Ohr
n.
Gehörorgan bei Mensch und Wirbeltier
und sein äußerer, muschelartig gebogener Teil,
ahd.
(8. Jh.),
asächs.
ōra,
mhd.
ōr(e),
mnd.
ōr,
aengl.
ēare,
anord.
eyra,
got.
(mit grammatischem Wechsel)
ausō
‘Ohr’
und
(in der erweiterten Bedeutung
‘Ohr, Öhr, Henkel’)
mnl.
óre,
nl.
oor,
engl.
ear,
schwed.
öra
führen auf
germ.
*auzan-
und mit
awest.
(Dual)
uši,
griech.
ū́s
(
οὖς
aus
*οὖσος),
dor.
ṓs
(
ὦς,
aus
*ō‐ͧs)
‘Ohr’,
übertragen
‘Henkel’,
lat.
auris
(aus
*ausis)
‘Ohr’,
air.
āu,
ō,
lit.
ausìs,
aslaw.
ucho,
russ.
úcho
(
ухо)
‘Ohr’
auf
ie.
*ōus-,
*əus-,
*us-
‘Ohr’.
Zu
Ohr
gebildet ist
Öhr
(s. d.).
Ohrfeige
f.
‘Schlag auf die Wange, Backpfeife’,
frühnhd.
ōrfīge
(Ende 15. Jh.),
mnd.
ōrvīge
(neben geläufigerem
ōrslach),
nl.
(älter)
oorvijg
(späteres
nl.
oorveeg
in Anlehnung an
nl.
vegen
‘fegen, kehren, wischen’,
veeg
‘Streich, Hieb, Schlag’).
Grundwort ist wohl die unter
Feige
(s. d.)
behandelte Fruchtbezeichnung,
vergleichbar anderen Ausdrücken für
‘Wangenschlag’
wie
nhd.
(mundartlich)
Dachtel
f.
(eigentlich
‘Dattel’)
und
mnl.
muulpēre,
nl.
muilpeer
(eigentlich
‘Maulbirne’);
dazu
ohrfeigen
Vb.
(Anfang 19. Jh.).
Ohrwurm
m.
Insekt mit fadenförmigen Fühlern
und Zangen am hinteren Körperende,
mhd.
ōrwurm
(14. Jh.);
nach (irriger) Volksmeinung
soll das Insekt die Ohren der Menschen aufsuchen,
darin leben und das Ohrinnere schädigen.
Demselben Motiv folgen auch Synonyme wie
Ohrenkriecher,
-schlüpfer,
-schliefer,
-knieper,
-zwicker
u. ä.
Anfangs bezeichnet
Ohrwurm
(und seine Entsprechungen)
sowohl den
‘Ohrenschmerz’
als auch dessen vermeintlichen Erreger,
vorgestellt teils als ein imaginärer Krankheitsdämon,
teils als das oben beschriebene Insekt.
Letzteres ergibt
(getrocknet und gestoßen)
ein volksmedizinisches Heilmittel gegen Ohrenkrankheiten.
Vgl.
Pfeifer
Tiernamen
629 ff.
In übertragener Verwendung
Ohrwurm,
-würmchen
‘Schmeichler’
(18. Jh.)
und
‘sich einschmeichelnde, einprägsame Melodie’
(Mitte 20. Jh.).