nüchtern
Adj.
‘nicht gegessen und getrunken habend, mit leerem Magen, nicht betrunken’,
übertragen
‘besonnen, leidenschaftslos, phantasielos’,
ahd.
nuohturn
(10./11. Jh.;
dazu die Weiterbildung
nuohturnīn,
um 1000,
z. B. in
nuohturnīn sīn
‘sich einer Sache enthalten’),
mhd.
nüehtern,
auch schon
‘nicht betrunken’,
mnd.
nöchteren,
mnl.
nuchteren,
nuchterne,
nl.
nuchter
sind entlehnt aus
lat.
nocturnus
‘nächtlich’
(zu
lat.
nox,
Genitiv
noctis,
s.
Nacht).
Die vom
Lat. abweichende Vokallänge
erklärt sich durch Angleichung
an die einheimischen Bezeichnungen für
‘Morgenfrühe, Dämmerung’
ahd.
uohta
(um 1000),
mhd.
uohte,
uhte,
nhd.
(landschaftlich)
Ucht,
asächs.
ūhta,
mnd.
uchte
(verwandt mit
Nacht).
Es handelt sich wohl um ein in den Klöstern entstandenes Wort
mit der Bedeutung
‘in der Morgendämmerung bestehend, frühmorgendlich, im Zustand des frühen Morgens befindlich’,
d. h.
‘noch nichts gegessen und getrunken habend’,
und zwar in der Zeit des der Nachtruhe folgenden Morgengottesdienstes
vor Einnahme der Morgenmahlzeit.
–
Nüchternheit
f.
(Anfang 15. Jh.).
ausnüchtern
Vb.
‘sich vom Zustand der Trunkenheit erholen’
(17. Jh.);
Ausnüchterung
f.
(Mitte 19. Jh.).
ernüchtern
Vb.
‘sich nach reichlichem Essen, von einem Rausch erholen’,
mhd.
ernüchtern,
‘jmdn. aus einer gesteigerten Stimmung herausreißen’
(18. Jh.);
Ernüchterung
f.
(2. Hälfte 19. Jh.).