ur-
Präfix
in nominalen Zusammensetzungen.
Die nur in alter Zeit bezeugte Präposition
ahd.
ur
(nur 8./9. Jh.),
anord.
ōr,
got.
us
‘aus, aus … heraus’
und das darauf beruhende
gemeingerm. Präfix
ahd.
mhd.
engl.
schwed.
ur-,
asächs.
ur-,
or-,
mnd.
ōr-,
aengl.
or-,
mnl.
nl.
oor-,
anord.
ōr-,
ør-,
mit grammatischem Wechsel
got.
us-,
uz-
‘aus, hinaus, hinauf’
führen auf
ie.
*ū̌ds,
eine Weiterbildung von
ie.
*ū̌d-
(s.
↗
aus).
Das in Verbalkomposita unbetonte Präfix wird zu
↗
er-
(s. d.)
geschwächt,
während Nominalkomposita
(als die vermutlich älteren Bildungen)
unter Einwirkung der
germ. Anfangsbetonung stehen,
so daß das Präfix in der Tonstelle seine volle Form
ur-
bewahren kann.
Infolgedessen stehen sich gegenüber
Urlaub
und
erlauben,
Urteil
und
erteilen
(erst als junge Ableitung dazu
urteilen).
Die alte Bedeutung
‘aus, hinaus, hinauf’
zeigen
got.
uzanan
‘aushauchen’,
ahd.
urteil
‘Aus-, Zuteilung (des Rechts)’,
got.
urreisan
‘aufstehen’.
Daraus hervorgegangenen privativen bzw. negierenden Sinn zeigt
ahd.
urtriuwi
‘treulos’
(8. Jh.),
resthaft erhalten in
Urfehde
(s.
↗
Fehde);
in verstärkender, steigernder Funktion steht das Präfix in
uralt
(
ahd.
8. Jh.),
urplötzlich
(16. Jh.),
urkomisch
(19. Jh.).
In Verwandtschaftsbezeichnungen bezieht es sich
auf die nächstvorhergehende oder nächstfolgende Generation,
z. B.
Urahn
(s.
↗
Ahn),
Urenkel
(s.
↗
Enkel1),
auch in der Verdopplung
Ururgroßvater;
daran anschließend
urverwandt,
Urgesellschaft
(beide 19. Jh.).
Schließlich kennzeichnet
ur-
das Erste,
das weit Zurückliegende,
das Unverfälschte,
vgl.
Urbild
(17. Jh.),
Urwald
(19. Jh.),
urtümlich
(19. Jh.).
urig
Adj.
‘urwüchsig, sonderbar, seltsam, komisch, originell’,
wohl unmittelbar gebildet zum Präfix
ur-
(wie in
urwüchsig,
urtümlich,
urkomisch),
im 19. Jh. aus den Mundarten in die Literatursprache eindringend.
Nicht verwandt ist
schweiz.
urchig,
schwäb.
ur(ch)ig
‘rein, lauter, echt’.