über die Grenzen der wissenschaftlich gesicherten Erkenntnis hinaus denkend, philosophierend, rein gedankenmäßig
spekulativ
Grammatik Adjektiv
Aussprache
Worttrennung spe-ku-la-tiv
Wortbildung
mit ›spekulativ‹ als Letztglied:
hochspekulativ
Herkunft zu speculativusmlat ‘in forschendes Denken sich versenkend, betrachtend’
eWDG
Bedeutung
Etymologisches Wörterbuch (Wolfgang Pfeifer)
Etymologie
spekulieren · Spekulant · Spekulation · spekulativ
spekulieren
Vb.
‘nachdenken, gewagte, riskante Geschäfte machen, auf etw. rechnen’,
mhd.
speculieren
‘sich in religiöse Betrachtung versenken, (Gott) zu erforschen suchen, sinnen’
wird durch die Mystiker entlehnt aus
lat.
speculārī
‘(umher)spähen, sich umsehen, auskundschaften, beobachten’;
zu
lat.
specere
‘sehen’.
Bei den Reformatoren
(Luther)
erhält
spekulieren
den abschätzigen Nebensinn
‘forschen, nachdenken auf phantastischer (d. h. nicht auf biblischer Überlieferung beruhender) Grundlage’,
verallgemeinert
‘ohne Bezug zur Wirklichkeit nachsinnen, forschen’,
auch
‘dichten’
(16. Jh.).
Doch bleibt daneben wertneutraler Gebrauch im Sinne von
‘nachdenken, überlegen, mutmaßen’
erhalten,
in der Philosophie weiterentwickelt zu
‘durch bloßes Denken (ohne Empirie) Erkenntnisse zu gewinnen suchen’
(18. Jh.).
Eine eigene Verwendungsweise zeigt die Kaufmannssprache,
wo
‘Berechnungen, Überlegungen anstellen, die einen Erfolg möglich erscheinen lassen, solche Absichten und Geschäfte ausführen’
(16. Jh.,
geläufig 18. Jh.)
in
‘riskante Geschäfte machen’
übergeht.
Davon herzuleiten ist der allgemeinsprachliche Gebrauch
spekulieren (‘rechnen’) auf etw.
(Ende 18. Jh.).
Spekulant
m.
philosophisch
‘wer über metaphysische Dinge nachdenkt, Grübler’
(17. Jh.),
kaufmannssprachlich
‘wer mit Risiko nach Gewinn strebt, auf Gewinn rechnender Unternehmer’
(18. Jh.);
vgl.
lat.
speculāns
(Genitiv
speculantis),
Part. Präs. zu
lat.
speculārī
(s. oben).
Spekulation
f.
mhd.
speculācie
(Anfang 14. Jh.),
frühnhd.
Speculacz
(15. Jh.),
Speculation
(16. Jh.),
aus
spätlat.
speculātio
(Genitiv
speculātiōnis)
‘das Ausschauhalten, Ausspähen, Betrachtung, das Beschauen’;
entsprechend dem Gebrauch des Verbs zuerst bei den Mystikern
‘Betrachtung Gottes und seiner Schöpfung, geistliche Verzückung’,
dann
‘tiefsinniges Nachdenken, Betrachten, Forschen’
(16. Jh.),
philosophisch
‘kontemplatives, von der Wirklichkeit losgelöstes Erkenntnisstreben’
(18. Jh.),
bald auch abschätzig
windige,
müßige Speculation
‘Spintisiererei’
(18. Jh.).
Kaufmannssprachlich
‘kaufmännische Berechnung, riskante, auf Gewinn zielende Unternehmung’
(18. Jh.).
spekulativ
Adj.
philosophisch
(als Gegensatz zu
empirisch)
‘in reinen Begriffen denkend, wirklichkeitsfremd, übersinnlich’,
verallgemeinert
‘grübelnd, forschend, zur Spekulation neigend’
(17. Jh.),
kaufmannssprachlich
‘berechnend, auf Gewinn, Handelsvorteil bedacht’
(19. Jh.),
aus
mlat.
speculativus
‘in forschendes Denken sich versenkend, betrachtend’.
Thesaurus
Synonymgruppe
Assoziationen |
|
Synonymgruppe
(an einer Sache) ist kein wahres Wort
·
(ein) Produkt der Phantasie
·
ausgedacht
·
belegfrei
·
eingebildet
·
erfunden
·
erlogen
·
fiktiv
·
frei erfunden
·
frei phantasiert
·
haltlos
·
imaginär
·
irreal
·
nicht auf Tatsachen beruhen(d)
·
ohne Realitätsbezug
·
ohne Realitätsgehalt
·
spekulativ
·
surreal
●
kenntnisfrei
ironisch
·
(an einer Sache) ist nichts Wahres dran
ugs.
·
(da ist) nichts dran
ugs.
·
an den Haaren herbeigezogen
ugs., fig.
·
aus der Luft gegriffen
ugs., fig.
·
erstunken und erlogen
ugs.
·
imaginiert
geh.
·
von A bis Z gelogen
ugs., variabel
·
zusammenfantasiert
ugs.
Assoziationen |
|
Antonyme |
|
Synonymgruppe
(hoch)spekulativ (sein)
·
keine gesicherte Datenbasis haben
●
(sich) auf dünnem Eis bewegen
fig.
Assoziationen |
|
Typische Verbindungen zu ›spekulativ‹ (berechnet)
Anlage
Anleger
Attacke
Blase
Charakter
Denken
Exzeß
Finanzgeschäft
Finanzprodukt
Geschäft
Hebelprodukt
Hedge-fonds
Hedgefonds
Idealismus
Investment
Kapital
Kapitalbewegung
Kauf
Leerstand
Phantasie
Philosophie
Preisblase
Theismus
Theologie
Transaktion
eingestellt
hochgradig
orientiert
rein
Übertreibung
Detailliertere Informationen bietet das DWDS-Wortprofil zu ›spekulativ‹.
Verwendungsbeispiele für ›spekulativ‹
maschinell ausgesucht aus den DWDS-Korpora
Rein spekulativ haben wir ihn in der ersten Zeit manchmal reflektiert.
[o. A.[Autorenkollektiv am Psychologischen Institut der Freien Universität Berlin]: Sozialistische Projektarbeit im Berliner Schülerladen Rote Freiheit. Frankfurt: Fischer Bücherei 1971, S. 44]
Das ist die höchste Form des Erkennens, die "spekulative Wissenschaft".
[Blättner, Fritz: Geschichte der Pädagogik, Heidelberg: Quelle & Meyer 1961 [1951], S. 179]
Und auch die interlokalen Gewerbe brachten offenbar oft erheblichen spekulativen Gewinn.
[Weber, Max: Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen. In: Weber, Marianne (Hg.), Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie, Bd. I, Tübingen: Mohr 1920 [1916-1919], S. 365]
Gesehen hat diese fremden Welten – so sie existieren – also noch niemand, und somit ist die Frage, ob sie bewohnt sind, spekulativ.
[o. A.: ASTRONOMIE: RÄTSEL 1. In: Bild der Wissenschaft auf CD-ROM, Stuttgart: Dt. Verl.-Anst. 1998 [1997]]
Was ist daran »spekulativ«, daß einer so lustvollen Sex zeigt, wie viele unter uns ihn gerne sehen mögen?
[konkret, 1983]
Zitationshilfe
„spekulativ“, bereitgestellt durch das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/spekulativ>.
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