Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

wälzen

Grammatik Verb
Aussprache 
Worttrennung wäl-zen
Wortbildung  mit ›wälzen‹ als Erstglied: Wälzführung · Wälzkörper · Wälzlager · Wälzsprung
 ·  mit ›wälzen‹ als Letztglied: abwälzen · dahinwälzen · entgegenwälzen · fortwälzen · heranwälzen · herumwälzen · herwälzen · hineinwälzen · hinwälzen · umwälzen · wegwälzen · überwälzen
 ·  mit ›wälzen‹ als Binnenglied: Steinewälzer · Steinwälzer
eWDG

Bedeutungen

1.
etw. Großes, Schweres, jmdn. um seine eigene Achse drehend irgendwohin bewegen
Beispiele:
einen Stein zur Seite, Fässer in den Keller wälzen
er wälzte den Mann, Verletzten auf den Bauch, Rücken
übertragen
Beispiele:
jmd. wälzt sich [Dativ] seinen Kummer vom Herzen (= erzählt jmdm. von seinem Kummer)
damit ist mir eine Last vom Herzen gewälzt
auf jmdn. alle Schuld, Verantwortung, Arbeit wälzen (= schieben, abwälzen)
sich irgendwohin wälzensich schwerfällig (irgendwohin) bewegen
Beispiele:
die Menge wälzte sich durch die Straßen, ins Freie
eine Schneelawine wälzt sich ins Tal
auf den Berggipfeln wälzte sich der Nebel
Zu Hause wälzte ich mich mit den Kleidern ins Bett [ BecherAbschied4,332]
Die Tür zum Offizierszimmer war aufgesprungen. Qualm wälzte sich in den Saal [ StrittmatterWundertäter445]
Haushoch wälzten sich die Wellen und warfen das Schiff wie eine Nußschale umher [ Roda RodaCicerone344]
2.
etw. in etw. wälzenetw. drehend in etw. hin- und herbewegen, umwenden und seine Oberfläche dadurch mit einer Schicht versehen
Beispiel:
die Bratwurst in Mehl, die Koteletts, Heringsfilets, Klößchen in geriebener Semmel, Paniermehl wälzen
3.
sich wälzensich liegend ruckartig hin- und herbewegen, wenden
Beispiele:
die beiden Kämpfenden wälzten sich am Boden
das angeschossene Tier wälzte sich auf der Erde
die Kinder wälzten sich vor Vergnügen, Übermut im Gras, Schnee
der Verletzte wälzte sich vor Schmerz
jmd. wälzt sich unruhig, stöhnend, von schweren Träumen geplagt, auf seinem Lager
[sie fand den Schlaf nicht] Sie wälzte sich im Bett [ ZahnDie da kommen64]
umgangssprachlich, übertrieben, bildlich
Beispiel:
ich könnte mich wälzen vor Lachen, Vergnügen
4.
umgangssprachlich Bücher wälzenin (dicken) Büchern nachschlagen, einige zusammenhängende Stellen in Büchern lesen, studieren
Beispiele:
beim Ausarbeiten des Vortrags, der Vorlesung, für das Verfassen des Artikels musste er viele Bücher, Nachschlagewerke wälzen
Bald nach Neujahr wälzte man Reiseführer und Kursbücher [ WintersteinLeben2,297]
Probleme, Pläne wälzensich mit Problemen, Plänen gründlich auseinandersetzen, um Klarheit darüber zu erlangen
Beispiele:
einen Gedanken wälzen
[ich] wälzte in meinem Kopf die Frage, was ich antworten sollte, wenn man einen Ausweis von mir forderte [ DurieuxTür281]
Etymologisches Wörterbuch (Wolfgang Pfeifer)

Etymologie

wälzen · Wälzer
wälzen Vb. ‘drehend (hin und her) bewegen’. Das schwach flektierende Verb ahd. welzen (9. Jh.; vgl. biwelzen ‘losreißen, zurückrollen, verdrehen’, irwelzen ‘niederreißen, wegrollen’, 8. Jh.), mhd. welzen ‘rollen, drehen’, aengl. wæltan, wyltan, anord. velta, got. waltjan ‘(sich) wälzen’ steht als Kausativum zu dem in anord. velta ‘sich wälzen’ erhaltenen stark flektierenden Verb, das sich wie walzen2 (s. d.) zu einer Dentalerweiterung der unter wallen1 (s. d.) behandelten Wurzel ie. *u̯el(ə)-, *u̯lē- ‘drehen, winden, wälzen’ stellt. Häufig übertragen ‘im Innern bewegen, grübeln, nachdenken’ (Anfang 16. Jh.; vgl. Gedanken wälzen, 18. Jh.); Bücher wälzen ‘in Büchern blättern, suchen’ (18. Jh.), vielleicht nach der gelehrten Entlehnung evolvieren (aus lat. ēvolvere ‘aufschlagen, lesen, studieren’, eigentlich ‘hervorwälzen, -rollen’, wozu auch lat. volūmen ‘Schriftrolle, Buch’, s. Volumen); dazu Wälzer m. ‘(altes) dickes, schweres Buch’ (18. Jh.), scherzhafte Übersetzung von lat. volūmen (s. oben).

Walze1 · walzen1
Walze1 f. ‘Rolle’, ahd. walza ‘(Fuß)schlinge, Fessel’ (10. Jh.), frühnhd. walze ‘Falle, Rolle’ (15. Jh.), mnd. walte ‘Rolle, Walze’, aengl. wealte ‘Ring’, anord. vǫlt ‘Rolle, Walze, Winde’ (germ. *waltō f.) stellt sich wie das Adjektiv anord. valtr ‘unstet, wacklig’, aengl. unwealt ‘standfest’ und das unter walzen2 (s. d.) behandelte Verb zu einer Dentalerweiterung der unter wallen1 (s. d.) angegebenen Wurzel ie. *u̯el(ə)-, *u̯lē- ‘drehen, winden, wälzen’. Walze ist wohl ursprünglich ein gedrehtes, gewundenes Instrument (ahd. ‘Schlinge’, s. oben). Die heutige Bedeutung ‘Rolle, zylindrischer Körper’ ist seit frühnhd. Zeit belegt. – walzen1 Vb. ‘mit der Walze (be)arbeiten’ (18. Jh.).

walzen2 · Walzer
walzen2 Vb. ‘Walzer tanzen’ (18. Jh.), zuvor ‘sich drehend (hin und her) bewegen, rollen’, auch (landschaftlich) ‘schlendern, müßiggehen, sich herumtreiben’, woraus ‘(als Handwerksbursche) auf der Wanderschaft sein’ (19. Jh.). Auszugehen ist wohl von stark flektierendem (ehemals reduplizierendem) mhd. walzen ‘(sich) wälzen, rollen, drehen, wenden’, das im Frühnhd. zur schwachen Flexion überwechselt (starke Formen bis ins 16. Jh.). Dieses auf schwach flektierendes ahd. walzen ‘wälzen, wegziehen’ (mit nachträglichem Übergang zur starken Flexion) zurückzuführen, ist kaum möglich; vielmehr dürfte ahd. (bair.) walzen als umlautlose Form (infolge von l und Konsonant) von ahd. welzen (s. wälzen) aufzufassen sein. Mhd. walzen ist daher am besten an eine Dentalerweiterung der unter wallen1 (s. d.) angegebenen Wurzel ie. *u̯el(ə)-, *u̯lē- ‘drehen, winden, wälzen’ anzuschließen. Die heutigen Verwendungen gehören mehr oder weniger der Umgangssprache an. ‘Walzer tanzen’ geht zurück auf mhd. walzen ‘sich drehend hin und her bewegen’, nhd. (obd.) ‘mit drehenden Füßen über den Boden schleifen’ (18. Jh.), im Unterschied zu hopsen. Zu walzen ‘auf der Wanderschaft sein’ entsteht die (an Walze1, s. d., angelehnte) Umschreibung auf der Walze (‘Wanderschaft’) sein (19. Jh.). – Walzer m. ‘Drehtanz im Dreivierteltakt’ (2. Hälfte 18. Jh., sich vom Obd. aus verbreitend), da im Unterschied zu älteren Tänzen mit Hopsern und Stampfschritten hier die Füße Drehbewegungen ausführen.

Typische Verbindungen zu ›wälzen‹ (berechnet)

Detailliertere Informationen bietet das DWDS-Wortprofil zu ›wälzen‹.

Verwendungsbeispiele für ›wälzen‹

maschinell ausgesucht aus den DWDS-Korpora

Die Frau wälzt sich im Sand, das Tier schmeißt sie herum. [Heym, Georg: Der Dieb. In: Deutsche Literatur, Berlin: Directmedia Publ. 1998 [1911], S. 10703]
Wann war sie aktiv, wann schlummerte sie friedlich, wann wälzte sie sich schlaflos im Bett? [Die Zeit, 01.11.2010, Nr. 44]
Während der ersten Monate konnte er nicht einschlafen, stundenlang habe er sich im Bett gewälzt. [Die Zeit, 15.06.2009, Nr. 24]
Wer noch Kraft hat, schultert ihn, andere wälzen ihn zurück. [Die Zeit, 25.08.2005, Nr. 35]
Ein Mann mit einem Bein wälzt sich über den Tisch. [Die Zeit, 08.10.1993, Nr. 41]
Zitationshilfe
„wälzen“, bereitgestellt durch das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/w%C3%A4lzen>.

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