kaum
Adv.
‘fast nicht, nur mit Mühe, gerade noch’,
auf Zeitverhältnisse bezogen
‘fast im gleichen Augenblick, eben erst’.
Das Adverb
ahd.
kūmo
(9. Jh.),
mhd.
kūm(e),
frühnhd.
kaum
(auch erweitert
kaumet,
kaumend,
16. Jh.),
mnd.
kūme,
mnl.
cūme,
dessen adjektivische Form in
mnd.
kǖme,
nd.
küm
‘schwach, hinfällig, kränklich’,
aengl.
cȳme
‘fein, lieblich, herrlich’
vorliegt
(
mhd.
kūme
‘schwach, gebrechlich’
ist nur vereinzelt bezeugt),
steht neben Bildungen wie
ahd.
kūmīg
‘krank, schwach, kraftlos’,
kūma,
kūmida,
kūmunga
‘Klage’,
kūmen,
kūmōn
‘klagen, trauern’
(alle 9. Jh.),
mhd.
kūmen
‘trauern, wehklagen, sich ängstlich bemühen’,
asächs.
kūmian
‘beklagen’,
nl.
(landschaftlich)
kuimen
‘schwach sein, klagen’.
Die Gruppe gehört wahrscheinlich wie
↗
Kauz
und
↗
Köter
(s. d.)
zu einer schallnachahmenden Wurzel
ie.
*gō̌u-,
*gū-
‘rufen, schreien’,
die auch für
ahd.
gikewen
‘nennen, heißen’
(9. Jh.),
aengl.
cīegan
‘rufen, nennen’
sowie
aind.
jṓguvē
‘lasse ertönen, preise’,
griech.
goā́n
(
γοᾶν)
‘jammern, klagen’,
lit.
gaũsti
‘dumpf dröhnen’,
aslaw.
govoriti
‘lärmen’,
russ.
govorit’
(
говорить)
‘sprechen’
vorausgesetzt wird.
Im
Dt. entwickelt sich die Bedeutung also von
‘kläglich, kränklich, schwach’
zu
‘nur mit Mühe’
und
‘fast nicht’
(
mhd. und
mnd. auch ironisch für
‘gar nicht’);
vgl. das semantisch entsprechende Verhältnis von
lat.
aegrē
Adv.
‘nur mit Mühe, kaum’
zu
lat.
aeger
Adj.
‘krank, verdrießlich’.
Temporaler Gebrauch kommt im
Frühnhd. und
Mnd. auf;
ebenfalls zuerst
frühnhd. findet sich partikelhafte Verwendung von
kaum
als subjektive Stellungnahme des Sprechers zu einer Aussage
(‘schwerlich, meiner Meinung nach nicht’).
Die Verbindung
kaum daß
in konjunktionaler Funktion
wird erst in jüngerer Zeit üblich.