hinnehmen
GrammatikVerb · nimmt hin, nahm hin, hat hingenommen
Aussprache [ˈhɪnneːmən]
Worttrennung hin-neh-men
Wortbildung
mit ›hinnehmen‹ als Erstglied:
hinnehmbar
·
mit ›hinnehmen‹ als Grundform:
Hinnahme
Mehrwortausdrücke
eine Schlappe hinnehmen
Bedeutungsübersicht
- 1. ⟨jmd. nimmt etw., jmdn. (an einen Ort, zu jmdm.) mit hin⟩ hinbringen bzw. mitnehmen, wohin man sich selbst begibt
- 2. ⟨jmd. nimmt etw. hin⟩ als unumstößlich bzw. nicht zu ändernden Umstand aufnehmen, akzeptieren
- 3. [selten] ⟨jmd. nimmt jmdn. hin⟩ aufgeschlossen, ohne Vorbehalte und Absicht einer Beeinflussung annehmen
- 4. [veraltend] ⟨etw. nimmt jmdn., etw. hin⟩ (in hohem Maße) in Anspruch nehmen
- 5. [veraltend] ⟨jmd. ist hingenommen von etw., jmdm.⟩
- 6. [veraltet, noch dichterisch] ⟨jmd. nimmt etw. hin⟩ an sich nehmen, annehmen
eWDG und ZDL
Bedeutungen
1.
⟨jmd. nimmt etw., jmdn. (an einen Ort, zu jmdm.) mit hin⟩hinbringen bzw. mitnehmen, wohin man sich selbst begibt (1)
Beispiele:
Sie [Smartphones] werden überall mit
hingenommen, erfahren höchste Aufmerksamkeit und
werden ständig am Display gestreichelt […]. [Saarbrücker Zeitung, 12.02.2022]
Als Kind haben wir sie still und heimlich unter der Bettdecke
gelesen, sie überall mit hingenommen und wie einen
Schatz mit unserem Leben behütet: […] Comics
machen für den ein oder anderen einen großen Teil der Kindheit aus
[…]. [Rhein-Zeitung, 22.02.2022]
Nach achtmonatigem Aufenthalt in Kliniken und Reha‑Einrichtungen
begann F[…]
[mit seiner Querschnittslähmung] ein neues
Leben. »Ich habe lange gebraucht, bis ich mich daran gewöhnt habe. Aber ich
hatte Freunde, die mich überall mit hingenommen
haben. Sonst hätte ich mich vielleicht verkrochen«, erinnert sich der
62‑Jährige an die Zeit nach der Genesung. [Mittelbayerische, 15.05.2021]
Im Gegensatz zu herkömmlichen Kettensägen, die mit Benzin oder
elektrisch laufen, bestehen Handkettensägen nur aus der Sägekette, verfügen
jedoch nicht über ein Schwert. Sie sind extrem handlich und leicht, weshalb
man sie ganz einfach überall mit hinnehmen
kann. [Aachener Zeitung, 01.03.2021]
bildlichDie Orte des jeweiligen Geschehens [im Buch] wechseln[…]. Doch
[der Autorin]
D[…] gelingt es dank ihres anschaulichen
Stils, Leserinnen und Leser überall mit hinzunehmen
und mit detaillierten und informativen Schilderungen permanent zu
fesseln. [Hamburger Abendblatt, 25.11.2021]
2.
⟨jmd. nimmt etw. hin⟩als unumstößlich bzw. nicht zu ändernden Umstand aufnehmen, akzeptieren
in gegensätzlicher Bedeutung zu hinterfragen (1)
Kollokationen:
mit Adverbialbestimmung: passiv, unkommentiert, klaglos, widerspruchslos, tatenlos, stillschweigend hinnehmen; geduldig, gelassen, gleichmütig, gleichgültig, ungerührt, achselzuckend, zähneknirschend hinnehmen
hat Präpositionalgruppe/-objekt: ohne Widerspruch, Murren, Protest, Widerstand, Weiteres hinnehmen; mit Gelassenheit, einem Achselzucken, einem Schulterzucken hinnehmen
Beispiele:
Alles, was nicht in deiner Macht ist, das nimm
hin, lerne es, zu tragen und mehr nicht. [Selbstgenügsamkeit im Minimalismus, 19.04.2020, aufgerufen am 01.09.2020]
Der neue Justizminister Marco Buschmann will die aktuelle Corona‑Lage
im Land »nicht als neue Normalität« hinnehmen.
Primäres Ziel der Ampel‑Regierung müsste die Rückgewinnung von Grundrechten
und Freiheit nach dem Überwinden der Corona‑Pandemie sein. [Justizminister Buschmann: Freiheit ist nach Corona oberstes
Ziel, 09.12.2021, aufgerufen am 01.05.2022]
Wenn ein Mann spürt, dass er devote Tendenzen hat, ist es ihm
manchmal unangenehm, das einfach als gegeben
hinzunehmen und zuzugeben. [Eine Domina erklärt dir BDSM, 28.07.2020, aufgerufen am 18.09.2020]
Loriot hat wie kein anderer über drei Generationen unsere Sprache
und Beobachtungsweise geprägt und uns gelehrt, die Bürden und Absurditäten
des Alltags mit einem wohlwollenden Lächeln
hinzunehmen. [Der Spiegel, 05.09.2011]
»Problematisch ist, daß viele Betroffene von ihrer Erkrankung nichts
wissen und die psychischen und körperlichen Auswirkungen der Angststörung
als ›normale‹ Gebrechen hinnehmen«, sagt Dr.
Ahrens. [Berliner Morgenpost, 25.07.1999]
●
spezieller sich etwas Unrechtes, Unangenehmes o. Ä. gefallen, bieten lassen
Synonym zu dulden (1)
Beispiele:
die Mannschaft musste eine Niederlage, mehrere Tore hinnehmenWDG
die Regierung musste eine Schlappe hinnehmenWDG
er nahm ihre Worte, den Vorwurf schweigend, geduldig hinWDG
diese Beleidigung kann ich nicht einfach hinnehmenWDG
wie kannst du das nur so ruhig hinnehmen?WDG
Kritik sei immer hinzunehmen, dies gelte
aber nicht für Beleidigungen, Herabwürdigungen und Hass. [Rhein-Zeitung, 17.02.2022]
Eine erhebliche Belästigung durch Zigarettenrauch müssen Sie
nicht hinnehmen. [Der Prignitzer, 02.09.2021]
Wer heute einen neuen Job annimmt, muss immer öfter eine
grundlose Befristung hinnehmen. [Landshuter Zeitung, 25.02.2017]
Hinter dem sexuellen Übergriff eines Kindes könnte sexueller
Missbrauch durch Erwachsene stecken, warnen die Expertinnen. Daher
sollte die Botschaft der Pädagogen an alle Beteiligten stets lauten: »So
etwas darf niemand tun.« Damit werde das betroffene Kind gestärkt, nicht
alles hinnehmen zu müssen, und das übergriffige
Kind könnte zum Reden ermutigt werden. [Frankfurter Rundschau, 19.11.2008]
In ihrem Amt [der Bundestagspräsidentin], an dem sie hing, war sie
nicht mehr frei. Sie wirkte oft hilflos und nahm
manche Demütigung hin, statt sich zu wehren.
[…] Das
Bestreben, ihr Amt nicht zu gefährden, war stärker als ihre Vorliebe für
ehrliche Meinungsbekundungen. [Die Zeit, 22.12.1998]
3.
selten ⟨jmd. nimmt jmdn. hin⟩aufgeschlossen (●), ohne Vorbehalte und Absicht einer Beeinflussung annehmen
Beispiele:
Du nimmst mich so hin,
wie ich wirklich bin. Zweifle ich an mir, find ich Kraft in dir. [Neue Westfälische, 29.06.2019]
Mein Wahlspruch lautet: »Ich bin, wie ich bin, so
nehmt mich doch hin. Wollt
ihr was anderes besitzen, so müsst ihr es euch schnitzen.« [Hamburger Abendblatt, 22.05.2012]
4.
veraltend ⟨etw. nimmt jmdn., etw. hin⟩(in hohem Maße) in Anspruch nehmen
Beispiele:
Er grüßte Hanna freundlich, aber doch wie jemand, der ganz
hingenommen ist von seiner Beschäftigung und
seinen Posten nicht verlassen kann. [Sapper, Agnes: Werden und Wachsen. Hannover: Gundert 1967 [1910], S. 111]
Da erkannte er [ein beobachtender Spaziergänger]
[…], daß der Fremde, übrigens ein tief
ergrauter Mann, Blüten, wohl zu Tee, sammelte[…]. Der Mann war von seiner Tätigkeit ganz
hingenommen, die er auf eine ungewöhnliche Weise
betrieb. Denn nicht jede Blüte fand er des Sammelns würdig; aber sobald er
eine ihm zusagende entdeckt hatte, hob er sie dicht an seine Augen, hielt
sie dann gegen den Himmel[…]. [Stehr, Hermann: Der Heiligenhof. München: List 1952 [1918], S. 263]
Alle diese Personen sind so erfüllt von dem geistigen Gehalt ihrer
Zeit, daß keine von ihnen mit ihrem Bewußtsein in die Vergangenheit oder in
die Zukunft greift, weil die Gegenwart sie ganz
hinnimmt. [Morgenblatt für gebildete Leser, Nr. 308 (1849)]
5.
veraltend
Grammatik: im Partizip II
Phrasem:
⟨jmd. ist hingenommen von etw., jmdm. (= (durch ausgelöste heftige Empfindungen) gefesselt, überwältigt)⟩
siehe auch hinreißen (2)
Beispiele:
er war von dem Vorfall noch völlig hingenommenWDG
hingenommen lauschte sie seinen WortenWDG
Als wir das Kino verliessen, sagte sie: »Wie ich diesen romantischen
Müll hasse!« Ich hingegen war völlig hingenommen von
der Schönheit des Films. [Neue Zürcher Zeitung, 17.03.1999]
Kaum daß der junge Herr Schmidt sie gesehen hat, da ist er gleich
ganz hingenommen gewesen
[…] [ Suderm.6,203]WDG
Im »Traumtheater« sitzen bei abendlicher Lampe der Dichter und der
Regisseur beisammen[…]. Er ganz hingenommen, ganz
hingegeben an die Schauspielerin, die ihm Inbegriff aller Schönheit und
Seligkeit, Vollendung aller menschlichen Ideale ist. Der Regisseur erhebt
Zweifel, macht Vorbehalte […]. [Die Fackel, 2002 [1924]]
Die Commerzienräthin war von der Sorge um ihren Sohn völlig
hingenommen. [Fanny Lewald: Gesammelte Werke. Bd. 9. Berlin 1872]
6.
veraltet, noch dichterisch ⟨jmd. nimmt etw. hin⟩an sich nehmen, annehmen
Beispiele:
er nahm das Geschenk ohne einen Dank hinWDG
umgangssprachlichwürdet ihr während unserer Reise die Blumen, den Hund (zu euch) hinnehmen?WDG
So nimm
hin meine Seele mit all ihren Kräften, meinen Leib
mit seinen fünf Sinnen, mein Herz mit all seinen Neigungen, und in Deine
Hände, o Herr, empfehle ich meinen Geist. [Mystische Prophezeiung, 27.05.2013, aufgerufen am 01.09.2020]
Diese kleinen, blassen Kinder hatten einander seltsam angestarrt, wie
man sie zu den schimmernden Christbäumen geführt, und ihnen dann die warmen
Röckchen und Schuh mit den rothen Aepfeln und klappernden Nüssen gegeben
hatte. Sie hatten die Gaben hingenommen ohne Dank und
Jubel, beinah ohne Freude […]. [Otto, Louise: Schloß und Fabrik. Bd. 1. Leipzig 1846]
letzte Änderung:
Zum Originalartikel des WDG gelangen Sie hier.
Bedeutungsverwandte Ausdrücke
Assoziationen |
|
(sich etwas) bieten lassen ·
(sich etwas) gefallen lassen ·
(sich) nicht wehren (gegen) ·
(sich) nicht widersetzen ·
(widerspruchslos) hinnehmen ·
Nachsicht üben ·
dulden ·
einstecken ·
in Kauf nehmen ·
leisetreten ·
nicht protestieren ·
schlucken ·
stillhalten ·
tolerieren ·
verschmerzen ●
(es) nicht auf einen Streit ankommen lassen (wollen) variabel ·
(die) Füße stillhalten ugs., fig. ·
konnivieren geh. ·
mitmachen ugs.
Assoziationen |
|
(jemandem) zustoßen ·
am eigenen Leib erfahren ·
ausstehen ·
durchhalten ·
durchlaufen ·
durchleben ·
durchmachen ·
einstecken ·
erfahren ·
erleben ·
erleiden ·
ertragen ·
hinnehmen ·
in Kauf nehmen ·
miterleben ·
passieren ·
überstehen ●
einen Streifen mitmachen ugs. ·
mitmachen ugs.
Assoziationen |
|
(klaglos) über sich ergehen lassen ·
ertragen ·
hinnehmen ·
sich (notgedrungen) arrangieren mit ·
sich abfinden (mit) ·
sich bescheiden (mit) ·
sich fügen (in) ·
sich in sein Schicksal ergeben ·
sich zufriedengeben (mit) ●
sich schicken (in) veraltet ·
keinen Aufstand machen ugs. ·
schlucken ugs. ·
sich d(a)reinfinden geh., veraltet ·
sich dreinschicken (in) geh., veraltend
Oberbegriffe |
Assoziationen |
|
dem freien Spiel der Kräfte überlassen ·
den Dingen ihren Lauf lassen ·
geschehen lassen ·
hinnehmen ·
nicht eingreifen
Assoziationen |
|
(etwas) hinnehmen ·
gelten lassen ●
bei jemandem durchkommen mit ugs. ·
ziehen bei ugs.
dulden ·
durchlaufen ·
durchmachen ·
erdulden ·
erleiden ·
ertragen ·
hinnehmen ·
zulassen ·
über sich ergehen lassen
Assoziationen |
|
Typische Verbindungen zu ›hinnehmen‹ (berechnet)
Detailliertere Informationen bietet das DWDS-Wortprofil zu ›hinnehmen‹.
Abschlag
Abstrich
Dämpfer
Einbuße
Faktum
Gegentor
Gegentreffer
Gewinnrückgang
Kollateralschaden
Kursabschlag
Kursverlust
Kürzung
Mehrstaatigkeit
Naturereignis
Niederlage
Rückgang
Rückschlag
Schlappe
Selbstverständlich
Selbstverständlichkeit
Umsatzeinbuße
Umsatzrückgang
Verlust
gelassen
kampflos
klaglos
stillschweigend
tatenlos
widerspruchslos
widerstandslos
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