sauer
Adj.
(vom Geschmack)
‘scharf und zusammenziehend’,
auch
‘säurehaltig, geronnen’
(von Milch),
verschiedentlich übertragen
‘mühevoll, schwer, verärgert’,
ahd.
(8. Jh.),
mhd.
mnd.
aengl.
sūr,
mnl.
suur,
nl.
zuur,
engl.
sour,
anord.
sūrr,
schwed.
sur.
Germ.
*sūra-
‘sauer, salzig’,
auch
‘feucht’
(vgl.
ahd.
sūrougi
‘triefäugig, halbblind’,
9. Jh.,
asächs.
sūrōgi,
aengl.
sūrēagede,
sūrīege,
anord.
sūreygr)
läßt sich vergleichen mit
lit.
(älter mundartlich)
sū́ras
‘gesalzen’,
lett.
sūrs
‘salzig, bitter’,
lit.
sū́ris
‘(harter und stark gesalzener) Käse’,
aslaw.
syrъ
‘feucht, naß’,
russ.
syrój
(
сырой)
‘roh, feucht, sauer’,
aslaw.
syrъ,
russ.
syr
(
сыр)
‘Käse’,
(mit Ablaut)
anord.
saurr
‘Schmutz, feuchte Erde’,
aslaw.
surovъ
‘hart, grausam’,
russ.
suróvyj
(
суровый)
‘rauh, roh’
und auf
ie.
*suəro-
‘sauer, salzig, bitter’,
eigentlich
‘saftend, käsig geronnen, schleimig naß’
zurückführen.
Dies gehört zur Wurzel
ie.
*seu-,
*seu̯ə-.
*sū-
‘tropfen lassen, schlürfen, saugen’
(s.
saufen,
saugen,
suhlen).
Vgl. die Wendungen
etw. wird jmdm. sauer
‘zur Qual, schwer’,
mhd.
sūr werden
‘qualvoll, peinlich werden’;
jmdm. das Leben sauer (‘zur Qual’)
machen
(15. Jh.);
jmdn. sauer ankommen
‘Mühe, Qual verursachen’,
mhd.
sūr ankomen.
–
säuerlich
Adj.
‘leicht sauer schmeckend’
(17. Jh.),
sauerlicht
(16. Jh.).
säuern
Vb.
‘sauer machen’,
ahd.
sūren
(9. Jh.),
mhd.
siuren.
versauern
Vb.
‘sauer werden, machen’
(15. Jh.),
zu
nhd.
sauern
‘sauer werden, sein’,
ahd.
sūrēn
(9. Jh.),
mhd.
sūren,
siuren.
Säure
f.
‘saure Beschaffenheit, Herbheit, Schärfe, sauer schmeckende Flüssigkeit’
(Essig u. dgl.),
ahd.
sūrī
(9. Jh.),
mhd.
siure,
Abstraktum zu
sauer
(s. oben);
in der Chemie
‘mit Basen Salze bildende Verbindung’
(18. Jh.).
Sauerampfer
m.
Name einer sauer schmeckenden Wiesenpflanze,
ahd.
sūrampho
(Hs. 12. Jh.),
mhd.
sūrampfe,
dann
sūrampfer
(14. Jh.),
nhd.
Sauerampfer
(15. Jh.).
Daneben steht früher bezeugtes
Ampfer
m.
ahd.
amph(a)ra
f.
(10. Jh.),
amph(a)ro
m.
(11./12. Jh.),
mhd.
ampfer,
nd.
Amper,
aengl.
ampre,
Substantivierung eines in
anord.
apr
(aus
*ampaʀ)
‘hart, böse’,
schwed.
amper
‘scharf, herb, derb’,
nl.
amper
(älter,
doch noch mundartlich)
‘scharf, herb, sauer’
erhaltenen Adjektivs.
Diesem vergleichbar sind
aind.
amláḥ,
amblaḥ
‘sauer’
und
lat.
amārus
‘bitter’.
Erschließen läßt sich eine Wurzel
ie.
*am-
‘bitter, sauer’
(da die genannten Bildungen
aus semantischen Gründen besser nicht zu einer Wurzel
ie.
*om-
‘roh, bitter’
gerechnet werden sollten).
Die Komposition
ahd.
sūrampho
ist als eine verdeutlichende Bildung zu dem
(vielleicht nicht mehr verstandenen)
Grundwort anzusehen.
Sauerstoff
m.
farb-, geruch-, geschmackloses Gas.
Das Anfang der 70er Jahre des 18. Jhs. entdeckte chemische Element nannte
Lavoisier
(1783),
der den sauren Charakter vieler Oxide feststellte
und fälschlich annahm,
daß alle Säuren Sauerstoff enthielten,
frz.
gaz oxygène
‘säurebildendes Gas’
bzw. substantiviert
nlat.
oxygenium,
frz.
oxygène;
vgl.
griech.
oxýs
(
ὀξύς)
‘scharf, herb, bitter, sauer, schnell, heftig’
(s.
Oxid)
und s.
-gen.
Den
frz. Ausdruck übersetzt
Girtanner
(in Analogie zu
Stick-
und
Wasserstoff)
mit
Sauerstoff
(1791).
sauersüß
Adj.
‘sauer und süß zugleich’
(17. Jh.),
häufiger
süßsauer
(16. Jh.);
vgl.
mhd.
sīn süeʒe sūreʒ ungemach.
Sauerteig
m.
‘gärender Mehlteig, der dem Brotteig als Treibmittel zugefügt wird’
(15. Jh.).
Sauertopf
m.
‘verdrießlicher, mürrischer Mensch’
(16. Jh.),
eigentlich
‘Essigtopf’,
vgl.
mnd.
sūr
‘Essig’.
Sauregurkenzeit
f.
‘ereignisarme Zeit’,
eigentlich
‘Juli und August, die Zeit, in der die Gurken reifen’.
Im 18. Jh. unter Berliner Kaufleuten für den
‘geruhsamen Geschäftsgang während des Sommers’
verbreitet,
seit der Mitte des 19. Jhs.
als Ausdruck der Tagespresse für die
‘ereignis- und stoffarme Zeit der Hundstage’,
dann allgemein zur Bezeichnung einer ereignislosen Zeit.