Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

gemein

Grammatik Adjektiv
Aussprache  [gəˈmaɪ̯n]
Worttrennung ge-mein
Wortbildung  mit ›gemein‹ als Erstglied: Gemeinbesitz · Gemeineigentum · Gemeingebrauch · Gemeingeist · Gemeingut · Gemeinheit · Gemeininteresse · Gemeinjahr · Gemeinkosten · Gemeinnutz · Gemeinplatz · Gemeinschaft · Gemeinschuldner · Gemeinsinn · Gemeinsprache · Gemeinspruch · Gemeinwerk · Gemeinwesen · Gemeinwille · Gemeinwillen · Gemeinwirtschaft · Gemeinwohl · Gemeinwortschatz · gemeindeutsch · gemeinfasslich · gemeinfrei · gemeingefährlich · gemeingültig · gemeinhin · gemeinrechtlich · gemeinsam · gemeinverständlich · gemeinwirtschaftlich
 ·  mit ›gemein‹ als Letztglied: allgemein · handgemein · hundsgemein · insgemein · ungemein
 ·  mit ›gemein‹ als Grundform: Gemeine2
eWDG

Bedeutungen

1.
abwertend niederträchtig und übelwollend den Mitmenschen gegenüber
Beispiele:
eine gemeine Tat, Handlungsweise, Gesinnung
er ist ein gemeiner Mensch, Verbrecher, Schuft
umgangssprachlicher ist ein gemeiner Kerl
sich (jmdm. gegenüber) gemein benehmen
an jmdm. gemein handeln
jmdn. gemein behandeln
du bist gemein!
das ist gemein (von dir)!
sei nicht so gemein zu ihm
im selben Atemzug, wie er sich seines gemeinen Verdachtes schämte, kam er sich um dieser Scham willen lächerlich vor [ FrischStiller305]
salopp, übertrieben sehr
Grammatik: adverbiell
Beispiele:
das tut gemein weh
er hat sich ganz gemein verbrannt
2.
abwertend unfein und unanständig, ordinär
Beispiele:
ein gemeiner Ausdruck
gemeine Witze, Redensarten
jmdn. mit gemeinen Worten beschimpfen
alles, etw. ins Gemeine (herab)ziehen
grob und widerwärtig
Beispiel:
gemeine Gesichtszüge, einen gemeinen Gesichtsausdruck haben
frech, unverschämt
Beispiel:
eine gemeine Lüge
3.
gemeinsam
a)
etw. mit etw., jmdm. gemein haben
Beispiele:
diese Eigenschaft haben sie, die beiden, Vater und Sohn (miteinander) gemein
die Neubearbeitung des Stückes hat nichts mehr mit der alten Fassung gemein
nichts mit jmdm. gemein (= zu tun) haben wollen
b)
sich mit jmdm. gemein machensich mit jmdm., der sozial oder moralisch tiefer steht, anfreunden, verbrüdern
Beispiele:
Jetzt können wir aufbleiben und sorgen, daß er nicht mit den Dienstboten trinkt und sich mit ihnen gemein macht [ BrechtPuntila2]
ich werde mich gerade mit dem Pack gemein machen! [ M. WalserEhen388]
c)
veraltet mit jmdm. gemeine Sache machensich mit jmdm. zusammentun
4.
allgemein
a)
Biologie bezeichnet die jeweils verbreitetste Art
Beispiele:
der Gemeine Löwenzahn
die Gemeine Stubenfliege
b)
veraltend
Beispiele:
der gemeine Nutzen
für das gemeine Wohl sorgen
es besteht kein gemeiner Anspruch auf Auserwählung, wohl aber auf Berufung [ RathenauKommende Dinge298]
c)
veraltend häufig
Beispiele:
Aus seinem deutschen Verbreitungsgebiet wandert der Rübenweißling, der überall in Mitteleuropa gemein ist [ Natur u. Heimat1956]
in den Bergen am Rande des Deltas sind sie [die vietnamesischen Hausschweine] in den Dörfern als Familienbesitz gemein [ Urania1962]
üblich
Beispiele:
Juradas gemeine (= allgemein geltende) Recht
Wirtschaftder gemeine Wert (= Wert, bei dem keine besonderen Umstände berücksichtigt werden, Liebhaberwert)
es war ihm … ganz gleichgültig, daß die geheimnisvolle Verheißung mit einer nach gemeinen Begriffen schimpflichen Handlung begonnen hatte [ MusilMann845]
die Leidenschaft dieser Messalina war zu mächtig, als daß man sie mit gemeinem Maß messen durfte [ HardenKöpfe335]
5.
veraltend einfach, sich nicht über den Durchschnitt erhebend
Beispiele:
der gemeine Mann
das gemeine Volk
er ist gemeiner Soldat (= Gemeiner)
Im allgemeinen kann man sagen, daß uns gemeinen Leuten Sieg und Niederlag teuer zu stehn kommen [ BrechtCourage3]
Etymologisches Wörterbuch (Wolfgang Pfeifer)

Etymologie

gemein · Gemeine · Gemeinde · Gemeinheit · gemeinsam · Gemeinsamkeit · Gemeinschaft · gemeinschaftlich · gemeinnützig · Gemeinplatz · Gemeinsprache · Gemeinwohl
gemein Adj. ‘gemeinsam, gemeinschaftlich, allgemein, gewöhnlich, niedrig gesinnt, niederträchtig, unfein, unanständig’. Das germ. Adjektiv ahd. gimeini ‘zuteil geworden, bestimmt, gemeinsam, gemeinschaftlich, allgemein, übereinstimmend, zugleich’ (8. Jh.), mhd. gemein(e) ‘zusammengehörig, gemeinschaftlich, allgemein, vertraut, bekannt, für alle eingerichtet, gewöhnlich, zur Masse gehörig, niedrig’, asächs. gimēni, mnd. gemēne, mnl. ghemēne, ghemeen, ghemein(e), nl. gemeen, auch ‘niedrig, niederträchtig’, afries. (ge)mēne ‘gemeinschaftlich’, aengl. gemǣne ‘allgemein, gemeinsam, gewöhnlich, niedrig’, engl. mean ‘gemein, gering, niedrig, schlecht’, got. gamains ‘gemeinsam, unheilig’ (germ. *ga-maini-) gehört wie lat. commūnis ‘gemeinsam, gemeinschaftlich, allgemein, gewöhnlich’ (s. Kommune, Kommunismus) als Präfixbildung zu den unter Meineid (s. d.) aufgeführten Substantiven mit n-Suffix und einer Grundbedeutung ‘Wechsel, Tausch’. gemein bedeutet danach ursprünglich ‘mehreren abwechselnd zukommend’, dann ‘mehreren in gleicher Art gehörig’, woraus sich ‘gemeinsam, gemeinschaftlich, allgemein’ entwickelt. Was mehreren oder vielen ‘gemeinsam’ ist, kann nicht ‘wertvoll’ oder ‘edel’ sein; gemein wird daher vom 15. Jh. an ‘einfach, gewöhnlich’ (der gemeine Mann, das gemeine Volk, der gemeine Soldat), im 19. Jh. auch verächtlich ‘niederträchtig, unanständig’ (gemeiner Schuft, Kerl). – Gemeine f. ‘Gemeinschaft, Gemeinde’, ahd. gimeinī (9. Jh.), mhd. gemeine, mnd. gemeine, gemēne, got. gamainei ‘Gemeinschaft’, abgeleitet von dem oben dargestellten Adjektiv. Im 19. Jh. weitgehend von Gemeinde abgelöst. Gemeinde f. ‘untere staatliche oder kirchliche Verwaltungseinheit und deren Bewohner bzw. Mitglieder, durch gleiche geistige oder religiöse Interessen verbundene Gemeinschaft, Gruppe von Menschen’, ahd. gimeinida ‘Gemeinde, Gemeinschaft’ (8. Jh.), mhd. gemeinde ‘Anteil, Gemeinschaft, gemeinschaftlicher Besitz, Menschen, mit denen man gemeinsam lebt, versammelte Menge’, asächs. gimēniða, mnd. gemēnde, mnl. ghemeente, ghemeinte, nl. gemeente, Ableitung mit dem Abstraktsuffix germ. -iþō, -iðō vom oben genannten Adjektiv. Gemeinheit f. ‘Niedertracht, Schlechtigkeit’ (Anfang 19. Jh.), mhd. gemeinheit ‘Gemeinschaft, der Gemeinde gehörender Grund und Boden’ (14. Jh.), im Sinne von ‘Gemeindegrund’ noch im 19. Jh., von ‘Gemeinschaft’ noch Anfang 20. Jh. Zum Ableitungssuffix s. -heit. gemeinsam Adj. ‘mehreren zugleich gehörend, für mehrere in gleicher Weise geltend, gemeinschaftlich, zusammen, miteinander’, ahd. gimeinsam (9. Jh.), mhd. gemeinsam; zum Ableitungssuffix s. -sam. Gemeinsamkeit f. ‘zusammengehörende Gruppe, Gemeinschaft, Zusammengehörigkeit’ (15. Jh.). Voraus gehen ahd. gimeinsamī ‘Gemeinschaft’ (um 800), mhd. gemeinsame, gemeinsamede. Gemeinschaft f. ‘sich durch etw. Gemeinsames verbunden fühlende Gruppe von Menschen, Zusammensein, Verbindung’, ahd. gimeinscaf (8. Jh.), mhd. gemeinschaft. gemeinschaftlich Adj. ‘eine Gemeinschaft betreffend, zu einer Gemeinschaft gehörig, gemeinsam, zusammen, miteinander’ (17. Jh.). gemeinnützig Adj. ‘dem Nutzen aller, der Allgemeinheit dienend’ (16. Jh.), ausgehend von mhd. der gemein nutz (14. Jh.). Gemeinplatz m. ‘allgemein bekannte, nichtssagende Redensart, Binsenweisheit’, von Wieland (1770) offensichtlich unter Einfluß von engl. commonplace gebildet und sich gegenüber Gemeinort, Gemeinsatz, Gemeinspruch durchsetzend als Übersetzung von lat. locus commūnis. Gemeinsprache f. ‘von einem Volk gemeinsam gesprochene, ihm gemeinsam zukommende Sprache’ (Campe 1807); vgl. gemeine teutsche Sprache (Luther). Gemeinwohl n. ‘Wohl aller, Nutzen für die Allgemeinheit’ (Ende 18. Jh.), wohl nach engl. commonweal für den älteren im Dt. üblichen Ausdruck das gemeine Gut; vgl. Gemeinwert (Herder 1780) für engl. commonwealth (ursprünglich gleichbed. mit commonweal).

Thesaurus

Assoziationen
Synonymgruppe
boshaft · bösartig · böse · fies · garstig · gehässig · gemein · hinterfotzig · hundsgemein · niederträchtig · perfid · perfide · ruchlos · schuftig · schurkisch · schäbig · schändlich · verabscheuenswert · verabscheuungswürdig · übel  ●  hundig österr. · verrucht veraltend · infam geh. · mies ugs. · schofel ugs. · über Leichen gehend ugs.
Assoziationen
Synonymgruppe
boshaft · gemein · untergriffig
Synonymgruppe
aggressiv · boshaft · bösartig · böse · gallig · gehässig · gemein · zynisch · ätzend  ●  giftig ugs.
Assoziationen
Synonymgruppe
bösartig · böse · böswillig · gemein · schlecht · übel  ●  fies rheinisch · sauber ironisch
Assoziationen
Synonymgruppe
08/15 · Allerwelts... · Alltags... · Durchschnitt · Mittelmaß · Null Acht Fünfzehn · Standard · allgemein · alltäglich · banal · billig · durchschnittlich · einfach · gemein · gewöhnlich · gibt's im Überfluss · mittelmäßig · nichts Besonderes · normal · nullachtfünfzehn · ordinär · profan · schlicht · schnöde · seriell · überall vorhanden  ●  Dutzendware abwertend, fig. · Hausmannskost fig. · handelsüblich fig. · von der Stange fig. · Plain Vanilla fachspr., Jargon · mittelprächtig ugs. · stinknormal ugs.
Assoziationen
  • Billig... · anspruchslos · auf Wühltischniveau · einfachster Machart · für den Massengeschmack · niveaulos · ohne Anspruch · ohne Niveau · ohne geistigen Nährwert  ●  Massenware fig.
  • banal · oberflächlich · trivial
  • (ganz) anständig · annehmbar · ausreichend · brauchbar · guter Durchschnitt · hinreichend · reicht (aus)  ●  (da) gibt's nichts zu meckern ugs. · (da) kann man nicht meckern ugs. · (da) kann man nichts sagen ugs. · (ganz) akzeptabel ugs. · (ist) auch schön! ugs., ironisierend · ganz gut ugs. · ganz ordentlich ugs. · geht in Ordnung ugs. · gut und schön (aber) ugs. · jetzt nicht (der absolute Hit o.ä.) ugs. · kann angehen ugs. · kann sich sehen lassen ugs. · keine Offenbarung (aber ...) ugs. · könnte schlimmer sein ugs., ironisch · leidlich gelungen geh. · nicht schlecht ugs. · nicht übel ugs. · passt schon ugs., süddt. · schon in Ordnung ugs. · schon okay ugs. · schön und gut (aber) ugs.
  • eingeübte Muster  ●  Trampelpfade (des Althergebrachten, bereits Bekannten o.ä.) fig. · eingefahrene Bahnen fig. · eingefahrene Gleise fig.
  • (ganz) nett (so weit) · gefällig (Film, Inszenierung) · glatt · mittelmäßig · ohne Ecken und Kanten · ohne Höhen und Tiefen · ohne weitergehenden Anspruch  ●  so weit okay ugs.

Typische Verbindungen zu ›gemein‹ (berechnet)

Detailliertere Informationen bietet das DWDS-Wortprofil zu ›gemein‹.

Verwendungsbeispiele für ›gemein‹

maschinell ausgesucht aus den DWDS-Korpora

Sicherlich hat sie noch viel anderes mit ihr gemein, zu viel. [Feuchtwanger, Lion: Erfolg. In: ders., Gesammelte Werke in Einzelbänden, Bd. 6, Berlin: Aufbau-Verl. 1993 [1930], S. 427]
Er findet die Geschichte zu gemein, ich finde sie bloß ulkig. [Mann, Heinrich: Der Untertan, Gütersloh: Bertelsmann 1990 [1918], S. 284]
Was soll der Tod mit der »konkreten Situation« des Handelns gemein haben? [Heidegger, Martin: Sein und Zeit, Tübingen: Niemeyer 1986 [1927], S. 293]
Mit der Lehre des alten B. hat sie nichts mehr gemein. [Edsman, C.-M.: Buddhismus. In: Die Religion in Geschichte und Gegenwart, Berlin: Directmedia Publ. 2000 [1957], S. 8660]
Mit den von Ihnen angesprochenen Intentionen haben diese Überlegungen nichts gemein. [konkret, 1999]
Zitationshilfe
„gemein“, bereitgestellt durch das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/gemein>.

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