ge-
gemeingerm. unbetontes Präfix
*ga-,
ahd.
ga-
(8. Jh.),
gi-
(9. Jh.),
abgeschwächt
ge-
(im 11. Jh. vorherrschend),
mhd.
ge-,
asächs.
gi-,
mnl.
ghe-,
nl.
ge-,
aengl.
ge-,
älter
gi-,
später
(als Folge von Palatalisierung,
vgl.
afries.
je-)
i-,
engl.
i-
(in
handicraft
‘Handwerk’),
y-
(in
everywhere
‘überall’),
e-
(in
enough
‘genug’),
anord.
g-
(in
granni
‘Nachbar’),
got.
ga-
(in
garazna
‘Nachbar’).
Die Bedeutung geht im
Germ. von dem Begriff des Zusammenseins,
der Zusammengehörigkeit, der Vereinigung aus,
am deutlichsten erkennbar in Substantiven,
die teilnehmende Personen bezeichnen
(
Gefährte,
Genosse,
Geselle,
Gespiele,
Gevatter),
seltener in Adjektiven
(
gemein)
und Verben
(
gefrieren,
gerinnen,
eigentlich
‘zusammenfrieren’,
‘zusammenrinnen’).
Zusammengehörigkeit führt zu der Verwendung von
ge-
in neutralen Kollektivbildungen
(
Gebilde,
Gebirge,
Geflügel,
Gerippe,
Gestirn,
Getier,
Gezweig),
teils auch mit Anlehnung an Verben
(
Gebäck,
Gedeck,
Gedicht,
Geflecht,
Gestell,
Getöse);
ferner drückt
ge-
das Ergebnis
des im zugehörigen Verb bezeichneten Vorgangs aus
(
Gebinde,
Gefüge,
Gespinst,
Gewölbe)
oder bildet Vorgangsbezeichnungen
(
Gebrüll,
Geflüster,
Geschrei,
Geschwätz,
Gewühl).
Oft ist
ge-
wohl bloßes
(gelegentlich verstärkendes) Ableitungsmittel.
In verbalen Zusammensetzungen wird durch
ge-
das momentane Geschehen ausgedrückt,
das entweder den Beginn oder den Abschluß eines Vorgangs bezeichnet
(
gebären,
gebühren,
gedeihen,
gefallen,
gehören,
gelingen,
genesen,
geschehen,
gestehen,
gewähren,
gewinnen,
gewöhnen).
Simplex und Präfixverb können auch nebeneinanderstehen,
wobei sich meist ein Bedeutungsunterschied herausgebildet hat
wie bei
bieten
–
gebieten,
brechen
–
gebrechen,
horchen
–
gehorchen,
hören
–
gehören,
raten
–
geraten,
reichen
–
gereichen,
stehen
–
gestehen.
Aus der perfektivierenden Funktion von
ge-
entwickelt sich der Gebrauch beim Part. Prät.,
der Vollendungsform des infiniten Verbs
(
gearbeitet,
gefunden,
gegeben,
gekommen),
wie auch die Verwendung bei der Bildung von Adjektiven
(
gelaunt,
gestirnt,
gewitzt).
Die Herkunft des Präfixes ist nicht geklärt.
Semantische Berührung besteht mit dem Präfix
lat.
com-
(s.
kon-)
und der Präposition
lat.
cum
‘mit, zusammen mit, zugleich mit’
sowie mit damit verwandtem
griech.
koinós
(
κοινός)
‘gemeinsam’
(aus
*κομι̯όϛ
‘miteinander gehend’),
der Präposition
air.
con-
‘mit’,
dem Präfix
air.
gall.
com-
‘(zusammen) mit’.
Diese führen auf
ie.
*kom
(Adv. Präfix und Präp.)
‘neben, bei, mit’,
das
germ.
*ham-
ergeben müßte,
so daß
germ.
*ga-
lautlich nicht hierher zu gehören scheint;
es sei denn,
man führt
germ.
g-
im unbetonten Präfix über
χ
auf
ie.
k-
zurück
und nimmt Nasalschwund an.