Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

zwingend

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Grammatikpartizipiales Adjektiv · Komparativ: zwingender · Superlativ: am zwingendsten
Aussprache 
Worttrennung zwin-gend
Wortzerlegung zwingen -end2
ZDL-Vollartikel

Bedeutungen

1.
unbedingt, unerlässlich; notwendigerweise, verpflichtend; dringend (2), vordringlich
siehe auch zwangsläufig
Kollokationen:
als Adjektivattribut: eine zwingende Notwendigkeit; ein zwingender Grund
als Adverbialbestimmung: etw. ist zwingend vorgeschrieben, erforderlich, notwendig; etw. ergibt sich zwingend
mit Adverbialbestimmung: nicht zwingend
Beispiele:
Deutschland verändert sich. Die Dinge, die den Menschen wichtig sind, sie sind nicht mehr zwingend dieselben wie vor zehn oder zwanzig Jahren. [Süddeutsche Zeitung, 31.12.2018]
Fürs tägliche Pendeln auf langen Strecken taugt das Taxi damit [aufgrund dieser Preisstruktur] kaum, für einzelne zwingende Erledigungen zwischendurch aber eben schon. [Süddeutsche Zeitung, 27.12.2018]
[…] seine Mannschaft hat bisher 20 Punkte gesammelt – und damit bereits einen beziehungsweise drei Zähler mehr als in den beiden vergangenen Halbserien unter [Trainer Sandro] Schwarz. Das ist ein Erfolg, der zwischendurch nicht zwingend zu erwarten war. [Süddeutsche Zeitung, 21.12.2018]
Hier [im Bildbearbeitungsprogramm Photoshop 4] kann man die Parameter einer erstellten Ebene nicht nachträglich verändern – diese müssen also bereits beim Erstellen festgelegt werden. Diese Einschränkung ist gerade dann fatal, wenn die Aktion zwingend einen derartigen Ebenenwechsel verlangt. [C’t, 1999, Nr. 6]
Der zwingendste Grund der Straßenverbreiterung um vier Meter war wohl der eingleisige Straßenbahnverkehr. Die Bahnen fahren in 2 Minuten Abstand, und die kleinste Verzögerung an den Kreuzungen führt zu Stockungen, Schienenstörungen – gar zu Ausfällen der wichtigen Verkehrsverbindung in die Innenstadt. [Berliner Zeitung, 19.10.1955]
Beim »Wiederaufbau Berlin« werden […] solche [Holzbearbeitungs-]Maschinen laufend benötigt, so daß ihre Herstellung durch die hiesige Maschinenindustrie zur zwingenden Notwendigkeit wurde. [Berliner Zeitung, 15.12.1945]
Wenn wir Fortbildung der Mädchen als ebenso zwingende Forderung erkennen lernen wie Fortbildung der Knaben, muß das Interesse der Allgemeinheit dem Interesse des einzelnen Arbeitgebers voranstehen. [Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen 1905]
2.
konsequent, stringent, unwiderlegbar
Kollokationen:
als Adjektivattribut: eine zwingende Voraussetzung, Konsequenz; zwingende Logik
als Prädikativ: ein Schluss, Argument ist zwingend
Beispiele:
In der Theorie erscheinen viele Diäten zwingend logisch, aber im menschlichen Alltag, das wissen Leidtragende nur zu gut, ist es komplizierter. [Süddeutsche Zeitung, 31.12.2018]
Nur weil Emojis keine Syntax haben, folgt daraus nicht zwingend, dass sie keine Sprache darstellen. [Süddeutsche Zeitung, 18.12.2018]
Selbst wenn die absolute Armut eliminiert und ein Mindestmaß an Wohlstand erreicht wird, ist damit die Chancengleichheit auf Gesundheit offensichtlich nicht gegeben. Das zwingendste Argument gegen die relative Ungleichheit ist daher, dass sie eine Frage von Leben und Tod sein kann. [Der Standard, 04.07.2001]
3.
häufig Sport naheliegend; unausweichlich, unumgänglich
Kollokationen:
als Adjektivattribut: eine zwingende Chance
Beispiele:
Die zwingendste Torgelegenheit bot sich allerdings Cole nach einem Steilpass. [Neue Zürcher Zeitung, 15.02.2001]
Anders als bei I. M. Peis Pyramide im Louvre soll dieser neue Eingang [zu den Museen auf der Museumsinsel] aber wiederum auch nichts Zwingendes und Zentralistisches haben; die anderen Türen bleiben geöffnet. [Süddeutsche Zeitung, 13.12.2018]
Nach der Pause kam Westdeutschland besser ins Spiel, doch auch jetzt arbeiteten die Italiener mit schnellen Vorstößen die weitaus zwingenderen Chancen heraus. [Neues Deutschland, 31.03.1955]
4.
Kunst eindringlich, überzeugend
Grammatik: meist im Superlativ
Beispiele:
Im November 1993 ließ Holzer ihn [ihren anlässlich der Kriegsgreuel in Bosnien entstandenen Text] ins Magazin der Süddeutschen Zeitung drucken, teilweise mit dem Blut bosnischer Frauen – ihre vielleicht gewagteste und zwingendste Arbeit. [Süddeutsche Zeitung, 10.02.2001]
Am wohl zwingendsten und konzentriertesten ist Griseys musikalische Ästhetik an seinem großkonzipierten, sechsteiligen Zyklus »Les Espaces Acoustiques« (Die akustischen Räume) abzulesen[…]. [Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23.10.2001]
»Ehe im Schatten« – dank dem guten Drehbuch nach einer Novelle von Hans Schweikart und der subtilen Regie von Dr. Kurt Naetzig die schärfste und zwingendste Anklage der Quälerei an Menschen durch Menschen, die wir in deutschen Nachkriegsfilmen sahen. [Die Zeit, 29.04.1948]
Den 175. Geburtstag Ludwig van Beethovens[…] feiert die Städtische Oper mit einer Festaufführung von »Fidelio«. Man kann Beethoven nicht zwingender in unsere Zeit hineinstellen als mit diesem Werk, das eine leidenschaftliche Anklage gegen alle Tyrannei ist. [Berliner Zeitung, 15.12.1945] ungewöhnl.

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Etymologisches Wörterbuch (Wolfgang Pfeifer)

Etymologie

Etymologisches Wörterbuch (Wolfgang Pfeifer)
zwingen · zwingend · bezwingen · Zwinger · Zwang · zwängen · zwangsläufig
zwingen Vb. ‘gewaltsam zu etw. nötigen, zu etw. veranlassen, mit etw. fertig werden, etw. meistern’. Das stark flektierende Verb ahd. thwingan (8. Jh.), twingan (9. Jh.) ‘zwingen, unterjochen, beherrschen, festbinden’, mhd. twingen, dwingen, auch quingen, (seit 14. Jh.) zwingen ‘(zusammen)drücken, pressen, (be)drängen, nötigen, einschließen, beherrschen, bändigen’, asächs. thwingan ‘zwingen, bedrängen’, mnd. dwingen, mnl. dwinghen, nl. dwingen, afries. thwinga, aschwed. (auch schwach) þvinga, schwed. tvinga (germ. *þwingan) und schwach flektierendes anord. (aus dem Mnd.?) þvinga ‘zwingen, quälen’ lassen sich lediglich mit awest. θwązǰaiti ‘gerät in Bedrängnis’ vergleichen. Daraus ist ein Ansatz ie. *tu̯eng̑h- ‘bedrängen’ erschließbar. Ob (bei einer ie. Auslautvariante auf -k-) auch toch. AB twāṅk- ‘einzwängen’, lit. tveñkti (Wasser) ‘stauen’, reflexiv ‘sich versammeln’ und (unnasaliert) griech. sáttein (σάττειν) ‘vollstopfen, festdrücken, bepacken, beladen, ausrüsten’ hier anzuschließen sind, ist zweifelhaft. Als Grundbedeutung für das germ. Verb ist ‘einen Körper durch Gewaltanwendung zusammenpressen’ anzunehmen; übertragener Gebrauch im Sinne von ‘überwältigen, überwinden, meistern, bedrängen, einengen, rügen’ ist in ahd. Zeit bereits voll ausgeprägt. tw-Anlaut (bei Notker einsetzend, vereinzelt schon im 9. Jh.) herrscht im Mhd. (bis etwa gegen Ende des 15. Jhs.), zw-Anlaut setzt im 14. Jh. ein. Häufig sind Fügungen wie zu etw. gezwungen (‘genötigt, verpflichtet’) sein (15. Jh.), sich gezwungen (‘genötigt’) sehen (17. Jh.). – zwingend Part.adj. ‘bedrückend, verpflichtend, unabdingbar’ (16. Jh.), ‘schlüssig, folgerichtig, überzeugend’ (18. Jh.); geläufig zwingende Not (17. Jh.), besonders zwingendes Gesetz (16. Jh.), dann rechtssprachlich zwingendes Recht ‘Recht, das keine abweichende Regelung durch Vereinbarung unter den Betroffenen zuläßt’ (19. Jh.). bezwingen Vb. ‘überwältigen, meistern’, ahd. bithwingan ‘einengen, zügeln’ (8. Jh.), mhd. betwingen ‘bedrängen, beengen, bändigen, (er)zwingen’. Zwinger m. ‘von innerer und äußerer Mauer, von Schloß- oder Stadtmauer und Graben begrenzter Raum, in dem der vorgedrungene Feind überwältigt werden soll’, allgemein ‘Befestigungsanlage’ (15. Jh.), auch (da im Zwinger zu dessen Bewachung starke Hunde oder Bären gehalten wurden) ‘Tiergehege, Käfig’ (ebenfalls 15. Jh.), mhd. twingære, twinger, zwinger ‘Dränger, Überwältiger, Zwingherr (d. i. Grundherr mit Hoheitsrechten über Land und Leute)’; vgl. ahd. nōtthwingāri ‘gewaltsamer, heftiger Mensch’ (Hs. 12. Jh.). Zwang m. ‘Druck, Nötigung durch Macht, Androhen von Gewaltanwendung’, ahd. thwang ‘Zügel’ (um 900), githwang ‘Zucht, Zwang’ (9. Jh.), mhd. twanc (auch zwanc) ‘Beengung, Gewalt, Einschränkung, Not, Bedrängnis’, ablautendes Verbalabstraktum. zwängen Vb. ‘gewaltsam einengen, Druck ausüben, pressen’, ahd. thwengen ‘bedrängen, züchtigen, beängstigen’ (9. Jh.), mhd. twengen (auch zwengen) ‘Zwang antun, drücken, zusammenpressen, bändigen’, mnd. dwengen ist Kausativum zu dem unter zwingen (s. d.) behandelten Verb. zwangsläufig Adj. ‘zwingend eintretend, unabwendbar, notgedrungen’ (19. Jh.).

Bedeutungsverwandte Ausdrücke

(an etwas) geht kein Weg vorbei · alternativlos · nicht verhandelbar · nicht vermeidbar · ohne Alternative · programmiert · unabdingbar · unabwendbar · unaufhaltsam · unausweichlich · unumgänglich · unvermeidlich · vorherbestimmt · zwingend  ●  (an etwas) führt kein Weg vorbei fig. · da musst du jetzt durch ugs., Spruch · imperativ geh. · unabweisbar geh. · vorprogrammiert ugs.
Assoziationen
  • erforderlich · notwendig · nötig · unerlässlich  ●  obligat geh., bildungssprachlich · von Nöten geh. · vonnöten geh.
  • Grund... · die Grundlage bilden(d) · elementar · entscheidend · essentiell · essenziell · fundamental · grundlegend · primär · prinzipiell · substanziell · von elementarer Bedeutung · von essentieller Bedeutung · von essenzieller Bedeutung · von grundlegender Bedeutung · wesentlich · wichtig  ●  basal fachspr. · eminent geh.
  • Auflage · Bedingung · Bestimmung · Eckpunkt · Erforderlichkeit · Festsetzung · Grundbedingung · Maßgabe · Muss · Pflicht · Zwang
  • (das ist) der Lauf der Welt · (das) ist einfach so · nicht zu ändern sein · so ist das Leben (eben) · so ist das nun mal · so ist es nun mal · so ist nun mal das Leben · so läuft das heute  ●  (das) ist halt so ugs. · (das) ist leider so ugs. · (es) ist nun mal so ugs. · Et kütt wie et kütt. ugs., kölsch · c'est la vie ugs., franz. · da kann man (eh) nichts machen ugs. · da machste nix (dran) ugs. · es ist, wie es ist ugs. · ist doch so! ugs. · ist so! ugs. · kann passieren ugs.
  • das können wir ihm nicht ersparen · das muss er (jetzt) aushalten  ●  da muss er jetzt durch ugs.
  • feststehend · gegeben · gottgegeben · vorbestimmt · vorgegeben
  • nicht (mehr) aufzuhalten · nicht (mehr) zu ändern  ●  perfekt ugs.
  • (es) fügt sich eins zum anderen · folgerichtig · in der Natur der Sache liegen · konsequenterweise · logischerweise · notwendigerweise · unvermeidlich · unweigerlich · zwangsläufig  ●  muss(te) so kommen ugs.
  • Der Zweck heiligt die Mittel. Sprichwort · Not kennt kein Gebot. Sprichwort
  • (es gibt) keine andere Möglichkeit · (es gibt) keinen anderen Ausweg · (etwas) geht nicht anders · (sich) nicht vermeiden lassen · als einzige Möglichkeit (bleiben) · alternativlos (sein) · das Einzige sein, was geht · die einzige Möglichkeit sein · es gibt keine Alternative (zu) · es muss sein · keine andere Möglichkeit sehen · keine andere Wahl haben · keinen (anderen) Ausweg finden · nicht anders können (und) · nicht umhinkommen (zu) · nicht umhinkönnen (um) · nichts anderes tun können (als) · unvermeidbar sein  ●  (an etwas) führt kein Weg vorbei fig. · (an etwas) geht kein Weg vorbei. fig. · In der Not frisst der Teufel Fliegen. Sprichwort · es sich nicht (immer) aussuchen können Spruch · Es muss (einfach). ugs., Spruch · Wat mutt, dat mutt. ugs., Sprichwort, norddeutsch · anders geht's (nun mal) nicht ugs. · nicht d(a)rum herumkommen ugs.

nicht zu leugnen · nicht zu widerlegen · unanfechtbar · unangreifbar · unbestreitbar · unbezweifelbar · unleugbar · untrüglich (Indiz / Zeichen / Beweis für) · unwiderlegbar · unwiderleglich · unzweifelhaft · zweifelsfrei · zwingend  ●  wasserdicht (Beweis, Argumentation) fig. · hart (Fakten) ugs., fig. · nicht in Abrede zu stellen geh. · nicht wegzudiskutieren(d) ugs. · unabweisbar geh.
Assoziationen

dringend notwendig · unbedingt erforderlich · verbindlich · verpflichtend · zwingend · zwingend erforderlich · zwingend notwendig · zwingend vorgeschrieben  ●  mandatorisch geh., sehr selten · obligatorisch geh. · unabdingbar geh.
Assoziationen

notwendigerweise · unbedingt · unvermeidlich · unweigerlich · wohl oder übel · zwangsläufig · zwingend  ●  nolens volens geh., lat. · ob man will oder nicht ugs.
Assoziationen

erforderlich · geboten · notwendig · nötig · unabweisbar · unausweichlich · unentbehrlich · unerlässlich · unvermeidlich · zwingend · zwingend geboten  ●  (eine) conditio sine qua non geh., lat. · unbedingt nötig ugs.
Oberbegriffe
Assoziationen

(ein) Muss · (unbedingt) notwendig · kaum noch wegzudenken · nicht (mehr) wegzudenken · sollte man haben · unabdingbar · unbedingt dazugehören · unentbehrlich · unumgänglich · unverzichtbar · vonnöten · wichtig · zwingend · zwingend benötigt  ●  (ein) Must engl. · (sollte) in keiner Sammlung fehlen ugs., formelhaft · de rigueur geh., bildungssprachlich, franz. · gehört in jeden (gut sortierten ...) ugs., formelhaft · indispensabel geh., veraltet, bildungssprachlich
Oberbegriffe
Assoziationen
Zitationshilfe
„zwingend“, bereitgestellt durch das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/zwingend>.

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