er reichlich verwandt, oft aus kosten der deutlichkeit (z. b. von Ottokar); in der prosa erscheint die verbindung handeln und wandeln zunächst in der bedeutung 'verkehren' (s. die belege unter B 1), aber auch auf andere bedeutungen greift sie über, so z. b. in rechte handeln und wandeln 'anwenden' (A 2 e), 'sich verhalten' (B 3 b λ), die sacramente handeln und wandeln (C 1 g β). handeln steht jetzt immer vor wandeln, dies wird auch schon früher bevorzugt, doch kommt auch die umgekehrte stellung vor, so z. b. bei Luther 6, 261, 10 Weim. ausg., Eberlin v. Günzburg 2, 31 neudr., Fischart Gargantua 20 neudr., Bodin 593. neben dieser reimenden sind auch allitterirende verbindungen beliebt: niht gewandelt noch beweget meister Eckhart, d. mystiker 2, 346, 11; wandeln und wohnen Sacharja 7, 14 und öfters in der bibel, ferner: volksbuch v. Faust 71 neudr. Henneberger preusz. landtafel 83. Prutz in: briefe von und an Herwegh 105; nicht wechseln noch wandeln 3. Mos. 27, 10; zu wandeln, zu wallen Göthe 2, 32 Weim. ausg.; wandeln und weben Göthe 48, 218. Fouqué held des nordens (1810) 1, 108; wandeln und weiden Göthe 2, 60; wandeln und wirken Göthe 35, 242; briefe 40, 266 Weim. ausg. formelhafte verbindungen wie wandeln und kehren, wandeln und büszen, wandeln und strafen u. a. setzten sich besonders im rechtsleben (s. C 1 g γ und D 2 γ) fest; wandeln und keren auch bei Luther 7, 676 Weim. ausg.
A.
die der ableitung des wortes entsprechende bedeutung 'hin und her wenden' erscheint
1)
in eigentlichem sinne noch im ahd. und mhd.
a)
zunächst zwei glossen, bei denen nicht nachzuweisen ist, ob eigentlicher oder übertragener gebrauch vorliegt: volutat, wantalot Steinmeyer-Sievers 1, 267, 21 (volutare 'hereinwälzen' und 'überlegen'); ventilat wantalot 2, 318, 36 (ventilare 'worfeln, hin- und herbewegen, behandeln, erörtern').
b)
mehrfach von körperlichen bewegungen; die hände rühren: exercet, wantalota 2, 425, 34 (barbarus forum per omne tortor exercet manus Prudentius peristephanon 1, 47); vom worfeln des getreides: purgabitur, wantolod 4, 527, 18 (illius et manibus ruralis pala tenetur et propria ipsius purgabitur area frugum Juvencus evangelia 1, 343); vom heuwenden: haw auʒ (den?) pawmgarten rechen und wandlen und in ewern stadel fuͤren codex diplom. Austriaco-Frisingensis 3, 608 (ca. 1360). auch zuweilen in der mhd. epik:
dô striten sus die werden
ze fuoʒ ûf der erden
einen herten strît scharpf erkant,
diu swert ûf hôhe ûʒ der hant
wurfen dicke die recken:
si wandelten die ecken ('drehten die schärfen um').
W. v. Eschenbach Parzival 706, 12;
ich sol den kameræren sagen,
müge er (der kranke) eʒ iemer vertragen
und verdoln, daʒ man in handele
und under handen wandele,
daʒ sî'n uns her ûf bringen.
G. v. Straszburg Tristan 7766;
mit dem zusatz hin und her:
mit sînes selbes hanten
huob er in von der erde ...
dô der kaiser ûf sînen armen
chlagete Ruolanten,
er begonde in wantelen
al hin und her.
Rolandslied 257, 32 Grimm;
vielleicht auch hierher (absolut gebraucht, zu ergänzen den leffel?):
maneger in der schüʒʒel wandelt
und smückt daʒ beste in sînen munt:
dem ist gesellikeit unkunt,
der sînen gnôʒen überiʒʒet.
Konrad v. Haslau der jüngling 570 (zfda. 8, 567).
2)
übertragene gebrauchsweisen.
a)
in erweiterter bedeutung 'ein ding behandeln, besorgen' (kaum als 'umsetzen' zu nehmen):
Joseph hieʒ daʒ chorn dresken,   lutzil machin zuo eschin.
er hieʒ iʒ guarlichen hantelon   dieʒ scolten wantilon,
den armen dir mite helfin,   zi den richin firchouffin.
Genesis, fundgruben 2, 62, 11;
eine that wandeln 'ausführen', mit dem nebenbegriff der inangriffnahme von verschiedenen seiten her:
wie gar der bischolf Ruodolf
von Lavent den bischolf
guotlich het gehandelt,
und wie er het gewandelt
alle die tât,
die der bischolf vor handen hât.
Ottokar reimchr. 54394 Seemüller.
b)
vereinzelt erscheint die bedeutung übertragen auf das denken als 'hin und her überlegen': volverem, wantaloti Steinmeyer-Sievers 1, 294, 25 (1. Mos. 24, 45: dumque haec tacitus mecum volverem); hiermit in merkwürdiger übereinstimmung: was wandelstu da? quid hic titubas, et meditaris, animumque occupas? Stieler 2501.
c)
häufiger, aber ausschlieszlich im bair.-österreichischen, kommt die bedeutung 'in rede und gegenrede (besonders vor gericht) erörtern, verhandeln' vor:
wurden die bischove besant,
daʒ si beschieden den strît ...
die rede man wandeln began
mit Effrâtâ vil strange.
der irrære lange
manegen schilt für stieʒ.
Servatius 1000 Wilhelm;
wan die vorgedachten sache vor uns und mit unser gewissen geschehen und gewandelt sint, des geben wir dem oftgenanten Rugern zu einem sichtigen urchunde ... disen prief urkundenb. v. Klosterneuburg nr. 125 (1309) (fontes rer. austr. 2, 10, 116); wan dise sach geschehen und gewandelt ist zu den zeiten, do her Stephan ... brobst gewesen ist nr. 252 (1333) (2, 10, 247); wie ein igleich man vor weltleichen gericht sein sach wandeln sol, daʒ er sich wol verste ..., wenn in recht oder unrecht geschicht rechtbuch des Ruprecht von Freising v. 1332, § 70 bei Westenrieder 7, 175; di alle mit iren insigeln ... bezeugent, daʒ diser chauf recht und redlich gewandelt ist stiftungsbuch v. S. Bernhard urk. nr. 95 (1346) (fontes 2, 6, 249); fraglich ist, ob die beiden folgenden belege hierher gehören oder unter 'strafen' einzureihen sind (vgl. unten D 2 γ) 6)) besonders mon. Habsb. 2, 532): mit ... andern händeln, die ... unsre richter gewandelt und eingenommen haben Krenner bairische landtagshandl. 2, 214 (1460); dann auch einen ort wandeln 'die gerichtsfälle eines ortes verhandeln': dasselbe dorf ... an allen örtern mit demselben unserm landgerichte umgeben ist, und auch vormalen allweg in unserm landgericht Straubing gewandelt ist ebenda. auch die verbindung handeln und wandeln kommt hier vor: si (die Passeirer) sullen ouch die vorgeschriben recht handeln und wandeln und zu irem frum wenden und keren, als si das mit alter gewonhait herbracht habent österr. weisth. 5, 91, 30 (1363).
3)
reflexive verwendung der bedeutung 'hin und her bewegen' zeigt die folgende stelle:
des hieʒ er Johannen sagen
der cristenheit ir ungemach,
waʒ her in sinen tougen sach,
da zu das sine irwelten
als die argen sie hi quelten
und ungutlichen handelten,
an irre stete sich nicht wandelten,
und daʒ zie nicht vorzageten
swen die tage betageten.
Heinrich von Hesler Apokalypse 206 Helm.
B.
wandeln 'hin und her wenden' bekommt intransitiv die bedeutung 'sich hin und her wenden'. dasz sie auch von leblosem gebraucht wurde, dafür ist der einzige beleg (falls nicht wadilte zu lesen ist), vom flattern eines fähnchens:
ein sper vuorter an der hant
(ein zeichin von rîchir habe
verre wandilte drabe).
Athis u. Prophilias B 90 Grimm;
reich hat sich dagegen die bedeutung in bezug auf die bewegung lebender wesen entfaltet. es sind dabei zwei schichten zu unterscheiden, eine ältere und eine jüngere, die sich allerdings an einzelnen stellen berühren oder vermischen, so dasz bei manchen belegen die zuweisung schwierig ist.
1)
in der älteren schicht sind die belege nicht zahlreich genug, um die bedeutungsentwicklung lückenlos übersehen zu lassen; sie haben das gemeinsame, dasz bei ihnen die ausschlieszliche beziehung zur gehbewegung, die in der jüngeren schicht besteht, fehlt. darf man sie in vorlitterarischer zeit als vorhanden vermuthen, so ergäben sich parallelen zu umgehen in den übertragenen bedeutungen; doch wird man eher anzunehmen haben, dasz die entwickelung gleich der von lat. versari und conversari verlaufen ist: hier wie dort wird 'sich hin und her wenden' zu 'mit etwas sich abgeben' und 'mit einem verkehren, umgehen', was dann weiter (im deutschen besonders in der verbindung handeln und wandeln) zu 'sich benehmen' führt. zu ähnlichen bedeutungen gelangt das wort später in der bibelsprache auf dem umweg über 'gehen' (s. 2), 'den lebensweg gehen', ferner 'sein leben in irgend einer weise führen', doch wird dies auf eine vom religiösen standpunkt aus beurtheilte dauernde gesinnung bezogen, während der ältere gebrauch zunächst auf das benehmen innerhalb des bürgerlichen lebens und in bestimmten fällen zielt. für das biblische 'den lebensweg gehen' gebraucht die vulgata conversari neben allerdings viel häufigerem ambulare, das erste wort zeigt anknüpfung an den hier unter 1) behandelten gebrauch. auch die späteren wörterbücher vermischen oft die gebrauchsweisen (ihre angaben s. unter 3, doch vgl. e handeln und wandeln). in älteren glossaren: versari, wandeln Diefenbach gl. 614ᵃ; conversari, wandeln, mitwandeln 148ᶜ, nov. gl. 112ᵇ.
a)
mit einem wandeln, 'mit ihm verkehren, umgang haben':
mit uns er wantelote
driu unte driʒʒich jâr,
durch unser nôt daʒ vierde halp.
Ezzo 241;
bei Ottokar 'mit einem zu thun haben':
sô si in iwern hulden
allerbeste wesen wânden,
sô hieʒet ir si banden
und smæchlichen handeln.
swer mit in wil wandeln,
der leist in, swaʒ er in gelob.
reimchr. 14624 Seemüller;
auch in feindlichem sinne:
in dem her wart vernomen,
grâf Yban wær ze velde komen
niht wan durch strîtens willen ...
dô erkanden sâ zestet
sînen argen list,
die dâ sô manige frist
mit im heten gewandelt.
29938;
swaʒ in der von Kolne seit,
daʒ was alleʒ in gelîhsenheit,
wand ir wille stuont gelîche
ze wandeln mit dem rîche,
doch hulen si eʒ sêre.
59438;
sonst 'mit jemand verkehren': diser Pippinus verliess ain zeit sein eeliche frawen und wandelt mit ainer unfertigen frawen genant Alphaidis Ulrich Füetrer bayerische chronik 65, 13 Spiller; was sy (die witwe) gar zumal ain schöne frume fraw . do wandelt der gemelt hertzog Ludwig vil mit ir . in dem sprach er der rainen frawen nach freuntlicher amorschaft 165, 1; nu diser jung Friderich wandelt vast mit graf Mänharten; das was wider seinen vater 180, 6; bei Fischart unter dem einflusz von mit einem handeln und wandeln:
wie das es grob erlogen sey ...
das ire heiligen und lerer ...
mit niemand haben sonst gehandelt,
als mit den engeln nur gewandelt.
dicht. 1, 175 Kurz (von S. Dominici leben 1686);
und wann ein fürst mit weisen wandelt,
so wird alles fürsichtig ghandelt,
bey narren gewont man mit der zeit
der narheit und leichtfertigkeit.
Eulenspiegel 1919 Hauffen;
ganz vereinzelt steht der acc. statt mit c. dat., wol veranlaszt durch sahen: der anderen tochter frümchait und piderbchait musten jehen alle die, die sei wandelten oder sahen österr. chronik von den 95 herrschaften 136, 33 Seemüller.
b)
wird die art und weise, wie man mit einem verkehrt, durch zusätze bezeichnet, so gewinnt wandeln die bedeutung 'mit einem verfahren, einen behandeln' (vgl. die ähnliche erscheinung bei umgehen):
(die siechen) den si mit suʒer plihte
sa fliʒecliche handelte,
mit in so schone wandelte
in sa mildeclicher ger.
heil. Elisabeth 8102 Rieger;
ei lieben, wi gar wole uns ist,
daʒ wir unsern herren Crist (hier: die siechen)
sus baden unde handelen,
alsus mit ime wandelen.
8158
(in gleicher bedeutung kommt 8184 gewendeln vor);
wie der phaff sich selben handelt,
alsô wirt mit im gewandelt,
der sich êrt den êrt man ouch.
Teichner anm. 244 (Wiener denkschr. 6, 159) Karajan.
c)
mit etwas wandeln 'verfahren': mit was wandeln nach seinem rat, disponere Scherz-Oberlin 1937; ieder man, er sy burger oder gast, mag mit den (l. dem) sinen (getreide u. dgl.) wandlon, es si mit verkouffen oder im selber ze behaben, als ir ieklichen dunket, daʒ es im fuͤklich sy Zürcher stadtbücher 1, 355 Zeller-Werdmüller; hett er aber nit gnuͦg geloͤst, oder die pfand nyemand koffen woͤlt, so mag er ... an dem gericht erfaren, wie er mit den pfanden wandeln soͤll, und was denn urteil gibt, dem sol und mag er denn nachkomen stadtrecht von Baden 58, 22 (1384) Welti.
d)
absolut als 'sich benehmen' gebraucht es Ottokar, der in diesem sinne auch wandern hat:
nû hôret mich und nemet war,
wie ich gewandelt hân.
eʒ weiʒ manic man ...
waʒ ich wird und êren
kunic Adolfen tet.
reimchr. 72897 Seemüller.
e)
im mhd. zeigt sich die bedeutung 'verkehren' noch in der verbindung handeln und wandeln (vgl. handel und wandel sp. 1529): conversari, negotiari, vivere quod appellant handeln und wandeln Stieler 2501; mit einem handelen und wandelen, usar con uno, mit verweis auf umgehen Krämer 1208ᵃ; (ebenso im älteren ndl.: handelen ende wandelen met iemanden, consuescere alicui, versari cumaliquo Kilian 174ᵃ); auch solchs des leichter inn das werck zurichten, so handelt und wandelt mit solchen leuten, die euch ... zu tugenden vorleuchten und dienen Fischart ehezuchtb. 177, 28 Hauffen; dermaszen von den waldtleuten dergleichen wie obsteht gesehen und mit ihn gehandelt und gewandelt Paracelsus (1616) 2, 186 A; mit denen gesellen soltu handlen und wandlen Guarinonius greuel der verwüstung (1610) 931; sie ... waren unter erfahrungen grau geworden, hatten mit menschen gehandelt und gewandelt Klinger 3, 175; mit adv.: der auffrecht mit jederman gehandelt, gewandelt Fischart ehezuchtb. 248, 15 Hauffen.
f)
in diesen belegen war die bedeutung des alleinstehenden wandelns nur wenig verschoben; fehlt die angabe der person, mit der verkehrt wird, so wird handeln mit- oder hauptträger der bedeutung.
α)
mit zusätzen, die die art und weise bezeichnen: ein herr, der fureth einen hauffen mit sich, der musz nit wie er wil, sondern wie der hauffe vormag wandeln und handeln, mehr yhre notdurfft und nutz, dan seinen willen und lust ansehen Luther 6, 261, 10 Weim. ausg.; was kann der mensch ewigs machen auff erden, oder auffrichten? er ist seins auffrichtens, das er morgen thut, nicht gewisz, ob es bisz zu nacht bleibt oder nicht: sondern aller dingen dermassen handeln und wandeln, wie die zeit gibt Paracelsus (1590) 9, 173;
überall dir günstig
weht ein gott dir zu,
darum liebebrünstig
handle, wandle du.
Platen 10 (lied. u. rom.).
β)
gelegentlich steht nach dieser verbindung auch ein acc., doch ist dieser nur von handeln abhängig, so dasz diese gebrauchsweise also nicht mit der oben A 2 angeführten (eine that wandeln bei Ottokar) zusammenhängt: der prophet Elias kombt eins mahls zu einer armen wittib, fragt, was sie handle und wandle ... sihe, da samle ich zwey höltzer zusammen, damit ich mir darmit ein brod backe Abr. a S. Clara Judas (1687) 1, 408.
γ)
dann auch absolut 'thätig sein': wir geistlichen stont im chor zuͦ schwatzen, und ir weltlichen ... thuͦnt das selb ouch, und lond gott den herren do vor eüch handlen und wandlen, und kerent eüch nitt doran Keisersberg postill 2, 17ᵇ; wollen wir heutiges tages auf dem wasser handeln und wandeln, so müssen ... wir nothwendig schiffe haben Abr. a S. Clara etwas für alle (1699 f.) 2, 39; 'seinem beruf nachgehen': töchter, junckfrawen, auch megdt, die handlen und wandlen, die etwas lernen oder dienen wöllen Schumann nachtbüchlein 173 Bolte; da (in der Schweiz) sahe ich die leut in dem frieden handeln und wandeln Simpl. 2, 8, 11 Kurz.
g)
wandeln gilt besonders vom kaufmännischen verkehr, schon ahd.: negotiabuntur, wantlon, wantlont, wantilont, wantilint, wantilotin Steinmeyer-Sievers 1, 792, 31 (zu 2. Petri 2, 3); wandeln mit einem, negotiari Scherz-Oberlin 1937; wandeln, negotiari Schottel 1440; alls waʒ die Haimburger ze wandeln habent mit fuͤren, mit tragen, mit treiben, mit chauffen und mit verchauffen ze Wienne in der stat, oder auʒ der stat Haimburger handfeste (1351) bei Senckenberg visiones diversae 282; mit innerem acc., wandlung wandeln 'commercium habere': daʒ sint die recht umb alle die wandlung die die Wienner und die Haimburger gegen einander ze wandeln habent ebenda.
h)
hier besonders beliebt, und bis jetzt lebendig geblieben, handeln und wandeln; im heutigen sprachbewusztsein mischt sich zuweilen die vorstellung des tauschens ein, von der auch Adelung ausgeht: handeln und wandeln, handel und wandel treiben, to trade, traffick or negotiate, and converse with people Ludwig 2379 ; s. auch oben e Stieler 2501.
α)
mit einem: dasz niemant ausz seinem land mit den von Augspurg weder handlen noch wandlen soll Burk. Zink, städtechron. 5, 325; mid eme gehandelt und gewandelt, etlich gelt entpfangen Wismarer zeugeb. (16. jh.) bei Schiller-Lübben 5, 588; im gemeinen wesen aber ist viel daran gelegen, dasz man ein ansehen bey andern hat, theils wegen des credits, wenn man mit andern handeln und wandeln soll, theils ... Chr. Wolff vern. ged. v. d. gesellschaftl. leben (1725) 378; Shylock. ich will mit euch handeln und wandeln (I will buy with you, sell with you), mit euch stehen und gehen, und was dergleichen mehr ist; aber ich will nicht mit euch essen Shakespeare, kaufm. v. Ven. 1, 3.
β)
man sagt: mit einer ware handeln und wandeln, auch: in etwas (wie es in der heutigen kaufmannssprache heiszt: er macht, reist in kaffee): er handelte und wandelte besonders in pferden Frenssen Jörn Uhl 308.
γ)
absolut:
mit handlen, wandlen und verkauffen.
H. Sachs fab. u. schw. 11, 33 Götze;
wer handlen und wandlen wil auff erden, der mus mit worten keuffen und verkeuffen Agricola sprichw. 1 (1530) 74ᵇ; darumb jederman so tollgirig ... kriegt und betruͤgt, wuͤlt und stilt, wandelt und handelt Fischart Garg. 20 neudr.; man denkt und liest von dieser art das meiste in blanko (ich bin ein halber kaufmann, das hören sie wohl, ich handle und wandle, wie wir cursche cavaliere alle handeln und wandeln) Hippel 1, 297 (lebensl. I); es gibt zwar noch eine dritte messe, die zu neujahr — die Leipziger sind nämlich so durch und durch handelsleute, dasz sie gleich den lieben neuenjahrstag zu handeln und wandeln anfangen Leipziger kalender 1905, 183 (aus: Europa 1836, bd. 3). die verbindung zwischen handeln und wandeln wird gelockert durch eingeschobene satztheile:
zehn knechten gab er auch zehn pfund,
und sprach: da könnt ihr handeln,
und bisz zu meiner wiederkunfft
nach nutz und vortheil wandeln.
noch mehr, wenn die beiden wörter auf haupt- und nebensatz vertheilt sind:
die zeiten sind zu schlecht,
gewisz von tausenden, die auf der börse wandeln,
siehst du die wenigsten aus eignen kräfften handeln.
Pietsch geb. schriften (1740) 94.
i)
da der handelsverkehr früher mehr als jetzt durch umherziehen ermöglicht wurde, so sind die bedeutungsgrenzen gegen 'umherziehen' (s. 2 a) zuweilen verwischt:
ich hab selber ein gutten handel
genug, wo ich im landt umb wandel.
H. Sachs fab. u. schw. 5, 84 Götze;
vil ... der koufflüt, die ... in demselben küngrich gewandelt hetten buch der beispiele 178, 35 Holland; es müste nymands in dem lande handlen oder wandlen, er gab dan dem abgotte den zehnden von aller wahr Kantzow chronik v. Pommern (letzte bearb.) 105 Gäbel; gebieten wir, allen churfuͤrsten, fuͤrsten und staͤnden, ... dass sie hinfuͤro die ziegeuner ... in und durch ire landt nicht ziehen, handeln, noch wandeln lassen Nigrinus von zäuberern (1592) 53; ich bin der selbe Jud von Amsterdam, welcher nach Leibsich, Frankfort alle grosze messen handelt und wandelt A. Hartmann volksschauspiele in Bayern u. Österr. 299, 13.
k)
der substantivirte infinitiv zeigt
α)
die bedeutung 'verkehr, umgang':
e ich wuͤrd kains mannes wip
denne din, e wil ich sterben.
ach, waʒ muͦʒ verderben
an uns liepliches wandeln,
sit daʒ wir baidiu handeln
ain ander suͤn niht nach gelust!
Joh. v. Würzburg Wilhelm v. Österreich 7565 Regel;
auch im folgenden scheint diese bedeutung im wortspiel mit der bedeutung 'gehen' vorzuliegen (es ist die fortsetzung des unter 2 d angeführten belegs): der wec der gotheit daʒ ist diu einikeit, dâ die drîe persône inne wandeln in eime wesen under ein ander . daʒ wandeln der persônen ist daʒ si sich bekennen unde minnen under ein ander bruder Franke von Köln, zeitschr. f. d. alterth. 8, 245.
β)
ganz allgemein 'die menschliche gesellschaft': so wil (ich) der selbigen leüte gewalt und macht entwychen, ausz den höfen, ausz gemeinen versamlungen, ausz den stetten, und offentlichen wandelen (cedam malorum potentiae aulis, cedam conciliis, cedam publico) Hutten 1, 410, 21.
γ)
das handeln und wandeln 'das benehmen im menschlichen verkehr': das auswendig handelen und wandelen Fischart ehezuchtb. 242, 24 Hauffen; beide wörter durch satzglieder getrennt, mit anspielung auf wandeln in der bedeutung 'gehen, einherschreiten':
du muszt recht vieles in der metrik wissen ...
sie giebt gemessenheit in allem handeln
und sichern takt in allem unsern wandeln.
A. v. Arnim 19, 173.
2)
die beschränkung der bedeutung 'sich hin und herwenden' auf die thätigkeit des gehens tritt am anfang des 14. jahrh. hervor (etwas früher schon bei den subst. wandel und wandlung) und zwar ziemlich gleichzeitig im bairischen, alemannischen und mitteldeutschen, so dasz die annahme, die bedeutung 'gehen' sei vom md. ausgegangen, unbegründet scheint. die entwicklung in den dialekten ist aber sehr verschieden. im alem. bürgert sich wandeln fest ein, so dasz es auch im sinne von wandern gebraucht wird; die Züricher bibel ersetzt dies wort bei Luther durch wandeln. alem. quellen haben das ganze 16. jahrh. hindurch wandeln, wenn daneben auch wandern vordringt. auch die heutigen alem. mundarten halten an wandeln fest, wandern ist kaum üblich, so singen z. b. im Elsasz die kinder (mit zerstörung des reims) wandlen vun einer stadt zer andern Martin-Lienhart 2, 834. in Schwaben dagegen gilt jetzt wandern, nur der südliche theil hat wandeln, auch in Baiern scheint wandeln als 'gehen' nirgends volksüblich zu sein. in beiden gebieten tritt es auch früher litterarisch zurück. Eck setzt in der bibel meist wandern für Luthers wandeln, auch in der übertragenen bedeutung 'sein leben führen' (doch kommt hier auch wandeln vor, z. b. spr. Sal. 20, 7. Sirach 9, 20. 1. Petr. 4, 3. Thess. 4, 12). in Mitteldeutschland steht anfangs wandeln neben wandern, doch überwiegt gerade in Luthers heimath im 15. jahrh. entschieden wandern, das Rothe, Stolle auch in übertragener bedeutung verwenden. wenn Luther in der bibel einen so reichen gebrauch von wandeln macht, so geschah das hauptsächlich unter dem einflusz der älteren bibelübersetzungen. wandeln hat zunächst als bibelwort seine verbreitung gewonnen. dem biblischen wandeln entspricht im alten testament fast durchgängig hebr. hālak, das zunächst 'umherziehen, reisen', dann auch 'verweilen, sich aufhalten' bedeutet und übertragen vom durchschreiten des lebensweges gebraucht wird; in der septuaginta wird es durch πορεύεσθαι, selten περιπατεῖν, gegeben. im neuen testament geht wandeln meist auf περιπατεῖν, seltener πορεύεσθαι, zurück, vereinzelt erscheint für die übertragene bedeutung ἀναστρέφεσθαι, während wandel am häufigsten auf ἀναστροφή zurückgeht (Luther gibt auch das verbum einigemal durch wandel füren), zweimal kommt πολιτεύεσθαι vor. in der vulgata werden die beiden ersten wörter zumeist durch ambulare, die beiden letzten durch conversari wiedergegeben. die alten bibeln geben nun conversari und ambulare in übertragenem sinn meist durch wandeln wieder, viel seltener ambulare 'gehen', wobei auf die wahl des wortes jedenfalls die unter 1. behandelte bedeutung 'verkehren', sowie die ihr entsprechende, noch reicher entwickelte des subst. wandel, von einflusz gewesen ist. Luther hat das wandeln der alten bibeln nicht nur beibehalten, sondern noch weiter ausgedehnt, indem er es sehr oft für verba des gehens und auch in fällen setzt, wo man wandern erwarten könnte (nach der konkordanz von Lanckisch stehen über 300 belegen für wandeln nur 13 für wandern gegenüber). Luthers verhalten ist für den sprachgebrauch bestimmend gewesen, soweit er direct an die bibel sich anschlieszt, in den übertragenen bedeutungen 'auf erden weilen, sich aufhalten' und 'sein leben führen' (auch in wendungen, die der grundbedeutung noch näher stehen wie einen weg wandeln) ist wandeln herrschend geworden. dagegen hat sich sein wandeln als 'einhergehen, reisen, ziehen' zunächst nicht durchgesetzt. zwar verwenden es im 16. jahrh. auch auszer den Alemannen einige neben wandern, so H. Sachs, Schwarzenberg, C. Scheit, der verfasser des Faustbuchs (neudr. 57: Faustus durchreisete und durchwandelte manch fürstenthumb, daneben 58: was nu dem Fausto für stätt und landschaften in sinn fielen, die durchwandert er), es tritt aber dann in der litteratur sehr zurück und kommt im 17. jahrh., abgesehen von aus der bibel bekannten wendungen, auch in der dichtung fast gar nicht vor, während sich wandern, wenn auch mit beschränkung auf die bedeutung 'peregrinari, iter facere' behauptet. die wörterbücher führen zwar alle wandeln an, Stieler, der viele composita angiebt, scheint es auch noch aus lebendigem gebrauch zu kennen, sonst verdankt das wort wol hauptsächlich der bibelsprache seine erwähnung; die neusprachlichen wörterbücher am anfang des 18. jahrh. (zuerst Krämer, dann Rädlein, der das wort als veraltet oder mundartlich kennzeichnet) weisen dann auf die bedeutung 'spazieren gehen' (unten c) hin, die damals wol allein geläufig war und von der auch Schönaich ausgeht, als er den gebrauch des wortes bei Klopstock und Bodmer (ästhetik in einer nusz 157. 178 u. ö.) verspottet. Adelung kennt die bedeutung 'reisen' aus 'einigen obd. gegenden', sonst sei es 'eigentlich im hochd. veraltet', doch verhält er sich gegen den neu aufgekommenen gebrauch des wortes in der dichtung nicht ganz ablehnend. Campe definirt dies dichterische wandeln als ein leichtes, gemächliches, auch wol langsames gehen, bei dem man kein bestimmtes ziel vor augen hat.
a)
über weite strecken sich hin und her bewegen, umherziehen: peregrinari, wandlen Diefenbach gl. 425ᵇ; vagari, wandeln, hin und her wandeln 605ᵃ; wandlen, peregrinari Maaler 483ᵈ; hin- und her-, um- sive herümwandeln, varia loca pervadere Stieler 2501. auch das 'ambulare' der älteren wörterbücher (s. u. c) wird theilweise hierher gehören.
α)
da macht sich David auff sampt seinen mennern, der bey sechs hundert waren, und zogen aus von Kegila, und wandelten (umbschweiften hin und her Eck, vulg. huc atque illuc vagabantur incerti) wo sie hin kundten 1. Sam. 23, 13; er hat euch vierzig jar in der wüsten lassen wandeln 5. Mos. 29, 5; und ist das land hinder inen wüste blieben, das niemand drinnen wandelt noch wonet Sacharja 7, 14; zu Hebron, und allen orten da David gewandelt hatte mit seinen mennern 1. Sam. 30, 31; do nam ich euweren vatter Abraham ... und liesz in wandlen (Luther: wandern) im gantzen land Canaan Züricher bibel Jos. 24, 3; die Schotten haben gemeinlich allzeit gern gewandlet, und ist nach heutiges tags nit bald ein volck, dasz sich ausz seinem vatterland in weytere land hinausz lasse Stumpf Schweytzer chronik (1606) 208ᵇ. diese verwendung wird jetzt als fremdartig empfunden, bei Göthe findet sie sich unter dem einflusz des sonstigen häufigen poetischen gebrauchs des wortes (s. u. e):
der alte er wandelt (vom besitz vertrieben) nun hier und bald dort;
er träget in freuden sein leiden.
Göthe 4, 49 Weim. ausg.;
will mich unter hirten mischen,
an oasen mich erfrischen,
wenn mit carawanen wandle.
6, 6.
β)
die bedeutung kann durch ortsadverbien noch besonders hervorgehoben werden: deambulare, hin und her wandeln Diefenbach gl. 166ᶜ; der armer man ... getorste nit wol hin noch her wandlen von vorten eins ermúrdens von dem verruͦchten menschen Heinrich Seuse 148, 1 Bihlmeyer; ich bin ouch in der welt ein ritter gesin und han gewandlet hin und har und bekenne vil adels deutsche volksbücher 196, 21 Bachmann u. Singer; es ward auch das land so gar öd ..., das niemant weder hin noch här wandlet Züricher bibel Sacharja 7, 14; hin und wider:
im land ich (der arzt) hin und wider wandel.
H. Sachs 21, 26, 10 Götze;
wäg oder straaffen von häfftigen hin und wider wandlen bösz und verschlissen, pertusa compita Maaler 483ᵈ; umher: Philippus aber ward funden zu Asdod, und wandelt umbher, und prediget allen stedten das evangelium apostelgesch. 9, 40.
γ)
auf erden wandeln (in die bedeutung 'leben' übergehend s. 3), von Christus:
wie aller der werlt schoppere ...
gewandelt hat uf ertrich.
Mone schausp. d. mittelalters 1, 73 (leben Jesu 7);
als unser lieber herrgott noch auff erdrich gewandelt ist Montanus schwankb. 25 Bolte.
δ)
bei, mit einem wandeln (die hiervon übertragene bedeutung s. unter 3): und hat uns nichts gefeilet an der zal (der schafe) so lange wir bey inen gewandelt haben (Mentel: in dem wir wandelten mit in), wenn wir auff dem felde waren 1. Sam. 25, 15; last euch nicht fur inen grawen, denn der herr dein gott wird selber mit dir (Israel) wandeln, und wird sein hand nicht abthun noch dich verlassen 5. Mos. 31, 6; von dem an giengen seiner jünger viel hinder sich, und wandelten (Mentel: giengen, Eck: wanderten) fort nicht mehr mit im. da sprach Jhesus zu den zwelffen, wolt ir auch weg gehen? ev. Joh. 6, 66. ähnlich unter einem wandeln: hie ist der segen, den deine magd, meinem herrn her gebracht hat, den gib den jünglingen die unter meinem herrn wandeln (nachvolgen Mentel, Eck, vulg. sequuntur te) 1. Sam. 25, 27.
ε)
wandeln 'umherziehen' wurde im alemannischen im besondern gesagt
1))
von gewerbetreibenden (vgl. auch die belege oben unter 1 i):
(dasz sie) halten geleyt, gut weg und ban,
auff dasz der arme handwerksman
mög sich nehren und sicher wandlen,
von einer statt zur andern handlen.
Fischart die gelehrten die verkehrten 361. 1138 Kurz.
2))
von fahrenden schülern: do ried er mir ... ich solt sin Anni die jungfrowen nen und nit mer wandlen Th. Platter 58 Boos.
3))
von handwerksgesellen, die nach der lehrzeit einige jahre in die fremde gehen muszten (wofür jetzt nur wandern üblich, s. d.): nüt lernen werben, werken, wandlen noch dienen, wie die alten getan, das aber alles ein rychs, wyses ... regiment macht quellen zur Schweizer geschichte 1, 118, 1 (Thüring Frickart, twingherrenstreit, 1470); sy hend nie gewandlet, sind unerfaren, nie uszkon, in summa nüt dann stattkelber 119, 12; so ein lehrknab zwey jar lang uszgelehrnet hat, soll derselbig vier jar lang wandlen stadtrecht v. Arau 307, 14 (1598) Merz; dieselbigen söllend ... nach verschinner lehrjaren die zwei bestimbten andere jar dienen und wandlen 338, 3, (1609); gestalten alle ausgelehrte und ledig gesprochene lehrjung ... wenigist 3 jahr lang wandlen sollen rechtsquellen des kantons S. Gallen 1, 1, 71, 36 (1764) Gmür. vgl. wandelgeselle.
4))
allgemein 'in der welt herumkommen':
dann wandlen ist kein sunder ere
es sy dann das man sunders ler.
Brant narrensch. 34, 25;
man achtet die menschen für hoch verstendig, die do weit gewandlet waren S. Münster cosmogr. vorr. 3; daher gewandelt 'welterfahren', vgl. bewandert th. 1, sp. 1766 und gewandert th. 4, 1, 3 sp. 5290: by uns ist grosser mangel an chirurgis, sind schier all kind, nütz gwandlet, unerfaren, wen inen ein schwerer handel für kumpt, so zittrend sy wie ein nass kalb Thomas Platter an seinen sohn Felix 3. mai 1553 (briefe ed. Burckhardt 20).
ζ)
an 'umherziehen' schlieszt sich wandeln von der seelenwanderung gebraucht an: Gabalis ist ein geist, der da wandlet von leib zu leib Paracelsus (1616) 2, 333.
b)
abgeschwächt wird die bedeutung 'hin und her ziehen' zu 'ziehen, eine gröszere wegstrecke zurücklegen, reisen'; hierunter sind auch die belege mit angeführt, bei denen iterative bedeutung zwar vorliegen kann, aber nicht deutlich hervortritt: meare, wandern, wandeln Diefenbach gl. 352ᵇ, migrare 360ᶜ, pergere 426ᵇ, proficisci 463ᵇ, viare 617ᵃ. auch einige wörterbücher des 17. jh. führen die bedeutung noch (wol aus der bibelsprache) an, obwohl sie ungebräuchlich geworden war: reisen, auf dem weg seyn Güntzel 831; wandelen, caminare Krämer 1208ᵃ; ire, iter facere Stieler 2501. im anfang des 18. jahrh. wird das wort nur noch durch 'ambulare, incedere' bestimmt; die neusprachlichen wörterbücher weisen auf 'spazieren gehen' (s. u. c).
α)
allesz, das ich will fahen an,
da ist das glück do vornen dran:
spill ich, so hab ich gwisz gwunnen;
wandel ich, so schynt gwisz dsonnen.
schweiz. schausp. 2, 187, 1944;
so dfrommen sich hand schlaaffen gmacht,
wenn schelmen und böszwicht thuͦnd wandlen,
dann facht er an sin tück zuͦ handlen.
H. R. Manuel weinspiel 76 (v. 2346) Odinga;
und wart gros krieg und unfriden und urlüge in allen landen, das nieman geturste wandeln und die lantstrossen vol grases wuͦhssent Königshofen, städtechron. 8, 454; erzöge dich frölich gegen dynen gesten und pilgrimen, daʒ sie dich dester gerner behalten, ob du wandeln würdest Steinhöwel Äsop 70 Österley; im wintermonat im 64. da fiel ein solcher grosser schnee, das man nit woll zusammen wandlen kundt J. Herolt chronica v. Hall 163 Kolb; ein sabbath, daran man nicht wandeln thurste Luther 15, 748, 21 Weim. ausg.; und sie zogen fort und wandelten (Mentel: fúrgiengen), und die sonne gieng inen unter hart bey Gibea richter 19, 14; der herr zoch vor inen här ... in einer fheursaulen, das er inen leüchtete zwandlen (zu reisen Luther) tag und nacht Züricher bibel 2. Mos. 13, 21.
β)
von pilgern (wo wallen das gewöhnliche ist): diser jungvrowen lîchnam lit in Tuscanjen wol zwênzic mîle von Rôme ... und andere pilgerîme di von Rôme wandelen di haben gesehen ir houbit und ir gebeine Herm. v. Fritzlar, mystiker 1, 157, 15.
γ)
mit adverbialen zusätzen: aus dem erwuechs sölich unrue und unfrid, das niemant sicher in dem landt wandlen mocht Ulrich Füetrer bayerische chronik 170, 20 Spiller; als ... die loüff in Tütschland wunderbar und sorgklich warend von grosser spaltung wegen, also dasz jeder graf und herr tett was er wolt, und unsicher begund sin ze wandeln Tschudi chronicon Helveticum 1, 148ᵇ; do ist die recht stras, do ist guͦt wandlen Keisersberg bilgersch. (1512) B 3ᶜ; sie hielten die strasz auff, das nyemandt unberaubt wandlen mocht, man nem dann geleit von yn S. Franck chronica 209ᵃ; do ward eyn auszspeher ... geschickt solch wort zuͦvernemen und da derselbig nit fürsichtig wandelt und auffmercket, ward er ... begriffen Carbach Livius 423ᵇ.
δ)
der raum, der durchschritten, der weg, der zurückgelegt wird, steht abhängig von präpositionen oder im acc., selten im gen.; in den biblischen und den hierauf beruhenden späteren belegen ist weg meist das bild für den lebensweg, die lebensführung (vgl. unten 3).
1))
mit präpositionen. α)) in einem lande: sy wandletend (Luther: wanderten) drey tag inn der wüste Züricher bibel 2. Mos. 15, 22;
gen Sur, das in der wüste lag.
darinn wandleten sie drey tag.
H. Sachs 6, 204, 12 Keller.
β)) wandeln in einem wege, biblisch: das du sie lerest den weg darin sie wandeln, und die werck die sie thun sollen 2. Mos. 18, 20; aber seine söne wandelten nicht in seinem wege, sondern neigeten sich zum geitz 1. Sam. 8, 3; und wandelt in dem wege seines vaters und in seiner sünde 1. kön. 15, 26; das du nicht gewandelt hast (du bist nit gewandelt Koburger) in den wegen deines vaters 2. chron. 21, 12; die gottseligen so da wandeln im wege des herren Nigrinus von zäuberern (1592) 192; o herr ..., gib dasz meine liebe kinder ... ernstlich in deinen wegen wandlen Moscherosch insomnis cura parentum 34 neudr.; der sohn hat immer in den wegen seines vaters gewandelt Liscow sat. schr. (1739) vorr. 16. γ)) auf einem wege wandeln:
ein guten rath den geb ich dir,
das wir uns möchten neren bas
von den leuten, die auff der stras
wandlen und hin und wider gien.
P. Probst fastnachtsp. 3, 43 neudr.;
bildlich: Joram ... wandelt (wanderet Eck) auff dem weg der könige Israel, wie das haus Ahab thet, ... und er thet das dem herrn ubel gefiel 2. kön. 8, 18; ein kind, ein junger mensch, die auf ihrem eigenen wege irre gehen, sind mir lieber als manche, die auf fremdem wege recht wandeln Göthe 23, 167 Weim. ausg.; ist's wahr, dasz er heimlich auf solchen schwarzen wegen wandelt? Fr. Müller (1811) 2, 133; das er uns lere seine wege, und wir wandeln auff seinen steigen Jes. 2, 3; er war blos auf der heerstrasze der liebe gewandelt, er kannte jene zärtern gefühle nicht Pfeffel pros. versuche 9, 120;
zu gut nur glückt' es ihm,
euch wegzulocken von dem guten pfade,
auf dem ihr vierzig jahre seyd gewandelt.
Schiller 12, 260 (Wallenst. tod 2, 6);
man winkt einander beifall zu, und wandelt ruhig fort auf eigner bahn G. Forster sämtl. schr. (1843) 6, 9; die freylich viel breitere und bequemere laufbahn, auf der sie wandeln v. Ayrenhoff werke (1814) 1, 38. auf einem boden wandeln: dasz sie auf einem für sie klassischen boden, auf dem der grafschaft Glatz, wandelte Holtei vierzig jahre 1, 327; übertragen: als ob man, von der ältesten zeit her, auf rein historischem boden wandele Niebuhr röm. gesch. 1, 184; wer auf dem festen boden der wahrheit wandelt, miszt nicht ängstlich seine schritte ab Börne ges. schr. (1829—34) 8, 121. δ)) in den fuszstapfen wandeln; in sinnlichem bilde: bistu in den grund des meers komen, und hast in den fusstapffen der tieffen gewandelt? Hiob 38, 16; übertragen auf geistiges gebiet: ein vater ... nicht alleine dero, die von der beschneitung sind, sondern auch dero, die wandeln in den fusstapffen des glaubens, welcher war in der vorhaut unsers vaters Abrahams Römer 4, 12; in jemandes fuszstapfen wandeln, ihm (geistig) nachfolgen: durch die bemühung in ihren (der eltern) fuszstapfen zu wandeln S. v. Laroche gesch. d. frl. v. Sternheim (1771) 1, 78. ebenso auf jemandes spuren wandeln; im eigentlichen sinne: warum wandelst du auf meinen spuren? v. Ebner-Eschenbach (1893) 1, 144; übertragen: die märchen, die ich für die Kugler'schen kinder gedichtet hatte, vielfach auf den spuren Clemens Brentano's wandelnd Heyse jugenderinnerungen 105; ähnlich: ich wenigstens darf mich freuen, dasz junge, tüchtige, den gegenständen auf's mark dringende freunde auch in dem sinne wandeln, aus dem ich mich seit so vielen jahren nicht entfernen konnte Göthe briefe 31, 272 Weim. ausg. ε)) durch ein land, ein volk wandeln: da zogen wir aus von Horeb und wandelten (Mentel: übergingen) durch die gantze wüsten, ... auff der strasse zum gebirge der Amoriter 5. Mos. 1, 19; Abner und seine menner giengen ... über das blachfeld ... und wandelten durchs gantz Bithron 2. Sam. 2, 29; gehet hin, zelet Israel von Berseba an bis gen Dan ... und Joab zoch aus und wandelt durchs gantz Israel, und kam gen Jerusalem 1. chron. 22, 4; er wandelt durch ungebahnte sandigte wüsten Schiller 2, 150 (räuber 4, 4 schauspiel);
wer wandeln will durch fremde land,
bewar sein mund und sein hand,
darzu er ein keusch leben für,
das er nicht leib und gut verlier.
Wander 4, 1779.
durch einen weg: wes wandelst du arme also durch wege dir unbekant? N. v. Wyle transl. 264, 35 Keller; zun zeiten Jael waren vergangen die wege, und die da auff pfaten gehen solten, die wandelten durch krumme wege richter 5, 6; das man eynen weg solcher weite mache, das der feldmesser und sein gehülff bekömmlich dardurch wandlen mögen Sebiz feldbau (1579) 475. ζ)) eine feste verbindung ist über feld (lat. peregre) wandeln 'reisen', das im zusammenhange auch die bedeutung 'verreisen' (s. u.ε)) annehmen kann: aufgeschürtzt als einer der über väld zewandlen (wandern Luther) bereitet ist Züricher bibel Tobias 5, 5; bemelter Jocole Schuler .. thette dergleichen, als ob er über feld wandlen und in zwaien tagen sich nit versehe, widerumb heim zu kommen Zimmerische chronik² 2, 636, 21;
und welche zeit er glück mit (den tagen) hab,
dasz er im schneid die negel ab,
oder sunst wandel über feldt.
Scheit Grobianus 2295 neudr.
2))
der durchschrittene raum steht im acc. α)) im mhd. und älteren nhd. konnte man sagen: ein land, ein volk wandeln 'durchreisen', später ist der acc. nur von weg, strasze, spur u. s. w. möglich:
im kam ûf sînen hof gegân
ein edeler bilgrîn wolgetân,
der was geheiʒen Wârmunt.
zwei und sibenzig lant wâren im kunt,
diu het er gewandelôt mit êren
in dem dienste unsers lieben hêrren.
S. Oswaldes leben 199 Ettmüller;
ich hân die welt gewandelt wol
und bkenn: es ist ein gleich.
Hugo von Montfort 27, 181 Wackernell;
also vil wyl ich wael eyme yecklichen pylgrym ader kouffman raiden, der die heydenschafft wandelen wulde Harff pilgerf. 160, 22; (diese länder) seindt also gemacht worden, das man die schiffen und wandlen mag W. Xylander Polybius (Basel 1574) 156. β)) einen weg, eine strasze u. dgl. wandeln: und zugent ouch wir ... für die selb vesty ... und brantent, wuostent und strâfetent siu .. in solicher mâsze, das wir getrûwent das es got loblich und allen fromen liuten die die strâsze wandelent trôstlich und nutzlich sîe Wackernagel altd. leseb.² 940, 27 (Freiburg i. B. 1388); da lieffen im entgegen zween besessene, die kamen aus den todtengrebern, und waren seer grimmig, also, das niemand dieselbigen strasse wandeln kund Math. 8, 28;
ach Amaryllis hastu denn
die wälder gantz verlassen, ..
und wandelst frembde strassen.
Venus-gärtlein 28, 1 neudr.;
die strasse wandel ich gar sicher für und für.
Opitz t. poem. 80 neudr.;
fort! wandle deine fürchterliche strasse!
Schiller 14, 421 (Tell 5, 2);
und wenn er geht, so wende deine augen,
dasz sie nicht sehen, welchen weg er wandelt!
14, 425 (Tell 5, 2);
da geht sie hervor, ein lachender, glänzender jüngling!
ein held, voll muth, ihren weg zu wandeln!
Herder 6, 20 Suphan;
sieh, den einsamen pfad wandelt ein pilger mir
rasch entgegen — „halt an! waller, was suchst du hier?“
Schiller 1, 275.
bildlich: den tugendweg wandeln, honeste vivere Stieler 2501; ob unser weg den wir wandeln (Mentel: giengen), auch wolgeraten werde? richter 18, 5; und wandelt in allem wege den sein vater gewandelt hatte 2. kön. 21, 21; wir haben eitel unrechte und schedliche wege gegangen, und haben gewandelt wüste unwege weish. Salom. 5, 7; der ... hat lassen alle heiden wandeln ire eigen wege apostelgesch. 14, 16; den rechten, von so viel tapferen teutschen gelehrten männern gebahnten weg zu wandeln Neumark palmbaum (1668) 102;
o weg' in dem staube,
die ich wandle! ich will sie wandeln!
Klopstock Messias 6, 50;
deutschheit find' ich auf dem wege, den ich wandle, und sonst auf keinem anderen Bürger 180ᵇ (über die deutsche Ilias); Jacobi, indem er seinen eigenen weg wandelte, nahm doch kenntnis von allem bedeutenden Göthe 33, 193 Weim. ausg.; das genie ... ist nicht ängstlich, weil es die gefahren des weges nicht kennt, den es wandelt Schiller 10, 438; die Hottentottensclaven .. nach der abschiedspredigt ihres missionars .. sagten: „wie sollen wir jetzt unsern weg wandeln?“ Ritter erdkunde (1822) 1, 400;
dasz wir wandlen die rechte strasz,
on sünd und mackel alle zeit.
Scheit Grobianus 4998 neudr.;
muth genug must du haben, eine finstre strasse zu wandeln, wo dir nichts leuchtet, als deine Louise und gott Schiller 3, 475 (Fiesko 5, 1); er wandelt seine strasze unverrückt Göthe 24, 253 Weim. ausg.; inmitten einer wüste unklarer leidenschaften die reine strasze seiner überzeugung wandelnd H. Grimm Michelangelo 1, 179;
Thetis die liebe mutter mein
hatt mich der sach berichtet fein,
darneben auch gezeiget an
desz todes ein zwifache ban,
deren ich eine wandlen muͤsz.
Spreng Ilias (1610) 116ᵇ (9. ges.);
ohn angst und pein
mag der nicht seyn,
der wider gott gehandelt,
wie ich gethan,
da ich die bahn
der schnöden welt gewandelt.
P. Gerhardt, Fischers kirchenlied 3, 394ᵇ;
froh, wie seine sonnen fliegen
durch des himmels prächtgen plan,
wandelt brüder eure bahn,
freudig wie ein held zum siegen.
Schiller 2, 3, v. 51 var. (an die freude) (ursprünglich: laufet);
gleich ferne von verwegenheit und furcht,
mit festem heldenschritte wandelt sie
die schmale mittelbahn des schiklichen.
5, II, 269 (Don Karlos 2, 15);
wenn von grader bahn ich irren
möchte, wandelnd eure schiefe.
Platen 59 (verm. ged.);
die bahn der tugend wandeln Adelung;
die steige, die Sined itzt wandelt,
ermüden, wer wollte sie wandeln mit ihm!
Denis lieder Sineds (1772) 4, 5;
du zwangst mich nicht den breitgetretenen pfad zu wandeln Treitschke hist. u. pol. aufsätze 1, 3;
dort ist es himmlisch! ach aus der ferne nacht,
folg' ich der spur nach, welche du wandeltest.
Klopstock 1, 88 (dem erlöser).
γ)) einen gang, eine reise wandeln:
jene (Eurydice), von allzu strenger gewalt der manen getroffen,
wandelte nach dem befehle den gang: nicht wandte den
wieder hinein. blick sie
Voss Virgil 1, 341 (Culex 287).
bildlich:
nun wandl' ich ruhig meinen gang
mit dir durch's leben hin.
J. M. Miller gedichte (1783) 42;
wir wandeln noch die reise,
wie gott sie einst gebot.
Arndt ged. (1860) 500;
die kurzen, vorgemesznen schritte
täglich zu wandeln, ich duld' es nimmer!
Hölderlin ges. dicht. 1, 89 Litzmann;
wandle drei gemessne schritte
längs der hohen rebenwand!
Mörike ged.²² 121.
kühn:
ich han gewandelt manig her (habe manchen heerzug
gen Preussen, Reussen, über mer. mitgemacht)
Oswald v. Wolkenstein 59, 45 Schatz.
3))
mit gen. eines weges wandeln:
wohl uns! dort schleicht ein mann aus den cypressenschatten —
er wandelt dieses wegs.
Gotter 2, 42.
im mhd. kann auch die thätigkeit auf der reise im gen. stehen: die kaufleute, die irr choufmanschaft gewandelt und gevaren sind uber die Leita quellen z. gesch. d. stadt Wien 2, 1, nr. 288 (1345).
ε)
der ausgangspunkt der reise wird durch präpositionen bezeichnet; wird kein ziel angegeben, so kann im zusammenhange die bedeutung 'fortziehen, aufbrechen' erscheinen: deambulavit, hinweg ging, von in wandelt voc. pred. e 8ᵇ; an einem ort was eins manns stieffsun von der selben gegny gewandelt. der stieffvater ward verlümpt den sun ermört haben ... darnach ... kam der stieffsun zeland Riedrer spiegel der rhetoric 20ᵃ. auch ohne ausdrückliche erwähnung des ausgangspunktes zeigt sich diese bedeutung, besonders im alemannischen (vgl. wandern 3 und oben δ 1)) ζ)): in des keisers recht stett geschriben: wer unrecht sache furt, den sal man heften, daʒ er icht wandel (var. wandere) keyserrecht von 1372 s. 120 Endemann; (ein weberknecht will bei einem weber arbeiten, wenn er einen igel aus dem hause schafft) der meister wolt es nit thuͦn. der knecht wandlet und kam in ein ander stat ... der knecht wandlet weiter Pauli schimpf u. ernst 335 Österley; den gürtel zuͦ der alben verordnen ich der rumpelmettin, dass sie ir plünderli damit zesamen bind; dann ich versich mich wol, sie werd ouch müessen wandlen N. Manuel 235, 14 Bächtold; ir solt nicht mit eilen auszihen, noch mit flucht wandeln, denn der herr wird für euch herzihen Jes. 52, 12; deinen zeüg so du dir zuͦbereitet hast zewandlen, trag ausz ..., du aber solt ... hinausz ziehen, wie man dann thuͦt so man wandlet (wandern will Luther) Züricher bibel Hesek. 12, 4; als nun Paulus (der fahrende schüler, der die heimat aufgesucht hat) wider wandlen wolt Th. Platter 14 Boos;
dem wers nit wunder das er wandlet
und von mir z'lauffen hette lust.
Wickram 5, 184 (verl. sohn 810) Bolte.
vom gesinde 'ab- und anziehen, den dienst wechseln': ein fraw ... sprach zuͦ irer kellerin, deren het sie auch urlaub geben: kellerin weistu was tags morgen ist. die kellerin sprach: es ist sant Steffans tag. die fraw sprach: nein, es ist der tag, das die huͦren wandlen. die kellerin sprach: ja von einer huͦren zuͦ der andern Pauli schimpf u. ernst 113 Österley; so noch jetzt im südlichen Schwaben. ähnlich elsässisch: 'umziehen, aus einer wohnung in eine andere ziehen': drei mol gewandelt ist so guet wie abgebrennt (im lothringischen wandern Follmann 529ᵇ); ferner 'mit den kühen auf die berge oder von da nach hause ziehn' Martin-Lienhart 2, 834.
ζ)
das ziel wird durch richtungspräpositionen bezeichnet:
1))
in die stadt wandeln, tendere ad urbem Stieler 2501; ob ieman in unser mark oder stat wandelt, dem eʒ verbotten were oberrhein. stadtrechte 1, 94 (Wimpfen 1416); und wurdent ze rat aber einhellenklich, si wolten in iren elend also wandeln Stretlinger chronik 182, 16 (vom herkommen der Schwyzer) Bächtold; stracks gen Jerusalem zu wandeln Lucas 9, 51; und raubeten alle die auff der strassen zu inen wandelten richter 9, 25; vgl. auch: es war ein hoch uber-ausz gelehrter mann zuͦ Leypzyg mit nammen doctor Ochssenfart, do die esel hin wandlen Lindener Katzipori 97 Lichtenstein. wenn in der neueren sprache wandeln mit einer zielbestimmung steht, so zeigt sich der unter e behandelte nebensinn; selten fehlt er: lieber wäre ich nach Pforte gewandelt, weil Klopstock dort gewesen war Seume werke (1835) 12; sie wandelte zu dem hustenden und versetzte ihm einige sanfte schläge O. Ludwig 2, 46 (öfter so bei O. Ludwig);
doch wie die mutigen Troer das blut des königes schauten,
riefen sie laut einander, und wandelten (ἔβησαν) gegen ihn alle.
aber Odysseus wich dem gedräng', und schrie nach den freunden.
Voss Ilias 11, 460.
bildlich:
könnt ihr so verwegen handeln?
wollt ihr denn zum tode wandeln?
Göthe 1, 210 Weim. ausg.
2))
in einen ort oder zu seinen einwohnern wandeln hat öfters den nebensinn 'mit ihnen in geschäftsverbindung stehen' (vgl. wandel II B 1, c): die kauffleüt wandlend vil zuͦ inen, ad eos mercatores saepe commeant Maaler 483ᵈ; unser stat und allen den, die darzu wandelnt auʒ allen landen geschichtsquellen der stadt Wien 1, 1, 89 (1320); als ietzent lange zit grosz red und clegte gewesen ist von den unsren und ouch von froͤmden luͥten und gesten, so in unser stat wandlent, nemlich von geltschulde wegen ... stadtrecht von Bern 1, 91, 23 (1401) Welti; unser stat ze eren, den unsren und denen, so zuͦ uͥns wandlent, ze nutz und ze friden 91, 29; das im yetzund ewer stat, darein er doch langzeit als umbe sein notdurfft, kaufmannschafft und gewerbe gewandelt hat, verseyt werde städtechron. 5, 70 anm. (Augsburg 1421); ist, das die in unser statt wandlent und gand, die ir ainungen nit berichtet und gegeben händ das ältere recht der stadt Rottweil 173 Greiner (das rote buch 204); doch wandelten die baurn teglich gen Hall in die statt J. Herolt chronica v. Hall 230 Kolb, vgl. auch unter 1 i den beleg volksschauspiele in Bayern und Österr. 299, 13. ähnlich zu dem berg wandeln 'dort seinem erwerb nachgehen'(?): auch wellen wir, wer der si, der zu dem perg wandelt mit treiben oder mit tragen und des perges gemeʒʒen (genieʒʒen?) wil ..., der sol umb diselben handlung, di er durch des perges willen handelt, vor niemen recht nemen und tuen, dann vor unserm perchrichter ... wir wellen auch, das alle di, di zue dem perg wandelnt, vreiumb haben österr. weisth. 1, 200, 19 u. 39 (Gastein 1342).
3))
im zusammenhang kann in einen ort wandeln 'dort seinen wohnsitz nehmen' bedeuten, wie in die stadt ziehen: obe wol ir ein ... einen constofeler zur ee nemen und iren sitz im lande hette und etwann har in die stat wandeln wolt Eheberg verfassungsgesch. der st. Straszburg 1, 521 (15. jahrh.); ein mann von Bethlehem zoch wandlen (wallen Luther) inn der Moabitern fäld ... (dann) wonetend sy daselbst Züricher bibel Ruth 1, 1.
η)
wandeln bedeutet zunächst 'zu fusz reisen':
ob du gast wandlen ver und wyt,
luͦg das du ruͦwgst des nachts all zyt,
stand früe uff, suͦch die strassen dyn,
dye herberg nym by tages schyn.
Brant Facetus 253 (Zarncke narrenschiff 139).
zuweilen begreift es auch andere fortbewegungsarten auf dem lande: Simon ... den do anruͤffen die do wandlen, rytent oder gond. und wenn sye in ein statt kumment, so bettent sye im ein pater noster, das er inen beschören wöll ein guͦte herberg Keisersberg postill² 114ᵃ; dasz man zun zeyten dareyn (auf die insel) zu rossz und fuͦsz wol wandlen mag, so der see klein ist Stumpf Schweytzer chronik (1606) 405ᵃ. das wandeln auf dem lande wird ferner der seefahrt entgegengesetzt: er wolt nu die erden machen, das man darauff schiffte, wie auff dem meer, und das meer, das man darauff wandelet, wie auff der erden 2. Maccab. 5, 21; vgl. auch oben δ 2)) α)) schiffen und wandeln W. Xylander Polybius 156. doch wird es zuweilen auch vom fahren auf dem wasser gebraucht: es geturste ouch nieman wol wandeln uf dem Ryne oder an den lantstrossen denne in geleite Königshofen, städtechron. 9, 853; dat die esellude ... die zeichen ... den tolnerssen um den porzen, dair si us und in wandelen, it si zo wasser of zo velde wart, laissen und lieveren sullen Kölner zunfturkunden 2, 543, 18 (1455) v. Loesch; viel lieber will ich wandeln über das meer A. v. Arnim 21, 133. ein wirkliches schreiten auf dem wasser berichtet die bibel von Jesus: umb die vierde wache der nacht, kam er zu inen, und wandelte auff dem meer Marc. 6, 48. ähnlich: Faustus ... wandelte also (auf dem zauberpferde) auch auff dem meer etliche tage volksbuch von dr. Faust 65 neudr.
θ)
wandeln als vorwärtsschreiten, übertragen auf geistiges gebiet, 'zu einer meinung gelangen': glauben wir die werck, so glauben wir auch dem meister des wercks: dann das ist ein todter glaube, und ein kindische art, ausz den wercken zu dem meister nit zu wandelen Paracelsus (1616) 1, 86 B.
c)
aus der grundbedeutung ist mit festhaltung der iterativen auffassung auch die bedeutung 'eine kurze strecke hin und her gehen, auf und ab gehen, einhergehen' hervorgegangen. diese bedeutung haftet am festesten und ist am fruchtbarsten für die weitere entwicklung des wortes; auf sie ist auch das 'ambulare' der deutsch-lat. wörterbücher in der hauptsache zu beziehen. seit Krämer tritt in den neusprachlichen wörterbüchern die einengung auf 'spazieren gehen' hervor, diese bedeutung war nach Schönaichs zeugnisz auch um die mitte des 18. jahrh. geläufig. sie zeigt sich auch noch in der neueren sprache, obgleich hier eine scharfe abgrenzung von dem in der dichtersprache neu aufgelebten wandeln nicht möglich ist: ambulare, spatiari, wandern, wandeln Diefenbach gl. 29ᵇ. 545ᵃ; wandlen, ambulare Maaler 483ᵈ. Dentzler 2, 342 (im lat. theil giebt dieser ambulare mit wandlen, spazieren, peregrinari mit wandern wieder); ambulare, deambulare, wandeln, spacieren, umher gehen Apherdianus methodus discendi (Köln 1601) 258; wandeln, ambulare Schottel 1440. Stieler 2501; ambulare, incedere Steinbach 2, 926. Kirsch 2, 380ᵃ (mit verweis auf wandern). Hederich (1753) 2578; wandelen, gehen, mit verweis auf spatziren gehen Krämer 1208ᵃ; wandeln, spatziren, se promener (als mundartlich oder veraltet gekennzeichnet) Rädlein 1028ᵇ; wandeln, gehen, umgehen, wandern, umhergehen, to walk or converse Ludwig 2379; wandelen, auf und ab-, hin und her-spatziren, wandelen Kramer (1719) 259ᵃ; im garten wandeln, se promener dans le jardin Rondeau.
α)
do erhuͦb sich ein gescholle (streit) in der Brantgasze zwischent den zweien geschlehten, den von Mulnheim und den Zornen ... do gebot man den zwein parten, daʒ sü nüt zusamene soltent gon, und beschiet ieder parten ein zil, uber daz sü nüt getürstent wandeln noch gon Closener, städtechron. 8, 123; der (einsiedel) het ein lieben sun und do der wandelt in dem husz, do trat er mich (die maus) uff minen schwantz buch der beispiele 120, 23 Holland; Jhesus wandelte im tempel in der halle Salomonis ev. Joh. 10, 23; Mardachai wandelte alle tage fur dem hofe der frawenzimmer, das er erfüre, obs Esther wolgienge Esther 2, 11;
da wandelten die drei wächter
gar treulich vor der thür.
Uhland ged.² 232;
im zelt sie wandeln schritt bei schritt,
was sie gesprochen, war nicht lang.
A. v. Droste-Hülshoff 2, 312 Kreiten.
die verschiedenen richtungen der bewegung können durch gegensätzliche präpositionen oder adverbien hervorgehoben werden: auf und nieder wandeln, to walk, go or wander, up and down Ludwig 2379; das ouch die statt Baden zuͦ allen uͥnsern noͤten unser offen schlosz sin sol, also das wir soldner und volk dar in legen, darusz und darin und dardurch wandlen soͤllen und moͤgen, wie dik uͥns das notdurfftig ist stadtrecht von Baden 96, 10 (1443) Welti; und dem ankläger, auch dem (beklagten) der sein entschuldigung auszfüren wolt (beide in haft gehalten), solt gegunt werden, dasz die leut, so sie zuͦ bürgschafft oder beweisung ... gebrauchen wollen, zuͦ und von im wandeln mögen Carolina art. 14;
durch die strasze seiner dame
wandelt Zaid auf und nieder.
Herder 25, 153 Suphan;
nachher die ersten tage sahen wir
ihn untern palmen auf und nieder wandeln.
Lessing 2, 196 (Nathan 1, 1);
so muszte sie mit ihm ... auf und ab wandlen Bettine die Günderode 1, 80; auch was (in dieser gegend) hin und her wandelt, erinnert einen an die liebsten bilder Göthe tagebücher 1, 177 Weim. ausg. von thieren: dasz dieselben erscheinungen sich zeigen würden, wenn jene insekten in dem leeren raume ... herumflatterten, statt auf der kugelfläche selbst herum zu wandeln F. Th. v. Schubert verm. schriften (1823) 1, 29.
β)
spazieren, d. h. zur erholung, zum zeitvertreib, im gespräch im freien hin und her oder nach einem nahen ziele gemächlich gehen (vgl. lustwandeln th. 6 sp. 1352); wandern (s. u. 2) wird hierfür nur selten gebraucht: die frömden ... wandlotend durch spatzierens willen v. Richental chronik des Constanzer concils 84; imbulus, furschupff oder laube darunter man lustiglich wandelt, spacierstede Diefenbach gl. 287ᵇ; darnach, da zween aus inen wandelten (δυσὶν ἐξ αὐτῶν περιπατοῦσιν), offenbart er sich unter einer andern gestalt, da sie auffs feld giengen Marc. 16, 12; darnach darauff ein weil umbgehn und wandelen Sebiz feldbau (1579) 64;
sie wandeln zusammen
unter dem laubichten dach der alten wirthbaren linden.
Zachariä schriften (1772) 2, 19;
nach tisch gewandelt und gezeichnet Göthe tagebücher 1, 49 Weim. ausg.; den in der abendkühle im garten wandelnden schöpfer werke 22, 350; da ich ... die nachbarn in ihren gärten wandeln und ihre blumen besorgen ... sah 26, 16; wenn ich unsichtbar oder unerkannt an deiner seite auf und ab wandeln könnte, so sollte mir's zur groszen freude gereichen briefe 33, 107, 19; o dasz ich ihnen izt eine stund' an der seite wandeln und mit ihnen auf irgend einen stral tröstenden lichtes für sie lauern könnte Lavater verm. schriften (1774) 2, 165; so sehe ich menschen im garten hervor kommen, und mit langsamen schritten, spaziergehenden gleich, die allee herauf wandeln Schiller 4, 337 (geisterseher); zwischen den blühenden büschen wandeln Deutschlands gröszte geister Bettine Cl. Brentanos frühlingskranz (1844) 389; Münchhausen ... fand ihn drauszen im mondschein hinter dem schlosse wandeln Immermann Münchhausen² 1, 128; beide disputieren zwei, drei stunden hindurch strasz' auf strasz' ab wandelnd E. Th. A. Hoffmann 6, 16 Grisebach; eine landschaft, wie eigens geschaffen für reisende, die zwar den schwindel nicht lieben ..., aber doch gern auf den bergen wandeln L. Steub drei sommer in Tirol (1895) 1, 9;
dort, in dem schatten des kastanienhains,
der vor der stadt gen westen sich verbreitet,
sah ich, so früh schon wandelnd, euren sohn.
Shakespeare, Romeo u. Julia 1, 1;
unleugbar waren diese (liebhabereien) darauf berechnet, dem wandelnden publikum, welches zwischen den beiden häusern nach der waldwiese und den grünen bäumen hinauszog, einen guten eindruck zu machen Freytag verl. handschr. 1, 35. mit zielangabe: entschlosz er sich ... zu einem spaziergang, so putzte er sich ..., nahm sein spazierstöckchen und wandelte steif ein wenig vors tor G. Keller 4, 218. nach spazieren gehen ist wandeln gehen gebildet (auch nl. wandelen gaan):
dieweil er nicht arbeytet gern,
gieng lieber wandeln mit den herrn
auff dem marckt new zeitung hören.
Fischart Eulenspiegel 5644 Hauffen;
als nun der junge fürst in einem grünen garten
alleine wandeln ging, der unruh abzuwarten,
trat Jonadab hinzu.
Rachel sat. ged. 96 neudr.;
ich ging nun mit van Beers wandeln, bis wir uns gegen 9 alle wiederfanden in einem kaffeehause auszerhalb der festung Hoffmann v. Fallersleben leben 6, 101.
γ)
wandeln wird gesagt von leuten, die im schlafe umhergehen, den nachtwandlern: mir ists zu zeiten wie dem menschen, der in nacht wandelt, und an gespenster glaubt Klinger theater 3, 298; gibt es unglücklichere menschen, als die in der nacht wandeln? Gutzkow ritter vom geist² 4, 172; wenn wandelte sie zum letzten mal? H. L. Wagner Macbeth 131 (5, 1). übertragen: in reiferen jahren werden wir durch schuld und erfahrung ... aus dem traume geweckt, in dem wir wandelten v. Holtei erzähl. schr. 4, 55. dann besonders von gespenstern, seelen verstorbener, von denen man glaubt, dasz sie zu bestimmten stunden 'umgehen' (schweiz. wandeln 'spuken' Stalder 2, 433, md. dafür wandern s. d. 2): so muͤssend ire seelen lange zyt wandlen, ee sy zur ruͦw kommend Lavater von gespänsten (1578) 62ᵃ; recht um dieselbe zeit pflegen sich die geister sehen zu lassen, wenn sie wandeln Creizenach schauspiele der engl. comödianten 154, 14 (bestrafter brudermord 1, 4); o gespenst, das du die gantze nacht wandelst, und keiner ruhe fähig bist Happel akad. roman (1690) 520;
schon längst
geht eine sage, wie sie wissen, dasz
um mitternacht in den gewölbten gängen
der königlichen burg, in mönchsgestalt,
der abgeschiedne geist des kaisers wandle.
Schiller 5, 2, 424 (Don Carlos 5, 6);
nun pfeift der sturm
in saal und thurm.
nachts wandeln durch thüren und fenster
gespenster!
Körner 1, 230;
auf ihrer stammburg wandelt von alters her ein geist,
der längst mit klaggebärden auf schweres unheil weist.
Uhland ged.² 372.
für solches gespenstige hin- und hergehen auch unpersönlich es wandelt: aber mit dem letzten schlag zwölf einer aus der ferne dumpf tönenden turmuhr fing es an, in dem zimmer mit leisen abgemessenen tritten auf und ab zu wandeln E. Th. A. Hoffmann 6, 110 Grisebach.
δ)
wandeln 'hin und hergehen' bekommt in verbindung mit präpositionen oder adverbien der ruhe oft die abgeschwächte bedeutung 'sich aufhalten, weilen, wohnen' in einem ort oder unter personen; auch übertragen auf ein weilen in gebilden der phantasie. die bedeutung geht in die von 'leben' (s. unten 3) über und ist von dieser zuweilen nicht scharf zu scheiden. in Luthers bibel begegnet sie häufig, und auf diese geht besonders die fügung wandeln unter zurück. häufig ist die verbindung wohnen und wandeln; auch sein und wandeln: dasz man an heiligen orten und stetten nicht leichtfertigkeit treiben, sondern mit zucht und ehrerbietung daselbsten sein und wandeln solle Sandrub hist. u. pol. kurzweil 111 neudr.
1))
an einem orte weilen: α)) in: got hât si erwellet und fúrwelt und hat si gemachet wandlend in sim gezelt (in tabernaculo suo habitare) St. Georgener prediger 119, 7 Rieder; hab ich doch in keinem hause gewonet sint dem tag, da ich die kinder Israel aus Egypten füret, bis auff diesen tag, sondern ich habe gewandelt in der hütten und wonung, wo ich mit allen kindern Israel hin wandelt 2. Sam. 7, 6; ir aber seid der tempel des lebendigen gottes, wie denn gott spricht, ich will in inen wonen, und in inen wandeln, und wil ir gott sein, und sie sollen mein volck sein 2. Cor. 6, 16; man solle ihn in der stadt Dantzk sicher wonen und wandelen lassen Hennenberger preusz. landtafel (1595) 83; so die element ihren sitz haben, so bleibt ein hüli, in der der mensch geht, wandelt und wohnet Paracelsus (1616) 1, 524 A; ist mirs nicht die wenige stunden, die der graf in diesen mauren wandelt, als schlich immer ein spion der hölle meinen fersen nach Schiller 2, 132 (räuber, schauspiel 4, 2). β)) zu: das derselbigen eyn grosz theyl offenbaͤrlich zuͦ Carthago wandelten und giengen Carbach Livius 204ᵇ; γ)) unter 'zwischen': ich hab dich auff dem heiligen berg gottes gesetzt, das du unter den fewrigen steinen wandelst Hesek. 28, 14; der herr dein gott wandelt unter deinem lager, das er dich errette, und gebe deine feinde fur dir 5. Mos. 23, 14; das saget, der da holt die sieben sterne in seiner rechten, der da wandelt mitten unter den sieben güldenen leuchtern off. Joh. 2, 1; man wird sehr klein und verliert allen stolz auf den geist seiner zeit, wenn man unter diesen antiken, wie in einer götterversammlung wandelt Schubart leben und gesinnungen 1, 201. δ)) unter 'sub': die geister, dieweil sie der sonnen nicht unterworffen seyn, so wohnen und wandeln sie unter dem gewülcke, und je heller die sonne scheint, je höher die geister ire wonung haben volksbuch v. Faust 71 neudr.; wer ermiszt die wandelbarkeit der herzen derer, die da wandeln unter dem mondschein! E. Th. A. Hoffmann 10, 46 Grisebach;
Daja. wartet doch!
was eilt ihr?
Tempelherr.   weib, macht mir die palmen nicht
verhaszt, worunter ich so gern sonst wandle.
Lessing 2, 225 (Nathan 1, 6);
aber auch er (der reisende) wird ein anderer mensch. es wandelt niemand ungestraft unter palmen, und die gesinnungen ändern sich gewisz in einem lande wo elephanten und tiger zu hause sind Göthe 20, 292 (wahlverw. 2, 7) Weim. ausg.; dann zum geflügelten wort geworden: wandelt man nicht ungestraft unter palmen, so noch weniger unter göttern. wer einmal vergöttert worden ist, der hat seine menschheit unwiederbringlich eingebüszt D. F. Strauss 6, 50 (der alte u. der neue glaube). ε)) vor:
durch Mardachay wert bedeut
Christus der herr, ihr lieben leut,
der wandelt stetz vors königs thorn.
Val. Voith dramen 202 (Esther v. 1445) Holstein.
ζ)) zwischen: man denke sich den Orpheus, der ... durch die töne seiner leier den geräumigen marktplatz um sich her bildete ... die töne verhallen, aber die harmonie bleibt. die bürger einer solchen stadt wandeln und weben zwischen ewigen melodien Göthe 48, 218 Weim. ausg. η)) übertragen oder bildlich: mein hertz ist nicht hoffertig und meine augen sind nicht stoltz, und wandeln nicht in grossen dingen, die mir zu hoch sind psalm 131, 1; aber demnach die, so recht sprechen, im tempel der gerechtigkeit, billichkeit und warheit wandelen und handelen Bodin, daemonomania, übs. v. Fischart (1581) 593; so wandelte Ewald und Lina einige wochen lang in den vorhöfen des heiligthums der liebe Pfeffel pros. versuche (1810) 5, 183; da auch mir die freude der unsterblichkeit in allen pulsen schlug, da ich wandelt' unter herrlichen entwürfen, wie in weiter wäldernacht Hölderlin 2, 77 (Hyperion) Litzmann; 'nun ist das liebe kind gut aufgehoben!' hörte er sagen, 'nun geht sie ihrem heil entgegen und wird bald in den gärten des herrn wandeln!' (in die brüdergemeinde aufgenommen) G. Keller 2, 115.
2))
unter lebenden wesen weilen: ich will meine wonung unter euch haben, und meine seele sol euch nicht verwerffen. und wil unter euch wandeln (Eck: wandern), und wil ewr gott sein, so solt ir mein volck sein 3. Mos. 26, 12; es war kein wort, das Mose geboten hatte, das Josua nicht hette lassen ausruffen fur der gantzen gemeine Israel, und fur den ... frembdlingen, die unter inen wandelten (wonten Mentel, Koburger, Eck) Josua 8, 35; Jhesus aber wandelte nicht mehr frey unter den Jüden, sondern gieng von dannen ev. Joh. 11, 54; da er unter den lewinnen wandelt, ward er ein junger lewe Hesek. 19, 6; was doch das sey, das ynn menschlicher gestalt offt unter den leuten wandelt Agricola sprichw. (1529) 2, 1ᵃ; lieber will ich für sie auch die leichtesten spuren der unter uns noch wandelnden Musen aufsuchen Lessing 6, 2; unser soufleur (wird) auch noch aus dem loche hervorsteigen müssen, unter uns wandeln, und zur person werden Göthe 22, 169 Weim. ausg.; die verdienste des herrn präsidenten, welcher auch eien zeitlang unter uns gewandelt, aufrichtig anerkennend briefe 34, 23; nur kurze Zeit noch, und du wandelst unter uns fürst Pückler briefwechsel u. tageb. 2, 82; auch unsere goldenen ideale steigen endlich aus ihren himmeln nieder und wandeln und wohnen unter uns Prutz briefe von und an Herwegh 105; waren freilich die meisten, in deren mitte der baron damals gewandelt, ... längst dahingegangen Justi Winckelmann 2, 1, 229. diese gebrauchsweise berührt sich auch mit der bedeutung 'verkehren' (s. oben 1), besonders nahe in der verbindung mit handeln: das pfaffen nicht vermuͤgen keusch seyn an wunderbarliche mitwirckung gots, die er gar wenigen geben will, so muͤssen die pfaffen under gemeynem volck wandlen und handlen Eberlin v. Günzburg 2, 31 neudr. ähnlich unter mit acc: sie (die Beguinen) wandlen under die lewt, und schuͤtten yhr gifft in andere weiber 3, 36. auch um einen wandeln hat im folgenden die bedeutung 'bei ihm weilen', 'um ihn sein':
ihr jungfrauen, die ihr um meine göttinn
wandelt, saget ihr an, o sagt Dianen,
dasz ein pfeil mich, ein süszer pfeil im herzen
liebe — verwundet.
Herder 27, 35 Suphan.
ε)
eine abgeschwächte bedeutung von wandeln ergiebt sich ferner, wenn die äuszere erscheinung des wandelnden im vordergrund steht und die gehbewegung ganz zurücktritt, fast so viel wie 'erscheinen', 'sich kleiden' u. dgl.; ähnlich gebraucht man auch einhergehen und gehen (z. b. in trauer gehen): selig ist der da wachet, und helt seine kleider, das er nicht blos wandele (περιπατῇ), und man nicht seine schande sehe offenb. Joh. 16, 15;
nur allzuhoch stand jene, heimlich mir
durch wundersam geschick verbundne frau,
um welche noch dein hof in trauer wandelt.
Göthe 10, 250 (nat. tochter 1, 1) Weim. ausg.;
träumend, wie im halben schlummer,
wandle ich bei tag.
Heine 1, 30 Elster.
d)
am weitesten abgeschwächt erscheint die bedeutung von wandeln als 'sich mit den füszen fortbewegen', ohne rücksicht auf ausgangspunkt, ziel oder wegstrecke, nur im gegensatz zur ruhelage; jetzt nur noch in anlehnung an die bibelstelle Marc. 2, 9 verwendet: er ist so schwach dasz er nicht wandeln kann, qu'il ne sauroit marcher Rondeau; waʒ wege hât diu gotheit oder war mac sie gewandeln, wan si doch an allen steten ist, oder wâ mit wandelt si, wan si doch niht vüeʒe hât noch niht daʒ lîplich sî? bruder Franke von Köln, zeitschr. f. d. alt. 8, 245; wyle du vor beladen werd, mit swärer und unseliger burde der aigenschaft? da durch dir zuͦgefüget was, nit schlaͮfen, nit wachen, nit essen, nit wandeln N. v. Wyle translationen 108, 20 Keller; das sie lauffen und nicht matt werden, das sie wandeln und nicht müde werden Jes. 40, 31; welchs ist leichter, zu dem gichtbrüchigen zu sagen, dir sind deine sünde vergeben? oder, stehe auff, nim dein bette, und wandele? (gee Mentel, wandere Dietenberger und Eck) Marc. 2, 9; meidlin, ich sage dir stehe auff. und als bald stund das meidlin auff, und wandelte (gieng Mentel, Dietenberger, Eck) Marc. 5, 42; es war ein man zu Lystra, der .. war lam von mutterleibe, der noch nie gewandelt (gegangen Mentel, gewandert Dietenberger, Eck) hatte Apostelgesch. 14, 8; hültzern götzen, welche weder sehen, noch hören, noch wandeln können Offenb. Joh. 9, 20; das ein solche menge der todten cörper an allen gassen lagen, das die obsiger nit platz hetten zuͦ wandlen S. Franck chronica (1531) 34ᵃ; ein schwilen am fusz oder an der hand, von viel arbeiten und wandeln Decimator thesaurus linguarum (1614) 253ᵇ;
Rom staunt: denn schön und grosz,
frisch wie der eichenbaum,
wächst Teutschlands jugend auf.
der knabe wandelt kaum,
so stärkt ihn kampf und lauf.
Kretschmann werke (1784 f.) 1, 62;
Fiesko (indem er ... sie niederstöszt.) wenn du drei leben hast, so steh wieder auf und wandle! Schiller 3, 148 (Fiesko 5, 11). der gegensatz zu fallen schafft im folgenden den sinn 'aufrecht, sicher, ohne schwanken und ausgleiten gehn': die wege des herrn sind richtig, und die gerechten wandeln drinnen, aber die übertretter fallen drinnen Hosea 14, 10. ähnlich: wer des tages wandelt, der stösset sich nicht, denn er sihet das licht dieser welt ev. Joh. 11, 9. sprichwörtlich: ein gesunder ist geschikt zu wandeln, ein weiser zu handeln, ein sanftmütiger zu überkommen Schottel 1133 (sprichw.). von der gehbewegung der thiere: die schweyn kömmend zuͦ sölcher feiszte und schwäre, dasz sy auff inen selber nit geston auch gantz nit wandlen mögend, dermassen dasz man sy auff karren oder wägen fuͤren muͦsz Forer thierb. 149ᵇ.
e)
seit Klopstock dient wandeln in der gehobenen sprache häufig zur bezeichnung einer edleren art des ganges; es ist, alleinstehend oder durch adverbien ergänzt, ein mittel, wesen, stimmung oder haltung des subjects anzudeuten. drei hauptarten kann man unterscheiden: das majestätische, das gemessene, das graziöse wandeln. bei der ersten und zweiten konnte Klopstock an Luthers bibel anknüpfen, die das wort überhaupt in eine höhere sphäre gehoben hatte, bei der zweiten auch an die bedeutung 'lustwandeln, spazieren', Adelung erwähnt die dritte art und meint, wandeln wäre in der dichtkunst beibehalten 'weil die in dem baue des wortes liegende onomatopöie eine anschauliche darstellung des mit leichtigkeit verbundenen gehens ist.' Klopstock folgten im gebrauch des wortes zunächst die Schweizer Bodmer und Gessner, denen dies wandeln schon durch ihre mundart vertraut war, dann schon in den fünfziger jahren auch Mittel- und Norddeutsche wie Uz und Zachariä; der späteren dichtersprache ist es unentbehrlich.
α)
von gott (vgl. auch die belege unter c δ 1): was weis gott? solt er das im tunckel ist richten können? die wolcken sind seine vordecke, und sihet nicht, und wandelt im umbgang des himels Hiob 22, 14; (gott) du ... wandelst auf den fittichen des windes (nach ps. 104, 3 wo Luther gehest hat) Th. Abbt 1, 104;
in den sternen
da, wo der ewige wandelt.
Klopstock Messias 2, 881;
bei Hiob ist gott der hohe unbegreifliche, der ... auf den rollenden himmelskörpern wandelt Herder 12, 39 Suphan;
im wetter ist sein gang, und in den grosen tiefen
sein pfad; noch sieht man seinen gang,
im wetter nicht, noch in den grosen tiefen,
wo er gewandelt hat.
J. H. Schmid bei Herder 12, 281 Suphan;
was hat witz, der zwerg, auf den feldern zu thun, wo gottes majestät gewandelt und gerichtet hat? F. Ahlfeld bei Flathe deutsche reden 2, 129. von übermenschlichen wesen: die drei nornen um sie (Brynhildis) her wandelnd und singend Fouqué held des nordens (1810) 1, 60. von gestalten der vision:
der du dort wandelst, ernstvoll und heiter doch,
das auge voll von weiser zufriedenheit ...
wer bist du, schatten?
Klopstock 1, 15 (Wingolf 5);
und an den hügeln wandelt
ein hoher schatten her
mit schwert und purpurmantel.
Geibel (1883) 1, 1;
Ägypten sah ich auf einmal vor mir stehen .. da sah ich den Grosz-Cophta wandeln; ich sah ihn umgeben von schülern Göthe 17, 134 (Grosz-Cophta 1, 4) Weim. ausg. grauenerregend, gespenstisch daherschreiten (vgl. oben c γ 'spuken'):
was wandelt durch die nacht so ernst und schwer?
um dunkle mäntel weisze nebel rollen,
ein trüber strahl flirrt um die schwerter her,
dem höllenreiche scheint die schaar zu zollen;
sind's geister ..?
A. v. Droste-Hülshoff 2, 66 Kreiten.
ehrfurchtgebietend: durch nährende äcker, durch schlacht und tod, wandeln ihre (der vehme) boten unverletzt Göthe 13, I, 339 (Götz 5, 9 bühnenbearb.) Weim. ausg.;
so wandelst du, dein ebenbild zu schauen,
das majestätisch uns von oben blickt,
der mutter urbild, königin der frauen.
2, 152 (einer hohen reisenden).
β)
langsam, bedächtig, gemessen schreiten:
so schreitet in dem engen breterhaus
den ganzen kreis der schöpfung aus,
und wandelt mit bedächt'ger schnelle
vom himmel durch die welt zur hölle.
14, 16 (Faust 1, 241);
da rauschten sammt und seide, so wie hier ...
und ritter wandelten und holde frauen.
Bauernfeld 5, 64 (geschwister v. Nürnberg 3, 8);
gestern noch im kurzen kleide hüpfte es (das mädchen) ausgelassen und kindlich umher, heute trägt es ein langes, wandelt mit sittigen schritten H. Seidel 3, 84; sicher:
so wandle du — der lohn ist nicht gering —
nicht schwankend hin, wie jener sämann ging.
Göthe 2, 147 Weim. ausg.
behaglich:
doch indem ich so behaglich,
aufgeschmückt stolzirend wandle.
2, 105;
ernst, traurig: ich wandle auf einem kirchhofe, und schaue traurig zur erde nieder Herder 17, 17 Suphan;
dieser kommt mit munterm wesen
und mit offnem heitrem blicke;
diesen seh' ich ernster wandeln.
Göthe 2, 24 Weim. ausg.;
in dem stillen mondenscheine
wandl' ich schmachtend und alleine.
5, 1, 6;
wandelt sie im walde
gedankenvoll, betrübt, allein?
11, 289 (Erw. u. Elm. 1, 1);
am leuchtenden sommermorgen
geh' ich im garten herum.
es flüstern und sprechen die blumen,
ich aber, ich wandle stumm.
Heine 1, 83 Elster;
betend:
jeder fromme weise wandelt betend,
in der stoa, die ihm Carl erbaut.
Schubart ged. (1825) 2, 4;
im zuge, wallen: die wir freundlich mit einander waren unter uns, wir wandelten (haben gewandert Eck) im hause gottes zu hauffen ps. 55, 15;
nun ordnet die züge,
dasz jeder sich füge
und einer mit allen,
zu wandeln, zu wallen
die fluren entlang.
Göthe 2, 32 Weim. ausg.;
vorüber wandelt dir ein zug
von groszen, gröszern meistern.
4, 37;
wie ...
die völker zur versammlung wandelten.
Bürger 150, 126;
mische dich, o muse, in die reihen,
die der bahre folgen,
wandle auf den kirchhof ...
Hölty ged. 53 (15, 19) Halm;
die brüder wandeln mann für mann
und ziehn die kappen in den nacken.
A. v. Droste-Hülshoff 2, 1532 Kreiten;
habt ihr auf der landstrasze nicht die fülle der leute bemerkt, die wie auf einer pilgerfahrt nach dem lieben Nürnberg wandeln? E. Th. A. Hoffmann 14, 203 Grisebach.
γ)
leicht, schwebend gehen:
wandeln wird er
wie mit blumenfüszen
über Deukalions fluthschlamm,
Python tödtend, leicht, grosz,
Pythius Apollo.
Göthe 2, 67 Weim. ausg.;
lasz sie sich drehen, und lasz du uns wandeln!
wandeln der liebe ist himmlischer tanz.
1, 28.
von elfen:
dann leuchtet uns (den elfen) der stern,
wir wandlen und singen
und tanzen erst gern.
Göthe briefe 4, 314 Weim. ausg.;
über thäler und höhn
durch dornen und steine,
über gräben und zäune,
durch flammen und see'n,
wandl' ich (elfe), schlüpf' ich überall,
schneller als des mondes ball.
Shakespeare, sommernachtstr. 2, 1;
sonst von weiblichen wesen, der geliebten:
ich spähe nach ihr.
da kommt sie und wandelt.
Göthe 1, 89 Weim. ausg.;
sie wandelt am bache
die wiesen entlang.
1, 90;
wie sie (die geliebte) wandelt auf den birkenhöhen.
v. Salis ged. (1793) 32;
seh' ich sie zum garten wandeln,
mit dem körbchen in der hand.
W. Müller verm. schr. 1, 17;
blick' und lächele (geliebte)! komm und wandele! mach' im gang,
blick und lächeln die lust von Eden den menschen klar.
Rückert ges. ged. 4, 161;
vom leichten dahingleiten auf dem eise:
auf gewässer, welche ruhen,
weil gebändiget vom eise,
zieht die jugend leichte kreise,
wandelnd auf den flügelschuhen.
Platen 14 (lied. u. rom.).
δ)
ganz vereinzelt ist ein abschwächendes beiwort:
und oft, erschöpft von den vielen gefechten,
wandelt er kraftlos schon, mit zu dem schmause gesellt.
A. W. Schlegel im Athenäum 1, 120.
ε)
das ruhige, graziöse, stolze u. s. w. wird zuweilen durch ein danebenstehendes verbum mit gegensätzlicher bedeutung noch besonders hervorgehoben:
o ihr wandelt nicht, fliegt! doch wie strebet
er, euch zu nahn.
Klopstock 1, 266;
sie ging nicht, sie wandelte, wenn man verstehen will, was ich damit auszusprechen meine; — ihr kleid war ein gewand, was sie in schmeichlenden falten umgab, das kam von ihren weichen bewegungen her Bettine briefe 1, 77; sie kamen daher wie dampfkessel ..., sintemal sie aufgeblasen waren ... sie bildeten sich auch wirklich ein, solche wie sie seien noch nie diese wege gewandelt, denn sie gingen nicht, sie wandelten Gotthelf 3, 80 (Uli der pächter); nicht gegensätzlich, sondern nur modificirend:
und engel mit den breiten schwingen werden
um uns sich lagern, wo wir wandeln gehn.
Grillparzer 6, 62 (weh dem, der lügt! III).
ζ)
auch vom schweren, stolzen, schnellen, zierlichen gange der thiere:
aber Alkinoos gab zwölf weidliche schafe zum opfer,
acht weiszzahnige schwein', und zween schwerwandelnde stiere.
Voss Odyssee 8, 60;
als in ein waldthal kamen, die jagenden. immer voran nun
wandelten ihnen die hund', und spüreten.
19, 438;
da kommt muthwillig durch die myrthenäste
dahergerauscht ein taubenpaar,
läszt sich herab und wandelt nickend
über goldnen sand und bach.
Göthe 2, 71 Weim. ausg.;
stolz wandelt der pfau durch silbernen sand und er schlägt
goldaugige räder
Platen 259 (verh. gabel 2);
hirsche wandeln dort am hügel,
blicken in die nacht empor.
Lenau ged. (1857) 1, 35;
inmitten einer grünen weitumfassenden welt muszten die herden wandeln fürst Pückler briefw. u. tageb. 1, 129.
f)
subject von wandeln 'gehen' können zunächst nur lebende wesen sein, in mannigfaltiger übertragung wird es seit Klopstock auch von anderen concreten und von abstracten gesagt.
α)
von gliedern, sinnen, seele, gedanken, gefühlen, leidenschaften des menschen:
1))
aber auch die sind gestorben, und über ihren gebeinen
hat der söhne fusz, mit säumendem schritte, gewandelt.
Klopstock Messias 4, 963;
sey mir gegrüszt, vaterlands-erde! ... halt ein Moor! dein fus wandelt in einem heiligen tempel Schiller 2, 128 (räuber 4, 1 schauspiel); das steinbild hatte ... am boden gelegen, und vieler menschen füsze waren darüber hingewandelt F. Anders (Allihn) skizzen 3, 80, vgl. unten i β wandelnden fuszes; ähnlich:
oftmals, wenn dein tritt
durch den cedernhayn gewandelt ist.
Pfeffel poet. versuche 1, 46.
2))
und Wolo auf den zinnen, hielt zwang den leib zurück,
liesz frei im freien wandeln den sehnsuchtsfeuchten blick.
Halm 1, 282;
von dem ... Jura bis in die fernsten gebirge des osten wandelt dein auge überall in ewiger umkränzung des schönen Hülsen im Athenäum 3, 34.
3))
die ... seele, die ... ganz in Eden mitten unter engelchören wandelt Fr. Müller 1, 8;
selig, wer sich von der welt
ohne hasz verschlieszt,
einen freund am busen hält
und mit dem genieszt,
was, von menschen nicht gewuszt
oder nicht bedacht,
durch das labyrinth der brust
wandelt in der nacht.
Göthe 1, 101 Weim. ausg.;
in seinen zügen wandelte der zorn,
erzwungne kälte lebt' in seiner stimme,
in thränen schwamm sein abgewandter blick.
9, 428 (Tancred 4, 5);
welch fieber wandelt durch dein angesicht.
A. v. Arnim 5, 178.
β)
von gesichts- und gehörseindrücken, von düften:
1))
wenn in dem finstersten wald ein flimmernder sonnenblick wandelt.
durch den himmel wild
jagen blitze, bleich;
ihr vergänglich bild
wandelt durch den teich.
Lenau ged. (1857) 1, 34;
wie's dunkelt! wie schon von den höh'n herab
die schatten wandeln in gewalt'gen massen.
Waiblinger gedichte aus Italien 2, 96 Grisebach.
2))
horch' — es wandelt in den lüften
hohes kriegs- und siegsgeschrei.
v. Schenkendorf gedichte (1815) 19;
und drinnen wandelt durch die hallen
der messe lauter friedensgrusz.
Rückert werke 3, 23;
in vielen melodischen gängen wandelt der ton auf und nieder Herder 23, 21 Suphan; donner wandelt langsam von ihr (der wolke) an den bergen herüber Fr. Müller 1, 368.
3))
hier (in der felsenwildnis) wandelte nimmer der odem des mais;
hier wiegt sich kein vogel auf duftendem reis.
Matthisson ged. 172.
γ)
von geisteserzeugnissen:
die Xenien sie wandeln zahm,
der dichter hält sich nicht für lahm;
belieben euch aber geschärftere sachen,
so wartet, bis die wilden erwachen.
Göthe 3, 309 Weim. ausg.;
wohlauf, wohlauf denn mein gesang, und wandle klingend deinen schritt!
Geibel 1, 192;
die allegorie wandelt immer zwischen zwei klippen Göthe 40, 220 Weim. ausg.
δ)
von personificirten abstracten: alsdann wandelt die kunst auf dem rechten wege zum ziele Göthe 48, 13 Weim. ausg.;
ehre wandelt
den eignen pfad.
Grabbe 2, 25 (don Juan u. Faust 1, 1) Blumenthal;
lasz die zeit im fluge
wandeln fort und fort.
A. v. Chamisso werke (1888) 3, 17;
das ist der geist des misbehagens, der unter den völkern wandelt, der nicht zu fürchten, aber zu achten ist Börne ges. schr. (1829—34) 4, 97; die schrecken der barbarei wandelten vor ihnen her J. v. Müller 3, 360.
ε)
von dingen.
1))
die wolke, der wind, der rauch, der nebel wandelt:
und nun schweigen sie (die gewitterwinde). langsam wandelt
die schwarze wolke.
Klopstock 1, 141 (frühlingsfeyer);
morgenwinde wandeln
wehend am gestade.
Fouqué held des nordens 3, 63;
balsamwolken wandelten zum himmel
ein festgeruch dem herrn!
Herder 29, 16 Suphan;
wie die abendnebel an dem einen ende (des thals) hereintraten und langsam an den bergen hinwandelten R. Volkmann träumereien an franz. kaminen (1881) 14.
2))
von sich auf dem wasser bewegenden dingen:
rauscht doch wohl auf meeres-wellen
rasch ein schiff hinan,
fühlet seine segel schwellen,
wandelt kühn und stolz.
will's der Ocean zerschellen,
schwimmt es, morsches holz.
Göthe 6, 279 Weim. ausg.;
das geistermäszige der wenigen hin und wider wandelnden schwarzen gondeln vermehrte das eigenthümliche dieser scene 32, 347; statt jener unnützen, theillosen obelisken wandte sich die baukunst auf theilvolle, und in jedem theil nutzbare schiffe. aus der stummen, stehenden pyramide ward der wandelnde, sprechende mast Herder 5, 493 Suphan.
3))
vom flieszen des wassers selbst. der flusz personificirt:
vom fluszgott Alpheus, welcher tief durch's land
von Pylus wandelt.
Bürger 164, 674.
ferner: mitten durch das land wandelt ein strom klares lebendiges wassers Bürger briefe 1, nr. 281 Strodtmann;
holde quelle! wandle langsam,
höre deinem lobe zu! ...
o wie deine münzen duften!
wie dein weidrich dich umblüht.
Denis lieder Sineds (1772) 198;
so wandelt der funkelnde felsenstrom
in den distelgefilden.
Kretschmann werke (1784) 1, 246;
er (der strom) wandelt unaufhaltsam fort zu thale.
Göthe 2, 3 Weim. ausg.;
was unterscheidet
götter von menschen?
dasz viele wellen
vor jenen wandeln,
ein ewiger strom.
2, 82;
wo die sanften wellen wandeln.
Tieck 1, 113.
4))
sehr gebräuchlich von der bewegung der himmelskörper:
natur, dich hört' ich im unermeszlichen
herwandeln, wie, mit sphärengesangeston,
Argo, von dichtern nur vernommen,
strahlend im meere der lüfte wandelt.
Klopstock 1, 19 (Wingolf 8);
um erden wandeln monde,
erden um sonnen.
2, 102 (psalm);
als er über dir (der erde) ging, als sein erhabneres antlitz
wandelnde himmel umflossen, als seine göttliche rechte
sonnen hielt und wog.
Messias 5, 193;
wir sehn der sterne lauf mit schauderndem ergötzen:
sie wandeln heut, wie stets.
Uz, werke 260 (97, III, 287) neudr.;
wandelt der mond und bewegt sich der stern,
junge wie alte sie schlafen so gern.
Göthe 16, 338 (Epimenides 1, 3, 71) Weim. ausg.;
wie der gestirne helle schar,
die ihren schöpfer wandelnd loben
und führen das bekränzte jahr.
Schiller 11, 319 (glocke);
wie herrlich, sonne, wandelst du nicht daher!
Hölderlin 1, 47 Litzmann;
es glänzet hoch und hehr im sonnenstral
allvaters saal,
die sterne wandeln unter ihm.
Uhland ged.² 208;
die sonn' im westen wandelt ihre neige,
die gräber noch bestrahlend.
Lenau ged. 1, 221 (1857);
o komm zu mir, wenn durch die nacht
wandelt das sternenheer.
Geibel 1, 63;
die empfängliche leichtbewegliche seele des dichters (schreitet) wie die wandelnde sonne von nacht zu tag fort Göthe 21, 129 Weim ausg.; da die 4 sterne ... mit ungleicher geschwindigkeit eines verschiedenen weges wandeln A. v. Humboldt kosmos 3, 264; das herz in seinem himmel sieht wie die wandelnde sonne vom thau bis zum meere nichts als spiegel, die es wärmt und füllt J. Paul Titan 2, 242.
5))
weiterhin übertragen vom tage und den tageszeiten: vieles scheint (hier) natur, und ist doch kunst ...; aber der tag wandelt so sanft unterm freundlichen gemurmel des bachs, an der hand einer freundin ..., dasz wir ... vergessen, wie wir hingekommen sind Sturz (1779) 1, 264;
o wie segn' ich euch, ihr tage,
die ihr reich und reicher blühend
still durch hain und garten wandelt!
Geibel 2, 7;
über die berge wandelt
die warme frühlingsnacht.
4, 96;
im garten wandelt hohe mittagszeit.
3, 237;
g)
wandeln kann auch von dingen gesagt werden, die nicht durch naturkräfte, sondern von menschenhand bewegt werden, zunächst 'umhergegeben werden' (vgl.herumgehen), dann 'gebracht, mitgenommen werden'; üblicher ist dafür wandern (s. d. 16); seit dem 17. jh. vorkommend, in älteren belegen liegt noch persönliche auffassung vor: als ich aber in mir selbs vor betrachtet het, dises buͤchlin an dyne genad zekeren; damit es by mir nit verlaͤge, sunder mit hilff günstliches gelaites sicherer in die welt wandeln und gemainer syn moͤchte Steinhöwel de claris mulieribus 16 Drescher;
der stockfisch sagt von grossem handel,
wie er durch ferre laͤnder wandel.
Fischart Flöhatz 68, 108 neudr.;
von tausend und mag sein dreyhundert jahren ab
hat stets von hand auf hand gewandelt Assurs stab.
Opitz ged. (1690) 4, 296;
um mitternacht halten wir mahl und rath!
und die barden singen uns siegsgesang!
die krieger singen ihn nach, dann wandelt das
horn des uhrs umher,
oder ein jüngling tanzt das waffenspiel.
Klopstock 8, 204 (Hermannsschl. 11);
herrn Windischmann grüszen sie ... auch sein werk soll mit in die fremde wandeln Göthe briefe 38, 133 Weim. ausg.; auf dem Kapitol vermiszte ich den schönen Brutus. dieser ist nach Paris gewandelt, hiesz es Seume 164 (spazierg.); sie ... sandten zur heimat höchst vertrauliche briefe in hut und felleisen wandernder handwerksburschen, welche zuverlässig der polizei in die hände wandelten Freytag 22, 73 (K. Mathy).
h)
zuweilen steht nach wandeln der acc. des pron. refl. und, zur bezeichnung des folgezustandes, ein adj.: als sie ... in der warmen luft ... sich trocken wandelte, sich ankleidete Heinse 3, 6 (Hildegard I) Laube;
wo kein mond strahlt, keine sonne leuchtet,
die täglich, hat sie sich müde gewandelt,
zur ruhe geht in unserm meer.
Grillparzer 3, 42 (Argonauten I);
ähnlich: dasz ich blos spazieren gehen wollte, um mir das zwerchfell auseinander zu wandeln Seume 69 (spazierg.).
i)
das part. praes. wandelnd 'sich fortbewegend' kommt noch in einigen besonderen verwendungen und festen verbindungen vor.
α)
substantivirt: 'der wanderer', alemannisch: dise gspänst ... haltend etwan den wandlenden die straassen vor, fuͤrend sy ab dem rächten wäg Lavater von gspänsten (1578) 62ᵃ; alda seind guͦte herbergen, darinn die pilgram und andere wandlende aufgenommen werden Guler von Weineck Raetia (1616) 174. in der neueren sprache:
manches verwelkende blatt
umwirbelt dich, grab,
flüstert dem wandelnden
süsze schwermuth entgegen.
Hölty ged. 57 (17, 6) Halm;
auch kehrten die beiden wandelnden am ende des ganges um Göthe 24, 252 Weim. ausg.; so dasz (auf dem bilde) die wandelnden (die den triumphzug begleitenden) nach der linken zu schreiten 49, 288.
β)
wandelndes fuszes 'im gehen': er ... führte sie die treppe hinauf, erklärte ihr wandelndes fuszes seine liebe Langbein schriften 5 (1841) 186.
γ)
ein sehr abgemagerter mensch kann einem wandelnden gerippe, d. h. zunächst einem gerippe, das wandelt (s. o. c γ) verglichen werden, wird diese beziehung undeutlich oder ganz aufgehoben, so verallgemeinert sich die bedeutung von wandelnd zu 'lebendig, menschgeworden' (vgl. die ausdrücke: er sieht aus wie der lebendige oder leibhafte tod u. a.; vgl. auch wandelleiche).
1))
fernhin schlich das hagre gebirg, wie ein wandelnd gerippe
Hölderlin 1, 155 Litzmann;
er, der seinen freund in voller blüthe der jugend verliesz und ihn jetzt einer wandelnden leiche gleich wieder findet Schiller 6, 45; dich abzuholen hat er (der tod) keine eil'; es macht ihm spasz, dich als wandelnden leichnam zu sehn! v. Holtei erzähl. schriften 1, 80; einzig er ist ein mann, die andern sind wandelnde schatten (Odyssee 10, 495; flatternde Voss) Mommsen, röm. gesch.² 2, 33;
noch mehr verändert als die stadt,
sind mir die menschen erschienen,
sie gehn so betrübt und gebrochen herum
wie wandelnde ruinen.
Heine 2, 476 Elster.
2))
ein uhrwerk, das zwar richtig fortgeht, aber keinen zeiger hat, eine wandelnde maschine B. Mayr päckchen satiren (München 1769) 62; kriegsgurgeln entmenschten ihre soldaten zu lebendigen wandelnden waffen, lieszen sie nicht gatten ... werden Jahn volksthum 300; in eltern, oheimen und andern verwandten, so sie nur geld haben, nichts anderes als wandelnde versorgungsanstalten zu erblicken Leipz. neueste nachrichten 23. 4. 1910, 6. beil.;
verzeihe, meister, wie du weiszt,
dasz ich mich oft vermesse,
wenn sie das auge nach sich reiszt
die wandelnde cypresse.
Göthe 6, 43 Weim. ausg.
3))
er (der wirt) war die wandelnde chronik des städtchens, und wuszte, was von dem einen thore bis zum andern sich ereignete, oder doch hätte ereignen können Immermann epigonen² 1, 14; sie wurde das wandelnde intelligenzblatt von Rockendorf. alle neuigkeiten des ortes flossen in ihrem laden zusammen F. Anders (Allihn) skizzen 3, 100.
4))
im folgenden bedeutet es nicht 'lebendig geworden', sondern nur 'fortbeweglich': eine grosze ... noth musz diese anstrengung der erfindsamkeit zuwege gebracht haben, welche dazu gehöret, ein wandelndes haus zu erschaffen Sonnenfels ges. schr. (1783) 2, 290; welch ein ungethüm! rief Dankmar. das ist ja kein wagen! das ist ein wandelnder salon, in dem man tanzen könnte Gutzkow ritter vom geist² 2, 197. von einem lager:
du sehnst dich nach den fesseln Mahomets,
dem lärm des lagers, nach der wüste schrecknisz?
ein wandelnd vaterland, reizt es so sehr?
Göthe 9, 281 (Mahomet 1, 2) Weim. ausg.
δ)
fortschreitend, von wahrgenommenem, das sich in bewegung befindet: in der tiefe zeigten sich nämlich wandelnde schimmer; bergleute mit ihren grubenlichtern kamen allmählich in die höhe Heine 3, 30 Elster; die kinder gingen nun in das eis hinein ... sie waren winzig kleine, wandelnde punkte in diesen ungeheuern stücken Stifter werke (1901 f.) 5, 1, 286.
ε)
sich fortpflanzend, von klängen, bewegungen:
dort war gott. dort betet' er (Christus). unter ihm tönte die erde,
und ein wandelndes jauchzen durchdrang die pforten des abgrunds.
Klopstock Messias 1, 74;
schnell empfindet er unter sich wandelndes beben;
dann stürzen neben ihm felsen hin.
9, 438.
ζ)
wandelnde kette, ambulante chaine, 'eine von mannschaften zu beiden seiten eines feierlichen aufzuges gebildete kette ... zur aufrechterhaltung der ordnung' Brockhaus conv. lex.¹⁴ 1, 506.
η)
in der zoologie heiszt das wandelnde blatt die heuschreckengattung phyllum, deren arten einem baumblatte oder reise ähneln: mantis, locusta, folium ambulans, die fangheuschrecke, der gezpenstkäfer Nemnich 3, 503; phyllum sinifolium L., blattheuschrecke Leunis, zool.³ 2, 507;
schröter grünen im sand; und 'das wandelnde blatt' an dem waldrand,
kopf aufrecht und brust, mit zusammengefalteten füszen,
wie im gebet, trägt zackige haken und feurige augen.
K. J. Schuler die jahreszeiten (1869) 25.
θ)
ein wandelnder stern, wandelstern (s. d.): im griechischen alterthum ... wurden alle gestirne eingetheilt in wandelnde (ἄστρα πλανώμενα oder πλανητά) und in nicht wandelnde, feste sterne (ἀπλανεῖς ἀστέρες oder ἀπλανῆ ἄστρα) A. v. Humboldt kosmos 3, 37.
ι)
wandelnde hügel 'flugsand': die wegweiser .. richten sich, weil hier .. nur wandelnde hügel .. nach dem fluge der vögel Ritter erdkunde (1822) 1, 1033.
κ)
übertragen von der bewegung im raum auf zeitliches vor- und zurückgehen: beibehaltung des wandelnden ostertermins A. Jeremias, Leipz. neueste nachrichten 27. 3. 1910. vgl. wandelbar B 1 ε.
k)
der substantivirte infinitiv erscheint in den verschiedenen oben angeführten bedeutungen: die wandelung et das wandeln, ambulatio Stieler 2501.
1))
das umhergehen: da leichtsinniges wandeln auf feuchtem grund und boden mir ein übel am fusze zugezogen hat Göthe briefe 28, 98 Weim. ausg.; was können die evangelisten dafür ..., dasz man diesz von einem wandeln auf dem meere selbst verstanden hat D. F. Strauzs 3, 17 (leben Jesu); zumal das verborgene wandeln in der grau verhüllten natur meinen gang einem schleichwege nach völlig ähnlich machte G. Keller 2, 40. das hin- und hergehen von dingen: das schwere, ächzende wandeln des perpendikels O. Ludwig 1, 302.
2))
das gehen:
und wil also by dir min leben
bliben wen ich bin jarling me
alt und tuͦt mir das wandeln we.
Hans v. Bühel Dyocl. 9340;
ein erfrorner fusz
verhindert mich am wandeln wie am tanzen,
selbst ungeschickt beweg' ich mich zum grusz.
Göthe 15, I, 76 (Faust II v. 6331) Weim. ausg.
3))
der gang, die gangart, in gehobener sprache:
sterbliche wissen nicht, was gott thun wird; doch gewahren
sie, wenn grosze dinge geschehn,
jetzt sein langsames wandeln, jetzt donnernden gang der entscheidung.
Klopstock 2, 128 (der freiheitskrieg);
euer ruhiges wandeln, selige,
streicht nun vor mir vorüber.
Göthe 17, 42 (triumph der empfinds. 4) Weim. ausg.;
eilfertiges wandeln, fliehen und verfolgen (ist in den kunstwerken angedeutet) .. durch weite schritte H. Meyer gesch. der bild. künste (1824) 1, 35.
4))
im wandeln: im wandeln hütte ich mich, dasz das bein nicht überschlägt G. Treuer deutscher Dädalus (1675) 1, 65; das will mir nicht ganz gefallen, dasz sie im wandeln kirschen nascht E. Th. A. Hoffmann 14, 159 Grisebach; so vermag sie (die karyatide) sich in rhythmischem wandeln vorwärts zu bewegen H. Brunn kl. schr. 3, 306; denn obgleich sie in ihrem langsamen wandeln plötzlich innehielten, sich gegeneinander neigten und küszten, hätte man sie doch nicht für liebende halten mögen R. Huch liebe, in: meisternovellen 2, 175.
5))
übertragen:
und das wandeln
meiner sandeln
hemmt der dorn.
Rückert werke 3, 35;
ach! ich fühlt ihn (den mond) auch ganz, ganz sein segnend wandeln über meinen gedämpften busen Fr. Müller 1, 86;
da flammt ein blitzendes verheeren
dem pfade vor des donnerschlags;
doch deine boten, herr, verehren
das sanfte wandeln deines tags.
Göthe 14, 20 (Faust 1, v. 266) Weim. ausg.
3)
auf dem bilde vom gang durchs leben beruht die bedeutung 'leben, sein leben führen'; über ihren biblischen ursprung ist das nöthige schon am anfang von 2) beigebracht; die wörterbücher beziehen sich z. th. auch auf die unter 1) behandelte bedeutung 'verkehren, umgang haben': wandeln, sein leben führen, das leben hinbringen Güntzel 831; vivere, conversari Schottel 1440. Stieler 2501; wandelen, leben, vivere, conversare Krämer 1208ᵃ; wandeln, handeln und leben, vivre, cheminer, se conduire et comporter Rädlein 1028ᵇ; wandelen i. e. leben, sich aufführen, verhalten Kramer (1719) 250ᵃ; vivere Steinbach 2, 926; ambulare, incedere, vivere, nícht so wohl mit den füssen, als in dem leben sich verhalten, in allem umgang mit andern Frisch 2, 421ᶜ.
a)
wandeln in der bedeutung 'leben', im hinblick auf die äuszeren umstände, auf glück oder unglück u. dgl., zuweilen auch nur im gegensatz zum totsein; obgleich die gebrauchsweise auf die Lutherbibel zurückgeht, bietet sie hier nur wenig belege, da die meisten auf das religiöse und moralische zielen (s. unten b und oben 2 b δ).
α)
das bild vom gange durchs leben tritt häufig noch deutlich hervor: ich bin der herr ewr gott, der euch aus Egyptenland gefüret hat, das ir nicht ire knechte weret, und hab ewr joch zubrochen, und hab euch auffgericht wandeln lassen 3 Mos. 26, 13; halt dich von denen, so gewalt haben zu tödten .. mustu aber umb in sein, so vergreiff dich nicht, das er dir nicht das leben neme, da du dichs am wenigsten versihest. und wisse, das du unter den stricken wandelst, und gehest auff eitel hohen spitzen Sirach 9, 20;
hi wandel wir inn pilgerschafft,
di stäts mit unruͦw ist behafft.
so kommt denn, freunde, wenn auf euren wegen
des lebens bürde schwer und schwerer drückt,
wenn eure bahn ein frischerneuter segen
mit blumen ziert, mit goldnen früchten schmückt,
wir gehn vereint dem nächsten tag entgegen!
so leben wir, so wandeln wir beglückt.
Göthe 1, 7 Weim. ausg.;
jeden nachklang fühlt mein herz
froh- und trüber zeit,
wandle zwischen freud' und schmerz
in der einsamkeit.
1, 100;
alle die andern
armen geschlechter
der kinderreichen
lebendigen erde
wandeln und weiden
in dunkelm genusz
und trüben schmerzen.
2, 60;
auch sind wir nicht bestellt uns selbst zu richten;
zu wandeln und auf seinen weg zu sehen
ist eines menschen erste, nächste pflicht.
10, 72 (Iphigenie 4, 4);
so wandle durch das frohe leben.
Körner 1, 155;
doch wie der frühling wiederkehret
mit frischer kraft und regsamkeit,
so wandelt jetzt, verjüngt, verkläret,
der sänger in der neuen zeit.
Uhland ged.² 259;
durch der wünsche dornenland
wandle leicht geschürzten saumes.
Rückert werke 1, 461.
fort wandeln: der himmel will ihnen wohl, lieber mann, wandeln sie nur so fort Lichtenberg briefe 2, 142. auch vom gang ins jenseits:
nieder senkt sich schon mein leben,
mein gefährte, den ich hatte, ...
ist dem herren übergeben
und er wandelte voran.
Tieck 1, 229;
zu seinen vätern wandeln (vgl. oben sp. 1602 bei Göthe das nicht an die bibelsprache sich anschlieszende zum tode wandeln): wäre er ... mit dem ruhme zu seinen vätern gewandelt, selbst nichts gutes und nichts böses gethan ... zu haben Klinger werke (1809—10) 6, 4.
β)
soll nur der gegensatz des lebens zum tode bezeichnet werden, so sind verdeutlichende zusätze beliebt: auf erden, unter den menschen, im lichte wandeln u. dgl. (vgl. 2 c δ 'weilen').
1))
das wir nicht in fleischlicher weise, sondern in der gnade gottes auff der welt gewandelt haben, allermeist aber bey euch (ἀνεστράφημεν) 2. Cor. 1, 12; da der sohn gottes auff erden wandelte, und offt einen gantzen tag zu Jerusalem gepredigt hatte Schupp schriften 136;
wie man mit vorsicht auf der erde wandelt:
Göthe 7, 222 Weim. ausg.;
nicht den menschen sowohl, die da leben und wandeln auf erden.
Mörike ged.²² 83;
die elternliebe hat aber, so lange menschen auf erden wandeln, stets in süszer täuschung das kind miszverstanden O. Peschel völkerkunde (1874) 114. redensartlich: so bist du der ärgste narr, der auf dem erdboden wandelt Lenz 1, 34 (hofmeister 2, 7) Tieck.
2))
jener grosze könig ... wandelt längst nicht mehr unter den sterblichen Göthe 41, I, 5 Weim. ausg.; bey deinem gehorsam befehl ich dir, morgen darf der graf nimmer unter den lebendigen wandeln Schiller 2, 137 (räuber 4, 2 schauspiel); wandelte nicht auch ... der heilige Borromäus unter unsern vorfahren? Göthe 23, 281 Weim. ausg.
3))
verachtet hab ich seine (Attinghausens) treue stimme,
da er noch wandelte im licht.
Schiller 14, 385 (Tell 4, 2).
4))
ungewöhnlich ist es, wenn derartige nähere angaben fehlen:
wie solte gott uns machen
zu seinem ebenbild
und laszen uns im rachen
des todes? nein, so wild
und hart wil er nicht handlen,
den weil er ewig lebt,
sol der auch ewig wandlen,
der stets an ihm geklebt.
Rist himl. lied. 5, 311;
o Maria, mutter Christi ...
die du hast gleich mir gewandelt,
hast gesiegt, wo ich gesunken.
A. v. Droste-Hülshoff 1, 2, 75 Kreiten.
5))
dann auch vom leben im jenseits: Louis und ich hatten plätze zur Porta St. Martin genommen, um den (nun jenseits wandelnden) affenmazurier springen, leiden, sterben zu sehen Holtei erzähl. schriften 2, 36. unter den schatten: denn in der gestalt, wie der mensch die erde verläszt, wandelt er unter den schatten Göthe 46, 69 Weim. ausg.
γ)
mit angabe des besonderen lebenskreises, wobei ebenfalls die bedeutung der von 'sich aufhalten, weilen' (s. oben 2 c δ) nahe kommt: wann ich mich nicht der worte eines philosophischen staatsmanns bedienen konnte, der in dem licht eines glänzenden hofes und unter dem erleuchtenden auge eines groszen monarchen gewandelt hat F. C. v. Moser beherzigungen³ 33; unter seinen schülern wie ein vater unter seinen kindern wandlend Schubart leben und gesinnungen 1, 31; ... bin ich ohngefähr auf derselben erdscholle, wo sie mich kannten, ja selbst in dem garten an der Ilm wandle ich mit kindern und nun einem enkel Göthe briefe 29, 177 Weim. ausg.; hier solltest du wandeln dereinst, ein groser, stattlicher, gepriesener mann — hier dein knabenleben in Amalias blühenden kindern zum zweytenmal leben Schiller 2, 129 (räuber 4, 1 schauspiel);
einsiedelnd auf des Aetna höhen hauszt
ein frommer klausner ... welcher näher
dem himmel wohnend als der andern menschen
tief wandelndes geschlecht, den irdschen sinn
in leichter reiner ätherluft geläutert.
14, 97 (braut v. M. IV, 1);
ein recht zu klagen hat jedwede stätte,
wo sie (die verstorbene) gewandelt jemals, oder
wo sie in zukunft je gewandelt hätte.
Rückert ges. ged. 2, 67.
von gestalten der phantasie: ich will damit nicht sagen, ihre gestalten müszten auf westphälischem boden wandeln A. v. Droste-Hülshoff briefe an Schücking 226.
δ)
es folgen belege, in denen das bildliche mehr oder weniger zurücktritt; ich wil dein gesetz halten alle wege ... und ich wandele (wandere Eck) frölich, denn ich suche deinen befelh ps. 119, 45; wenn ich mitten in der angst wandele, so erquickestu mich 138, 7; niemands gezime ausserhalb des (ehe-)stands zuwandeln, er were dan von gott begnadt Luther 23, 456, 25 Weim. ausg.; liebe mich, sage mirs, dasz ich lebe und mit freuden wandle Göthe briefe 8, 162 (an Charl. v. Stein 1787) Weim. ausg.; der glanz der gröszten kunstwerke blendet mich nicht mehr, ich wandle nun im anschauen, in der wahren unterscheidenden erkenntnisz werke 32, 160;
wie sprach dort gott der schoͤpffer werht?
es ist nicht gut auf dieser erd,
dasz ein mensch wandel gar allein,
es sollen je zwey und zwey seyn.
J. Gilhusius grammatica (Frkf. 1597) 3, 35;
wer sich auf gott verläszt, der wandelt ohn gefahr.
Stoppe Parnass (1735) 367;
und von dem niedern volk, das in der irre wandelt,
wird recht und eigenthum, amt, rang und glück verhandelt.
Göthe 16, 23 (jahrmarkts-fest 310) Weim. ausg.
ε)
mit einem wandeln 'mit ihm zusammenleben', berührt sich mit 'verkehren' (oben 1, vgl. auch oben 2 a γ und unten b δ): sie werden mit mir wandeln in weissen kleidern, denn sie sinds werd offenb. Joh. 3, 4; ach wie gern gehe ich mit dir auf einem wege ... meine seele hat mit niemand noch so gewandelt als mit deiner seele Caroline Flachsland an Herder (aus Herders nachlasz 3, 211);
da liegt (tot) euer begünstete mann,
der mit königen stets und mit huldgöttinnen gewandelt.
Herder 26, 23 Suphan;
dieser ist mir der freund, der mit mir strebendem wandelt;
läd't er zum sitzen mich ein, stehl' ich für heute mich weg.
Göthe 1, 353 Weim. ausg.;
götter sollten nicht
mit menschen, wie mit ihres gleichen, wandeln.
10, 16 (Iphigenie 1, 3);
der poete, warum scheut er nicht,
sich mit solchen leuten einzulassen!
weisz denn der, mit wem er geht und wandelt,
er, der immer nur im wahnsinn handelt?
6, 35;
Klinger kann nicht mit mir wandeln, er drückt mich briefe 3, 91. ähnlich: wollen wir ... die uns noch gegönnte zeit fröhlich zusammen wandeln 41, 52; fahren sie fort mir, insofern ich noch in ihrer nähe wandle und wirke, ein gleiches (vertrauen) zu erhalten 40, 266.
ζ)
übertragen, in der erinnerung wandeln:
nun er das ewige mir abgewann,
und jenseits alles wettstreits wie ein gott
in der erinnerung der menschen wandelt.
Schiller 14, 123 (braut v. M. IV, 9);
η)
ungewöhnlich ein leben wandeln:
auch der riesenmächt'ge Dahmen
wandelt dort sein geistlich leben;
schreckhaft zittern seine jünger,
wenn er schwingt die musengeiszel.
Heine 2, 54 Elster.
b)
in der bibelsprache wird die bedeutung 'leben' meist eingeschränkt auf 'sein leben in irgend einer vom religiösen und moralischen standpunkte aus beurtheilten weise als ausflusz einer dauernden gesinnung führen'; diese gebrauchsweise ist der biblischen sprache schon vor Luther eigen, wenn auch nicht in gleicher ausdehnung wie bei diesem, auch wechselt früher wandeln mit wandern: si wâren beide gerecht vor gote unde wandelnde (vulg. incedentes, Luther: und giengen) in allen geboten und gerechtikeit des herren Matth. v. Beheim evangelienb., Luc. 1, 6; darumb wil ich dir geben langes leben, richtuͦm, gesig ..., die wile du wandelst in mime gebotte Königshofen, städtechron. 8, 271 (1. kön. 3, 14, vulg. ambulaveris, Luther: so du wirst in meinen wegen wandeln); das wir haben guͦtt gewissen: und wol wellen wandeln in allen dingen Mentels bibel (ca. 1466), Hebr. 13, 18; wandelt in der vorcht in dem zeyt eúwers ellendes 1. Petri 1, 17; die sún der ungeleubigen, in dem wir auch etwenn all wandelten in den begirden unsers fleisches Eph. 2, 3 (ähnlich codex Teplensis und die Nürnberger bibel 1483 bei Koburger; die vulgata hat an allen drei stellen conversari, Luther umschreibungen mit wandel); die Augsburger bibel von ca. 1475 bei Zainer giebt häufig ambulare mit wandeln wieder, z. b.: die do haben gewandlet in den unkeuscheyten 1. Petri 4, 3; die do nit wandlent nach dem flaisch Römer 8, 1 (ähnlich bei Koburger, auch Luther wandeln); auch: ob du reyn und gerecht wandlest Hiob 8, 6 (vulg. incesseris, Koburger: wanderst, Luther: bist); daʒ ain mensch, der closterleben fuͦret, behuͦtsamlicher wandelet, dann in der weldt Keisersberg predigen 80ᵇ. während aber die älteren bibeln neben wandeln sehr häufig andere wörter, besonders gehen, verwenden, drückt Luther diesen begriff fast regelmäszig durch wandeln oder durch wandel führen (s. sp. 1538) aus; die belege für in, auf einem wege, einen weg wandeln sind schon oben 2 b δ angeführt.
α)
mit folgendem wie oder als: wandeln wie Christus gewandelt hat, to walk, live, act or do, as Christ walked Ludwig 2379; wandelt, wie die kinder des liechts Eph. 5, 9;
halt jedermann politisch fried
und ärgre seinen nächsten nit
und wandle, wie ein biedermann.
Opel u. Cohn 30 jähr. krieg 366, 27;
es gehet mir (dem götzendiener) wol, weil ich wandel, wie es mein hertz dünckt 5. Mos. 29, 19; darumb lieben freundt, wandlet nit als die unweysen, aber als die weysen Eberlin v. Gürzburg 3, 138 neudr.
β)
in einem wie-satz: das du gebest einem jglichen, wie er gewandelt hat, wie du sein hertz erkennest 1. kön. 8, 39;
er beugt der sünder wilden muth,
er weiset, wie sie wandeln sollen.
Neukirch auserlesene gedichte (1744) 83;
wer ward nicht irr' an ihr und hätte nicht
gewankt an diesem unglücksel'gen tage ...
jezt kehrt uns die besonnenheit zurück,
wir sehn sie, wie sie unter uns gewandelt,
und keinen tadel finden wir an ihr.
Schiller 13, 321 (jungf. v. Orl. V, 7).
γ)
mit adverbien: erbarlich wandelen, viver honestamente, v. leben Krämer 1208ᵃ; ehrbar, behutsam, fürsichtig, ordentlich, christlicb, exemplarisch etc. wandeln, to live, or walk, honestly, heedfully ..., exemplarily Ludwig 2379; unordentlich wandeln, den lüsten des fleisches nachwandeln, to lead ill course of life, ebenda; löblich wandeln, integre vivere Steinbach 2, 926; aufrichtig, unsträflich, wandeln, cheminer droit; tenir une conduite droite (irreprochable) Rondeau; sie sind allzumal abtrünnige, und wandeln verrheterisch Jerem. 6, 28; die gerechten werden weggerafft, fur dem unglück, und die richtig fur sich gewandelt haben, komen zum friede Jes. 57, 2; ich handel fursichtig und redlich bey denen die mir zugehören, und wandel trewlich in meinem hause ps. 101, 2; lasset uns ehrbarlich wandeln (περιπατήσωμεν, Mentel: gen, Eck: wandern, vulg.: ambulemus), als am tage, nicht in fressen und sauffen Römer 13, 13; als wandelten (Mentel: geen, Zainer: wandlen, Koburger, Eck: wandern) wir fleischlicher weise 2. Cor. 10, 2; wandelt (πολιτεύεσθε, schon Mentel: wandelt, vulg.: conversamini) nur wirdiglich dem evangelio Christi Phil. 1, 27; das wir .. uns fleyssend erbarlich bey euch allen zewandlen (wandel führen Luther) Züricher bibel Hebr. 13, 18; der ainfeltig wandelt, ist seelig S. Franck das verbütschiert buch (1539) 11ᵃ; er soll .. lernen wie er christlich wandeln .. könne Mathesius Sarepta (1571) 7ᵃ; das sage ich ... dasz du vorsichtig wandelst, und dich nicht also betriegen lassest Schupp freund in d. not 43 neudr.; das er endlich in sein urteil fallen mus, er wandele auch so vorsichtig er immer wolle Butschky Pathmos (1677) einführung 3ᵃ; seyd gerecht, seyd gewissenhaft, wandelt unsträflich, so werden wir uns in der ewigkeit wieder begegnen Schiller 8, 153;
ausz dem volget inn allem handel,
das er ehrlich und bider wandel.
H. Sachs 4, 151, 20 Keller;
schawt das ihr wandelt fein gewis.
Ringwaldt christl. warnung K 8ᵇ;
ein schlimmes hertz, an narr- und grobheit reich,
musz allenthalb ihm selbs gleich
schandtlich wandlen.
Weckherlin 1, 65 Fischer;
lasz mich bescheiden wandeln
und redlich allermeist
mit meinem nechsten handeln.
S. Dach 368 Österley;
sihe, mein getreuer knecht,
der wird weiszlich handeln,
ohne tadel, schlecht und recht
auf der erden wandeln.
P. Gerhardt, Fischers kirchenlied 3, 336ᵃ;
recht zu handeln,
grad zu wandeln,
sei des edlen mannes wahl.
Göthe 5, 23 Weim. ausg.
sprichwörtlich: wiltu sicher und wol wandeln, so fleug nicht zu hoch Luther tischreden 265ᵇ Selneccer; wer einfeltig wandlet, der wandlet am sichersten Henisch 844, 28. von den präpositionellen fügungen weisen die meisten, die mit in, vor, unter, mit, gegen, noch deutlich auf ihren ursprung aus dem gleichnisz vom lebenswege hin, während bei nach diese beziehung verblaszt ist.
δ)
in tugenden oder lastern wandeln: im glauben wandeln, to live, or walk, in faith, by faith Ludwig 2379; wir wandeln im glauben, und nicht im schawen 2. Cor. 5, 7; ein gerechter, der in seiner fromkeit wandelt, des kinder wirds wol gehen nach im sprüche Salom. 20, 7; es ist nicht gut das ir thut, solt ir nicht in der furcht gottes wandeln Nehemia 5, 9; habe ich gewandelt (Koburger: gieng ich, Eck: hab ich gewandert) in eitelkeit, oder hat mein fus geeilet zum betrug? Hiob 31, 5; und wandelten in bosheit und neid, und hasseten uns unternander Titus 3, 3; da wir wandelten in unzucht, lüsten, trunckenheit 1. Petri 4, 3; wir, in aller ainfalt und gotselikait wandlende Melissus psalmen 51 neudr.; mache das wir wandeln inn der liebe, gedult, und fester hoffnung des ewigen lebens Ringwaldt handbüchlin d 7 a; denen die nit in der einfalt, sondern in der weissheit wandlen Paracelsus (1616) 2, 630; alle wege bahnen sich vor mir, weil ich in der demuth wandle Göthe briefe 8, 13 Weim. ausg.;
jedoch insonderheit vermerck,
das du in aller tugent wandelst.
Spreng Ilias (1610) 113ᵃ (9. ges.);
ehrwürdiger mann gottes! euren segen!
euch trifft man immer auf dem rechten platz,
wer euch will finden, musz im guten wandeln.
Schiller 13, 256 (jungf. v. Orl. III, 3);
o herr! lasz mich auch heute
in deiner liebe wandeln treu.
Arndt ged. (1860) 448.
ε)
im licht, in der finsternis, im geist, in gott wandeln u. ä.: wol dem volck, das jauchzen kan, herr sie werden im liecht deines andlitz wandeln ps. 89, 16; lasst uns wandeln im liecht des herrn Jes. 2, 5; so wir sagen, das wir gemeinschafft mit im haben, und wandeln im finsternis, so liegen wir ... so wir aber im liecht wandeln, wie er im liecht ist, so haben wir gemeinschafft unternander 1. Joh. 1, 6 u. 7; darumb laszt uns nun im liecht wandeln, ehe es für über gehet S. Franck chron. Germaniae (1538) 3ᵃ;
und (Jesus) sprach, weh euch, die ir im licht
des evangeli wandelt,
und doch nach diesem lebet nicht.
Ringwaldt evangelia J 7ᵃ;
sonderlich sollen die es lesen, die da wöllen in den liechtern wandlen der kirchen, der künsten, der gerechtigkeit Paracelsus (1616) 2, 320 C; das volck so im finstern wandelt, sihet ein grosses liecht Jes. 2, 5; wir harren auffs liecht ..., sihe, so wandeln wir im tunckeln Jes. 59, 9; ich bin das liecht der welt, wer mir nachfolget, der wird nicht wandeln im finsternis ev. Joh. 8, 12; so wir im geist leben, so lasset uns auch im geist wandeln (στοιχῶμεν) Gal. 5, 25; gleich wie Christus ist aufferweckt von den todten .., also sollen ouch wir in einem newen leben wandeln Römer 6, 4; wie ir nu angenomen habt den herrn Christum Jhesum, so wandelt in im, und seid gewurtzelt und erbawet in im Col. 2, 6.
ζ)
im gesetz wandeln u. ä.: das ichs (das volk) versuche, obs in meinem gesetze wandele oder nicht 2. Mos. 16, 4; werdet ir in meinen satzungen wandeln, und meine gebot halten und thun 3. Mos. 26, 3; wirstu in meinen geboten wandeln, und nach meinen rechten thun, und alle meine gebot halten, drinnen zu wandeln 1. kön. 6, 12; ewr hertz sey rechtschaffen mit dem herrn unserm gott, zu wandeln in seinen sitten, und zu halten seine gebot 8, 61; man muͦsz in gottes gesetzen wandlen S. Franck chronicon Germaniae (1538) 155ᵇ; meinen kindern .. beschere gehorsame hertzen, .. in deinen gebotten zu wandlen Moscherosch insomnis cura parentum 21 neudr.
η)
nach den gesetzen, sitten, nach dem fleisch wandeln u. ä.: Salomo aber hatte den herrn lieb, und wandelte nach den sitten seines vaters David 1. kön. 3, 3; und wandelten nach der heiden weise .. und wie die könige Israel theten 2. kön. 17, 8; und werden nicht mehr wandeln nach den gedancken ihres bösen hertzen Jerem. 3, 17; gehorchten sie deiner stimme nicht, wandelten auch nicht nach deinem gesetze 32, 23; der nach meinen rechten wandelt, und meine gebot helt Hesek. 18, 9; so ist nu nichts verdamlichs an denen, die in Christo Jhesu sind, die nicht nach dem fleisch wandeln, sondern nach dem geist Römer 8, 1; wenn aber din bruͦder von der spysz wegen truret oder verletzt wirt, so wandlest du nit nach der lieby Zwingli von freiheit d. speisen 24 neudr.; den weg der warheit werden sie verlestern, und aller meyst werdens die sein, so nach des fleysch lust in begird wandlen Eberlin v. Güntzburg 3, 113 neudr.; eine familie, die beständig nach deinen (gottes) geboten zu wandeln beflissen gewesen Nicolai Seb. Nothanker (1773) 1, 62;
lasz das (dein wort) unser lucerne sein,
darnach wir wandlen all gemein!
H. Sachs 1, 67, 18 Keller;
dann ist das nach Jesu gewandelt,
wann man so ungestuͤmmig handelt?
Fischart Nachtrab 28, 969 Kurz;
weil sie in städten so ruchlos leben
und alle wandeln nach ihrem trieb.
Göthe 16, 77 (Satyros 6) Weim. ausg.
θ)
mit gott, mit, bei, unter den gottlosen wandeln (vgl. oben α ε): gottfürchtig, oder mit gott, wandeln, to walk worthy of god Ludwig 2379; Enoch gebar Matusulam und wandelte mit gotte (1. Mos. 5, 21; ambulavit vulg., bleib er in eim göttlichen leben Luther) wol drü jore, und wart Enoch donoch gezucket in das paradys Königshofen städtechron. 8, 241; wer da wandlet bey dem hochfertigen, der thuͦt die hochfart an Keisersberg predigen 65ᵃ; der ... auff dem wege gehet mit den ubelthetern, und wandelt mit den gottlosen leuten Hiob 34, 8; da wurde ich verdammt, zu wandeln unter den unheiligen E. Th. A. Hoffmann 1, 20 Grisebach;
ihr verlieset den herrn (gott); er euch,
wer nicht mit ihm wandelt, sinket.
Müllner dramat. werke (1828) 1, 72 (29. febr. 9).
ι)
vor gott wandeln: ich bin der allmechtige gott, wandele (Mentel: ge, Eck: wandere) fur mir, und sey from 1. Mos. 17, 1; dein haus und deines vaters haus solten wandeln fur mir ewiglich 1. Sam. 2, 30; werden deine kinder ire wege behüten, das sie fur mir trewlich ... wandeln 1. kön. 2, 4;
ich aber wandl unschuldig vor dir.
H. Sachs 18, 117, 20 Keller-Götze;
lasz uns leben in der welt,
und doch vor dem herren wandeln.
Neukirch ged. (1744) 67.
vor den menschen:
das wird sein, welcher-da wándelt
fụrn leuten auf-richtig uͦnt ruͦnde,
daer nichts dan recht tuͦt uͦnt hándelt.
Melissus psalmen 51 neudr.;
sey redlich, wie du mich vor gott und menschen wandeln gesehn Fr. Müller 3, 289.
κ)
gegen jemand wandeln: wandelt weislich gegen die draussen sind, und schicket euch in die zeit Col. 4, 5; und arbeitet mit ewren eigen henden ..., auff das ir erbarlich wandelt gegen die, die draussen sind, und irer keines bedürffet 1. Thessal. 4, 12. anders entgegen wandeln: und wo ir mir entgegen wandelt und nicht hören wolt 3. Mos. 26, 21.
λ)
auch hier begegnet die verbindung handeln und wandeln: das wir ... nie erkandt haben, das er anders dan eym cristlichen ... geziempt, gehandlet oder gewandlet sölt haben U. v. Hutten 2, 89 Böcking; dasz ich in solchem dienste nicht ehrlich, treulich und aufrichtig gehandelt und gewandelt habe Schweinichen 2, 330; diese regel streichen heiszt: wider besser wissen und gewissen handeln und wandeln v. Hippel lebensläufe (1778 f) 1, 13.
c)
der substantivirte infinitiv erscheint in der bedeutung 'leben, lebensführung, wandel':
habt ihr mich dann gesehen in all meinen wandeln
anders dann recht und redlich handeln?
Hayneccius Hans Pfriem 2302 neudr.;
seit vierzig jahren schleicht mein (des leibarztes) scharfes auge
dem wandeln eures lebens forschend nach ...
ich kenne eures lebens tiefsten bau.
Körner 2, 96 (Zriny 1, 1);
des maurers wandeln
es gleicht dem leben,
und sein bestreben
es gleicht dem handeln
der menschen auf erden.
Göthe 3, 61 Weim. ausg.;
und wir unterhielten uns gern mit ihr (der nichte Gleims) von vergangenen guten tagen, die ihr mit dem wandeln und wirken ihres trefflichen oheims immer gegenwärtig geblieben waren 35, 242. blosz das benehmen bezeichnet es (wol unter einflusz von handeln und wandeln) im folgenden: schade, dasz kein maler das mädchen sah, wie sie ... an der thür stand, mit einem holzscheit in der ausgestreckten hand den frauen zeigend, wohin sie sollten ... die Valtinessin fuhr einen schritt zurück vor dem wandeln des austreibenden engels O. Ludwig 2, 177 (Heiterethei).
C.
während bei wandeln in den bedeutungen 'hin und her wenden' und 'sich hin und her wenden' zunächst besonders der iterative sinn des bildungssuffixes zur geltung kommt, tritt bei der bedeutung 'ändern, verwandeln' mehr der diminutive sinn hervor; die richtungs- und lageveränderung, die wenden bezeichnet, wird zu einer änderung des wesens, der gestalt, der eigenschaften; doch scheint auch die iterative bedeutung durch, da es sich meist um ein durch viele zwischenstufen fortgesetztes ändern handelt; zuweilen kann man auch eine wiederholte änderung nach verschiedenen seiten annehmen (vgl. unten 1 b δ meister Eckhart und 2 b). die bedeutung tritt zuerst in ahd. glossen auf: refragatur (lat. glosse: dissentit aut demutat), wantolot, kiwirrit Steinmeyer-Sievers gl. 4, 17, 40; vielleicht gehört auch hierher: confertis, wantolont gl. 4, 5, 37; auf einer verwechslung von mutari mit mutuari beruht: mutari, wantolon gl. 1, 818, 20 (zu Matth. 5, 42, volenti mutuari a te; dieselbe verwechslung bei: mutuari, pargen vel wandelen Diefenbach nov. gl. 260ᵇ). dann erscheint die bedeutung bei Notker und im mhd., im 15. und 16. jahrh. sind die belege selten, doch ist das wort bei Luther beliebt, der es in der bibel häufiger als verwandeln und endern, verendern gebraucht; die früheren und späteren bibeln haben dafür fast durchweg andre wörter wie verwandeln, verändern, ändern, kehren u. a. die älteren glossare führen das wort an: wandelen, wandeln, mutare Diefenbach gl. 374ᵃ, immutare 288ᵃ, variare 607ᵃ, diversificare nov. gl. 139ᵃ; wandeln, emendare, alterare, mutare. voc. theut. (1482) mm 8ᵇ. Dasypodius, Maaler, Dentzler haben es nicht. bei Hulsius und den späteren tritt die bedeutung auf: wandeln, abwechslen, cangiare, mutare Hulsius 273; verwandeln, verändern Güntzel 831; mutare Schottel 1440; mutare, versare, variare Stieler 2501; Krämer 1208ᵃ verweist von wandelen auf verwandelen, Kramer (1719) 259ᵃ von wandelen auf verwandelen, veränderen; wandeln, verwandeln, anders machen, changer, varier, faire un changement Rädlein 1028ᵇ (Ludwig s. unten); changer, varier Rondeau. Steinbach führt das simplex wandeln nicht an, ebenso nicht Kirsch und Nieremberger. in der litteratur kommt im 17. jahrh. wandeln nicht häufig vor, nur Logau gebraucht es oft. wieder in aufnahme gebracht hat auch in dieser bedeutung (vgl. B 2 e) Klopstock das wort, der hier wie auch sonst öfter, das simplex dem compositum vorzog, zugleich auch durch Luthers bibelsprache bestimmt war; durch ihn hat es verwandeln gegenüber einen edleren klang bekommen. Adelung nennt wandeln 'ändern' im hochd. veraltet, aber noch im niedersächs. üblich, er wendet sich gegen die wiedereinführung des wortes durch neuere dichter. Campe vertritt dagegen den poetischen gebrauch und will einen unterschied gegenüber verwandeln feststellen, letzteres bedeute 'ganz, seinem wesen nach, ändern oder anders machen'. jetzt ist das wort als 'ändern, verwandeln' (besonders reflexiv gebraucht) der höheren sprache eigen; in die allgemeine schriftsprache ist es (im gegensatz zu den subst. wandel und wandlung) noch wenig eingedrungen. der gewöhnlichen redeweise gehört es nur an, wo es von der transsubstantiation gebraucht wird (unten 1, g, β), ein andres mundartliches wandeln s. 3 a.
1)
der transitive gebrauch.
a)
die bedeutung 'wenden' im räumlichen sinne ist nur in reflexiver fügung belegt (s. unten 2), doch kommt übertragen wandeln als 'wohin wenden, richten' vor: in Babylonie erhûb sich daʒ rîche und was gewaldic uber alle lant; die zuvuͦrte Cyrus und wandelde daʒ rîche in Persiam Sachsenspiegel III art. 44, 1. ferner es wandeln:
man musz den knaben (Daniel, der für Susannas unschuld eintritt) nicht ubereylen,
er hat nichts unrechts noch gehandelt,
wer weysz wies gott mit yhm noch wandelt.
es wird so plumpsweis nicht geschehen,
drumb laszt uns vor das end besehen.
Rebhun dramen 65 (Susanna 5, 158) Palm.
auf das seelische übertragen tritt die bedeutung noch deutlich in einigen belegen hervor, in denen nicht der endzustand des zu verändernden, sondern nur eine neue eigenschaft, die es erhält, abhängig von richtungspräpositionen erwähnt wird: zu:
'wâ mite verschulde ich daʒ ze dir?'
'daʒ weiʒ ich wol'. 'nû sage ez mir'.
'mit unbescheidem muote'.
'den wandel ich ze guote'.
Hartm. v. Aue, büchlein 1, 1248;
da wandelt gott dem könige sein hertz zur güte, und im ward bange für sie, .. und umbfieng sie mit seinen armen stücke in Esther 4, 8; auf:
da er daʒ beste ir geriet,
mit vreuden si do heim schiet
und was uf ein ander leben
gewandelt, daʒ ir wart gegeben
von unsers herren gute.
Passional 404, 38 Köpke;
welcher das gemeine falsch, das die welt für witz verhandelt,
kennt und haszt, dem wird sein hertz auff betrübten mut gewandelt.
Logau 2, 2, 70.
b)
wird der durch die änderung bewirkte neue zustand nicht erwähnt, so erscheint bei körperlichen objecten, wenn es sich nicht um gänzliche umgestaltung handelt (vgl. c) und bei nichtkörperlichen objecten die einfache bedeutung 'anders machen, ändern, verändern', man kann hier wie auch bei 'verwandeln' (s. d) die belege trennen, je nachdem das subject eigenes oder fremdes ändert; bei beiden, besonders bei jenem, steht häufig das pronomen possessivum.
α)
eigenes ändern:
ouch wandelt er den rât,
wand im sand als drât
sîn sweher, kunic Ruodolf,
von Babenberc den bischolf,
der dâ hieʒ Arnolt,
und bat in sêre, daʒ er solt
sînes râtes phlegen.
Ottokar reimchr. 20910 Seemüller;
wenn ietzt Heraclitus lebte, würd er für das weinen lachen ...
weil die welt so gar gewandelt sinnen, sitten, arten, sachen.
Logau 2, 10, 8;
ich bin nun von dem plan geschupfft. sie haben nu tzeyt, zu wandeln, was mann vonn yhn nit leyden kann, nach soll, nach will, wandeln sie nit, szo wirrt eyn ander on yhren danck wandeln Luther 8, 139, 16 Weim. ausg.; widderümb mus das weib ein weib bleiben, wie es gemacht ist, und stehet auch nicht ynn yhrer gewaltsolchs zu wandeln 24, 53, 15; ich wolt aber, das ich itzt bey euch were, und meine stimme wandeln kündte, denn ich bin irre an euch (auch die Züricher bibel hat hier wandlen) Gal. 4, 20; kan auch ein mohr seine haut wandeln (verwandeln Koburger. Eck, verändern Dietenberger, enderen Züricher bibel), oder ein parder seine flecken? Jerem. 13, 23. die farbe wandeln, decolorari, vultum mutare Stieler 2501; darumb behällt es allwegen seine natur, und wandelt dieselbige gar nicht Sebiz feldbau (1579) 322; als die spröszlinge der teutonischen Franken die gesetz und schwert von Salogasten und von den Sikambren hatten, die stammart wandelten, nannten sie sich: alte edle Franken Klopstock 12, 291 (gelehrtenrep.).
β)
fremdes ändern:
er hofte, daʒ der smerze
gewandelt hete ir herze
und si im volgen solde nu.
Passional 179, 68 Köpke;
hienach an dem sibenden tage
wart im sin mut gewandelt,
wand er was gehandelt
in der gruben also hart ..
275, 5;
diz (Sachsen, Baiern, Franken und Schwaben) wâren alleʒ küngrîche; sider wandelte man in die namen, und heiʒen sie herzogen, sider sie die Rômêre betwungen Sachsenspiegel III art. 53, 1; auch mag ein bischof alle buͦsz wandlen die sein pfaffen setzen summa Johannis übers. v. Berthold 34ᵃ; wie du doch sonst dir selb gewalt genommen hast alle ding deines gefallens wandeln und keren Luther 7, 676, 14 Weim. ausg.
γ)
nicht wandeln bedeutet positiv ausgedrückt 'bestehen lassen':
er (got) lêʒet iʒ alliʒ nâh rehte gê,
daʒ ne wandelt er sider niemer mê.
Hartmann vom glauben 2647 v. d. Leyen.
δ)
das ganze, von dem ein theil geändert wird, steht mit den präpositionen in und an. 1)) stêtikeit bediutet einen man. der ist ein man, der in sînem muote niht gewandelt noch beweget wirt meister Eckhart, d. mystiker 2, 346, 11 Pfeiffer; das er alle artzney .. beraiten sol, in mas die doctores und maister darvon schreiben und nichtz dar inn wandlen oder absetzen schriften des vereins f. gesch. des Bodensees 38, 101 (Lindau 1519); die wahrheit, die nun einmal ist, so wie sie ist, und nichts in ihrem wesen wandeln kann, geht ihren weg gerade fort Fichte wesen des gelehrten (1806) 21. 2)) Christus lere seyn gottlich wort, darumb sey vorbotten nyt alleyn diszem vorlesterer, ja allen engelen ym hymel, eynen puchstaben daran zu wandeln Luther 1, 383, 31 Weim. ausg.; an dieser verschämtheit ihrer seele hatte die ehe nichts zu wandeln vermocht W. v. Polenz Grabenhäger 1, 306.
ε)
die gleichzeitigkeit und abhängigkeit einer änderung mit und von einer andern wird durch mit und nach ausgedrückt: und sol diese frage .. zwischen Ernst German ... und zwischen Wendelin Frantzmänlein, welcher mit dem monden seine kleydung, mit der kleydung sein geberde, und mit dem geberde sein gemüht wendelt, abgeredet, und erörtert werden der Teutschen planet (1639) A 4ᵃ (vgl. I 2);
der (stein jacingtus) wandelet sine varwe   so diche nach dem himele,
ist er trûbe oder grâ,   danâch varwet er sich sâ.
Diemer d. ged. 370, 23 (Jerusalem). (s. auch den nächsten beleg.)
ζ)
im zusammenhange kann wandeln die bedeutung 'bessern' annehmen, sei es, dasz der ursprüngliche zustand ausdrücklich als schlecht bezeichnet wird (Luther, Waissel) oder zu denken ist, besonders von der sinnesänderung:
nâch disse muneches lêre
wandelte iegelich sîn leben.
marienlegenden 103, 225 Pfeiffer;
wiltu nit ein mal dencken, das got dein her und richter ist, und deyn durchbittert hessigs hertz wandelen? Luther 7, 263, 27 Weim. ausg.; hebet an, bessert, und wandelt darinnen all unredlich leben, und alles das dazu leitet Waissel chronik (1590) 159ᵇ;
er rief's, und wandelte des bruders sinn
durch den gerechten spruch.
Bürger 170, 86;
gott zu bitten, er möge das herz meiner armen schwester wandeln und in ihr die ... liebe zu ihrem manne erwecken v. Ebner-Eschenbach (1893 f.) 4, 465;
leicht ist's den himmlischen, der menschen loos zu wandeln,
vereitle ihren rat durch kühnen vorwitz nicht.
Gotter 2, 127.
η)
umgekehrt ergiebt sich die bedeutung 'verschlechtern, verderben, beflecken, fälschen, verstellen', wenn der ursprüngliche zustand gut, richtig oder wahr ist; diesem nicht häufig belegten gebrauche entspricht bei wandel die reichentwickelte bedeutung 'fehler, makel' (s. oben sp. 1543): exinanire, wandeln Diefenbach gl. 217ᵃ; corrumpere, inquinare, maculare Stieler 2501; gottis wort mag niemant ablegen oder wandeln Luther 1, 385, 3 Weim. ausg.;
wart ein herlich titel
auf sein kreutz gesatzt;
den wolten sie wandeln ...
verkeren und schenden,
aber sie mochtens nicht enden.
M. Weisse, Wackernagels kirchenlied 3, 300, 4;
eyn jeder same vertirbt doch und wandelt alleyne seine art, er sei so gut wie er wölle, wann er inn eyn bösz und unfruchtbar stuck felds gesäyet wurd Sebiz feldbau (1579) 490. verführen, verleiten:
als man ein stat burnen sicht,
so lestu tragen uʒ din gut ...
nu hat eʒ got doch vor besehen,
ob eʒ sal burnen oder nicht,
dem man dich widervechten sicht.
als du din gut hinabe treist,
sus wandelt dich der bose geist.
Passional 443, 32 Köpke;
tôtet dise jungvrowen, wan sie kan wandelen die gemüte der lûte Herm. v. Fritzlar, d. mystiker 1, 68, 37. fälschen: corrigîren di dinc di entweder von lastirbêren tolmetschêren sint ubele ûʒ gigebin .. odir von slâfinden wegêrin sind entwedir zuͦ gelegit odir gewandelt odir geminret Matth. v. Beheim evangelienb. s. 3; wie om der brif gewandelt (durch änderung von drei buchstaben gefälscht) wart Rothe düring. chr. 202; seytemal aber der h. v. der bapst wandelt und ablegt die pusz und genugthuung, ist offenbar, das nit mag seyn die pusz, die Christus .. aufflegt Luther 1, 384, 3 Weim. ausg. verstellen:
wander ne mohte irfullen   des chuneges muotwillen ...
bi deme chunige er gestunt,   diu wort er wandelote unde niht daʒ muot.
Diemer d. ged. 76, 6 (bücher Mosis);
der sprach 'wer ist der bôʒet   sô vaste an das tor?'
dô wandelt sîne stimme   der küene Sîfrit dâ vor
und sprach 'ich bin ein recke   entsliuʒ ûf daʒ tor'.
Nibel. 456, 4.
θ)
zeitlich verändern, verlegen: sô hat man in unsers ordens grôsse capitel, daʒ gehalden ist czu Marienburg ...... getransferîret, gewandelt und verleget [haben] die vaste der dreier wochen, die unser orden pflag zu vasten ... statuten des deutschen ordens 157, 13 (gesetze Pauls v. Russdorf 1422) Perlbach.
ι)
die töne wandeln (beim klavierspielen), z. b. erst ein presto dann ein adagio spielen: und wie du nun die töne wandeltest Klinger theater 2, 276.
c)
eine verstärkung der bedeutung tritt ein, wenn es sich um völlige gestaltveränderungen von körpern handelt; auch wenn der neue zustand nicht bezeichnet ist, wird dies jetzt mit verwandeln bezeichnet, besonders bei plötzlicher, durch wunder oder zauber bewirkter änderung, während für allmähliche, besonders organische änderung umwandeln, umbilden gesagt wird: du wándilost sie also tecchi (sicut opertorium mutabis eos) unde den wehsil lîdint siê Notker ps. 101, 28; und wenn du sie wie eyn gewand wandelst, werden sie verwandelt werden Luther 18, 508, 41 (buszpsalmen, ps. 102, 26) Weim. ausg. (in der bibel: sie werden verwandelt wie ein kleid);
durch wort die Circe wunder handelt,
dasz sie Ulyszis gfährten wandelt.
Fischart dicht. 3, 325, 15 Kurz;
die Zirze, die in vieh die menschen wandeln kan.
Lohenstein Ibrahim Sultan 12 (z. 234);
von dem ersten gefallenen an
bis zu dem letzten erlösten,
den die posaune der auferstehung wandeln wird.
Klopstock 1, 130 (dem allgegenwärtigen);
der auf dem ganzen
schauplatz der unüberdenkbaren schöpfung,
immer, und alles wandelt,
und herrlicher macht durch die wandlung!
2, 85 (morgengesang);
reif und schnee sind entflohn ..
Tellus wandelt die scene.
Ramler lyr. ged. (1772) 206.
mit pleonastischem zusatz anders wandeln (vgl. unten 2 b Ilias 13, 279): wie sie (die morgenröthe) .. jeden augenblick die wolken um sich her anders wandelt Herder bei Campe.
d)
am häufigsten ergiebt sich eine verstärkung der bedeutung zu 'verwandeln', wenn der neue zustand betont wird; dies ist schon der fall, wenn wandeln im perf. pass. steht und dadurch die änderung als abgeschlossen, ein neuer zustand als vorhanden bezeichnet wird: und daʒ di alden dinc gewandelt sint und alle di von Christô gescriben sint, daʒ si nüwe irschînen Matth. v. Beheim evangelienb. (vorr. zu Joh.) s. 179. wird der neue zustand ausdrücklich genannt, so steht er
α)
ganz vereinzelt im acc., so dasz sich eine construction mit doppeltem acc. ergiebt (in anlehnung an die vorlage): der könig von Babel macht Mathanja seinen vetter zum könige an seine stat, und wandelt seinen namen Zidekia 2. kön. 24, 17; der könig in Egypten macht Eliakim seinen bruder zum könige über Juda und Jerusalem, und wandelt (Koburger: verkeret, Eck: verwandelt) seinen namen Joiakim 2. chron. 36, 4. vgl. auch den doppelten acc. unter g β bei Schwarzenberg.
β)
der endzustand wird ferner ganz selten durch ein adj. bezeichnet:
und die dâ lebentic beliben,
den wær für daʒ genesen
der tôt lieber gewesen,
sô übel man si handelt.
die man dâ tôte wandelt,
die wurden in kurzen stunden
ûf ir kemlîn gebunden.
Ottokar reimchr. 45174 Seemüller;
daʒ dîn heiligiu lîche
tôtiu ist gewandelt.
50001.
ähnlich:
der ruofaer wurden wol drî
umb ir unnutze krî
sô übel gehandelt,
daʒ mans für tôt wandelt.
59630 (wol mit einmischung der bedeutung 'behandeln', vgl.: man handele mih vür tôten H. v. Freiberg Tristan 6332);
sein brechend auge ward
perl: in harten edelstein
liegt sein leichnam schön erstarrt,
welkt nicht — reich und prächtig sehr
wandelt ihn das zaubermeer.
Herder 25, 207 anm. Suphan (im text: ist er verwandelt zu sehn);
s. auch unter g α) den beleg aus Jahn.
γ)
meist steht der neue zustand abhängig von in oder zu, der ursprüngliche zustand kann dabei stehen mit aus oder von (s. u. g α).
1))
etwas in etwas wandeln: α))) eigenes: der sich hinach richtet (wer auf gott hofft), der wandelt die sterke, daʒ ist die losen siete in die guten siete Schönbach altd. predigten 1, 16, 36;
den wec er vaste vür sich nam,
wan er der rede niht vernam,
die im Keiî nâch tete.
dô wandelt Kei sîn bete
in ein schelten und in drô.
H. v. d. Türlin Crone 3748;
wandelt eure klag in singen!
ist doch nunmehr alles gut.
P. Gerhardt 252, 36 Goedeke.
β))) fremdes. 1)))) durch wunder oder zauber:
ave sprach der engel zart,
do das wort in fleisch gewandelt wart,
in des heiligen geistes volleist
Maria entphing allermeinst.
Alsfelder passionsspiel 4712;
herr es ist din halb als muglich nah minem verstene út in út wandlen, also út usser núte schephen Heinrich Seuse 292, 23 Bihlmeyer; dor ümme waren sy (die kinder) gewandelt yn swane altdeutsche blätter 1, 132 (märchen u. sagen aus einer Leipziger hs.); da er ir wasser in blut wandelt (keret Koburger. Eck, verkart Züricher bibel), das sie ire beche nicht trincken kundten ps. 78, 44; der den fels wandelt in wassersee (zum wassersee machet Züricher bibel) und die steine in wasserbrunnen 114, 8;
mit gnad sih unser bergwerck an,
weil wir sonst hie kein narung han,
denn du kanst bald glantz, kysz und quertz
durch dein guͤt wandeln in gut ertz.
N. Hermann, Wackernagels kirchenlied 3, 1364, 4;
doch wisset, ein ganzes heer von helden wie ihr seid
mit meiner zweigezackten stange
in kröten und frösche zu wandeln, ist eine kleinigkeit.
Wieland 4, 150 (d. neue Amadis 8, 8);
wandle ihn, du unendlicher geist! wandle den wurm wieder in seine hundsgestalt Göthe 14, 225 (Faust 1) Weim. ausg.;
und dann in deinem arm sie wandeln mich,
in einen aal, in eine kröte.
Arndt 6, 236;
sterbliche wandeltet ihr in blumen, götter von Hellas.
Uhland ged.² 126;
2)))) von organischer umbildung: vergengliche speise verwandelt sich ynn den leib, der sie isset, diese speise widderumb wandelt den, der sie isset, ynn sich und macht yhn yhr selbs gleich Luther 23, 203 Weim. ausg.; wie do der empfangene sahm am ersten geformirt wirt und gesetzt: darnach in blut und fleisch etc. gewandlet Paracelsus (1616), 1, 127 A;
kann die erd' im stillen raum,
wo sie wunder thut,
wandeln so in goldnen traum
staub, gebein und blut?
Rückert werke 3, 27;
'zu etwas gestalten': in dem letzten satze ... macht der berichterstatter den ersten versuch, die thatsachen in eine innerlich zusammenhängende geschichte zu wandeln Freytag 14, 13 (technik d. dramas). 3)))) die übrigen belege; zu beachten ist, dasz der ursprüngliche und der neue zustand häufig scharfe gegensätze bilden. α)))) von concreten:
ihr fluthen schwellt,
zerreiszt die dämme, wandelt land in see!
Göthe 10, 309 (nat. tochter 3, 2) Weim. ausg.;
die hütte mir, wo ich gesessen,
zu wandeln in feuer und rauch.
Rückert werke 1, 227.
häufig in poetischen bildern und vergleichen, z. th. an 2)) anknüpfend:
die freyheit war das gold,
itzt aber ist in eisen es gewandelt.
Lohenstein Epicharis 100, 691;
so schwebt in der aue
leicht ein werdender duft, den der mond in silber wandelt.
Klopstock Messias 11, 1151;
glückliche! die ihr euch täuscht, und eure tröstenden schatten
wandelt in wahre gestalt.
14, 1113;
diese traurigen cypressen
in rosen wandeln; diesen tempel wieder
den liebesgöttern weihen.
Wieland 26, 59 (Alceste 5, 2);
wo bin ich? was für töne schallen? ...
wer wandelte die nachtigallen
in uhus, in ein finkenchor?
Gotter 1, 451;
sie wird die welt zum Eden zaubern,
wird die fluren in gärten gottes wandeln.
Hölty gedichte 112, 5 Halm;
die pest mag ...
ganz Griechenland in ein gebeinhaus wandeln.
Schiller 1, 323 (Semele);
die bezähmerin wilder sitten,
die den menschen zum menschen gesellt,
und in friedliche feste hütten
wandelte das bewegliche zelt.
11, 292 (eleus. fest);
die warnungen der Ulmischen obrigkeit, und die eingeschränktere zensur kühlte die lava, wenn sie sich feurig ergosz, und wandelten sie mitunter in todtkalte schlaken Schubart leben und gesinnungen 2, 98. β)))) von farben:
man wöll dan machen krump zu schlecht
und wandeln schwartz in weis gestalt.
Hutten op. 3, 532 Böcking.
auf farbenübergänge geht wol: wandeln oder streyffeln, stragulare. voc. theut. (1482) mm 8ᵇ. γ)))) von lichterscheinungen:
verhüll' o Phoebus, dem nahen greuel dein antlitz!
wandle mittag in nacht!
Gotter 2, 510.
von klängen:
wann der wein in himmelsklang
wandelt mein geklimper,
sind Homer und Ossian
gegen mich nur stümper.
Bürger 50, 6;
denn eine regung wunderlich
in zittern ihm die rede wandelt.
A. v. Droste-Hülshoff 2, 169 Kreiten.
δ)))) von tugenden und lastern, lust und schmerz, glück und unglück u. ä.: der benimt trauren und pringt vräud, er wandelt der sêl laster in tugent, er kêret von unmilt in milt K. v. Megenberg 352, 19; ûwer trûrikeit wirt gewandelt in vroude Matth. v. Beheim Joh. 16, 20; ir wandelt (gekeret Koburger, verkert Eck) das recht in gallen, und die frucht der gerechtigkeit in wermut Amos 6, 12; das sie ... wider euch dingeten den Bileam ..., das er dich verfluchen solte. aber der herr dein gott wolt Bileam nicht hören, und wandelt (kert Mentel, umkert Eck) dir den fluch in den segen, darumb, das dich der herr dein gott lieb hatte 5. Mos. 23, 5; die siegende liebe ... wandelte die kranke, tödtende schwermuth in süsze anziehende melancholie Klinger theater 2, 133;
daselbst wirst du in ewger lust
aufs süszste mit mir handeln,
mein creutz, dasz dir und mir bewust,
in freud und ehre wandeln.
P. Gerhardt, Fischers kirchenlied 3, 391ᵇ;
die ganze welt verschwöre sich
was unrecht ist in recht zu wandeln.
Wieland 9, 226;
soll ich diesz freudegetümmel
in starren schrecken, stumme trauer wandeln?
Gotter 2, 493;
allein ihr werdet solchen todestag
in lebenstage wandeln.
Göthe 9, 248 (Romeo 1465) Weim. ausg.;
wenig geziemt dies,
dasz du ihn liebst; du möchtest in hasz die liebe mir wandeln.
schicklicher, dasz du mit mir den kränkst, der mich selber gekränket!
Voss Ilias 9, 614;
dann wandelst du (liebe) der erde leid,
gefährtin der unsterblichkeit,
in siegsgesang am throne!
Matthisson ged. 12.
2))
etwas zu etwas wandeln: wandelt er daʒ waszer zu wine Closener, städtechron. 8, 15;
daʒ ir waʒʒer alsô
was ze wîne gewandelt.
Lamprecht v. Regensburg tochter Syon 4239 Weinhold;
ein wandlet sie (Circe) zuͦ einem beren,
den andren zuͦ eim hund thet keren.
Wickram 5, 269 (weiberlist 294) Bolte;
zum kerker wandelt sie (die angst) den glänzenden palast.
Gotter 2, 397;
wandelte, jungfrau'n, euch zu lebenszeiten der künstler?
oder hob er in euch diese zu göttern empor?
Herder 29, 128 (die Parzen) Suphan;
o wandelst du
zur mitternacht mir meinen mittag?
27, 81;
er (Zeus) kann das nieden
zu oben wandeln.
26, 224;
wendet euch zu dieser frauen,
die der schmerz zur göttin wandelt.
Göthe 3, 16 Weim. ausg.;
du gabst zu dieser wonne, ...
mir den gefährten, den ich schon nicht mehr
entbehren kann, wenn er gleich, kalt und frech,
mich vor mir selbst erniedrigt, und zu nichts,
mit einem worthauch, deine gaben wandelt.
14, 164 (Faust I, v. 3246) Weim. ausg.;
und bitter, immer bittrer ruht' er nicht,
bis er den reinsten tropfen bluts in mir
zu galle wandelte.
10, 162 (Tasso 2, 4);
denn nur ihr beide
wandelt das nichts,
chaos, zum kleide
himmlisches lichts.
Rückert ges. ged. 3, 143 (1837);
nun war das paradies wie durch einen zauberschlag für die freunde zur völligen wüste gewandelt Göthe 24, 374 Weim. ausg.
e)
wird der neue zustand nicht genannt, so kann im zusammenhange, wenn der hauptton auf der beseitigung des alten liegt, die bedeutung 'verlieren, aufgeben' (falls es sich um eigenes handelt) oder 'wegnehmen' entstehen (vgl. die ähnliche erscheinung unter f bei 'wechseln').
α)
im mhd. und mnd. begegnet: das leben, des lebens wandeln 'sterben', wol zu ergänzen 'das irdische leben in das jenseitige zu verwandeln' (vgl. auch unten reflexiv 2 f Passional 51, 54 Köpke):
dineme knehte geruͦche sinen loin geven,
alse he wandilt dit dotliche leven.
Marienlieder, zeitschr. f. d. alt. 133, 4;
seht dô verschiet der chaiser hêr,
er muoste wandeln sîn leben.
kaiserchronik anhang I, 289 Schröder;
des lyves wandelen Strodtmann 278;
wer verdirbet,
nach dem lüzzel ougen truebet,
und in kerge erstirbet ...
swar ein milter herre
libes wandelt,
klagendeʒ lop vür helle werre
wirt ümbe in gewandelt.
Rumzlant, minnesinger 2, 369ᵃ Hagen.
β)
'beseitigen, aufheben': denn das erste gelübd gehet allweg vor, darumb ichs auch nit wandeln wil buch der liebe (Frankf. 1587) 337ᶜ;
euch bring' ich freyheit, sieg. mein freund und euer retter
allmächtig rächt er euch, und wandelt euren schmerz.
Gotter 2, 173.
f)
wird ein ding nicht von einem zustande in einen andern übergeführt, verwandelt, sondern ein ding weggethan und ein anderes dafür hingestellt, so entsteht die bedeutung 'wechseln, tauschen'; wird das eingetauschte nicht ausdrücklich erwähnt, so kann sich der nebensinn 'aufgeben, verzichten, ablösen, absetzen' u. ä. einstellen (s. bes. unter α H. v. d. Türlin, unter β Scherz-Oberlin und die belege aus dem rechtsleben unter g γ) 2)) γ)) für 'absetzen'):
α)
eigenes wechseln:
êr se (die ungetreuen) wandelen den vôt (den einen fusz vor den anderen setzen),
vorwandelt sik on ore môt.
wiʒʒe daʒ ich niht wandel mîne got.
Ulrich v. Türheim Willehalm 229ᵃ bei Lexer 3, 673;
sô muoste er wandeln ritters reht
und muoste iemer als ein kneht
dem risen dienen dar nâch.
H. v. d. Türlin Crone 5507;
(andre) mögen glück auff blätter bauen, mögen blicklich kleider wandeln.
Logau 3, zugabe 138;
und wandelt das kleid nit bis es zerbrach heiligen leben 1472, s. 6ᵇ; der habich wandelt seine fädern im augsten Gesners vogelbuch v. Heuszlin 124ᵇ; wann der mensch sein wonung wandlet und käm in ein ander pfarr summa Johannis übers. v. Berthold 34ᵃ; bleib ym lande, wone wo du bist, wechsel oder wandel umb yhrent willen nicht deine wonung odder land Luther 19, 555, 9 Weim. ausg.
β)
fremdes wandeln 'abwechseln, ablösen': dú wart gezogen, und mit ruten geslagen, also das zwölf mann múd an ir worden, das man si wandelen muste legende der h. Clara bei Scherz-Oberlin 1937.
γ)
die beziehung zwischen den zu vertauschenden dingen wird durch für, um, in hergestellt. für:
wen die lute muʒen ramen,
die sich hir ersam handelen,
gnaden vor er sie wandelen.
H. v. Hesler Apokalypse 942 Helm;
alten freund für neuen wandeln
heist für früchte blumen handeln.
Logau 3, zugabe 72.
um: ists aber ein vieh, das man dem herrn opffern kan, alles was man des dem herrn gibt, ist heilig. man sols nicht wechseln noch wandeln (verwandeln Mentel, verwechselt Eck), ein guts umb ein böses, oder ein böses umb ein guts 3. Mos. 27, 10. in: das her durch not wille muste syne wonunge wandeln in eyne ander zcu wonende unde zcu bleybende Magdeburger fragen 1, 3, 7 Behrend; hierher auch, wenn nicht bildlicher gebrauch von 'verwandeln' (oben d) vorliegt:
kraft ist dein wort,
entscheidung dein schwert. doch wandelst du gern es in die sichel, und triefst
wohl dir! von dem blute nicht der andern welten.
Klopstock 1, 254 (mein vaterland);
so wandelt man die feder in büchsen und lange spiesz,
fragt nichts darnach, wem das verdriesz.
Schade satiren u. pasquille 1, 63, 296.
g)
besondere anwendungen der bedeutungen 'ändern, verwandeln, wechseln'.
α)
eine ganz bestimmte bedeutung zeigt sich auf sprachlichem gebiete: übersetzen, von oder aus etwas in etwas (in der Genesis scheint von 'wechseln, tauschen' aus gegangen zu sein):
du gip mir dinen wistuͦm   daʒ ich muge wandilon
mit tutischem munde   latinische zunge
Genesis 119, 9 Diemer (fundgr. 2, 85, 11 der latinisken zungen);
do liesz Ptolomeus ... zu Jherusalem holen die zwei unde sobintzigk uszleger, die ym wandelten die bucher der alden ee vonn heberhemischer sprache ynn chaldeische J. Rothe düring. chron. 52; dann auch soviel wie 'auslegen, deuten': diese schwermer ... wöllen zuvor uns die schrifft aus den natürlichen worten und synn wandeln ynn yhre wort und synn Luther 23, 93, 14 Weim. ausg.; deutsch wandeln, ins deutsche übersetzen: diejenigen geschlechter, so aus andern völkern stammen ... und längst deutsch ... sind, sollten nun auch ihre geschlechtsnamen endlich deutsch wandeln Jahn werke 246.
β)
eine feste bedeutung hat wandeln im christlichen cultus erhalten und in katholischen gegenden, besonders im bair.-öst., noch heute bewahrt (Schmeller² 2, 936. Schöpf 800); der priester wandelt nach der lehre von der transsubstantiation während der messe das brot und den wein in den leib und das blut Jesu: conficere, consecrare, wandeln Diefenbach gl. 141ᵃ;
er (der kopf) zimet dir niht ûf dîneme tische ze hân,
er sol ûf eineme alter stân,
daʒ man darinne wandele daʒ lebendige brôt.
Münchener Oswald 3346 Bäsecke;
durch wort brot flaisch gewandelt wart
Schwarzenberg 155, 1ᵃ;
weyl Christus selb geleichet sich
dem weinstock und mich wandlen thut,
den wein, in sein heyliges blut.
H. Sachs 4, 249, 17 Keller;
ungezweifelt Christus hat under seiner mess des abentessen prot und wein in sein fleisch und pluet gewandelt Berthold v. Chiemsee teutsche theologey (1852) 443. aus anderen belegen ergiebt sich vielmehr die (der kirchenlehre nicht gemäsze) auffassung, dasz durch die hand des priesters leib und blut Jesu in das brot und den wein gewandelt wird:
ich mein daʒ rîche prêsent,
der hêren minne sacrament,
daʒ man alle tage handelt,
sô man ûf dem alter wandelt
sînen lîchnam und sîn bluot.
Lamprecht v. Regensburg tochter Syon 3126 Weinhold;
swenne des briesters hant
wandelt gotes lîchnamen,
sol si sich danne nicht zamen
von wîplîchen anegriffen?
H. v. Melk erinnerung 157 Heinzel;
pei dem altar, da man
den waren leichnam wandeln chan.
Vintler pluemen der tugent 9759 Zingerle;
(der pfarrer zum bischof)
herre, ir habt gewalt und macht,
das ir got wandelt in ein brat (brot).
pfarrer von Kalenberg 39, 795 neudr.;
wenn man unsern herrn wandelt cod. germ. Monac. bei Schmeller² 2, 936; darnach hielt der heilig vatter der babst das ampt ausz und wandelt gott ebenda; deszgleichen hastu (priester) meinen allerheiligisten leib vilmals gewandelt mit unreinen händen und boszhafftigen hertzen Albertinus der welt thurnierplatz 343. dann auch das sacrament wandeln: das sacrament wandeln sie (die griechischkatholischen) mit urhaben prot und nyssend das mitt wein und mit warmen wasser Schiltberger reiszbuch 48, 3 Langmantel; das fronamt wandeln: an suntag, wann man fronambt ze Hall gewandelt hat Lori sammlung der das bayr. bergrecht betr. urkunden 14 (1354) bei Schmeller 2, 936. auch hier die verbindung handeln und wandeln, wobei sich die bedeutung mit der von 'behandeln' vermischt: das da auf dem alter gewandelt und gehandelt wiert der irr got und irr herr und irr schepher ist Georg v. Giengen (Germ. 30, 92); nach wolches einsatzung wir ... under gestalt weyns und brotes, sein eygen tzarten fronleichnam und rosenfarbes blut opfern, handeln und wandeln Emser in Luthers u. Emsers streitschriften 2, 141 Enders; mesz leszen, und die andern sacrament handeln und wandeln 133; die priester so das prot ewiger warhait in iren henden handeln und wandeln Berthold v. Chiemsee teutsche theologey (1852) 450. absolut:
wenn man zu mesz geleutet hat,
so laufens unter die kirchentür
und guzen als die hunt herfür,
und wenn man den gewandelt (hat),
so laufens ausz der kirchen drat.
Rennaus 551 (Wagners archiv 1, 34);
auch sol niemant chain habern chauffen, e daʒ man auf dem tueme gewandelt hat ze fronampt österr. weisth. 5, 389, 27 (Brixen 1379); e man auf dem tuome gewandelt hat (ohne weiteren zusatz) 5, 390, 8; wan der priester wandeln wil cod. germ. Monac. bei Schmeller 2, 936; darumb seid ir geweihet, und habt messe gehalten, als heiden, und nicht als christen, wie habt ir denn können wandlen? denn ir seid die person nicht gewest, die wandlen solten Luther 6, 83ᵃ (1573); siehstu, das in deiner messe zum ersten nicht die person da ist, so wandlen sol und kan, nemlich ein christgleubiger mensch 83ᵇ. auch 'mit der glocke das zeichen zur wandlung geben': kärnt. hietz wandlts, nun wird zur wandlung geläutet Lexer 250. reflexiv, gott wandelt sich: daz stêt allez samt in dem sermône von den sacramenten ... wie sich got dâ wandelt, ob diu vier dinc dâ ze rehte sint ... diu materie ... ein gewîhter priester ... diu wort diu der priester sprechen sol ... des priesters andâht Berthold v. Regensburg 1, 500, 30;
ausz lieb er (Christus) setzet und bestet
fünff woͤrter die der priester pett,
und sich dardurch gewandelt hat,
als in verwandelt scheinlich brot.
Schwarzenberg 154, 2ᵇ.
γ)
das rechtsleben kennt in mhd. und frühnhd. zeit eine reihe verwendungen von wandeln 'ändern, tauschen', die am besten hier zusammengestellt werden (weitere auf 'zurückwenden' beruhende gebrauchsweisen s. unter D).
1))
gesetze, vorschriften, rechte wandeln 'ändern': vier quarte sal man alle tage geben zwein brûderen, eʒ ensî danne, daʒ der obere .. durch nôtdurfte willen daʒ anders wandele (aliter mutaverit). statuten des deutschen ordens 116, 6 (gewohnheiten 58) Perlbach; was ouch dieselben unser schultheisz und die rête, die ie des jares also gesetzt werdent, wandelnt in der .. stat, mit (ordnungen) ûfsetzen und absetzen, .. dabey sol eʒ beliben stadtrecht von Baden 18, 36 (1368) Welti; wo eyne stat Magdeburgisch recht hat, da mogen dy ratlute der stad mit der wiczigisten rate willekore seczen ane des borggreven volbort ... ouch mogen sy dornoch dy willekore mit des wiczigisten rate abelegen adir wandlin noch irre bequemekeit Magdeburger fragen 1, 8, 11 (s. 27) Behrend; dise gewonheit und heingerecht ... sollen weren, stede bliben und gehalten sin also lange und so vil, bisz das es gewandelt wirt oberrhein. stadtrechte 1, 321 (Miltenberg 1422); was der herr hofmeister und seine gebietiger mit den landen und städten eintrechtiglich beschliessen, in ihren landen zu halten, dasz dasselbe stet und feste bleibe, und nach abscheiden nicht gewandelt werde, ist aber hernachmals ichtwas daran zu wandeln, das solchs mit der lande und städte mitraht gehandelt werden solle Schütz Preuszen 124ᵃ
2))
vertauschen, wechseln. α))) vertauschen, verkaufen; hierher gehört vielleicht: windit (l. vendit?), wantalod Steinmeyer-Sievers gl. 1, 210, 16; ferner: swie die vrowen daʒ guͦt nit teilten noch geben, als eʒ min muͦter geordent hat oder ob eʒ die predier wolten wandelen oder verkoufen urkundenbuch der stadt Basel 3, 18, 30 (1291). vor dem einzutauschenden steht mit: doch mügen wir dez goczhaus gult und nucze mit andern rechten und gevellen ... verseczen, keren unde wandeln nach unserm frumen 60 urkunden Ludw. d. Bayern, nr. 29, s. 42 (1337); nd. auch in: dat dat ghut kumt van der stede dar it eme ghewist was oder dat it van deme dar it nu is ghewandelet wert in ander ghut das alte Lübische recht 320 (art. 146) Hach. vor dem neuen besitzer steht nd. an: were ok, dat welk wurttins eder rente eder erve eder lant gewandelt worde an eine werlike hant livländisches urkundenbuch 2, 441 (nr. 887, v. 1348). β))) abwechselnd besitzen: wandeln, mutare usum fructum per vices Scherz-Oberlin 1937; das wandeln bei den wisen, wenn der eine disz stück das gegenwärtige jar benuzet, und im folgenden jener benuzet, was diser im vorigen jare nuzete Estor teutsche rechtsgelahrtheit 12, 781 (§ 4824). vgl. wandelgut, wandelmatte, wandelwiese. γ))) ein amtscollegium wandeln 'das alte ab- und ein neues einsetzen': swenne man den rat wandelt Regensb. statut von 1269 bei Schmeller 2, 936; do das jar usz quam, das der radt gewandilt wart Rothe dür. chronik 598. dann auch ein amt wandeln 'es neu besetzen': wan die radismeistere gekorn unde bestetiget odir ingefurt sind, so sollen sie alle ammechte wandele unde vornuwe gesetzsammlungen der stadt Nordhausen 60 (statuten 3, 2) Förstemann. eine amtsperson wandeln 'absetzen' (vgl. oben f β 'ablösen'): sô ensal er (der meister) dekeinen brûder an sîner stat lâʒen, danne mit des capiteles râte. deme capitele ist ouch mugelich zu wandelne den, der an des meisters stat ist verlâʒen, ob eʒ nutze ist unde ob man eʒ mac wol gebeʒʒeren statuten des deutschen ordens 100, 4 (gewohnheiten 12) Perlbach; der hirt sol oͮch huͤten verbunden sin von dem anfang am fruͤgling bysz Martini, und mag kein hirt sich wandlen oder abstaͮn von dem dienst, aber ein raͮt moͤcht in wol wandlen und absetzen, ob er sich nit wol hielte nach irem gefalen, und ein andren hirten naͤmen stadtrecht von Brugg 86, 14 (1493) Merz; durch das weyhen werden wir der andern priester knecht, diener und amptleut, die do mugen abgesetzt und wandelt werden Luther 7, 633, 18 Weim. ausg.
2)
die bedeutung des reflexiven sich wandeln 'sich ändern' geht der der transitiven parallel.
a)
die richtungsänderung ganz im eigentlichen sinne giebt wandeln im folgenden an, 'sich zur seite wenden, umbiegen': das sy doch als verr mit im kamend, daʒ sich die strasz wandlet; do hielt der wirdig ritter still und sprach zue inn: 'minen lieben brueder, es ist zitt, daʒ wir vonn ein ander scheident' deutsche volksbücher 278, 24 Bachmann u. Singer. in andern belegen scheint die bedeutung 'sich wenden' mehr oder weniger deutlich durch: der wind, das glück, die zeit etc. hat sich gewandelt, gewandt oder verändert, the wind has shifted; the tables are turned; the affairs, or times, are changed Ludwig 2379;
wie (kommt's), dasz sich die Fortun so plötzlich hat gewandelt?
weil der, der sie bekam, so übel hat gehandelt.
Logau 1, 1, 90;
die krankheit wandelt sich, wenn neu-licht mit dem alten
am monden wechsel hält.
1, 9, 2;
ferner: wenn ein 500. jar umb sind, wandelt es sich mit grossen königreichen, (wie die exempel einhellig auszweisen), also das sie gar zu boden gehen ... oder in eine newe form verwandelt werden Pomarius Magdeburgische stadtchronik (1587) Y 4ᵃ. mit bloszer richtungsangabe (vgl. oben 1 a):
was zu Nürnberg wird gehandelt
wird gewisz was gutes sey'n;
dann gut ding darff gute weile,
wo es sich zum ärgsten wandelt,
und mit hoffnung nicht trifft ein,
gebe niemand schuld der eile.
Logau 2, 4, 97;
o liebliche Therese!
wie wandelt gleich in's böse
dein offnes auge sich.
Göthe 1, 17 Weim. ausg.
b)
sich wandeln 'sich ändern, verändern':
α)
lieber Neidhard, ist dirs muglich, so wandel dich: wandelstu dich nit, so thu was du wilt, ich acht dein nit Luther 6, 140, 24 Weim. ausg.;
das wanckende glücke.
wandelt glücke dann die leute
dasz sie morgen nicht wie heute?
glücke hat es nie gethan
wann sich wandelt selbst der mann.
Logau 3, 2, 92;
da die sprache ward verwandelt, ward der thurm nicht auszgebaut:
weil die kleidung sich so wandelt, wird kein deutscher sinn geschaut.
3, 2, 71;
zeiten entflohn: allein die umgeschafne
blieb; und diese gestalt wird nie sich wandeln.
Klopstock (die deutsche bibel).
im zusammenhange ergiebt sich öfters die bedeutung 'sich wiederholt nach verschiedenen richtungen hin ändern' (vgl. oben 1 b ε meister Eckhart):
durch buͤcher mittel kan man wissen
was gottes willen heisst,
wie man im dien mit gutem gwissen,
woher die welt entspreusst,
wie lang sie haben werd bestand,
was sie von anfang ghandelt,
wie auff und abging jedes land,
darnach sich d'welt noch wandelt.
Fischart Gargantua 444 neudr.;
der mensch nur wandelt sich, vermummt sich immerdar,
ist diese stunde nicht der, der er jene war.
Logau 2, 2, 47;
auf den unbeständigen Volvulum.
deinem hertzen und dem monden, Volvulus, dient gar kein kleid;
beydes, bleibt nie wie es ware, wandelt sich zu aller zeit.
Logau 2, zugabe 121;
denn dem zagenden wandelt die farbe sich, anders und anders;
(τρέπεται χριὸς ἄλλυδις ἄλλη)
Voss Ilias 13, 279;
vom mond:
diu maninne scinet werde   und ist preiter denne diu erde,
diu wantelet sich doch siben stunt,   daʒ ist uns allen wole chunt.
siben tage sint in der wochen.
Diemer 341, 16 (loblied auf den h. geist);
nû wandelent sie ir leben und ir ketzerîe rehte als der mâne, der sich dâ wandelet in sô manige wîse Berthold v. Regensburg 1, 403, 37 Pfeiffer. ähnlich: etsleich sprechent von dem pantier, daʒ eʒ auf der schultern ain fleckel hab geleich des mônn gestalt und daʒ eʒ wachs etswenne, unz ez sinbel werd und sich wandel nâch des mônen ändrung K. v. Megenberg 157, 14.
β)
sich nicht wandeln 'unverändert bleiben': er (gott) wandelt sich nit und nimet och nit abe S. Georgener prediger 306, 3 Rieder.
γ)
im zusammenhange zuweilen mit dem nebensinne 'sich verschlechtern':
dô was der donner vil grôʒ
awie starke daz weter ave gôʒ.
der himel der wandelôte sich
und der sunne verdunchelôte sich.
Lamprecht Alexander (Vorauer hschr.) 111;
swenne aber die burgere dunket, daʒ sich die phenninge wandiln an der wiʒʒe unde an der swerde Erfurter weisth. 21 (1, 35) Kirchhoff (1289).
δ)
nd. sick wandelen 'sich verheiraten' Fahne Dortmund 3, 35. (vgl. sich verändern in gleicher bedeutung.)
c)
sich wandeln 'sich verwandeln', von gänzlicher körperlicher gestaltsveränderung: wenn sonne und mond sich wandeln, und himmel und erde veralten wie ein kleid, die narren bleiben immer sich selbst gleich, wie die tugend Schiller 2, 6 (räuber, vorr.). von plötzlicher veränderung:
so nachlässig nun spannte den mächtigen bogen Odysseus ...
aber die freier umher durchdrang schmerz, aller gestalt auch
wandelte sich.
Voss Odyssee 21, 413.
von organischer veränderung 'sich entwickeln', bildlich von geistiger entwicklung:
frei dich wandelnd und entfaltend,
wie die lilie wächst im feld,
wachse fort und nie veraltend
blüht und klingt für dich die welt.
Geibel 3, 60 (neue ged.).
d)
sich wandeln 'sich verwandeln', wenn der neue zustand genannt wird.
α)
der neue zustand kann sich aus dem zusammenhange ergeben:
der gesang erstickt im munde,
wandelt sich und wird geheul.
Schubart ged. (1825) 1, 13;
und weil doch alles sich gewandelt, menschen
mit thieren die natur gewechselt.
H. v. Kleist 1, 6 (fam. Schroff.).
β)
der endzustand steht abhängig von präpositionen.
1))
abhängig von in. α)) bei plötzlicher verwandlung durch zauber oder wunder:
ze hant er wider in vogels pilde sich wandelt.
Lohengrin 776 Rückert;
er (der teufel) wandelte sich drate
in eines wibes bilde.
Passional 13, 66 Köpke;
schnell wandelt sich (vom stab des magiers) der teich in blut.
Pfeffel poet. versuche (1812) 3, 208;
dann musz fortan, nach magischem behandeln,
der weihrauchsnebel sich in götter wandeln.
Göthe 15, 74 (Faust 2, 1, v. 6302) Weim. ausg.;
der dichter sprach: in alles tausendfach,
was die umgiebt, die meine seele liebt,
möcht' ich mich wandeln können.
bildlich von verwandelungen, die die phantasie bewirkt (zu beachten ist der dat. des pron. pers.):
ewig wohnten wir hier, ewig! der schattenwald
wandelt' uns sich in Tempe,
jenes thal in Elysium.
Klopstock 1, 72 (der Zürchersee);
spleen streut auf alles gelbe schatten;
ihm wandeln sich die lilien
von Huisums in nasturzien.
Gotter 1, 466;
wandelt stets, was ich berühre,
sich in scherz und liebe mir?
Uhland ged.² 285.
von der auferstehung:
ob es gott geliebt, wär der beste handel,
dasz sich hier in dort, ehstes frölich wandel.
Logau 2, 6, 21;
auch diesz verwesliche wird sich
einst in unverweslichkeit wandeln.
Klopstock Messias 12, 671.
β)) von organischer umbildung: alliu spîse, die der mensch enpfêhet, diu wandelt sich in sîn fleisch unde bluot meister Eckhart, d. mystiker 2, 356, 12; das wasser ... wandelt sich in so vilerley feuchtigkeiten, als: kreuter, wurzeln, blumen u. beume seyn Butschky Pathmos 362. γ)) weitere belege. 1))) von concreten: alsô sich wandelt der tropfe in daʒ mer unde niht daʒ mer in den tropfen, alsô geschiht der sêle, als si got in sich ziuhet, alsô daz diu sêle götlich wirt, unde got niht diu sêle meister Eckhart, d. mystiker 2, 314, 20; so wenig sich nun seine (des menschen) haut und sein antlitz ... in völlige bärengestalt ändern und wandeln konnten Herder 5, 43 Suphan;
musz die wolke zur nacht nicht werden, eh' sie in den schnellen,
zückenden blitz, in den rufer gottes, den donner, sich wandelt?
Klopstock Messias 17, 427.
übertragen auch von etwas gesagt, was eigentlich gewechselt wird (vgl.'wechseln' unter 1 f γ):
o gott! wer hätte da gedacht,
als ich den engel küsste,
dasz sich so bald die grüne tracht
in schwarze wandeln müsste? —
J. M. Miller gedichte (1783) 35.
2))) von tönen:
er führt zu andern auen ...; wo ... alle
seufzer sich in süsse töne wandeln.
Herder 26, 327 Suphan;
es wandelt sich ...
jedes ländliche lied, welches dem dorf entschallt,
meinen ohren in wohlklang.
Hölty ged. 75 (rufe, v. 24 der 1. u. 2. fass.);
der rosse schnauben hatt' in röcheln sich gewandelt.
Hölderlin ges. dicht. 1, 88 Litzmann.
3))) von abstracten:
ir freud sich wandelt in ein trouren herte.
jüng. Titurel 2481 Hahn;
denn (dann) sol sich wandeln ewer leid
in frewdenreich geberden.
Ringwaldt evangelia R 1 a;
in warme freundschaft wandle
die feurige liebe sich bald!
Ramler lyr. ged. (1772) 275;
scheiden musz ich, aber bald auch
wiederkehren, und so wandelt
schmerz in lust sich, lust in leid.
Tieck 1, 336 (Octavian 2, 4);
wie würde mir der zwang, den ich empfinde,
in lust sich wandeln.
Rückert werke 1, 301;
ich singe von des mädchens reu,
und langem heissem sehnen;
denn leichtsinn wandelte sich in treu
und thränen.
Göthe 1, 195 Weim. ausg.;
und in jedem herzen wandelte sich die vorhergehabte grosze idee in eine art von mitleid Bahrdt gesch. s. lebens 1, 210.
2))
abhängig von zu:
ach, etwas, ohne das bald glänzende palläste
zum stall des Augias sich wandeln, fehlte nur.
Gotter 1, 321;
es schweigt das wehen banger erdgefühle,
zum wolkenbette wandelt sich die gruft.
Göthe 1, 7 Weim. ausg.;
zu mittag schon wandelt sich
morgentraum gar wunderlich.
3, 364;
zu laster wandelt sich selbst tugend, falsch geübt.
9, 204 (Romeo 580).
e)
ganz vereinzelt bedeutet sich wandeln von etwas 'sich entwickeln, entstehen aus etwas':
dreymal freyen freut nicht jeden; haben nicht von allen dreyen
plage-geister sich gewandelt, käm doch einer wol noch zweyen.
Logau 3, 5, 48.
f)
im zusammenhange kann sich wandeln zuweilen fast so viel wie 'vergehen' bedeuten:
sich wandelte vil sere ir leben,
wand si verlurn die sinne.
Passional 51, 54 Köpke (vgl. oben 1 e α das leben wandeln);
die tannen am waldrande standen .. in silberbrokat ... als es aber abend wurde, da wandelte sich die ganze seltsame herrlichkeit. da sahen sie einer den anderen im totenhemd Frenssen Jörn Uhl 504.
g)
sich wandeln 'aus dem amt scheiden' s. oben 1 g γ 2)) γ)) das stadtrecht von Brugg.
h)
im folgenden scheint ein unpersönliches sich wandeln 'sich zutragen, sich begeben' zu bedeuten: wellen wir, das unser perchrichter alle hofstet und fünde auf dem perch leihe, wo sich das wandelt, aber die vanchpfennig und das vierzigist gehoret den an, des der was (grund) ist österr. weisth. 1, 199, 40 (Gastein 1342).
3)
wandeln intransitiv in der bedeutung 'sich wenden, sich ändern, sich verwandeln, sich entwickeln, abwechseln' kommt vereinzelt mhd., mundartlich und seit dem 18. jh. in der gehobenen sprache vor.
a)
sich wenden: elsäss. 'umschlagen' (vom wetter, von einer krankheit) Martin-Lienhart 2, 834 (vgl. oben 2 a);
weltlich glück ist wie der monden, wandelt immer für und für.
Logau 2, 10, 20.
b)
sich ändern:
α)
verändert ist die zeit. lasz wandeln zeit und welt,
wenn nur unwandelbar dein herz mir treue hält.
Gotter 2, 375;
wie sich alles in der welt ändert: so muste sich auch die natur ändern, die das griechische drama schuf, weltverfassung, sitten, stand der republiken .., selbst musik, ausdruck, maas der illusion wandelte Herder 5, 213 Suphan; die liebe will nur wandeln, nicht vergehen Bettine die Günderode (1840) 1, 49; und bleibt nichts bei dem, wo es war, es wandelt alles Alexis Roland v. Berlin (1840) 2, 311.
β)
(vgl. oben 1 b ε): selbst das bild der glückseligkeit wandelt mit jedem zustande und himmelsstriche Herder 5, 509 Suphan.
c)
sich verwandeln, zu: so wie dies nun unter der hand eines bloszen proportionisten sich zu aller wiszenschaft erheben kann: so kann es eben auch durch bemerkungen des künstlergenies zur schönen gestalt wandeln Herder 2, 126 Suphan.
d)
abwechseln, intr.:
geslaht quarz mit kuppervlinken
wandilt mit dem gange.
märe vom feldbauer 159, Germania 1, 348.
4)
das part. praes. wandelnd erscheint in den bedeutungen 'verwandelnd' und 'sich ändernd, veränderlich, sich verwandelnd, wechselnd'.
a)
umwandelnd: tiefer hinab: und er (der mensch) findet oft, wo er sie nicht suchte, seine fruchtbare erde wieder, die einst die oberfläche der welt war, die wandelnde natur hat sie in ihren fortgehenden perioden nicht geschont Herder 13, 51 Suphan; der geist ist zwar immer wandelnd, nemlich in ihm selber wandelt sich alles was er berührt Bettine Cl. Brentanos frühlingskranz (1844) 458.
b)
veränderlich: wie der alte ewige ausbau des blättchens und dessen käfers eine stehende vorsehung ist: so ist die geschichte beider wesen und der völker eine wandelnde Jean Paul dämmerungen s. 20; trotz der wandelnden formen (der verfassung) steht es fest ..., dasz der beamte unbedingt befiehlt Mommsen röm. geschichte² 1, 76; zu den flüssigen, wandelnden, verallgemeinernden formen ihrer elemente (der physiker) Ritter erdkunde (1822) 1, 15. im folgenden schwebt die bedeutung zwischen 'veränderlich' und 'sich bewegend, fortziehend':
nach osten strebt die masse (der wolke) mit geballtem zug ...
sie theilt sich wandelnd, wogenhaft, veränderlich.
Göthe 15, I, 245 (Faust 2, 4 v. 10046) Weim. ausg.;
baut oft wunderschlösser, den wandelnden wolken ähnlich Fr. Müller 1, 356; auch 'wankelmütig' (vgl. wandelbar C 2 d γ):
ich lieb es nicht, diesz wandelnde geschlecht.
ein irrlicht, tritt es in der männer bahnen.
Müllner dram. werke (1828) 4, 63 (die Albaneserin 2, 4).
c)
wechselnd:
und siehe, so melden
im busen der helden
sich wandelnde schauer
und ernste gefühle.
Göthe 3, 61 Weim. ausg.;
in dem stoffwechsel, der den ewig wandelnden schein des werdens und der vernichtung darbietet A. v. Humboldt kosmos 4, 9.
5)
das part. praet. gewandelt 'verändert': vgl. th. 4, 1, sp. 5287 das citat Passional 425, 8 Köpke; ferner: das gewandelte Deutschland, überschrift des folgenden gedichts:
die Deutschen wusten wenig für zeiten von dem golde, ...
jetzt wissen Deutschen wenig vom glauben und von treue
sie dienen mehr dem golde, dann gott ohn alle scheue.
Logau 2, 8, 81;
ach! wie bald wirst auch du die gewandelte liebe beklagen.
Ramler lyr. ged. (1772) 261 (Horaz epod. 15, 23 translatos amores);
mich sendet Agamemnon her, und fragt dich,
ob klugheit nicht bei so gewandelten
verhältnissen den rückzug dir gebiete.
H. v. Kleist 1, 174 (Penthes. 1).
im zusammenhange zuweilen so viel wie 'aufgehoben': gewandelte freundschafft, überschrift des folgenden gedichts:
der die freundschafft auff kan heben,
hat sie nie recht angegeben:
der ward falsch ein freund genennt,
der sich von dem freunde trennt.
Logau 3, 7, 43.
6)
der subst. inf. das wandeln, die veränderung, verwandelung: die wandelung et das wandeln, mutatio, conversio Stieler 2501.
a)
wandlung zum bessern, besserung:
unde eine wandelunge
an sime lebene was geschen;
man hete in arm e gesen
und sach in nu an herschaft.
an deme bischove tugenthaft
wart ouch daʒ innere leben
in ein wandeln gegeben ...
Passional 54, 50 Köpke;
b)
entwickelung: als ich mir genugsame fertigkeit erworben, das organische wandeln und umwandeln der pflanzenwelt in den meisten fällen zu beurtheilen, ... fühlte ich mich gedrungen, die metamorphose der insecten gleichfalls näher zu kennen Göthe naturwiss. schriften 2, 617 (zur morphologie) Weim. ausg.;
sieh das ist es, was auf erden
jung dich hält zu jeder frist,
dasz du ewig bleibst im werden,
wie die welt im wandeln ist.
Geibel 3, 59 (neue ged.).
D.
die auf das mhd. und frühnd. beschränkten bedeutungen 'rückgängig machen', 'genugthun', 'büszen' gehen auf die grundbedeutung 'zum ausgangspunkt zurückwenden' zurück, übertragen 'den ursprünglichen zustand wieder herstellen'; dies kann geschehen durch zurücknahme, z. b. eines wortes, eines planes, einer strafe, durch rückgängigmachung, z. b. eines kaufs, durch ausbessern eines schadens, abstellen von übelständen, auf moralischem und rechtlichem gebiete durch erwiderung einer wohlthat, schadloshaltung oder genugthuung für zugefügtes übel, auf religiösem gebiete durch busze für sünden. im rechtsleben entwickeln sich dann weiter die bedeutungen 'strafe auferlegen, ein vergehen bestrafen', selbst mit persönlichem acc. 'einen in strafe nehmen'.
1)
zurücknehmen, ungeschehen machen, aufgeben u. dgl.
a)
ein wort zurücknehmen:
des ich nu gesprochen han,
des wil ich niht abestan.
swaʒ mir joch geschit,
so wandele ich mine wort niet.
Herbort v. Fritslar troj. krieg 12190;
einen plan aufgeben: die inneren meinten, auch sich zu bestellen und usz der stat zu ziegen. und an dem andern dage dar nach of den fridag was daʒ gewandelt von den innern, wann sie meinten, hienweg zu ziegen were in nit gelegen; und bleben auch alle in Mentze d. städtechron. 17, 66, 35 (Mainz 15. jh.); was ist den dein ursache, das du dein vornemen also fern und ungeschickt gewandlet hast? Hutten op. 2, 216 Böcking. eine strafe zurücknehmen: ob ein man gevangen wirt, oder in etwaʒ anders irret, daʒ er niht boten gesenden mac, der sin êhaft not für in berede: sol der den schaden han oder niht? niemer ... und swaʒ der rihter im ze schaden gerihtet hat, daʒ sol er wider tun, und sol eʒ wandeln, als ob er des tages da were gewesen Schwabenspiegel, landrecht² 94, 4 Gengler; dem mohtint sú denne die selben besserung wandelan und ablassen monumenta Zollerana 1, 323 (nr. 437 v. j. 1394). auf ein recht verzichten: daʒ wir die selben gewonhait und reht gegen inen gewandelot und abgelassen haben, und wandeln und ablassen daʒ mit urkunde diss briefes ... und verzihen uns aller der reht und anspraͤch ebenda. im folgenden bleibt es zweifelhaft, ob 'zurücknehmen' oder 'ändern' (vgl. oben C 1 g γ) gemeint ist: geben wir gewalt den obgenannten burgern von dem rat, unser und des reichs burg und stat daselbist zuͦ Nuͤrenberg ze richten und ze behuten nach sicherheit als sie daʒ aller beste dunket, also daʒ wir wollen gewalt haben daʒ selbe ze wandeln wenn wir wellen städtechron. 3, 333 (verordnung Karls IV. 1349).
b)
eine ware wandeln 'zurücknehmen' ist aus älterer zeit nicht belegt, doch vgl. unter gewandeln a) th. 4, 1, sp. 5286 die stelle aus der Genesis; auf nd. boden hat sich bis in neuere zeit erhalten ein thier, besonders ein pferd wandeln, es gegen zurückgabe oder -nahme der kaufsumme zurücknehmen oder -geben (für beides gilt lat. redhibere), wenn es mit einem gewährsfehler, wandel (s. sp. 1549 f.) behaftet ist (bei Adelung, der auf die braunschweigische verordnung hinweist, ist das wort ersetzen irreführend). im oberdeutschen, wo wandeln als 'busze bezahlen, bestrafen' (s. u. 2, c, γ) reich entwickelt ist, fehlt diese gebrauchsweise; sie ist jetzt, wenigstens in der schriftsprache, ausgestorben, während sich die entsprechende bedeutung von wandelung erhalten und sogar ins neue bürgerliche gesetzbuch gerettet hat
α)
in dem ältesten beleg ist es der käufer, der das pferd wandeln 'zurückgeben' kann: welick man eyn pert kopet, is dat hovetseyck efte starblint efte dempich, dat sal hey wandelen binnen dren daghen ... vortmer unrechten anevanck sal hey eme wandelen also eyn recht is die aude schrae der stat van Soist (1442) art. 58 bei Emminghaus memorabilia Susatensia 157.
β)
für gewöhnlich wurde es aber wol vom verkäufer gesagt 'zurücknehmen': wann ... ein anderer mangel oder schade ... sich findet ..., so soll derselbe das pferd innerhalb zwey monaten zu wandlen schuldig seyn verordnung von 1697 in den braunschw.-lüneburg. gerichtsordnungen (1712) 695. passivisch gewendet: dasz wegen der an den pferden befindlicher haupt-mängel, als rotzig, kollerig, hertzschlägig und mondblind, innerhalb einer zeit von höchstens drey monaten die redhibition statt haben und die pferde gewandelt werden sollen 694; rindvieh soll in der regel gewandelt werden, wenn es mit der drüse, darmfäule und schweren noth behaftet ist Sachsenhauser lehre von der nachwährschaft (1856) 20 (hier wol nicht aus der lebendigen sprache, sondern nur aus den quellen genommen).
γ)
dann auch die gewährsmängel wandeln: dy vyr (mängel) muss eyn itzlich koiffmann eym wandelen, sin phert widdernemen, synen wynkoiff, unde was he davon entphangen hoit, em widder geben Frankenberger recht bei Sachsenhauser 26.
c)
einen übelstand abstellen:
alsus daʒ gotis erbe (das heilige land)
ist wurdin umbederbe
und sôr alsam ein bûste,
allin genâdin wûste;
daʒ sî dir, sûʒir got, gecleit;
wandele, want dû macht, daʒ leit!
N. v. Jeroschin 21933 Strehlke;
auff demselben tage sol und wil der herr hohmeister ... ein gut regiment, des landes wegen setzen, und gemeine gebrechen und unredligkeit wandeln und stören Schütz Preuszen 120ᵃ; ob sie icht was mangels hetten in diesen oder andern sachen, das solten sie im sagen, were es billich, er wolte es wandeln 100ᵃ; da hatte hertzog Boleszlaus ein schlosz Wiszna genant, welchs er des ordens feinden in der Littawen vergönnete, darinne zu hausen, herberge zu suchen, wann sie in des ordens land streifften und raubeten. der landmeister hette vielmal bey dem hertzogen angehalten und gebeten, solches zu wandeln, und des ordens feinde nicht zu hegen, noch zu stercken 49ᵇ.
2)
wieder gut machen, d. h. bei realen dingen durch ausbessern den ursprünglichen zustand, auf moralischem und religiösen gebiete, durch ersatz, genugthuung, busze, das gleichgewicht wieder herstellen: nd. emendare, boyten, wandelen Diefenbach nov. gl. 148ᵇ.
a)
schadhaftes ausbessern, in ordnung bringen: auch hat derselbe meyster Niclas globit, waʒ gebrechens sie an der stat armbruste, an sulen, an senewen, an nuͤssen, an slusseln und an eynbynden, das sal er wandeln ane gelt urkundenbuch v. Freiberg 1, 111, 23 (1407); soll der schaffer eben auf sehen, ob icht schadens, es sei an wegen, kerren, seil, zwispitz oder anders gescheen sei an dem, das man wider pringt, das soll er im heiszen wandeln, ee und er die pfant hinausz gibt Tucher baumeisterbuch 33.
b)
ersatz geben für empfangenes gute, (etwas) einem wandeln:
der Mîssenaere solde
mir wandeln, ob er wolde.
mîn dienest lâʒ ich alleʒ varn:
niewan mîn lop aleine,
deich in mit lobe iht meine,
daʒ kan ich schône wol bewarn.
lob ich in, sô lob er mich.
Walther 105, 28;
offt kumpts, das einr ein frembden hegt,
und grossen unkost an in legt,
dafür sich der ein zeitlang stellt
demütig und der massen helt,
als ob er danck für die wolthat.
darnach, wenn ers zu wandlen hat,
in wider dafür höhnt und schmecht.
Waldis Esopus 3, 47, 32.
c)
genugthuung geben für zugefügtes übel.
α)
im allgemeinen, einem etwas wandeln:
er sprach 'Genelun, liber man,
swaʒ ich widir dir han getan,
des ergezze ich dich gerne ...
nu ratet mir in uwerme sinne,
wie ich Genelunen
ze einem innern vrunde gewinne,
daʒ laster wil ich ime wandelen'.
Rolandslied 80, 20 Grimm;
sît iwer vater gap den rât,
er wandelt mir die missetât ...
eʒ sî strîten oder turnei,
hie belîbet vil der sper enzwei.
W. v. Eschenbach Parzival 347, 14;
ouch wære iu Keien schulde
gewandelt ungerochen,
het ich iuch ê gesprochen.
308, 21.
das übel kann auch von dritter seite zugefügt sein:
ir genuc von des leides mane,
daʒ sie in sus san handelen
und imʒ niht getorsten wandelen,
tougenlichen weinden.
H. v. Hesler evang. Nicodemi 1148 Helm;
die jerusalemischen vrouwen,
do sie begunden schouwen,
daʒ man in ubele handelde
und im daʒ nieman wandelde,
die begunden sere weinen.
1584.
das zu wandelnde durch einen relativsatz ausgedrückt:
daz sie û muozin wandiln
swaʒ sie û lastirs habint irbotin.
Athis u. Prophilias C 164 Grimm;
wir suln eʒ gerne wandeln
nâch genâden und nâch schulden,
swaʒ wir wider sînen hulden
an keinen dingen hân getân.
Ulrich v. Zatzikhoven Lanzelet 8214 Hahn.
ohne acc.:
daz dir hie nieman niht entut,
wen alleʒ lieb und alleʒ gut,
und man dir gerne wandelt,
swa du missehandelt
bist, nach dinen eren.
H. v. Hesler evang. Nicodemi 2443 Helm.
absolut, ohne dat. u. acc.:
'ir lebt, und sît an sælden tôt'.
dô sprach er 'liebiu niftel mîn,
tuo beʒʒern willen gein mir schîn.
ich wandel, hân ich iht getân'.
'ir sult wandels sîn erlân'.
W. v. Eschenbach Parzival 255, 23.
β)
in religiösem sinne, gott eine sünde wandeln, ihm dafür busze thun:
swie etlich sunde sein chlæine,
man sol ir doch dehæine
unruchlichen handelen
und sol si got wandelen.
Tnugdalus 58, 46 Hahn;
maʒit uͦch dirre dinge (des unfugs bei kirmessen u. dgl.) und wandilt unserm herren uͦwer unrecht, uf daʒ ir entfliht den ewigen tot Schönbach altd. predigten 1, 112, 40, ähnlich 121, 27; ohne acc.: daʒ uͦwer keines suͦnde so groʒ ist, wolt ir ockirt zu bekenntnisse cuͦmen und wolt ir gote wandelen, er enphach uͦch 98, 22;
so wir uns boslichen handeln
und wir dir gote nicht enwandeln,
so get uber uns din orteil.
H. v. Hesler Apokalypse 26 Helm.
wandeln und büszen (vgl. unten γ 5):
die frowen harte erschrikten   dô sie den engil an erblikten
und sînen zorn ersâhen;   mit vorhten sie jâhen,
sie wolten wandeln und bûʒʒen, und butten sih der gûten (Maria) ze fûʒʒen.
Wernhers Maria, fundgr. 2, 176, 29;
wandeln und bessern: saʒ in der aschin und gebot uber alle die stat daʒ si got wandelten und beʒʒirten ir suͦnde und ir unrecht Schönbach altd. predigten 1, 98, 14.
γ)
im rechtsleben hat sich die bedeutung 'wieder gut machen' besonders im bair.-österreichischen reich entwickelt; der zuweilen vorkommende umlaut zeigt die enge anlehnung an wandel 'strafe' mit dem häufig belegten plur. wändel.
1))
etwas einem wandeln, ihm für ein vergehen eine busze an geld oder gut zahlen, und zwar α)) dem geschädigten: swer fiurær ist in der pfister, dem git man all wochen siben brot ... und versumet er den pfister, so der teik zitik ist, so sol ers miner vrowen wandeln, ist daʒ der ofen ze heiʒ ist, daʒ daʒ brot verbrinnet, daʒ sol der pfister miner vrowen wandeln (pistor ad satisfactionem tenetur) pfründeordnung des kl. Geisenfeld (13. jh.), quellen und erörterungen 1, 438; alls ich vernomen hab, so ist die magt unschuldig; darumb wil ich, das dise magt dein huld hab. auch spricht si, si well es gerichten, auch müest ir dem ritter wandlen, alls ers gert Ulr. Füeterer Lanzelot 70 Peter. β)) dem richter: swer holtz in den voͤrsten und in den panholzen uber des huͤters willen nimt, der sol eʒ gelten mit der zwiguͤlt und sol eʒ dem rihter dannoch wandeln landfrieden Rudolfs I. (1281), mon. germ., leges 4, 3, 271, 34; es sullen ouch die zwene zechmeister ... umbgen under dy kromen uff dem margkte und sullen die messer beschauen, und was wandelbar ist, das sullen sy nemen, und welicher meister die gemacht hat, der sal sy ym wendeln urkundenbuch v. Freiberg 3, 163, 14 (ca. 1440).
2))
auch etwas gegen einen wandeln: wer hinfür den andern mit rauffen ... beschedigt ..., der sol das wandlen und pussen gegen gemeiner stat Nürnberger polizeiordn. 49 Baader.
3))
vor der zu gebenden busze steht mit oder bei: welcher der ist, der si (die frau) hat hören bieten auf den heutigen tag, und darüber von haim gevaren ist, der ist dem gotshaus vervallen mit seiner stift, und sol es darzu wandeln mit als vil guets, des mein frau nicht gerathen wil österr. weisth. 2, 86, 3 (Unterinnthal); wer sun oder tochter zu ander herrschaft verheiratt ..., der sol das wandeln mit als vil er der tochter oder dem sun ze heiratguet geit 86, 34; ob ein gesworen bote jemants verseumt zeitlichen genuck sein brieff zu antworten, die seumpnusz sol er jhenen bey sein eigen kosten wandeln, er múge dann sich mit rechter und redlicher sachen des entschuldigen quelle von 1452 bei Scherz-Oberlin 1937.
4))
absolut:
swer das niht vermîde,
sîn ebenkristen nîde,
der geb mir niur ein bône
und hab gewandelt schône.
S. Helbling 2, 284;
wer dem andern sein gesinde wieder seinen willen entfrembdet, und dessen überwiesen wird, sol wandeln (bestraft werden) nach der vier-meistere erkänntnisse Knauth Altzellische chronik 8, 500 (1623); wandelen, strafe geben, leiden Strodtmann 273 (aus dem älteren nd.). vereinzelt reflexiv: so ainer dem andern ubermeet, uberseet, uberagkert oder den markstain auswuerf mit fraͤvel, der wandlt sich österr. weisth. 8, 776, 9 (1488).
5))
in der verbindung wandeln und büszen (vgl. auch oben β) stehen beide verben für gewöhnlich gleichbedeutend: also das er einen yeden frevel vierfeltigclich so hohe zu wandeln und püssen schuldig sein sol Nürnberger polizeiordnungen 49 Baader; der soll den schaden mit zwen gulden und ein ort büssen und wandlen Neuburger forst-ordnung von 1690 bei Schmeller² 2, 936; im folgenden scheint wandeln 'geldstrafe zahlen' im gegensatz zu büszen 'am leib gestraft werden' zu stehen: daʒ auch daʒ gewonleich sprichwart war beleib, es sey nyempt, er hab nit etzwe ze puessen oder ze wandeln, daʒ ist alzvil gesprochen mit dem leib oder mit dem gut stadtrecht v. Wiener-Neustadt s. 66 (cap. 21) v. Würth. wandeln und wiederkehren: bis dasz der gebrochene theil alles das wandelt und wiederkert, das er verbrochen hat Krenner bairische landtagshandlungen 3, 66 (1439); so soll im dieser, der in sollichs beschuldiget hat, still stan und im costen und schaden uszrichten, und im sollichs wandlen und bekeren nach desz zunfftmaisters ... erkanntnusz württemb. vierteljahrshefte 7, 271 (Ulm 1505); abtragen und wandeln: ich hab euch mermalen geschriben eines kuchen vleisch halb ..., das ettlichen den ewern genomen worden ist. stet ewer jungste antwort, wo euch und den ewern das nit bekert, abgetragen und gewandelt wurd, so must ir weiter und ferrer ewer freundt rat haben, wie ir euch darinnen halten sullet böhm. chron. 3, 316 (Eger 1472).
6))
auch vom richter wird gesagt eine übertretung wandeln, sie durch auflegung einer geldstrafe büszen lassen, sie bestrafen, belegt nur in verbindung mit andern verben. α))) wandeln und büszen: umb sachen, so unserm statrichter daselbs zu wendeln und zu pussen zusteen monumenta Habsburgica 2, 532 (1478). β))) wandeln und strafen: verbrechen werden nach den bayr. landstatuten gestraft und gewandelt Schmeller² 2, 937 (der auch abwandeln aus der neueren bair. gerichtssprache anführt); darnach und der handl an in selber grosz oder klein verhandlt ist, darnach (soll) es all dan gestrafft und gewandlt werden an dem guet oder auch an dem leib österr. weisth. 1, 298, 37 (Mittersill, hs. v. 1644). γ))) richten und wandeln: das ... allein der herr und abbt ... und sein ambtleut ... schult oder anderes verhören und verrichten sollen und nach verhörung der erkantnusz enten, richten und wandlen österr. weisth. 6, 54, 22 (Steierm. 16. jh.).
7))
wie mhd. büeʒen auch mit acc. des übelthäters steht, so heiszt es auch einen wandeln, ihn zu wandel verurtheilen, mit geldbusze bestrafen: daʒ du den bemelten Abraham juden umb das er daʒ er daselbs zu Triest wider desselben Aram ... freihait ausgelihen hat von unsern wegen wendlest und puessest und solh wandel zu unsern handen von im nemest monum. Habsburg. 2, 937 (1478); unser lewt nach seinem willen ze wendeln und ze puessen 2, 336 (1478); daʒ die hinwider fählbahre ... nebst abstattung des arztlohns und leistenter ergözung dem beschädigten per 5 fl. 15 kr. gewandlet, sonst aber, wo lebensgefahr, gefänglich angehalten ... werden sollen österr. weisth. 1, 174, 11 (Salzburg). mit ausdehnung der bedeutung auch auf körperliche strafen:
sein diener ward man ubel handeln
und gar mit scharfen slegen wandeln.
Andreas Kurzmann Amicus 717 nach Schönbach in den Wiener sitzungsber. 88 (1878) 847.
absolut: so hat auch sonst im ganzen ampt ... niemant zu straffen und zu wändlen österr. weisth. 6, 282, 37 (Steierm. 11. jh.); dasz euere pfleger und richter in ihren gerichtshändeln die unsern härtiglich beschweren mit groszem vertrinken und wandeln Krenner bairische landtagshandlungen 7, 61 (1460). diese thätigkeit des richters kann sich in der bedeutung vermischen mit der von 'einer sache verhandeln'; oben unter A 2 c sind belege gegeben, die auch hierher gehören können. ein nachklang dieses trans. wandeln scheint noch bei Claudius vorzuliegen: die gelehrsamkeit mag ehedem ein ding gewesen sein, das den menschen in sich zu recht setzte, das ihn wandelte und züchtigte zu suchen und zu haben eine eigne innerliche herrlichkeit 4, 52.
8))
gewandelt 'in geldstrafe genommen': was phening, vall und wandl so voran nit gemelt sein, darumben sich unser lantrichter mit dem gewandleten man an den gewondlichen wandlsteten nit verainen mag, das soll zu Irning ... ausztragen werden österr. weisth. 6, 32 (Steierm. 1478); so das phant hocher verkauft wirdt dann das wandl bringt, soll er dem gewandlten man di ubermasz hinaus geben 6, 33. 35.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 9,10 (1910,1911), Bd. XIII (1922), Sp. 1587, Z. 18.

wändeln, verb.

wändeln, verb.,
nach wanzen (s. wändel sp. 1557) riechen, schweiz. wäntele Seiler 309 (aus Spreng). Greyerz 23.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 10 (1911), Bd. XIII (1922), Sp. 1640, Z. 21.

wendel1, f.

¹wendel, f.,
'wanze', s. unter wändel teil 13, 1557 f.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 11 (1955), Bd. XIV,I,I (1955), Sp. 1753, Z. 42.

wendel2, m. u. f.

²wendel, m. u. f.,
wendendes, gewundenes (vgl. windel, f. u. m., teil 14, 2, 279 u. 282 sowie sonnenwendel teil 10, 1, 1700).
1)
in verschiedener einzelanwendung:
susz waz ave der sloyer und der wendel,
der god und minsch zusamen want.
vorwar daz waz eyn lieplich minnebendel
bruder Hans marienl. 1193 Minzloff;
sucula daz holtz dadurch mann zwo oder mehr stangen steckt, vnd daran zeugt, als wenn mann wein ausz dem keller zeucht etc. ein wendel, haspel, zug, welbaum Er. Alberus dict. (1540) bb 2ᵇ; vgl. ferner in Nösner ma.: wândəl wendeholz am pfluge Kisch 169.
2)
wie wendelstein (1 a und b); wohl als kurzform dieser alten komposition (bzw. von wendeltreppe oder -schnecke, daher das genus fem. im neueren dt., s. u.) anzusehen, die allerdings ihrerseitsebenso wie wendelmeer — ein ahd. *wentil als ursprüngliche bildung zu wenden (oder zu winden, s. Wilmanns dt. gr. 2 [1899] 263, mit nachfolgendem bezug auf wenden) vorauszusetzen scheint, falls man sich die kompositionen nicht unmittelbar zum verbumin formalem anschlusz an zusammensetzungen wie spinnil(i)boum 'spindel' (s. Gröger d. ahd. kompos.-fuge [1910] 26) — gebildet denken oder das 1. kompositionsglied auf windel oder wandel zurückführen will: coclea wendel vel snegg (1466) Diefenbach nov. gl. 98ᵇ; durch den grossen schnecken oder wendel kommt man auf den grossen saal (1617) Hainhofer bei Fischer schwäb. 6, 1, 675; die wendel nennt man auch die wendeltreppen, schnecken Seume kl. teutsches lex. (1733) 278; wendel, f., s. v. w. wendeltreppe Mothes ill. baulex. 4 (1884) 474.
3)
spiralwindung.
a)
in der botanik (vgl. wendelständig): gyrus die windung, spiralwindung oder wendel, ein einzelner umlauf bei schraubenförmig gewundenen oder in einer schraubenlinie um die achse herumstehenden theilen Bischoff wb. d. botanik (1839) 93; immer stehen die wedel (blattbüschel) in wendeln Schlechtendal flora 1, 3.
b)
'in der technik (ist) die wendel bezeichnung für einen schraubenförmig aufgewundenen draht. beispiel: die heizdrahtwendel in den neuzeitlichen glühlampen' d. gr. Brockhaus 20 (1935) 220.
4)
als eigenname.
a)
cichorium intybus (s. Marzell wb. d. dt. pflanzenn. 1 [1943] 991): Mattuschka flora silesiaca 2 (1777) 209; Nemnich dt. wb. d. naturgesch. (1796) 643; Holl pflanzenn. (1833) 65ᵃ; Pritzel-Jessen pflanzen (1882) 99; vgl. sonnenwendel (2) teil 10, 1, 1700.
b)
epidendrum (vgl. Marzell a. a. o. 2 [1951] 210): 5. zunft (der lilien). bastlilien — wendeln. epidendren ... pflanzen auf bäumen in heiszen ländern. 1. ... die schnurwendeln (epidendrum) Oken naturgesch. 3, 1 (1841) 482.
c)
'in der ornithologie, so viel als gemeiner wendehals, jynx torquilla L.' Krünitz encycl. 238 (1856) 357.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 11 (1955), Bd. XIV,I,I (1955), Sp. 1753, Z. 43.

wendel3, m.

³wendel, m.,
kurzform von Wendelinus, name des patrons der hirten (s. Fischer schwäb. 6, 1, 675 u. 6, 2, 3402 sowie d. gr. Brockhaus 20 [1935] 220): Pan der heiden wendel Mathesius ausgew. w. 4, 110 L.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 11 (1955), Bd. XIV,I,I (1955), Sp. 1754, Z. 25.

wendeln1, vb.

¹wendeln, vb.,
'drehen, winden' u. dgl. (vgl. ²wendel sowie wendelung und windeln [2] teil 14, 2, 284): wenden, wendeln voltare, voltolare Kramer t.-ital. 2 (1702) 1317ᶜ; insbes. als fachwort des treppenbaus (vgl.wendeltreppe): wendelstufen ... werden gebraucht, wo bey gevierten treppen die ruheplätze gewendelt werden Jacobsson technol. wb. 2 (1782) 86; treppe mit winkelstufen, die bequem zu begehen sind, indem sie sich bereits in den geraden treppentheilen zu wendeln anfangen Schönermark-Stüber hochbaulex. (1902) 835; die westliche einarmige treppe ... ist eine gewendelte treppe (gewundene treppe, wendeltreppe) Gersbach gesch. d. treppenbaus (1917) 39. vgl. hierzu: halbgewendelte treppe, gemischte treppe, franz. escalier a quartiers tournants, engl. stairs with winding quarters ... eine gebrochene treppe, welche an den brechungen statt der podeste wendelstücke hat Mothes ill. baulex. 4 (1884) 369.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 11 (1955), Bd. XIV,I,I (1955), Sp. 1756, Z. 26.

wendeln2, vb.

²wendeln, vb.,
'strafen, bessern', s. u. wandeln teil 13, 1587.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 11 (1955), Bd. XIV,I,I (1955), Sp. 1756, Z. 43.

wändel, wentel, f.

wändel wentel, f.,
wanze. alemannische kurzform, auf wantlûs zurückgehend (mit verhärtung des d von wand); noch jetzt wird in der Schweiz im inlaut t gesprochen, die schreibung ist früher meist wentel (wäntel), nur im Elsasz, wo frühzeitig d mit t zusammenfällt, schon im 16. jahrh. auch wendel (wändel): schweiz. wäntele Seiler 309. Hunziker 286. Greyerz 23. wentela Tobler 444. elsäss. (wo das wort unter dem einflusz der diminutive auch n. ist) wendele Martin-Lienhart 2, 834. wändel Halter 192. vaͦntl Henry 236. schwäb. wentel f. wentele n. Schmeller² 2, 962. andere kurzformen von wandlaus sind das ndsächs. wandje Schambach 285 und wanze, wanzke (s. d.) das wort wird seit dem 15. jahrh. angeführt, und zwar in den alemann. wörterbüchern, doch führen es auch einige andere lexikographen (zuletzt Stieler) neben den synonymen an: cimex, wentel Brack voc. rer. (1487) g 2ᵇ; cimex, wentel Diefenbach gl. 119ᵇ. nov. gl. 90ᵃ; wentel, wandlaus, cimex Dasypodius 456ᵈ; cimex, wandtlausz, wentel, qualster, wantz Alberus X x 2ᵃ; wentelen (die), cimex Maaler 489ᵇ; cimex, ein wentel Calepinus (1584) 219ᵃ; wentel, cimice Hulsius 275; cimex, wantlausz, wentel Golius onom. 305; wentel, wantz Crusius gramm. lat. (1562) 300; wentel v. wantz Schottel 1442; wanze, wanzke, wentel et wandlaus, cimex Stieler 2430; auch bei Gueintz d. sprachl. wentel oder wantz, cimex. in der litteratur des 16. 17. jahrh. kommt das wort auch nur im alemann. gebiet vor, auszerhalb desselben fallen abgesehen von dem in Grenchen lebenden Grimmelshausen nur Fuchs und Lehmann (Speyer, also dem Elsasz benachbart): flüh ursachen der sünd, böse geselschafft, flüh das lotterbeth. nit bysz also unentpfindlich, das du nit entpfindest die wendelen, das ist die arbeitseligkeit, angst und not, so die sünder teglich lyden Keisersberg bilg. 153ᵇ; soll er den zuͦ nacht schloffen an das bett gon und sicht was an dem bett krücht, wentlen lüse und flöhe 206ᵇ; so fürt man in (den pilger) ettwan in ein wüst ellendt bett, das louft vol flöhe, lüsz und wentelen 213ᵃ; flöch, leusz, meusz, und wänteln und ander unfasel has im pfeffer D d 3ᵃ; es seind hundsmucken kommen und wentlen Nachtigall psalter 270 bei Schmidt els. wb. 417; die häringköpff ein zimliche zal an ein faden gezogen, sol man legen under das bet in das strouw oder loubsack, so vertreybt es die wentelen Forer fischb. 6ᵃ; die glyssling ... sind gleich einer waͤntelen 197ᵇ; die flöh und wänteln zuvertreiben Sebiz feldbau (1579) 243; wann einer überland zeucht und kumpt an ein ort, da vil wäntlen seind, so setz er ein geschirr voll kalts wassers under sein beth, so beschürt in kein wentel und lassen in mit rugen schlafen Herr feldbau 117ᵃ; scorpionen in Apulien, leusz in Ungarn, wändeln zu Parisz, mästschwein in Pomern Fischart groszm. 656 Scheible; wendeln im bret (ein spiel) Garg. 262 neudr.; bey den Arabischen wird das thier igil genant, das ist ein wantze oder wentel, die eine schwartze haut hat Thurneisser magna alchymia (Berl. 1583) 2, 27; im summer im höw ligen, im winter uff eim strowsack voll wentellen und lüsen, so ligend gmeinlich die armen hirtlin Th. Platter 13 Boos; das best aber ist zibeta, welches nit allein vor schaben praeservirt, sondern auch dasselbige mit sampt allen andern ungeziffer, flöh, leusz und wäntlen, vertreibt und auszmustert Paracelsus op. (1590) 6, 275; flöhe, fliegen, mücken, wendel, läusz und mäusz machen mehr beschwernusz, als kein zam thier Lehman 1, 462; die grösze oder breyte der fischlausz ist wie eine grosze wendel oder wandlausz Baldner thierbuch 164 Lauterborn; stincken als die wendlen 165; da wisten theils (der Zigeuner) die wantzen oder wändel in ein ander hausz zu baunen Simpl. schriften 1, 194, 8 Kurz (vogelnest 2, 26); es stunden in derselben (kammer) 4 bettladen, der reyhen nach mit so vollen wäntelen oder wandläusen umkrochen, dasz man von schwartzen dupffen, als dero geschmeisz, kaum das holtz ... darvon sehen konnt der frantzösische kriegs-Simplicissimus (Freyburg 1682) 134;
flöh, wentlen und darzu lüsz.
schweiz. schausp. 2, 305, 4942;
Socrates. hola! Strepsiades herfür!
und bring dein bettlein auch mit dir.
Streps. ich kans vor den wendlen nit tragen.
Fröreisen nubes 966 Dähnhardt;
es ist ein thier, das wentel heist,
welchs sich umb das gemawer fleist
zu wohnen.
Fuchs mückenkrieg 2, 827 Genthe.
der Brandenburger Coler kennt die form wantel: cimices, wanzen, wanzeln, wanteln oder wantläuse sind auch einem wirth böse gäste in den betten hausbuch (1640) 220. auch im 18. jahrh. wird das wort in encyklopädischen werken neben den andern formen mit angeführt: die hausz-wantzen oder wand-läuse, welche auch bett-wantzen, bettwändeler (für wändelen) heiszen Zedler 52, 2003; cimex, die wanze, wandlaus, .. an einigen orten wentel Nemnich 2, 1041. selbst Campe kennt es als landschaftliches wort. die schweizerische volkslitteratur gebraucht es noch: von der bäuerin erhielt ich .. das bett ... mit dem bescheid, dasz das wiedergeben nicht pressiere; nur möchte sie nicht, dasz wäntelen hinein kämen Gotthelf 2, 189 Vetter. in redensarten wie wanze: wenn das nüd gued för d' wentela n' ist, was tüfels ist denn gued? Tobler 444; er ist so mager wie eine wentele ebenda; eim ge für d' wendele 'tüchtig durchprügeln', de het für d' wendele Martin-Lienhart 2, 835. die bedeutung ist gewöhnlich 'bettwanze', daneben auch 'mauerwanze' (s. oben Fuchs); im elsäss. auch 'schwarze johannisbeere' (s. wändelbeere und wanzenbeere; die bei Martin-Lienhart a. a. o. noch angegebene bedeutung 'waldweg' gehört wol zu wandeln 'gehen'). das wort wird wol auch wie wanze auf menschen übertragen: in Schwaben nennt man kurze und dicke leute bantleⁿ, wantleⁿ Buck medicin. volksaberglaube aus Schwaben 12.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 9 (1910), Bd. XIII (1922), Sp. 1557, Z. 27.

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