Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.
eWDG

Bedeutungen

1.
fast gar nicht, so gut wie nicht
Beispiele:
etw. kaum hören, sehen, merken, fühlen
er sagt kaum etwas
das ist kaum zu glauben
das Fahrrad ist kaum noch zu gebrauchen
das spielt kaum eine Rolle
ich habe ihn kaum gekannt
ich kann es kaum erwarten, dass er kommt
er benötigte für die Strecke kaum mehr als zehn Sekunden
die Mauer ist kaum höher als drei Meter
sie ist kaum älter als zwanzig Jahre
sie ist kaum zehn Jahre alt (= ist noch nicht ganz oder gerade zehn Jahre alt)
2.
bezeichnet einen Zeitpunkt, der einem anderen unmittelbar vorhergeht   in dem Moment; gerade
Grammatik: in Verbindung mit »da«, »so«, »als«
siehe auch kaum (3 a)
Beispiele:
kaum hatte sie ihn erblickt, (da) rannte sie auf ihn zu
kaum war er heimgekehrt, (so) erschien schon die Polizei
er hatte sich kaum hingelegt, als er auch schon einschlief
Kaum war der Vater tot, so kömmt ein jeder / Mit seinem Ring' [ LessingNathanIII 7]
seine Liktoren standen noch kaum um ihn, als er schon … den Kurator des Jupitertempels zu holen befahl [ BrechtCaesar192]
Doch dem war kaum das Wort entfahren, / Möcht' er's im Busen gern bewahren [ SchillerKraniche]
3.
kaum dass
Grammatik: in konjunktionaler Verwendung
a)
in dem Moment, als; gerade, als
Grammatik: leitet einen Temporalsatz ein
siehe auch kaum (2)
Beispiel:
kaum dass er heimgekehrt war, erschien schon die Polizei
b)
siehe auch kaum (4)
Grammatik: leitet einen Modalsatz ein
Beispiele:
das Haus brannte lichterloh, kaum dass wir aus den Betten gekommen sind
es war dunkel, kaum dass man die Umrisse wahrnehmen konnte
4.
mit Mühe, knapper Not, eben noch
siehe auch kaum (3 b)
Beispiele:
das Haus brannte lichterloh, wir sind kaum aus den Betten gekommen
er hat den Zug kaum noch erreicht
ich bin kaum fertig geworden
5.
schwerlich
Beispiele:
»Ob wir heute noch fertig werden?« »Kaum«
er wird heute kaum noch kommen
wir hätten uns dort kaum zurechtgefunden

Dieses Wort ist Teil des Wortschatzes für das Goethe-Zertifikat B1.

Etymologisches Wörterbuch (Wolfgang Pfeifer)

Etymologie

Etymologisches Wörterbuch (Wolfgang Pfeifer)
kaum Adv. ‘fast nicht, nur mit Mühe, gerade noch’, auf Zeitverhältnisse bezogen ‘fast im gleichen Augenblick, eben erst’. Das Adverb ahd. kūmo (9. Jh.), mhd. kūm(e), frühnhd. kaum (auch erweitert kaumet, kaumend, 16. Jh.), mnd. kūme, mnl. cūme, dessen adjektivische Form in mnd. kǖme, nd. küm ‘schwach, hinfällig, kränklich’, aengl. cȳme ‘fein, lieblich, herrlich’ vorliegt (mhd. kūme ‘schwach, gebrechlich’ ist nur vereinzelt bezeugt), steht neben Bildungen wie ahd. kūmīg ‘krank, schwach, kraftlos’, kūma, kūmida, kūmunga ‘Klage’, kūmen, kūmōn ‘klagen, trauern’ (alle 9. Jh.), mhd. kūmen ‘trauern, wehklagen, sich ängstlich bemühen’, asächs. kūmian ‘beklagen’, nl. (landschaftlich) kuimen ‘schwach sein, klagen’. Die Gruppe gehört wahrscheinlich wie Kauz und Köter (s. d.) zu einer schallnachahmenden Wurzel ie. *gō̌u-, *gū- ‘rufen, schreien’, die auch für ahd. gikewen ‘nennen, heißen’ (9. Jh.), aengl. cīegan ‘rufen, nennen’ sowie aind. jṓguvē ‘lasse ertönen, preise’, griech. goā́n (γοᾶν) ‘jammern, klagen’, lit. gaũsti ‘dumpf dröhnen’, aslaw. govoriti ‘lärmen’, russ. govorit’ (говорить) ‘sprechen’ vorausgesetzt wird. Im Dt. entwickelt sich die Bedeutung also von ‘kläglich, kränklich, schwach’ zu ‘nur mit Mühe’ und ‘fast nicht’ (mhd. und mnd. auch ironisch für ‘gar nicht’); vgl. das semantisch entsprechende Verhältnis von lat. aegrē Adv. ‘nur mit Mühe, kaum’ zu lat. aeger Adj. ‘krank, verdrießlich’. Temporaler Gebrauch kommt im Frühnhd. und Mnd. auf; ebenfalls zuerst frühnhd. findet sich partikelhafte Verwendung von kaum als subjektive Stellungnahme des Sprechers zu einer Aussage (‘schwerlich, meiner Meinung nach nicht’). Die Verbindung kaum daß in konjunktionaler Funktion wird erst in jüngerer Zeit üblich.

Bedeutungsverwandte Ausdrücke

In einigen Fällen · einzelne Male · gelegentlich · im Einzelfall · in einzelnen Fällen · kaum · kaum mehr · kaum noch · nicht oft · punktuell · selten · wenig · wenige Male  ●  (so etwas hat man) nicht alle Tage ugs., variabel · rar geh.
Oberbegriffe
  • beschreibend (negativ)
  • in einer bestimmten Häufigkeit · in einer bestimmten Regelmäßigkeit · mehr oder weniger oft · mehr oder weniger regelmäßig · mit einer bestimmten Auftretenswahrscheinlichkeit · mit einer bestimmten Häufigkeit · so oft
Assoziationen

annähernd · beinahe · fast · haarscharf · kaum · knapp · nahezu · so gut wie · soeben · soeben noch  ●  auf Kante genäht ugs. · bald ugs. · enge Kiste ugs. · fünf vor zwölf ugs. · gerade noch ugs. · knappe Kiste ugs. · kurz vor knapp ugs. · um ein Haar ugs.
Assoziationen

eher nicht · kaum · nicht sehr (Gradadverb) · schlecht · vermutlich kaum · vermutlich nicht · wahrscheinlich kaum · wahrscheinlich nicht · wenig · wohl kaum · wohl nicht  ●  eher weniger auch ironisch · herzlich wenig ugs. · nicht groß ugs. · nicht großartig ugs. · nicht so gut ugs. · nicht so recht ugs. · nicht so richtig ugs. · nicht wirklich ugs., ironisierend · schwerlich geh.
Assoziationen

Mangelware · kaum · knapp · rar · sehr wenig · selten
Assoziationen

denkbar knapp · gerade eben · gerade mal · gerade noch · kaum · keine (+ Zahl) · knapp · nicht mal · nicht mehr als · nur (vor Zahl) · sehr knapp  ●  hauchdünn fig. · grad mal ugs. · grade mal ugs. · so gerade eben (noch) ugs.
Assoziationen
  • (nur) mit Schwierigkeiten · (nur) mit größter Anstrengung · mit Hängen und Würgen · mit Müh und Not · mit Mühe und Not · mit knapper Not · mit letzter Kraft · mit viel Mühe · nach langem Bemühen · nach mehrfachen Anläufen · schlecht und recht · unter Aufbietung aller Kräfte · unter Aufbietung der letzten Reserven · unter Schwierigkeiten · unter größten Anstrengungen  ●  halblebig ugs., schwäbisch · mehr schlecht als recht ugs. · mit Ach und Krach ugs. · so gerade eben ugs.
  • annähernd · bald · beinahe · etwas weniger (als) · fast · knapp · nicht ganz  ●  (so) an die (vor Zahlwörtern) ugs. · ein bisschen weniger (als) ugs. · nahezu geh. · so ziemlich ugs.
  • knapp überleben · noch einmal mit dem Leben davonkommen · reanimiert werden · von den Toten auferstehen  ●  dem Tod ein Schnippchen schlagen fig. · dem Tod von der Schaufel springen fig., österr., süddt. · dem Tod von der Schippe springen fig. · wieder auferstehen (von den Toten) biblisch · beinahe draufgehen bei derb, variabel
  • (das ist) gerade nochmal gutgegangen · das war (denkbar) knapp · es hätte nicht viel gefehlt, und (...)  ●  um Haaresbreite fig. · um ein Haar fig. · om a Muggaseggele ugs., schwäbisch

Minuten nach · gleich nach · kaum (+ Partizip Perfekt) · kaum ... da · schon am Tag (des/der ...) · sofort nach · unmittelbar nach

Verwendungsbeispiele für ›kaum‹

maschinell ausgesucht aus den DWDS-Korpora

KAUM ZU BREMSEN war in diesem noch jungen Jahr der hiesige Aktienmarkt. [Süddeutsche Zeitung, 29.01.1996]
KAUM EINE BRANCHE verzeichnet so hohe Zuwachsraten wie die Kommunikations‑Branche. [Süddeutsche Zeitung, 23.04.1994]
KAUM VERZINSTE Milliarden befanden sich Ende vergangenen Jahres auf Girokonten von Arbeitnehmern. [Süddeutsche Zeitung, 13.04.1994]
KAUM ZEIT ZUR FREUDENFEIER hatte das deutsche Olympiaterzett nach dem Gewinn von Gold, Silber und Bronze in der alpinen Kombination. [Süddeutsche Zeitung, 18.02.1998]
KAUM PLATZ würde für die Schwimmer auf dem Langwieder See bleiben, so viel Raum nehmen die beiden Wasserskiseilbahnen auf der Wasseroberfläche ein. [Süddeutsche Zeitung, 10.01.1998]
Zitationshilfe
„kaum“, bereitgestellt durch das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/kaum>.

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Worthäufigkeit

selten häufig

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