Kür
f.
‘nach freier Wahl zusammengestellte Übung bei Wettkämpfen’.
Der Sportausdruck,
auch in Zusammensetzungen wie
Kürturnen
(19. Jh.),
Kürlaufen,
Kürübung
(20. Jh.)
und daher heute oft als Verkürzung solcher Bildungen angesehen,
ist eine auf
Jahn
(
Turnkühr,
-kühre
‘freiwillige Übungen’
im Unterschied zu
Turnschule
‘Übungen nach Vorschrift’,
1816)
zurückgehende Wiederaufnahme
des bis ins ältere
Nhd. lebendigen Substantivs
ahd.
kuri
f.
‘Erwägung, Beratung, Auswahl’
(9. Jh.),
mhd.
kür(e)
f.,
auch
(besonders
md.)
kur(e),
kor(e),
kör(e)
m. f.
‘Prüfung, Erwägung, prüfende Wahl, Stimmrecht, Beschluß, Bestimmung, Strafe, Art und Weise’,
nhd.
Kür,
Kur
f.
‘prüfende Erwägung, Entscheidung, Wahl’
(vor allem terminologisch
für die vom 13. bis Anfang des 19. Jhs.,
d. h. bis zur offiziellen Auflösung des
„Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation“,
übliche Wahl des deutschen Königs
durch die hierzu berechtigten Fürsten;
in dieser Verwendung bis ins 18. Jh.
meist die ursprünglich
obd. Schreibung
Chur).
Dieses ist in der Gegenwart erhalten
in historischen Bezeichnungen wie
Kurfürst
m.
‘zur Königswahl berechtigter Fürst’
(
mhd.
kür-,
kurvürste),
kurfürstlich
Adj.
(
spätmhd.
kurvürstlich),
Kurfürstentum
n.
(
mhd.
kurvürstentuom),
Kurhut
m.
‘die Kurwürde kennzeichnender Hut’
(16. Jh.),
Kurwürde
f.
‘Würde eines Kurfürsten’
(18. Jh.),
ferner in
↗
Willkür
(s. d.).
Zu
Kür,
Kur
vgl. auch
asächs.
kuri
m.
‘Wahl’,
mnd.
kȫr(e),
kür(e)
m. f.
(Bedeutungen wie im
Mhd.),
mnl.
cōre,
cuere
m. f.
‘Wahl, Verordnung’,
nl.
keur
f.
‘Wahl, Auswahl, Probe, Verordnung’,
aengl.
cyre
m.
‘Wahl, Entscheidung’,
anord.
kør
n.,
schwed.
kor
n.
‘Wahl’.
Die angeführten Nomina actionis
folgen den tiefstufigen Formen
des in seiner Konjugation grammatischen Wechsel zwischen
s
und
r
zeigenden
gemeingerm. Verbs
ahd.
kiosan
(8. Jh.),
mhd.
frühnhd.
kiesen
‘sehen, wahrnehmen, prüfend betrachten, erwägen, erkennen, aus-, erwählen’,
asächs.
kiosan
‘wählen’,
mnd.
kēsen,
mnl.
kiesen
‘prüfend betrachten, wahrnehmen, aus-, erwählen, sich entscheiden’,
nl.
kiezen
‘(aus)wählen’,
aengl.
cēosan
‘(aus)wählen, annehmen’,
engl.
to choose
‘wählen, bevorzugen’,
anord.
kjōsa
‘wählen, wünschen, zaubern’
(eigentlich
‘einen Gegenstand zur Zauberei wählen’),
got.
kiusan
‘prüfen’.
Hierzu stellen sich
außergerm. Entsprechungen wie
aind.
juṣátē,
jṓṣati
‘hat gern, findet Gefallen, genießt’,
awest.
zaoš-,
apers.
dauš-
‘an etw. Gefallen finden’,
griech.
gé͞uesthai
(
γεύεσθαι)
‘kosten, schmecken, zu spüren bekommen’,
lat.
dēgūnere
‘kosten’,
air.
togu
‘wählen’
und,
mit dentalem Element wie in
↗
kosten2
(s. d.),
lat.
gustāre
‘kosten, genießen’,
die auf eine gemeinsame Wurzel
ie.
*g̑eus-
‘kosten, genießen, schmecken’
(im
Germ. und
Kelt.
‘wählen’
durch Übertragung des Wahrnehmens und Prüfens auf andere Sinnesbereiche)
führen.
Im
Nhd. findet sich das starke Verb
kiesen
‘(er)wählen’
(s. oben)
nach dem 17. Jh.
nur noch in dichterischer Sprache.
Dafür kommt seit dem
Mhd.
allmählich das schwach flektierende gleichbed. Denominativum
küren
(vgl.
spätmhd.
er-,
ver-,
willekürn,
mnd.
kȫren)
in Gebrauch, das in neuerer Zeit
ebenfalls auf gehobene Ausdrucksweise beschränkt bleibt.
Feierlichem Stil sind auch die Partizipien
erkoren
‘erwählt’
und
auserkoren
‘auserwählt’
vorbehalten,
die
(neben gelegentlich bis heute verwendeten Präteritalformen wie
ich erkor,
wir erkoren
oder ausschließlich im Gliedsatz noch möglichem
daß er auserkor)
als Reste ehemals geläufiger Präfixbildungen von
kiesen
fortleben,
vgl.
ahd.
irkiosan
‘prüfen, wahrnehmen, erwählen’
(9. Jh.),
mhd.
erkiesen
‘wahrnehmen, ersinnen, erwählen, greifen’,
nhd.
(bis ins 18. Jh.)
erkiesen
‘erwählen’
(auch
asächs.
ākiosan,
aengl.
ācēosan,
got.
uskiosan
‘aus-, erwählen’)
sowie aus diesem
(im Anschluß an das mit Adverb verbundene Part.adj.
mhd.
ūʒ erkorn)
weitergebildetes
nhd.
auserkiesen
‘auserwählen’
(16. bis 18. Jh.).
Die
nd. Lautvariante von
küren
ergibt das Fachwort der Tierzucht
kören
Vb.
‘ein männliches Tier zur Zucht auswählen’
(19. Jh.,
vgl.
mnd.
kȫren
‘wählen, auswählen, sich entscheiden’).