gerade2,
auch
grade2
Adj.
‘ohne Krümmung immer in der gleichen Richtung verlaufend’,
übertragen
‘von aufrichtiger Gesinnung, offen’
(seit dem 16. Jh.)
sowie in vielfacher adverbieller Verwendung,
besonders
‘soeben, eben noch, genau, ausgerechnet’;
ahd.
(h)rad,
gi(h)radi
(8. Jh.),
(h)redi
(9. Jh.)
Adj.
‘rasch, schnell’,
(h)rado
Adv.
‘schnell, gewandt’
(8. Jh.),
gi(h)rado
Adv.
‘plötzlich’
(9. Jh.),
mhd.
(ge)rat
Adj.,
gerade
Adj.
Adv.
‘schnell bei der Hand, rasch, gewandt’,
dann auch
(
md.)
‘frisch aufgewachsen und lang’,
mnd.
(ge)rā̌t
Adj.,
(ge)rāde
Adj.
Adv.
‘schnell, gewandt, sogleich’,
mnl.
gherat
Adj.,
gherāde
Adj.
Adv.
‘schnell, tüchtig, sogleich, richtig’,
nl.
rad
Adj.
Adv.,
aengl.
(h)ræd,
hræþ
Adj.,
(h)rade,
(h)raþe,
ræþe
Adj.
Adv.,
anord.
hraðr
Adj.
‘schnell’.
Auf Grund des durch die
ahd.,
aengl. und
anord. Formen gesicherten
h-Anlauts
ist von
ie.
*kret-
‘schütteln, sich rasch bewegen’
auszugehen,
das auch
lit.
kretė́ti
‘zittern, schlottern’,
mir.
crothaim
‘ich schüttle’
zugrunde liegt
und als Erweiterung der Wurzel
ie.
*(s)ker-
‘drehen, biegen, kreisend bewegen’
aufgefaßt werden kann
(s.
Ring,
Rücken,
Schrank,
schreiten).
Der heute im
Dt. vorherrschende Gebrauch
des Adjektivs als Gegenwort von
krumm
(s. d.)
beruht auf der zuerst für das 14. Jh. bezeugten Bedeutung
‘lang aufgewachsen’,
die sich vor allem im
Frühnhd. reich entfaltet,
wo
gerade
häufig Personen nicht nur hinsichtlich ihres Auftretens
(im alten Sinne
‘gewandt’),
sondern auch in bezug auf ihr Äußeres
(‘hochgewachsen, schlank, wohlgestaltet’)
charakterisiert.
–
Gerade
f.
‘ungekrümmte und beiderseits nicht begrenzte Linie’,
terminologisch seit Anfang des 18. Jhs.
in der Geometrie übliche Substantivierung von
gerade2
(s. oben),
die aus der Verbindung
gerade Linie
(15. Jh.)
durch Kürzung hervorgeht,
vgl. gleichbed.
ital.
retta
statt
linea retta
schon bei
Galilei
(1638).
Im Sport steht
Gerade
jetzt für
‘gerades Teilstück einer Rennstrecke’
(Anfang 20. Jh.).
Davon zu unterscheiden ist die ältere Abstraktbildung
ahd.
(h)radī
‘Beweglichkeit’
(8. Jh.),
spätmhd.
gerede
‘Länge, Geradheit’,
frühnhd.
Geräde,
Gerade
‘Schlankheit, Geradheit, Schnelligkeit, Gewandtheit’
(vereinzelt bei
Kepler
1616
Geräde
‘gerade Linie’).
geradeaus,
grad(e)aus
Adv.
‘in gerader Richtung vorwärts’,
übertragen
‘aufrichtig, ehrenhaft’
(18. Jh.);
geradezu,
gradezu
Adv.
‘rückhaltlos offen’,
häufig nur verstärkend
‘direkt, ausgesprochen’,
ursprünglich wie
geradeaus
auch Richtungsangabe
(18. Jh.);
beide Zusammenrückungen
gehen auf bedeutungsgleiche Fügungen aus den Adverbien
gerade2
und
aus
bzw.
zu
(s. d.)
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