altertümelnd hinreichend, genügend
Etymologisches Wörterbuch (Wolfgang Pfeifer)
Etymologie
genug · Genüge · genügen · genügend · ungenügend · begnügen · genugsam · genügsam · Genügsamkeit · genugtun · Genugtuung
genug
‘ausreichend, in notwendiger Menge, zufriedenstellendem Maße vorhanden’
(in der Funktion eines Substantivs
‘ausreichende Menge’),
ironisch untertreibend auch
‘bis an die Grenze des Erträglichen gehend’
(vgl. die bereits für das Ahd. öfter zu belegende Bedeutung
‘reichlich, im Überfluß’).
Die einem Indefinitpronomen oder Adverb ähnelnde,
im Nhd.
(wie in den anderen modernen germ. Sprachen)
stets flexionslose Quantitätsangabe geht
(als erstarrte endungslose Form des Neutrums)
auf ein altes Adjektiv zurück,
das in den frühen germ. Sprachstufen
(einschließlich des Mhd.)
noch in vielfacher
(attributiver, prädikativer und adverbieller)
Verwendung lebendig ist,
ahd.
ginuog
(8. Jh.),
ginuogi
(9. Jh.),
mhd.
genuoc
(selten
genuoge
mit regulärer Adverbendung),
asächs.
ginōg(i),
mnd.
genōch,
(en)nōch,
mnl.
ghenoech,
nl.
genoeg,
afries.
(e)nōch,
aengl.
genōg,
genōh,
engl.
enough,
anord.
gnōgr,
nōgr,
schwed.
nog,
got.
ganōhs
(germ.
*ga-nōga-).
Die Bildungen gehören zu einem
nur in Resten nachweisbaren germ. Präteritopräsens
ahd.
ginah
(um 800),
aengl.
geneah,
got.
ganah
‘es genügt’
(hierher vielleicht auch
anord.
nā
‘nahen, erreichen’
mit Ablaut).
Dieser germ. Verbalstamm
und seine außergerm. Entsprechungen wie
aind.
aśnṓti
‘erlangt, erreicht’,
nákṣati
‘erreicht, kommt an, erlangt’,
griech.
(Aorist)
enenké͞in
(ἐνεγκεῖν)
‘herbeischaffen, davontragen’,
ónkos
(ὄγκος)
‘Tracht, Last’,
lat.
nancīscī
‘erlangen, bekommen’,
aslaw.
nesti,
russ.
nestí
(нести),
lit.
nèšti
‘tragen’
führen auf
ie.
*enk̑-,
*nek̑-
‘reichen, erreichen, erlangen, tragen’.
Auf md. Gebiet findet sich seit dem 14. Jh.
eine nasalierte Nebenform
spätmhd.
genunk,
nhd.
genung,
die aber im 19. Jh. wieder aus der Literatursprache verschwindet.
–
Genüge
f.
n.
(nur im Sing.)
‘ausreichendes Maß, Befriedigung’,
Abstraktbildung zum Adjektiv
genug
(s. oben),
jetzt vor allem inder adverbiellen Fügung
zur Genüge
‘in ausreichendem Maße’,
ahd.
ginuogi
n.
(9. Jh.;
daneben auch
ginuogī
f.?,
8. Jh.),
mhd.
genüege
f.
‘Genüge, Fülle’,
asächs.
ginōgi
f.,
mnd.
genȫge,
(g)nȫge
f.;
im Nhd.
seit dem 17. Jh.
auch wieder als Neutr.,
wohl unter Einfluß von gleichbed.
Genügen
n.
(mhd.
genüegen
n.),
dem substantivierten Infinitiv des folgenden Verbs.
genügen
Vb.
‘ausreichen, befriedigen, erfüllen’,
ahd.
ginuogen
‘genügen, befriedigen, reichlich vorhanden sein’
(9. Jh.),
mhd.
genüegen,
genuogen,
mnd.
(ge)nȫgen,
mnl.
ghenoegen,
nl.
genoegen
‘befriedigen, erfreuen, ausreichen’,
reflexiv
‘Genüge finden’,
anord.
gnœgja,
nœgja
‘genug, reichlich geben’,
got.
ganōhjan
‘Genüge leisten’,
ganōhnan
‘genug sein’;
das Part. Präs. des nhd. Verbs
verselbständigt sich im 18. Jh.,
als
genügend
Part.adj.
‘ausreichend, zufriedenstellend’
ersetzt es
genug
in adjektivischem, oft auch in adverbiellem Gebrauch;
dazu
ungenügend
Adj.
‘unbefriedigend, nicht ausreichend’
(18. Jh.).
Erweiterungen von
genügen
sind
vergnügen
(s. d.)
und
begnügen
Vb.
‘sich zufriedengeben’
(reflexiv seit dem 18. Jh.),
mhd.
begenüegen
‘befriedigen, zufriedenstellen’,
kontaminiert aus
mhd.
genüegen
(s. oben)
und
mhd.
benüegen
‘genug haben’,
frühnhd.
benügen
‘genügen, zufrieden sein, befriedigen’.
genugsam
Adv.
‘in ausreichendem Maße, vollauf’
(heute auf altertümelnde Ausdrucksweise beschränkt),
ahd.
ginuogsam
(8. Jh.),
mhd.
genuocsam
Adj.
‘Genüge oder Fülle habend, bietend’,
nhd. noch bis zur 1. Hälfte des 19. Jhs.
in adjektivischer Verwendung
(‘ausreichend, zufriedenstellend’),
als Adverb seit dem 15. Jh. üblich;
daneben in den älteren Sprachstufen häufiger gleichbed.
ahd.
ginuhtsam
(8. Jh.),
mhd.
genuhtsam
Adj.,
von einem im Frühnhd. untergehenden Substantiv
ahd.
ginuht
‘Fülle, Überfluß’
(8. Jh.),
mhd.
genuht
‘Genüge, Fülle, Freude’
(vgl.
aengl.
genyht,
anord.
gnōtt
‘Genüge, Überfluß, reichlicher Vorrat’).
genügsam
Adj.
‘leicht zu befriedigen, anspruchslos’,
umgelautete Form von
genugsam
(s. oben,
nhd. vereinzelt bis in jüngere Zeit
noch in dessen Sinn vorkommend),
nimmt seit dem 16. Jh.
durch Anlehnung an das Verb
genügen
(s. oben)
die heutige Bedeutung an;
dazu
Genügsamkeit
f.
‘Anspruchslosigkeit’,
frühnhd.
meist
genuocsamkeit,
Genugsamkeit;
in dieser Verwendung vom 15. Jh. an zu belegen,
aber erst Ende des 17. Jhs. üblich,
anfangs häufiger
‘Genüge, Überfluß’.
genugtun
Vb.
‘Genüge leisten, befriedigen’
(frühnhd. auch
‘bezahlen, Buße tun’),
Übersetzung von
lat.
satisfacere
als Ausdruck des Rechtswesens und der Kirche,
zunächst dafür Fügungen wie
ahd.
ginuog,
ginuhtsam tuon,
mhd.
genuoc,
genüege tuon
(Getrenntschreibung häufig noch nhd.
bis ins 19. Jh.),
Zusammenrückung seit dem 15. Jh.;
dazu
Genugtuung
f.
‘Befriedigung, Wiedergutmachung, Buße’
(15. Jh.),
entsprechend
lat.
satisfactio.
Typische Verbindungen zu ›genugsam‹ (berechnet)
Detailliertere Informationen bietet das DWDS-Wortprofil zu ›genugsam‹.
Verwendungsbeispiele für ›genugsam‹
maschinell ausgesucht aus den DWDS-Korpora
Daß sie dazu wohl im Stande waren, haben sie genugsam bewiesen.
[Vossische Zeitung (Morgen-Ausgabe), 06.03.1903]
Sie erzeugen, wie die deutsche Geschichte genugsam bewiesen hat, ein »unglückliches Bewußtsein".
[Der Spiegel, 25.04.1988]
Damit sie an unserer Willensbildung genugsam mitwirken, brauchen sie jetzt 15 Millionen Mark mehr.
[Süddeutsche Zeitung, 28.11.1998]
Von welcher geschichtlichen Zähigkeit aber gerade die verkappten Zirkelschlüsse sind, ist genugsam bekannt.
[Hartmann, Nicolai: Der Aufbau der realen Welt, Berlin: de Gruyter 1940, S. 92]
Was es bedeutet, hinter anderen in der Welt an kultureller Geltung zurück zu stehen, haben wir in und nach dem Weltkriege genugsam erfahren.
[Kölnische Volkszeitung und Handelsblatt (Abendausgabe), 02.01.1930]
Zitationshilfe
„genugsam“, bereitgestellt durch das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/genugsam>.
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