Seele
f.
‘Gesamtbereich der menschlichen Empfindungen und des Erlebnisvermögens’,
in religiösem Sinne
‘der für unsterblich gehaltene spirituelle Teil des Menschen’,
ahd.
sēla
(8. Jh.),
mhd.
sēle,
asächs.
sēola,
siola,
sēla,
mnd.
sēle,
mnl.
siele,
nl.
ziel,
afries.
sēle,
aengl.
sāwol,
sāw(e)l,
engl.
soul,
got.
saiwala
(die
nordgerm. Ausdrücke
beruhen auf Entlehnung aus dem
Aengl.).
Herkunft unbekannt.
Man vermutet in
germ.
*saiw(a)lō
eine
l-Ableitung
von dem unter
See
(s. d.)
behandelten Substantiv
(‘die vom See Herstammende, zum See Gehörende’),
da nach altem Glauben der Germanen
die Seelen der Menschen vor der Geburt
und nach dem Tod im Wasser leben sollen.
Fraglich bleibt jedoch,
ob dieser Glaube allgemein verbreitet war;
daher wird auch die Meinung vertreten,
Seele
als bisher unerklärtes Tabuwort anzusehen.
Häufig sind formelhafte Fügungen und Wendungen;
vgl.
Leib und Seele
für die
‘körperliche und geistige Seite’
des Menschen,
mhd.
līp unde sēle,
ahd.
līhhamo joh sēla
(9. Jh.);
mit,
an Leib und Seele
‘völlig, ganz und gar’
(16. Jh.).
Auf der christlichen Vorstellung
des göttlichen Ursprungs der unsterblichen Seele beruhen Beteuerungsformeln wie
bei meiner Seele,
vgl.
mhd.
bī sēl und triuwe swern.
Die Seele wird als der innere,
der empfindende Teil des Menschen angesehen,
vgl.
jmdm. auf der Seele liegen
‘ihn belasten, bedrücken’,
auf der Seele haben
(18. Jh.),
auf die Seele fallen,
auf der Seele brennen
(19. Jh.);
etw. (eine Last)
von der Seele wälzen
(18. Jh.);
jmdm. aus der Seele sprechen
‘die Überzeugung, die Empfindungen eines anderen ausdrücken’
(19. Jh.).
Die Fügung
schöne Seele,
seit den Mystikern des 14. Jhs.
(
mhd.
diu sēle schœne)
bis ins 17. Jh. dem religiösen Bereich angehörend,
wird unter dem Einfluß
Wielands
(1750),
der „Nouvelle Héloïse“
Rousseaus
(
frz.
belle âme)
und der
engl. Romanliteratur im Sinne von
‘empfindsames, tugendhaftes Gemüt’
Ausdruck einer Harmonie von innerer Haltung
und äußerer Erscheinung.
Häufig mit charakterisierendem Attribut für
‘Mensch’
schlechthin,
vgl.
eine gute Seele
‘ein guter Mensch’,
fromme,
ehrliche,
arme,
schwarze Seele
(sämtlich 18. Jh.);
auch
keine Seele
‘niemand’
(17. Jh.),
200 Seelen
(18. Jh.);
eine Seele von Mann,
von Mensch
u. ä.
(18. Jh.).
Die alte Vorstellung,
daß sich die Seele im Hauch, im Atem manifestiere, liegt Ausdrücken für
‘sterben’
zugrunde:
seine Seele ausblasen
(17. Jh.),
mhd.
die sēle gēt ūʒ dem munde.
seelisch
Adj.
‘auf die Seele bezüglich, psychisch’
(16. Jh.).
beseelen
Vb.
‘mit einer Seele versehen’
(17. Jh.),
übertragen
‘mit Inhalt, mit Leben, mit Gefühl erfüllen’.
entseelt
Part.adj.
‘der Seele beraubt, tot’
(17. Jh.),
zu
entseelen
(16. Jh.).
seelenverwandt
Adj.
‘in seinem innersten Empfinden und Fühlen übereinstimmend oder ähnlich’
(18. Jh.).
Seelsorge
f.
‘Hilfe, Beratung und Leitung der Gemeindemitglieder’
(durch den Geistlichen im Auftrag der Kirche,
16. Jh.),
nach älterem
Seelsorger
m.
‘Pfarrer’
(15. Jh.),
frühnhd.
vereinzelt auch
‘Testamentsvollstrecker’
(15. Jh.).