Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

mutieren

Grammatik Verb · mutiert, mutierte, ist/hat mutiert
Aussprache  [muˈtiːʀən]
Worttrennung mu-tie-ren
formal verwandt mitMutante
Wortbildung  mit ›mutieren‹ als Erstglied: Mutant · Mutation · mutabel
 ·  mit ›mutieren‹ als Letztglied: transmutieren
Herkunft zu mūtārelat ‘tauschen, ändern, umgestalten, verwandeln’
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DWDS-Vollartikel

Bedeutungen

1.
jmd., etw. mutiert (zu etw.)(sich) ändern, wandeln
Kollokationen:
mit Adverbialbestimmung: allmählich, langsam, plötzlich, rasch, schnell mutieren; bald [zu etw.] mutieren
a)
Biologie sich spontan hinsichtlich der Erbanlagen ändern
Kollokationen:
hat Präpositionalgruppe/-objekt: zum Erreger mutieren
mit Aktivsubjekt: ein Bakterium, ein Erreger, ein Gen, ein Virus mutiert
Beispiele:
Dass Sars‑CoV‑2 mutiert ist, hätte zu normalen Zeiten allenfalls die kleine Gemeinde der Virologen interessiert. Zudem kommt so etwas bei Viren permanent vor. Diverse Veränderungen von Sars‑CoV‑2 wurden schon öfter beschrieben[…]. [Süddeutsche Zeitung, 16.12.2020]
[…] der Ebola‑ähnliche Erreger ist mutiert und kann jetzt durch die Luft übertragen werden: die Horrorvorstellung aller Epidemiologen – ein hochinfektiöses und gleichzeitig tödliches Virus. [Luzerner Zeitung, 07.03.2020]
Das Zikavirus könnte in den letzten Jahren mutiert haben und dabei für den Menschen gefährliche Eigenschaften angenommen haben. [Neue Zürcher Zeitung, 28.09.2017]
Importierte Pflanzen wie die Mahonie mutieren zu einer aggressiven Art und verdrängen andere Arten und verändern den Charakter von Landschaften. [Der Standard, 17.07.2006]
In Tomaten heißt die Wundersubstanz zur Krebsabwehr Lycopin. Die tägliche Dosis von nur zwei Tomaten gilt bei Wissenschaftlern als wirksame Prophylaxe und soll verhindern, daß vorgeschädigte Zellen zu Krebs mutieren. [Bild am Sonntag, 30.04.2006]
Weil diese Viren oft mutieren und in mehrfach infizierten Wirten – wie Schweinen oder Vögeln – durch Neukombination viraler Erbanlagen neue Stämme entwickeln können, können sie die menschliche Immunabwehr schnell umgehen. [Berliner Zeitung, 10.09.2001]
[…] gelegentlich ist es nützlich, daran zu erinnern, daß Virus‑Erreger im Vergleich zu Mensch und Tier schnelle Brüter sind. Als Faustregel gilt: Das Erbgut von höheren Pflanzen und Tieren mutiert vielleicht mit einer Rate von einem Prozent in einer Million Jahren. Das Erbgut von Viren kann in einem einzigen Jahr um die doppelte Prozentzahl variieren. [Die Zeit, 10.08.1990]
Die Gene haben die Fähigkeit, sich in bestimmten Raten zu ändern, zu mutieren (= Genmutationen). Auch Änderungen in der Verteilung der Gene auf den Genträgern, den Chromosomen, und der Zahl der Chromosomen werden als Mutationen bezeichnet (Chromosomen‑ bzw. Karyotypusmutationen). [Heberer, G.: Deszendenztheorie. In: Die Religion in Geschichte und Gegenwart. Berlin: Directmedia Publ. 2000 [1958], S. 6735]
b)
etwas gezielt (durch Züchtung) hinsichtlich der Erbanlagen verändern
Grammatik: mit Hilfsverb ‘hat’
Beispiele:
[In einem Film:] In der Untergrund‑Forschungseinrichtung der Umbrella Corporation ist ein Virus ausgebrochen, der die gesamte Belegschaft in hungrige Zombies mutiert hat. [Milla Jovovich startet 2002 das RESIDENT EVIL-Franchise, 09.08.2017, aufgerufen am 01.09.2020]
Gibt es sonst einen Grund, eine natürlich vorkommende Pflanze in irgendein Schema zu pressen, zu arrangieren, zu stutzen und zu mutieren? [Der Standard, 31.07.2013]
Mühen sich die Züchter nicht seit Jahrtausenden, Weizen, Mais und Bohnen genetisch zu verändern? Werden zur Zucht neuer Merkmale nicht Pflanzen bestrahlt und chemisch mutiert? [Der Spiegel, 21.01.2008]
Der Werkzeugkasten der Züchter ist mit den Jahren immer größer geworden. […] Im vergangenen Jahrhundert kamen […] Verfahren hinzu, das Erbgut durch Strahlung und Chemikalien zu mutieren, also die genetische Vielfalt künstlich zu vergrößern, um dann aus den Zufallsprodukten Pflanzen mit interessanten Eigenschaften für die Saatgutgewinnung herauszupicken. [Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.12.2006]
c)
übertragen sich (zum Nachteil) verändern, wandeln
Grammatik: mit Hilfsverb ‘ist’
Kollokationen:
hat Präpositionalgruppe/-objekt: zum Monster, zur Bestie, zum Zombie mutieren; zum Helden mutieren
mit Aktivsubjekt: Menschen mutieren [zu etw.]
Beispiele:
Mutiert der Mensch im Kampf gegen eine unmenschliche Bedrohung zwangsläufig zum Unmenschen? [Der Spiegel, 09.09.2010 (online)]
Virologen mutieren zu Ratgebern in Hygienefragen, obwohl es nicht ihr Fachgebiet ist. [Leipziger Volkszeitung, 17.11.2020]
Dabei [aufgrund einer Gehirnwäsche] sei er zu einem willenlosen Kindersoldaten mutiert. [Neue Zürcher Zeitung, 20.12.2003]
Anfangs gern ignorierte oder übersehene Schwächen mutieren im täglichen Umgang mit der Neuerwerbung schnell zu nervenden Eigenheiten des Systems, deren Korrektur im Nachhinein mehr Geld kostet, als ein besser ausgestattetes System als Aufpreis erfordert hätte. [C’t, 2000, Nr. 22]
Unsere Kultur ist mutiert zu einer Mischung aus monströsen Medienwelten und psychologischem Primitivismus. [Welt am Sonntag, 20.04.1997]
2.
veraltend jmd., etw. [Stimme] mutiertvon der Stimme   die charakteristischen Merkmale (meist im Zuge der Pubertät) verändern; sich im Stimmbruch befinden
Beispiele:
Ich glaube, das Durchschnittsalter, in dem die Jungen mutieren, hat sich mittlerweile stabilisiert, die jüngsten kommen frühestens mit elf oder zwölf Jahren in den Stimmbruch. [The King’s Singers im Interview, 19.11.2000, aufgerufen am 01.09.2020]
Die gläserne Stimme hatte mutiert. Sie war angeschwollen, hatte an Umfang und Volumen gleichermaßen zugenommen. Das Organ des Kindes hatte sich zu einer volltönigen Baßstimme entwickelt. [Schneider, Robert: Schlafes Bruder. Leipzig: Reclam 1992, S. 37]
Da er mutierte, kann seine Mitwirkung im Chor nur von kurzer Dauer gewesen sein. [Blume, Friedrich: Bach. In: Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Berlin: Directmedia Publ. 2001 [1951], S. 4318]
Einer hat eine Stimme wie ein Hahnenimitator, ein andrer mutiert grade, dazu ein oller, ehrlicher Baß […]. [Tucholsky, Kurt: Nebenan. In: ders.: Kurt Tucholsky, Werke – Briefe – Materialien. Berlin: Directmedia Publ. 2000 [1916], S. 892]

letzte Änderung:

Etymologisches Wörterbuch (Wolfgang Pfeifer)

Etymologie

mutieren · Mutation
mutieren Vb. ‘(sich) verändern’ (14. Jh.), ‘sich im Stimmbruch befinden’ (19. Jh.), ‘sich im Erbgefüge ändern’ (20. Jh.), entlehnt aus lat. mūtāre ‘(ver)ändern’. – Mutation f. ‘Änderung, Wandlung, Stimmbruch’ (19. Jh.), ‘Veränderung des Erbguts’ (de Vries 1901), lat. mūtātiō ‘Veränderung, Wechsel, Tausch’.

Thesaurus

Synonymgruppe
(sich) drehen (Stimmung) · (sich) verwandeln · (sich) verändern · (sich) wandeln · (sich) ändern · mutieren · wechseln
Oberbegriffe
Unterbegriffe
Assoziationen
  • der Herkunft nach · eigentlich · seinem Ursprung nach · ursprünglich · vom Herkommen · von Haus(e) aus · von der Familie her
Synonymgruppe
(sich) verwandeln (in) · (sich) verändern (zu / in) · (sich) wandeln (zu) · mutieren (zu)
Oberbegriffe

Typische Verbindungen zu ›mutieren‹ (berechnet)

Detailliertere Informationen bietet das DWDS-Wortprofil zu ›mutieren‹.

Zitationshilfe
„mutieren“, bereitgestellt durch das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/mutieren>.

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