Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

zierlichkeit, f.

zierlichkeit, f.,
subst. aus zierlich; ältere form zierlicheit; übernimmt den gesamten bedeutungsumfang seines ursprungswortes; in allen bedeutungsgruppen kann der plural auftreten, um sinnlich greifbare erscheinungen oder gegenstände zu bezeichnen.
I.
vom strahlenden glanz als einer der grundbedeutungen des stammes zier- fällt noch ein letzter widerschein auf das subst. zierlichkeit.
1)
als eigenschaft himmlischer erscheinungen und irdischer geschöpfe: es musz gewisz nicht vergebens sein, was von der zierligkeit des himlischen Jerusalems wird geredet V. Herberger d. himl. Jerusalem (1609) 278;
den himmel lasz ich fahren
mit seiner zierlicheit
Simon Dach 329 Ö.;
es war just, als blicke man in die offene, strahlende zierlichkeit des himmels Gaudy s. w. 17, 132; welche (blumen) ... durch die allbereit vorhandene knoͤpffe andeuteten, dasz sie, in kurtzem, ihre bluͤhende zierlichkeiten gleichfalls herfuͤrthun wuͤrden Francisci d. alleredelste veränderung (1671) 17;
die ros', auff derer zierlicheit
ihr doch am meisten pflegt zu prangen,
ist bleich und welck
Königsb. dichterkreis 86 ndr.;
ein granatapffel, ob er wol
ist zierligkeit und roͤte voll,
musz deinen zarten backen weichen
Opitz opera geist- u. weltl. ged. (1690) 3, 16;
ein reiche, hüpsche bürgerin, ... deren schöne und zierlichkeit des leibs gantz und gar kein kranckheit anzeigen thete Frey gartenges. 83 B.;
die schöne zierligkeit, den schnee der weiszen wangen,
der hellen augen glantz, die freundliche gestallt
Opitz teutsche poemata 72 ndr.
2)
abgeblaszt zum allgemeinen begriff der schönheit: als nun die welt und alle geschöpfft (on allein der mensch) volbracht was, und dem göttlichen angesicht mit zierligkeit erwirdigklich beistanden (et divino aspectui cum pulchritudine reverenter assistentibus) offenb. d. heil. Birgitte (1502), die engl. red 5; venustas schonheit, klare schonheit, geschmock, zirlichkait Diefenbach gl. 611ᶜ; der statt zierlicheit Werlichius Augspurg. chron. (1595) 12; hierzu soll ihm Venus geben ein schön angesicht, ... soll ihm zu allen seinen tugenden ein sonderbare zierlichkeit, auffsehen und anmütigkeit vorstrecken Grimmelshausen Simplic. 211 Scholte;
was ist zierligkeît und schoͤne?
Bonifacius Stölzlin bei Fischer-Tümpel ev. kirchenlied 3, 275.
II.
als ausdruck gesellschaftlicher form übernimmt das subst. den bedeutungsumfang des adj.; es bezeichnet so
1)
die würde von person und stand: o des zyerlichen vatters: das ist das in im vil zierlichkeit ist (glosse) Terenz deutsch (1499) 34ᵇ; die priester aber ... vertrotten ihren dienst, mit hoͤchster zierlichkeit und stille G. Braun beschreib. u. contrafactur (1576) 2, 54ᵃ; denn seitdem Aquitanien den titul eines koͤnigreichs gehabt, ist Tolosa die hauptstadt gewesen, und hat man daselbst alle zierlichkeit des gantzen landes gehabt Morhof unterr. v. d. dt. spr. (1682) 156; sowie der darbietung: jenes amalgama von zierlicher hofsprache und heroischen geiste, das in den französischen tragödien herrscht, musz durch den höchsten grad von zierlichkeit und würde und selbst kraft im schauspiel begleitet werden Solger nachgel. schr. (1826) 1, 58. auf natürliche einfachheit weist hin: wenn die christen dergleichen thaͤten in der gottseligkeit, was der heide in seiner zierlichkeit, es wuͤrde besser stehen J. M. Meyfart d. jüngste gericht (1637) 1, 330.
2)
wohlanständigkeit und gefälliges, geziemendes verhalten, auftreten und aussehen, auch lebenszuschnitt: in kein gezeügnusz der gewissenheit, in kein zierlicheit guͤtter sitten, in kein guͦtte meinung ... nieman sein vertrauen gesetzen mag Steinhöwel spiegel menschl. lebens (1479) 14ᵇ; du machest mit den wercken, das ichs glaub, und beheltst noch so fein dein alte zierligkeit, daz dein gegenkunfft, dein red, und zukunfft ... allweg ein freüd oder wollust ist Boltz Terenz deutsch (1539) 133ᵇ; decentia fug, zimligkeit, zierligkeit Frisius dict. (1556) 367ᵇ; auch gab im das ein grosze stewer und zierlicheit, dasz er mit der spraach ein wenig stammlet, welches im doch wol anstand Xylander Plutarchus (1580) 48ᵃ; decentia, convenientia quaedam et pulchritudo wolstand, zierligkeit Calepinus (1598) 374ᵃ; zierligkeit im reitten Guarinonius grewel d. verwüstg. (1610) 1222; Kalamis soll sie ... bekleiden ... mit der edeln zierlichkeit ihres anzugs Wieland Lucian (1788) 3, 287; obwohl wir dieses unser werk mit geziemender zierlichkeit geschichte betitelt haben, und nicht leben und thaten, oder leben und meynungen, wie wohl mehr die mode ist J. J. Chr. Bode gesch. d. Thomas Jones (1786) 1, 127; die ... herrschende gesinnung wird keine eitele modenveränderungen und keinen luxus mehr dulden, aber ehrbare zierlichkeit und bequemlichkeit wird in allen familien ... geliebt und geübt werden Jung-Stilling s. schr. 3, 496 Grollmann.
3)
gesittung, höflichkeit: adeliche weiber sind auch die, so ... den maͤnnern mit gehorsam, fleisz, zierlichkeit und freundlichen geberden bevor gehen Moscherosch gesichte (1650) 2, 270; politesse die hoͤfflichkeit, zierlichkeit Spanutius (1720) 372; dann zeichneten sich wieder einige pilgrimme aus, denen man, trotz ihrer grauen kleider und muschelhauben, ansah, dasz sie vom hofe kamen, indem eine gewisse vornehmsittige zierlichkeit sie verrieth Fouqué zauberring (1812) 1, 6; sie (die bauernwelt) ist eine sphäre, so mit derber natur wie mit sitte und ceremonie ausgefüllt und gar nicht ohne anmuth und zierlichkeit Immermann w. 1, 216 Hempel; unter Sallys beistand fing miss C. an, mich in verfertigung jener kleinen namenlosen zierlichkeiten zu unterrichten, in welchen junge, frisch aus der pension kommende Engländerinnen meisterinnen sind Joh. Schopenhauer jugendleben (1838) 1, 206.
4)
vornehmheit, galanterie, artigkeit a) in der erfüllung gesellschaftlicher formen: was soll ich ferner sagen von andern heroischen tugenden e. f. g. ... von der sonderlichen zierlichkeit in sitten Nigrinus v. zäuberern (1592) 249; es ist genug, dasz man selbst solche hoͤfliche zierligkeit im wercke erweiset Chr. Weise d. drey klügsten leute (1675) 327; man hat Frankreich gleichsam zum muster aller zierlichkeit aufgeworfen Leibniz dt. schr. (1838) 1, 458;
und eh er vor gericht des urtels huͤlfe sucht,
sich nach der zierlichkeit im zweykampf laͤst erschlagen
Heräus ged. u. lat. inschrift. (1721) 237;
elegantia schoͤnheit, hofzucht, zierlichkeit Dentzler (1716) 1, 229ᵃ; galanterie zierlichkeit, angenehmes bezeugen, hoͤfflichkeit cur. bauern-lex. v. Belemnon (1728) 82; er reichte der königin Ginevra voll edler zierlichkeit die rechte hand Fouqué altsächs. bilders. (1818) 4, 425; der ritter hob die dürren finger der dame mit altgewohnter zierlichkeit an seine lippen Raabe schüdderump (1870) 3, 149; vornehmigkeit und zierlichkeit E. M. Arndt s. w. (1892) 1, 17; alles (war) von einer groszartigen eleganz und zierlichkeit H. Seidel Leberecht Hühnchen (1899) 93. b) hierher die seltenen fälle, in denen zierlichkeit wie zier I B 2 a und zierde II 3 a gebraucht wird:
es kans ja niemand nicht verneinen,
dasz er des stammes zierlichkeit,
ein aͤdles licht der lieben seinen
Neumark fortgepfl. musik.-poet. lustw. (1657) 1, 446;
Bernhardus: Jesu decus angelicum, in aure dulce canticum, in corde nectar coelicum, in ore mel mirificum! Jesu der engel zierlichkeit, in ohren eine herrligkeit, in hertzen eine suͤszigkeit, im munde eine liebligkeit Meyfart himl. Jerusalem (1664) 2, 230; gnaͤdige, hochzuehrende herren, gnaͤdige damen, ew. zierlichkeiten wollen geruhen, dasz ich denen selben die uͤbersetzung eines werks unterthaͤnig zuschreibe, welches ... nothwendig ew. zierlichkeiten hohe genehmigung und beyfall verdienen musz E. G. Küster das modebuch (1768) 4. c) gewandter oder galanter und raffinierter stil in schrift und rede: die zweite arth zu schertzen besteht in der zierlichkeit, hoͤfflichkeit, anmuͤtigkeit und sonderlich in der sinnreichen erfindung Zinkgref apophthegmata (1628) 8ᵃ;
ihr (der poeten) thun ist so gefasset,
dasz ihre süszen sachen
viel buler ihnen machen;
dass ihre zierligkeiten
die sinnen mächtig leiten
Logau sinnged. 531 lit. ver.;
den in den zierlichkeiten kein höfling noch erreicht,
wenn witz und schelmereien er vor den damen zeigt
Fr. v. Heyden wort d. frau¹⁵ (1867) 98;
eine art von leichtsinniger zierlichkeit bei ernsthaften und wichtigen (dingen) kleidet ihn (den edelmann) wohl Göthe I 22, 150 W.; die Teseide hat nichts von der leichten zierlichkeit ..., womit dort der liebeshandel ... erzählt ist Fr. Schlegel s. w. (1846) 8, 32. d) modische eleganz der kleidung: eine weltliche kleidung, die zwar ganz verdorben und zerrissen war, der man aber noch die ursprüngliche zierlichkeit ansah E. Th. A. Hoffmann s. w. 2, 264 Gr.; der anzug kleidete sie gar zu wenig! die gestalt war von städtischer zierlichkeit gar zu weit entfernt! M. Meyr erz. a. d. Ries (1868) 2, 94; elegantia, munditia, lautitia, cultus, ornatus schoͤne, zierligkeit Calepinus XI ling. (1598) 470ᵇ; zierlichkeit elegance, eleganza Hulsius-Ravellus (1616) 431ᵇ; insbesondere putz und schmuck an ihr: hat auch die weiber underricht, die guldin beklaidung und ander ir ... zierlycheit, und so sunst zuͦ unkeüscheit gedienet haben, weck und abzetuͦn Burleus de libera vita (1490) 26ᵇ; allerdings ist der luxus sehr verderblich; dieser wird aber durch völlige abneigung gegen schmuck und zierlichkeit nicht verbannt Solger vorles. üb. ästhetik (1829) 103; das militär in seiner ganzen pracht und zierlichkeit Göthe I 33, 285 W. e) übertriebene vornehmheit, unnatürliche, gezierte haltung:
sie zerrt das lippenpaar bald hin bald wieder her,
bald hoch, bald in die läng, bald zu, bald in die quer.
sie lacht sich selbsten an, und mitten in dem lachen,
da kan im spiegel sie viel zierlichkeiten machen,
wormit den liebsten sie vermeynt zu nehmen ein,
da spielen sie verliebt mit ihren äugelein
Rachel satyr. ged. 132 ndr.;
es ist eine eingebildete zierlichkeit oder bescheidenheit, wenn manche briefsteller schreiben: dero zuschrift habe erhalten, ohne das ich Gottsched dt. sprachkunst (1748) 413; aber bey einem artigen jünglinge ist das eine zierlichkeit (den kopf auf den spazierstock sinken zu lassen) B. Mayr päckchen satiren (1769) 62; man findet darin eine taktrichtige, widernatürliche zierlichkeit, eine hochtrabende menuettenmanier, die auf den tanzboden gehört Sturz schr. (1779) 1, 92; die gezierte zierlichkeit, eine erzwungene und übel verstandene gratie Winckelmann w. (1808) 5, 274; das unfähige parterre beklatscht sie, dasz alles brechen möchte, und merkt nicht, dasz wir ein knaul von zierlichkeiten sind Göthe I 45, 78 W.; die heutige zierlichkeit ist der tod aller lustbarkeiten J. Möser s. w. (1842) 1, 348.
5)
feierlichkeit, förmlichkeit: und ist das ubergeben des spies inn beiwesen zum wenigsten zweier anderer des herrn lehenmannen mit einer zierligkeit geschehen die lehenrecht verdeutscht (Lpz. 1533) A 7ᵃ; und mit diser weis von wegen der zierlichait oder zaichen der intronisation, und ain merere gnad gottes zu erlangen, beschehen, haben etlich kaiser inen die königliche kron die baͤpst lassen aufsetzen Marx Müller v. Westendorff Marsilius v. Padua (1545) 45ᵃ; warum wildu dann got und der kirch nit gesteen ainer gerechtikait in gotszdinsten und christenlicher zierlikaiten, die den glawb und gehorsam betreffen Berthold v. Chiemsee tewtsche theologey 120 Reithm.;
zwar ich solte dich begruͤszen,
mit noch beszrer zierlichkeit,
aber weil wir annoch muͤssen
leben in der trauerzeit
bringt die feder nur hervor,
was sonst thuͦt der seitenchor.
Neumark fortgepfl. musik.-poet. lustw. (1657) 1, 213;
geläufig namentlich im gerichtlichen verfahren als vorgeschriebene gesetzliche form, formalität: wie hoch von noͤtten sei zu wissen die zierligkeit der gannt in etlichen sonderbaren verkauffungen, ... das wirt ain iedtlicher hernach folgendt leichtlich zuͦ erwegen haben ganntrecht (Ingolst. 1566) A 3ᵃ; in allen vor in fuͤrprachten sachen geen sie kuͤrtzlich und schleinig hindurch one weitleuftigkait und zirlichkait der gericht (sine strepitu et figura judicii) (Nürnberg) chron. d. dt. st. 11, 797; (soll) darin auch summarie und on zirlicheyt des rechtlichen process procedirt, gehandelt und die urtheyl one weiter appellation und suchung volnzogen werden Carolina (1532) art. 12; welcher ein testament in disem erzherzogthumb Österreich unter der Enns thuet und dasselb mit den zierlicheiten, wie dieselben hie im prauch sein, aufrichtet Walthers privatrechtliche traktate aus dem 16. jh. 179 Rintelen; arbiter ein willkorlicher richter, welchem beide partyen freywillig willigend, und zuͦ einem richter in irer sachen nach seinem besten verstand, one alle zierligkeit und rechtsordnung zu sprechen erwellend, schidmann Frisius dict. (1556) 111ᵇ; der dritte schmaͤhete einen andern, der seines anverwandten letzten willen wegen mangel einer spitzfindigen zierligkeit umgestoszen ... haͤtte Lohenstein Arminius (1689) 1, 62ᵇ.
III.
indem der ältere begriff der pracht und kostbarkeit zurücktritt, geht zierlichkeit auf die wohlgefällige form und anordnung.
1)
natürlichen schmuck oder schönheit bezeichnend:
dess geschöpfs zierligkeit
zeugt dess schoͤpffers herrligkeit
Petri d. Teutschen weiszh. (1605) 2, P 6ᵃ;
das pflanzen- und thierreich hat seine zuͤge von schoͤnheit und zierlichkeit in form, ebenmasz und farbenmischung S. v. Laroche frl. v. Sternheim (1771) 1, 192; der wichtigste aller sichtbaren gegenstände ist der mensch, nicht wegen der zierlichkeit seiner form, ... sondern desswegen, weil diese form ein bild der seele ist Sulzer theorie d. schön. künste (1792) 1, 410; eine halb braun und weisze taube von ganz besonderer zierlichkeit Gutzkow zauberer v. Rom (1858) 1, 25. vielfach als eigenschaft der deutschen und anderer sprachen hervorgehoben: obschon unsere teutsche sprach an der menge auszerlesener woͤrter, an vollkommenheit ansehnlich begriffener und weitlaͤuffig auszgefuͤhrter umbkreisz, auch gantzer reden zierlichkeit einiger anderer sprach nicht weichet J. H. Schill teutsch. sprach ehrenkranz (1644) 122; die teutsche sprache zu lieben und derselben ausuͤbung, rein- und zierlichkeit kraͤftig zu befoͤrdern Neumark neuspross. teutsch. palmb. (1668) 197; allein ich kann es nicht nach der tiefen sprache und zierlichkeit geben J. Böhme s. w. 2, 205 Schiebler; bis ihnen (den kindern) alle lateinische wortfügungen, eigene redensarten und ursprüngliche zierlichkeiten so geläufig sind, als ob es ihre muttersprache wäre Gottsched anmuth. gelehrsamk. (1751) 2, 106;
die deutsche zierlichkeit ist nicht den Meisnern eigen,
der Baier kann sie so gut, und selbst der Schweizer zeigen;
der freien völker zahl, die Deutschlands weite hegt,
wird keiner sprachkunst joch von Sachsen auferlegt
Kästner w. (1841) 105;
ich bewunderte (an der lateinischen sprache) den prächtigen klang, die bestimmtheit der umendungen ..., die kürze und zierlichkeit des ausdrucks J. H. Voss antisymb. 2 (1826) 187; der heitere frohsinn des französischen charakters, welcher den dichterischen werken dieser nation anziehenden reiz und leichte zierlichkeit ... leiht W. v. Humboldt ges. schr. (1903) 2, 39.
2)
steht für formschönheit, die ihren grund in gefälliger ordnung hat, sei es, dasz diese von natur mitgegeben ist oder von geschickter hand herrührt: du bist kein guter saͤnger und dichter, wenn du auszerhalb der regeln der music singest, und ihre zierligkeit nicht in acht nimbst Lehman floril. polit. (1662) 4, 152; das 3. cap. von rein- und zierligkeit der worte und rede Aug. Buchner anleit. z. dt. poeterey (1665) 19; der (baumeister) wird ... den grundrisz, damit alles in schoͤne ordnung, gewisse abmessung und zierlichkeit komme, dem bauherrn vorzustellen (wissen) Hohberg georg. cur. (1682) 1, 21; die labyrinthen und irrgaͤrten sind auch eine grosze zierlichkeit der lustgaͤrten ebda 1, 594; man musz die sorgfalt und zierlichkeit in der anordnung bewundern H. Meyer gesch. d. bild. künste (1824) 1, 102; die ganglienkugeln sind oft mit groszer zierlichkeit und regelmäszigkeit geordnet Sömmerring menschl. körper (1839) 6, 773;
wie des eingeweides ebenheit den ewigen,
wie der milz und leber adernbunte zierlichkeit
und welche farbe recht und wohlgefällig sei
J. G. Droysen Äschylus (1842) 429;
diese ... sorgfalt erstreckte sich auf den ganzen anzug, der ... in sorglicher farbenzusammenstellung und harmonischer zierlichkeit den körper umschlosz H. Seidel vorstadtgesch. (1880) 44; eine ausgabe eines griechischen buches ..., der wir an schönem druck und prunkloser zierlichkeit keine ... vorziehen dürfen Gerstenberg recensionen 342 lit.-denkm.
3)
zeugt von geschmack und wirkt darum gefällig: zierlichkeit, ist die dritte hauptabsicht eines bauherrns, worauf ein ieder bauverstaͤndiger wohl acht zu geben hat. vornehmlich verstehet man hierunter dasjenige, was Vitruvius eurithmiam nennet, und eben dasjenige ist, was dem auge und gemuͤthe des ansehenden wohlgefaͤllt Wolff mathem. lex. (1747) 1442; reinlichkeit und zierlichkeit (der Eglisauer brücke) Göthe III 2, 154 W.; ein langer bogengang, von wildem weine ... führt zum sogenannten schlosz, einem uralten, nicht ohne zierlichkeit und symmetrie, gänzlich von holz aufgeführten gebäude Holtei vierzig jahre (1843) 1, 354; und so genossen wir eines gastmahls, das mit überflusz und zierlichkeit bereitet war Göthe I 43, 81 W.; die worte bestehen in dreyerley; inn der elegantz oder ziehrligkeit, in der composition oder zuezammensetzung, und in der dignitet und ansehen. die ziehrligkeit erfordert das die worte reine und deutlich sein. damit wir aber reine reden mögen, sollen wir uns befleiszen deme welches wir hochdeutsch nennen besten vermögens nach zue kommen, und nicht derer örter sprache, wo falsch geredet wird, in unsere schrifften vermischen Opitz dt. poeterey 27 ndr.
4)
unter betonung des angenehmen erhält zierlichkeit den sinn annehmlichkeit, bequemlichkeit: hiemit fuͤhrte ich sie in meine wohnstube, alwo sie sich uͤberaus uͤber die zierlichkeit derselben verwunderten Zend. à Zendoriis teutsche winternächte (1682) 710; sie ... eilte hinab in ihre wohnung, nach deren behaglicher wärme und zierlichkeit sie sich sehnte Holtei erz. schr. (1861) 27, 36; behagliche eleganz, zierlichkeit und feinheit, verbunden mit würde, zeichneten dieses zimmer aus W. Hauff s. w. (1890) 2, 111; sie ... haben ... ihre vor diesem unleidsame spraach gewehnet, sich under das joch der buchstaben und zierlichkeit zu begeben theatrum amoris (1626) vorr. 3ᵃ.
IV.
im vordergrund steht die kunstvolle bearbeitung.
1)
diese äuszert sich in kostbarkeit und pracht: von der sonderbaren zierlichkeit, auch wegen allerhand daselbst befindliche ergötzlichkeit der behausung d. Fausti Widmann Faust 215 Keller; zu welcher zierlichkeit es die holzbaukunst ... in steinarmen ländern gebracht hat Vischer ästhetik (1846) 3, 97.
2)
sie bezieht sich auf die kunstvolle verzierung a) an gegenständen: um wie viel es aber eine dieser völkerschaften der andern hierin zuvor thut, das läszt sich ... blos danach beurtheilen, ob sie in ihrem häuslichen leben schon mehr oder weniger bequemlichkeit zu erfinden, oder ihren handarbeiten mehr oder weniger zierlichkeit zu geben gewuszt J. G. Forster s. schr. (1843) 2, 277; die uluris (art kleidungsstück) sind mit grosser zierlichkeit gefertigt v. d. Steinen naturvölker Zentralbrasil. (1894) 194. b) auf künstlerische wortwahl in rede oder schriftwerk und auf kunstvollen bau einer sprache:
es ist aber keim heiligen eben
von gott dem herren nie gegeben
dasz er auszsprechen möcht besunder
mit zirligkeit all seine wunder
Hans Sachs 19, 186 Goetze;
du, guͤldne leyer, nun ist zeit,
zue suchen alle ziehrligkeit
die ein poete wissen soll
Opitz dt. poeterey 49 ndr.;
die zährenbach, die ich hierüber ausgegossen,
die liesze mir nicht zu der sätze zierlichkeit.
so ist die schrift auch selbst zusammen ganz geflossen,
dasz man kein ordnung sieht
P. Fleming dt. ged. 1, 109 lit. ver.;
Cicero ... der fuͤrst der lateinischen zierligkeit Gueintz dt. rechtschrbg. (1666) 8; da denn die kluͤgsten und verstaͤndigsten, derer alten autorum schrifften mit sonderbahren zierligkeiten umbsetzten Ettner v. Eiteritz mediz. maulaffe (1719) 3ᵇ; die besten schriftsteller in der Schweiz ... ereifern sich, es zu einem hohen grade der zierlichkeit ... in der ... hochdeutschen sprache zu bringen Nicolai lit. br. (1759) 7, 158; es steckt gar keine zierlichkeit darinnen (in den gedichten): weil man alles verstehet Petrasch s. lustsp. (1765) 1, 293; voraus aber ist solchs zu erkennen aus irer sprach welche an woͤrtern so reich und uberfluͤssig, und der zierligkeit halben so kuͤnstlich ist, dasz die, so sich darauff verstehn, sie der griechischen und lateinischen sprach furziehen M. Quad enchirid. cosmogr. (1604) 28ᵇ; in ihrem (Tiecks) don Quixote erkenne ich die reiche zierlichkeit, die wohlklingende und gerundete umständlichkeit der castilianischen prosa A. W. Schlegel in: Athenäum 2, 277.
3)
bewertet den stil von erzeugnissen der kunst, besonders von literarischen werken, a) ihren gefälligen und gewählten stil anerkennend: dardurch teutsche sprach in zierligkait ... gewachssen Schaidenreisser Odyssea (1537) vorw. 6; concinnitas zierligkeit, geschickligkeit, schoͤne und wolgestalte eines dings Calepinus (1598) 293ᵃ; ornatu rhetorico mit zierligkeit der redekunst Orsäus nomencl. meth. (1623) 141; das dritte noͤthige buch waͤren grundleren einer zierlichkeit im schreiben, wobey man sich der erfahrung aus andern fleisziger ausgearbeiteten lebenden und todten sprachen bedienen kan Heräus ged. u. inschr. (1721) 275; denn Hamann hat solche zierlichkeiten in dem abdruck seiner schriften, dasz etwas ähnliches vor augen zu sehn, den leser zu dem innern sinne hinneigen würde Göthe IV 25, 135 W.; wegen einer gesuchten zierlichkeit im ausdruck Jacobi s. w. (1807) 1, xii. von der malerei: sonsten gebrauchen sie (die Russen) gemahlete bilder, welche ohne sonderliche kunst und zierligkeit rauchgehl ... auff bretter gemahlet Olearius pers. reisebeschreib. (1696) 150ᵇ; da doch unstreitig, dasz die ähnlichkeit bey einem bildniss höher zu schätzen, als die schönheit und zierlichkeit Triller poet. betracht. (1750) 1, 396; von der plastik: die sitzenden (statuen), wenn nicht mit groszem geschmack gedacht, mit liebenswürdiger zierlichkeit ausgeführt, behalten etwas schweres Göthe IV 36, 51 W. b) die geschmackvolle übereinstimmung von gehalt und ausdruck rühmend: überhaupt bestehet die zierlichkeit in schönheit, die nicht durch einmischung besonderer schöner theile, sondern durch die beste wahl des nothwendigen hervorgebracht wird Sulzer theorie d. schönen künste (1792) 4, 758; da wil man sich aller zierlichhait, zumahl an woͤrttern und in sententzen befleiszen J. v. Ramingen oeconomia (1567) B 2ᵇ; welche rät und rede yetz gemelt ich von irer schöne und zierlichhait wegen von dem latine hab gebrǎcht zuͦ tütsch Niclas v. Wyle translationen 145 Keller;
ihr schenket uns nun wieder
des Opitz zierligkeit
Zesen verm. Helikon (1656) 1, B 3ᵇ;
und hätte dir diss werk, geehrter, nicht gefallen,
so stünd es nicht befelsst in seiner zierligkeit
Stieler geharnschte Venus 98 ndr.;
die zierlichkeit und leichtigkeit der schreibart Leibniz dt. schr. (1838) 2, 417; ich habe nur den Macrobius lesen dürfen, wo er die eigenthümliche bedeutung und zierlichkeit verschiedner wörter des Virgils erklärt Lessing 6, 257 L.-M.; ob in seinen gedanken und ausdrücken richtigkeit und zierlichkeit ... herrscht Ramler fabellese (1783) 1, 140; man hat auf dreierlei zu sehen, wenn man die schönheiten untersuchen will, die in der heiligen schrift vorkommen: ... schöne und mannigfaltige figuren, wie nicht weniger die kraft, der nachdruck und die zierlichkeit der worte selbst M. Mendelssohn ges. schr. (1843) 4, 1, 174; die dramatische bewegung der beiden ersten scenen ist gering und die zierlichkeit in den reden der wählenden nicht reizvoll genug G. Freytag ges. w. 14 (1887) 75; vom vortrag: wer auff solche arth und weise (so übermäszig laut) den alcoran lieset, benimpt ihm seine beste zierligkeit A. Olearius pers. rosenthal (1696) 4, 14. von der bau- und bildenden kunst: ich theile über die baukunst der alten einige anmerkungen ... mit, und dieselben betreffen zwei theile, nämlich das wesentliche der baukunst, und die zierlichkeit derselben Winckelmann s. w. (1825) 2, 351; wir lieben die zierlichkeit ohne übermasz, und die weisheit ohne weichlichkeit ebda 1, 131. von der musik: endlich soll ... ein geschickter praktischer musikant eine gute ... spielart haben: dasz er also ... verschiedenen noten noch eine gewisse zierlichkeit giebt Scheibe crit. musicus (1745) 121; er hat auch viel kammerstücke verfertigt, die in gleicher schönheit und zierlichkeit glänzen Schubart ästhetik d. tonkunst (1806) 153. c) im gegensatz dazu das gekünstelte und unnatürliche am stil tadelnd: unsere sprache selbst ist nicht natuͤrlich, ... sondern ... voller lateinischen, italienischen und frantzoͤsischen vermeinten zierlichkeiten Gottsched vernünft. tadlerinnen (1725) 1, 9; Lully ..., den sie ... einen todfeind aller triller, und aller nichts bedeutenden gekräuselten zierlichkeiten der wälschen bühne nennen ders. anmuth. gelehrsamk. (1751) 7, 94; auch gewinnt das colorit und der ton dadurch etwas antikes, naturkräftiges, von der modernen zierlichkeit abstechendes, kurz etwas Homerisches, das ich besser fühlen als sagen kan Wieland an Bürger 1, 303 Strodtmann; kein wunder daher, dasz die beschreibende poesie minder lebensfrisch, oft nüchtern und von gekünstelter zierlichkeit ist Humboldt kosmos (1845) 2, 42; ohne dasz irgendwo pedanterie sich zeigt, die ... die zeit durch ein streben nach übertriebener gleichmäszigkeit und zierlichkeit vergeudet, machen diese partituren (Mozarts) den eindruck einer ... zweckmäszigen ordnung O. Jahn Mozart (1856) 3, 454. d) ein ansprechendes äuszere ohne tieferen gehalt anzeigend:
andere schoͤne blumen legen
ihre frembde zierligkeit
dieser demuth (des vergiszmeinnichts) zwar entgegen;
doch sie irren trefflich weit
Chr. Weise d. grünend. jugend überfl. gedanken 29 ndr.;
die biblischen schriftsteller wissen nichts von der falschen zierlichkeit, die spätere declamatoren ins leiden Christi gebracht haben Herder 19, 84 S.; jede form scheint uns dürftig und abgeschmackt, welche zu gunsten der zierlichkeit den reichthum des stoffs zurückdrängen möchte Fr. v. Gentz schr. 4, 329 Schlesier; seine bücher ... haben mich immer zurück geschreckt, und ich habe früher meinen töchtern lieber manche andre erlaubt, die nicht in so gutem rufe stehn, denn gerade ihre weichliche zierlichkeit habe ich für schädlich gehalten Tieck schr. (1828) 4, 112. e) schmucke, saubere form meinend: als ich ihren brief, der mit akademischer zierlichkeit zusammengelegt war, empfing Gutzkow ges. w. (1872) 6, 193; kraft hat sie nicht, aber geschmack, und jene minutiöse zierlichkeit, die frauen eben so anziehend wie der männlichen kritik fatal ist A. v. Droste-Hülshoff an L. Schücking 159.
4)
sie steigert sich zu pracht und gepränge in erscheinung und zurüstung; die Wenzelbibel setzt für das ältere gezierde (s. teil 4, 1, 4, 7108) und zierde (s. ob. sp. 1161) der bibelstelle 1. Mose 2, 1 zierlicheit ein, s. Jelinek wb. 991; andere belege beziehen sich auf festliche veranstaltungen, später auch auf gegenständliches: Epicurus ... ordnet an, das der tag seiner geburt ... järlich und mit groszer zierlichait solt gehalten werden Albr. v. Eyb spiegel d. sitten (1511) L 8ᵇ; die zoch irs wegs mit groszer zierlicheit, costlicheit und geschmück uf einer rossbarn und einem herlichen stuel darauf gericht sitzende Wilwolt v. Schaumburg 144 lit. ver.; sie moͤchte sich aller zierligkeiten und gepraͤnges ... gaͤntzlich enthalten Lohenstein Arminius 2 (1690) 400ᵇ; dahero sahe das volck, wie der fruchtbare regen von zierligkeiten fiele, der liebliche thau von holdseligkeiten lage J. M. Meyfart teutsche rhetorica (1653) 155; zwar stand die säulenvorhalle mit ihrem giebel noch aufrecht, aber ich trat nur zu bald über den schutt der eingestürzten schöngewölbten decken; ... hie und da war noch ein rest alter pracht und zierlichkeit (der dechanei) zu sehen Göthe I 33, 316 W.
5)
gewinnt schlieszlich konkreten sinn und bezeichnet, wie zierat, zierde, zierheit und zierung, kleinodien, pretiosen, schmucksachen; in den glossaren steht es für apparatus Diefenbach gl. 42ᵃ, insigne 300ᶜ, ornamentum 401ᵃ; zierlicheit der fürsten insignia sunt ornamenta principum vocab. teuth. (1482) 302ᵃ; lit. belege: verpran der thuͦmb und die grosz kirchen zuͦ Speir mit den allergrösten glogken und vil zierlichait (Augsb.) chron. d. dt. st. 22, 103; was hilfft es doch, so wir der gantzen welt guͤter, sampt allem pracht und zierlicheyt eroberten Ryff spiegel d. gesundh. (1544) aa 3ᵃ; die knecht ... brachten in (den hauptmann) samt seiner bullen, darin vil guͤldener ketten, patter noster, guͤldener creuz, mencherlai zirlicheit funden wart Wilwolt v. Schaumburg 133 lit. ver.;
o unerhörte zierlichkeiten,
die dort an deinen wenden stehn.
mich deucht, ich kan itzt schon im weiten
die klarheit deiner mauren sehn
bei Fischer-Tümpel ev. kirchenlied 4, 555ᵃ.
V.
in der letzten phase der bedeutungsentwicklung dringt die vorstellung des feinen und kleinen, der anmut, lieblichkeit und der grazie durch.
1)
anmutige schönheit, hübschheit: ein feingebauter jüngling, dessen wuͤrksamkeit sich durch ... reinheit, zierlichkeit auszeichnet Lavater physiogn. fragm. (1775) 2, 227;
sie steht so fest auf ihren kleinen füszen,
ein bild von zierlichkeit vereint mit kraft
H. Heine s. w. 1, 428 E.;
das kleine städtchen Bartenstein, an der Alle gelegen, erhielt von den topographen des herzogtums Preuszen das lob, dasz es an zierlichkeit allen kleinen städten des landes voranginge Fr. Meinecke Boyen (1896) 1, 24.
2)
grazie, anmut, lieblichkeit:
die jungfern sind ein volck, sind unter uns gestellt
als engel in der zeit, als wunder in der welt;
sie sind ein kurtz begrieff von allen zierligkeiten,
der menschheit höchster schmuck, ein vorbild jener zeiten,
wo alles klar wird seyn, ein muster erster art,
eh uns der sünden schmach in Eden erblich ward
Logau sinnged. 281 lit. ver.;
beide waren ... trotz einer gewissen zierlichkeit in tracht und haltung ziemlich dürftig Holtei erz. schr. (1861) 2, 3; zu der zierlichkeit der körperlichen erscheinung des kindes fügte sich von tag zu tage wundervoller eine unbeschreibliche zartheit des gemüthes Raabe schüdderump (1870) 2, 103;
wie ihre (der primel) zierlichkeit, gestalt, krafft, farb und pracht ...
in sanfter harmonie erklinge
Brockes ird. vergnügen 4 (1744) 31;
und jedes knöspchen, blümchen der zierlichkeit
Klopstock oden (1889) 2, 17;
derjenige theil ihrer haare, der noch aufgesteckt ist, mildert durch weibliche zierlichkeit ihr sprödes ansehn, dagegen der herabhängende das männlich-wilde vermehrt Göthe I 49, 1, 85 W.; ihre hände ... hielten mit besonderer zierlichkeit ein winziges parasölchen M. v. Ebner-Eschenbach ges. schr. (1893) 2, 429. gern haftet diese vorstellung an der bewegung: ihre bewegungen zeigten kraft und zierlichkeit B. Auerbach schr. (1892) 4, 164; langsam und mit einer gewissen natürlichen zierlichkeit setzten sie einen fusz um den andern vorwärts und keiner sprach ein wort G. Keller ges. w. (1889) 4, 75; also machte es (das männlein) mit einer oder der anderen jungfrau allzeit drei tänze und zwar mit besonderer zierlichkeit Grimm dt. sagen (1891) 1, 25; erzfigürchen einer göttin, welche ... ihr gewand in tanzmäsziger zierlichkeit gefaszt hält E. Gerhard akad. abhandl. (1866) 1, 323; das totenköpfchen ... ist durch seine niedliche gestalt ... ebenso ausgezeichnet wie durch die zierlichkeit der bewegungen Brehm tierleb. 1, 248 P.-L.; auch eigenschaft schriftlichen stils: seine grazie und seine zierlichkeit der diction erhält uns durchaus in aufmerksamkeit J. J. Chr. Bode Montaigne 3, 194; es ist wohl lange nichts von solcher anmuth, zierlichkeit, einfachheit geschrieben, was zugleich so unschuldig und ansprechend und so bedeutsam ist (1811) W. Grimm an P. Wigand 92.
3)
anmutige, graziöse geschicklichkeit: (Philine) kräuselte die haare unsers freundes mit groszer leichtigkeit und zierlichkeit Göthe I 21, 147 W.; sie (Mignon) schlug das tambourin mit aller möglichen zierlichkeit und lebhaftigkeit ebda I 22, 207 W.; sie ... that alles mit so unbegreiflicher zierlichkeit Brentano ges. schr. (1852) 4, 257.
4)
in der bildenden kunst und an bauten die sorgfältige, detaillierte, künstlerische arbeit und ausführung: seine gemälde haben mehr stärke als zierlichkeit J. A. Cramer nord. aufseher (1758) 3, 32; Parrhasius ... war der erste, der den köpfen der figuren ... ein holderes wesen, und die gratie, nebst mehrer zierlichkeit in den haaren gab Winckelmann s. w. (1825) 5, 439; in der sogenannten gothischen oder deutschen baukunst z. b., wo sie zum gefälligen fortgeht, finden wir eine ins unendliche ausgebildete zierlichkeit Hegel w. (1832) 10, 2, 250; hinter einem eisengitter steht eine art sarkophag, auf welchem mit der gröszten zierlichkeit ... schlachten abgebildet sind H. Laube ges. schr. (1875) 8, 213.
5)
der plumpheit und masse entgegengesetzte zartheit, schlankheit und gefälliger umrisz: ein mensch kann plumpe hände, plumpe füsze, einen plumpen gang, und andre bewegungen an sich haben. es ist also die plumpheit der zierlichkeit und artigkeit entgegen gesetzet Gottsched beob. (1758) 121; ich liebe (an den weibern) die zierlichkeit in den füszen und die melodie in der stimme, dies sind annehmlichkeiten, die oft eben so stark reizen, wie das gesicht L. Tieck schr. (1828) 12, 256; und doch gab es einige zierlichkeiten an dem vielgefürchteten manne, kleine füsze, weiche hände Gutzkow zauberer v. Rom (1858) 4, 192; sein zarter gliederbau ..., verbunden mit mehr zierlichkeit, ... erheben ihn (den seidenreiher) ... noch über jenen (den silberreiher) Naumann naturgesch. d. vögel (1822) 9, 110; von dem seltsamen ereignis und der zierlichkeit des schuhes betroffen, hiesz der könig durchs ganze land nach dem schönen fusz suchen J. Grimm kl. schr. (1864) 2, 389; an zierlichkeit der umrisse und an anmuthiger schlankheit erweckt der anblick des landes auf der sogenannten westlichen halbkugel eine viel gröszere ästhetische befriedigung als die etwas unbehilflichen ländermassen der alten welt O. Peschel völkerkunde (1874) 438. der plural erlangt hier gegenständliche bedeutung: wenn sie (die mutter) mit einer handarbeit am fenster sasz, oder ... die kleinen zierlichkeiten im zimmer vom staube reinigte, — immer erschien sie mir wie ein engel der güte, des friedens und wohlbehagens F. Eberty jugenderinnerungen (1878) 102; er ... kramte in einem pappkasten, in dem er allerlei zierlichkeiten und schnurrpfeifereien zu bewahren pflegte Storm s. w. (1898) 5, 246.
6)
leichtigkeit, zartheit und innigkeit: doch aber lobet sie ihn endlich ... mit lieblichster ziehrlichkeit sprechend sendschrb. d. Teresa von Jesu (1700) 43; an zierlichkeit und zartheit der poetischen mahlerey dürfte diese reihe kleiner kunstwerke wohl vor allen den kranz erhalten Fr. Schlegel in: Athenäum 1, 129; allein weder die zierlichkeit und der witz der einen (Ovids und Wielands), noch die gedankenreiche kraft der andern (Pindars und Klopstocks) war ihm gegeben D. F. Strausz Schubarts leben (1878) 1, 30; sie (eine gemalte skizze) ... wirkt hier besonders mit aller zierlichkeit und leichtigkeit einer studie, die nicht selten auch bei groszen meistern ... wahrer und tiefer wirken als bilder selbst Stifter s. w. 14 (1901) 42.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 8 (1951), Bd. XV (1956), Sp. 1210, Z. 8.

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Zitationshilfe
„zierlichkeit“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/zierlichkeit>.

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