Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

sauer

eWDG

Bedeutungen

1.
Geschmacksbezeichnung
a)
die Schleimhäute des Mundes zusammenziehend und viel Speichel absondernd, wie eine Zitrone oder Essig schmeckend
in gegensätzlicher Bedeutung zu süß
Beispiele:
etw. schmeckt sauer (wie Essig)
die Zitrone, der Rhabarber ist sehr sauer
saure Drops, Bonbons, Kirschen, Gurken
dieser Wein ist mir zu sauer (= herb)
mit, in Essigwasser
Beispiele:
Kürbis sauer einkochen
Heringe, Tomaten, Pilze, Pflaumen, Bohnen sauer einlegen
es stößt ihm sauer auf, weil er zu fett gegessen hat (= die Magensäure steigt ihm auf, weil er zu fett gegessen hat)
umgangssprachliches kommt ihm sauer hoch, weil er zu fett gegessen hat (= die Magensäure steigt ihm auf, weil er zu fett gegessen hat)
übertragen
Beispiele:
saloppdas wird ihm noch sauer aufstoßen (= das wird ihm noch Schwierigkeiten bereiten, wird üble Folgen für ihn haben)
salopper muss in den sauren Apfel beißen (= muss etw. notgedrungen tun)
salopp jmdm. Saures gebenjmdm. unverblümt die Meinung sagen; jmdn. prügeln
Beispiele:
gib ihm Saures!
[er] gab ihnen mit seiner Rute Saures [ A. ZweigBeil399]
b)
durch Gärung dick geworden, geronnen
Beispiele:
saure Milch essen
die Milch, Kaffeesahne ist sauer geworden
c)
durch Gärung verdorben
Beispiele:
das Bier, der Most, Wein ist sauer geworden
die Suppe von gestern riecht schon sauer
die enge Straße war voll von sauren Gerüchen
in der Gaststube roch es sauer, war die Luft sauer
2.
mühsam, schwer, schwierig, unerfreulich
Beispiele:
jmdm. das Leben sauer machen
sein Brot, seinen Unterhalt sauer verdienen
das ist sauer erworben
er kaufte sich [Dativ] von seinem sauer verdienten, ersparten Geld ein Häuschen
Kartoffelsammeln ist eine saure Arbeit
er schrieb den Brief mit saurer Mühe
eine saure Pflicht ausüben müssen
er hat ein saures Leben, saure Tage, Jahre gehabt
sich [Dativ] etw. sauer werden lassen (= sich mit etw. abmühen)
gehobenetw. kommt jmdn. sauer an (= fällt jmdm. schwer)
daß ich den sauren Gang zu Tante Schwabe unverzüglich antreten müsse [ G. Hauptm.4,247]
Saure Wochen, frohe Feste! [ GoetheSchatzgräber]
etw. wird jmdm. saueretw. fällt jmdm. schwer
Beispiele:
das Stehen, Gehen wird ihm schon sauer
der Abschied wird mir sauer!
der Weg über das verschneite Gebirge ist ihnen sauer geworden
3.
ärgerlich, verdrießlich, missmutig
Beispiele:
ein saures Gesicht machen, schneiden, ziehen
etw. mit saurer Miene, saurem Lächeln tun
eine saure Bemerkung fallenlassen
er sah mit sauer verzogenem Mund zu
saloppsie reagierten auf den Witz sauer
salopper hat auf das Ansinnen sauer reagiert (= ging nur widerwillig darauf ein, lehnte es indirekt ab)
saloppjmd. wird, ist sauer, sieht sauer aus
4.
Landwirtschaft mit einem hohen Säuregehalt
Beispiele:
ein saurer Boden
in dieser Gegend gibt es meist saure Wiesen
die Fuchsien gedeihen am besten in leicht saurer Erde
saures Gras, Futter
5.
Chemie säurehaltig, wie Säure
Beispiele:
ein sauer reagierendes Sekret
die Reaktion des Schlangengifts ist leicht sauer
saure Reagenzien, Gewässer, Gesteine, Salze, Farbstoffe
daß alte, besonders stabile Bücher entweder ganz schwach sauer oder leicht alkalisch sind [ Urania1960]
6.
salopp
a)
das Auto ist sauerdas Auto hat einen Motorschaden, streikt
Beispiele:
sein Wagen hat auf der langen, schwierigen Fahrt nicht ein einziges Mal sauer gemacht
der Motor ist so konstruiert, dass er 120 Stundenkilometer fährt, ohne sauer zu werden
b)
Sport kraftlos, stark ermüdet, erschöpft
Beispiele:
nach zwanzig Kilometern im Marathonlauf wurde er restlos sauer
als sein einziger Verfolger sauer wurde (= im Rennen zurückfiel, den Kampf aufgab), holte sich der Rennfahrer in einer fantastischen Alleinfahrt den Sieg
jmdn. sauer machenjmdn. stark erschöpfen, schwächen
Beispiel:
er machte seinen Gegenspieler in der zweiten Halbzeit sauer
Dieses Wort ist Teil des Wortschatzes für das Goethe-Zertifikat A2.
Etymologisches Wörterbuch (Wolfgang Pfeifer)

Etymologie

sauer · säuerlich · säuern · versauern · Säure · Sauerampfer · Ampfer · Sauerstoff · sauersüß · Sauerteig · Sauertopf · Sauregurkenzeit
sauer Adj. (vom Geschmack) ‘scharf und zusammenziehend’, auch ‘säurehaltig, geronnen’ (von Milch), verschiedentlich übertragen ‘mühevoll, schwer, verärgert’, ahd. (8. Jh.), mhd. mnd. aengl. sūr, mnl. suur, nl. zuur, engl. sour, anord. sūrr, schwed. sur. Germ. *sūra- ‘sauer, salzig’, auch ‘feucht’ (vgl. ahd. sūrougi ‘triefäugig, halbblind’, 9. Jh., asächs. sūrōgi, aengl. sūrēagede, sūrīege, anord. sūreygr) läßt sich vergleichen mit lit. (älter mundartlich) sū́ras ‘gesalzen’, lett. sūrs ‘salzig, bitter’, lit. sū́ris ‘(harter und stark gesalzener) Käse’, aslaw. syrъ ‘feucht, naß’, russ. syrój (сырой) ‘roh, feucht, sauer’, aslaw. syrъ, russ. syr (сыр) ‘Käse’, (mit Ablaut) anord. saurr ‘Schmutz, feuchte Erde’, aslaw. surovъ ‘hart, grausam’, russ. suróvyj (суровый) ‘rauh, roh’ und auf ie. *suəro- ‘sauer, salzig, bitter’, eigentlich ‘saftend, käsig geronnen, schleimig naß’ zurückführen. Dies gehört zur Wurzel ie. *seu-, *seu̯ə-. *sū- ‘tropfen lassen, schlürfen, saugen’ (s. saufen, saugen, suhlen). Vgl. die Wendungen etw. wird jmdm. sauer ‘zur Qual, schwer’, mhd. sūr werden ‘qualvoll, peinlich werden’; jmdm. das Leben sauer (‘zur Qual’) machen (15. Jh.); jmdn. sauer ankommen ‘Mühe, Qual verursachen’, mhd. sūr ankomen. – säuerlich Adj. ‘leicht sauer schmeckend’ (17. Jh.), sauerlicht (16. Jh.). säuern Vb. ‘sauer machen’, ahd. sūren (9. Jh.), mhd. siuren. versauern Vb. ‘sauer werden, machen’ (15. Jh.), zu nhd. sauern ‘sauer werden, sein’, ahd. sūrēn (9. Jh.), mhd. sūren, siuren. Säure f. ‘saure Beschaffenheit, Herbheit, Schärfe, sauer schmeckende Flüssigkeit’ (Essig u. dgl.), ahd. sūrī (9. Jh.), mhd. siure, Abstraktum zu sauer (s. oben); in der Chemie ‘mit Basen Salze bildende Verbindung’ (18. Jh.). Sauerampfer m. Name einer sauer schmeckenden Wiesenpflanze, ahd. sūrampho (Hs. 12. Jh.), mhd. sūrampfe, dann sūrampfer (14. Jh.), nhd. Sauerampfer (15. Jh.). Daneben steht früher bezeugtes Ampfer m. ahd. amph(a)ra f. (10. Jh.), amph(a)ro m. (11./12. Jh.), mhd. ampfer, nd. Amper, aengl. ampre, Substantivierung eines in anord. apr (aus *ampaʀ) ‘hart, böse’, schwed. amper ‘scharf, herb, derb’, nl. amper (älter, doch noch mundartlich) ‘scharf, herb, sauer’ erhaltenen Adjektivs. Diesem vergleichbar sind aind. amláḥ, amblaḥ ‘sauer’ und lat. amārus ‘bitter’. Erschließen läßt sich eine Wurzel ie. *am- ‘bitter, sauer’ (da die genannten Bildungen aus semantischen Gründen besser nicht zu einer Wurzel ie. *om- ‘roh, bitter’ gerechnet werden sollten). Die Komposition ahd. sūrampho ist als eine verdeutlichende Bildung zu dem (vielleicht nicht mehr verstandenen) Grundwort anzusehen. Sauerstoff m. farb-, geruch-, geschmackloses Gas. Das Anfang der 70er Jahre des 18. Jhs. entdeckte chemische Element nannte Lavoisier (1783), der den sauren Charakter vieler Oxide feststellte und fälschlich annahm, daß alle Säuren Sauerstoff enthielten, frz. gaz oxygène ‘säurebildendes Gas’ bzw. substantiviert nlat. oxygenium, frz. oxygène; vgl. griech. oxýs (ὀξύς) ‘scharf, herb, bitter, sauer, schnell, heftig’ (s. Oxid) und s. -gen. Den frz. Ausdruck übersetzt Girtanner (in Analogie zu Stick- und Wasserstoff) mit Sauerstoff (1791). sauersüß Adj. ‘sauer und süß zugleich’ (17. Jh.), häufiger süßsauer (16. Jh.); vgl. mhd. sīn süeʒe sūreʒ ungemach. Sauerteig m. ‘gärender Mehlteig, der dem Brotteig als Treibmittel zugefügt wird’ (15. Jh.). Sauertopf m. ‘verdrießlicher, mürrischer Mensch’ (16. Jh.), eigentlich ‘Essigtopf’, vgl. mnd. sūr ‘Essig’. Sauregurkenzeit f. ‘ereignisarme Zeit’, eigentlich ‘Juli und August, die Zeit, in der die Gurken reifen’. Im 18. Jh. unter Berliner Kaufleuten für den ‘geruhsamen Geschäftsgang während des Sommers’ verbreitet, seit der Mitte des 19. Jhs. als Ausdruck der Tagespresse für die ‘ereignis- und stoffarme Zeit der Hundstage’, dann allgemein zur Bezeichnung einer ereignislosen Zeit.

Thesaurus

Chemie
Synonymgruppe
mit niedrigem pH-Wert · sauer
Synonymgruppe
gereizt · giftig  ●  (leicht / ziemlich) angesäuert  ugs. · angefressen  ugs. · angesickt  ugs. · eingeschnappt  ugs. · sauer  ugs., Hauptform · stinkig  ugs. · säuerlich  ugs.
Oberbegriffe
Assoziationen
Synonymgruppe
hart (erkämpft) · mit Mühe und Plage  ●  im Schweiße meines Angesichts  ugs. · sauer (verdient)  ugs.
Synonymgruppe
aggressiv (Flüssigkeit) · essigsauer · sauer · zieht einem den Mund zu(sammen) · zitronig · ätzend
Assoziationen
Synonymgruppe
beleidigt · gekränkt · nachtragend · schmollend · verletzt  ●  (sich) auf den Schlips getreten fühlen  fig. · angepiekst  ugs. · eingeschnappt  ugs. · pikiert  geh. · sauer  ugs. · tödlich beleidigt  ugs., Verstärkung
Assoziationen
Synonymgruppe
ungehalten · verstimmt (über, wegen) · wenig erfreut  ●  (jemandem) gram sein  dichterisch · leicht verärgert (wegen einer Sache)  Hauptform · not amused  scherzhaft · verschnupft (wegen)  fig. · angefressen  ugs. · indigniert  geh. · nicht sehr erbaut  geh. · sauer  ugs. · vergnatzt  ugs., norddeutsch, berlinerisch · vergrätzt  ugs.
Assoziationen

Typische Verbindungen zu ›sauer‹ (berechnet)

Detailliertere Informationen bietet das DWDS-Wortprofil zu ›sauer‹.

Verwendungsbeispiele für ›sauer‹

maschinell ausgesucht aus den DWDS-Korpora

Sie sah mich nicht so sauer an, wie ich erwartet hatte. [Arjouni, Jakob: Happy birthday, Türke!, Zürich: Diogenes 1987 [1985], S. 43]
Aber wenn man Ruth hat, kann man nicht lange sauer sein. [Morgner, Irmtraud: Rumba auf einen Herbst, Hamburg u. a.: Luchterhand 1992 [1965], S. 163]
Es würde mir auch sauer genug ankommen, die richtigen Worte über den zu finden. [Kant, Hermann: Die Aula, Berlin: Rütten & Loening 1965, S. 258]
Wenn die Wirte mich nur sehen, wird ihnen das Bier schon sauer. [Fallada, Hans: Wer einmal aus dem Blechnapf frißt – Bd. 1, Berlin u. a.: Aufbau-Verl. 1990 [1934], S. 113]
So schmecken vollständig dissoziierte Säuren stärker sauer als äquimolare Lösungen schwach dissoziierter Säuren. [Hatt, Hanns: Chemosensibilität, Geruch und Geschmack. In: Dudel, Josef u. a. (Hgg.) Neurowissenschaft, Berlin: Springer 1996, S. 302]
Zitationshilfe
„sauer“, bereitgestellt durch das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/sauer>.

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